OGH vom 21.06.2004, 10ObS238/03b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Oedendorfer und Dr. Karlheinz Kux (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef R*****, Gastwirt, *****, vertreten durch Brandstetter Pritz & Partner Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vertreten durch Dr. Paul Bachmann und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rückforderung von Krankengeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 72/03d-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 5 Cgs 215/02p-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hatte mit Bescheid vom den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Taggeldes vom 16. 5. bis sowie eines Krankengeldes ab dem mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei bereits mit wegen der Krankheiten Diabetes mellitus, Hypertonie, Spondylopathie und Depressionen ausgesteuert gewesen. Diese Grunderkrankungen seien auch für sich allein weiterhin für seine Arbeitsunfähigkeit kausal gewesen, weshalb eine ab dem hinzugetretene bösartige Darmerkrankung - infolge des kausalen Fortwirkens der ursprünglichen Erkrankungen - für den Zeitraum der Aussteuerung zu keinem neuerlichen Krankengeldbezug geführt habe, auch wenn sie für sich allein Arbeitsunfähigkeit bewirkt hätte.
Der Bescheid vom war seinerzeit vom Kläger mit der am eingebrachten Klage zu 5 Cgs 241/98b des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht bekämpft worden. In diesem Verfahren hat sich der Kläger auf den Standpunkt gestellt, dass er nach dem wieder arbeitsfähig geworden sei, bevor er am wegen der bösartigen Darmerkrankung operiert worden sei und sich anschließend einer Chemotherapie unterziehen habe müssen.
In dem Verfahren 5 Cgs 241/98b wurde vom Landesgericht Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht im zweiten Rechtsgang mit rechtskräftigem Urteil vom entschieden, dass die beklagte Partei schuldig sei, dem Kläger für die Zeit vom 16. 5. bis ein Taggeld sowie für die Zeit ab bis ein Krankengeld im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Das Gericht ging davon aus, dass jene Erkrankungen, die zum Krankengeld- bzw Taggeldbezug während 26 Wochen geführt hätten, den Kläger nicht gehindert hätten, seine organisatorischen Tätigkeiten sowie seine Aushilfstätigkeiten bei Personalengpässen in dem von ihm geführten Gastwirtschaftsbetrieb zu verrichten, sodass - bezogen auf seine bisherigen Tätigkeiten - keine Arbeitsunfähigkeit gegeben gewesen sei. Diese sei jedoch infolge der Tumorerkrankung für die Dauer des stationären Aufenthaltes und der Chemotherapie, bis einen Monat nach Abschluss der Chemotherapie eingetreten. Dem Kläger wurde daher für den Zeitraum vom 16. 5. bis Taggeld und für die Zeit vom bis Krankengeld für die Dauer von 26 Wochen zugesprochen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom stellte die beklagte Partei fest, dass für die Zeiträume vom bis sowie vom bis kein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Aufgrund des Urteils des Landesgerichts Wiener Neustadt vom sei es zu einer Verschiebung der Anspruchs- bzw Aussteuerungszeiträume gekommen. Der Kläger habe nunmehr folgende Ansprüche: Taggeldanspruch vom bis (18 Tage), Krankengeldanspruch vom bis (164 Tage), insgesamt 182 Tage, woraus sich ein Nachzahlungsanspruch von 7.198,10 EUR ergebe. Der Zeitraum vom bis sei ein neuer Aussteuerungszeitraum, in dem der Kläger für den Zeitraum vom bis durch 179 Tage Krankengeld im Umfang von 15.206,34 EUR ausbezahlt erhalten habe. Ein weiterer Aussteuerungszeitraum sei im Zeitraum vom bis gelegen, in dem der Kläger wiederum vom bis 48 Tage Krankengeld im Ausmaß von 1.655,62 EUR bezogen habe.
Das für diese Zeiträume zu Unrecht bezogene Krankengeld in Höhe von insgesamt 16.861,96 EUR werde zurückgefordert. Davon werde der Betrag von 7.198,10 EUR gegen das dem Kläger mit dem Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom für den Zeitraum vom bis zuerkannte Taggeld und das für den Zeitraum vom bis zuerkannte Krankengeld aufgerechnet.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage mit dem Begehren erhoben, die Beklagte schuldig zu erkennen, von der Rückforderung des vom bis sowie vom bis gebührenden Krankengeldes in Höhe von 16.861,96 EUR sowie von der Aufrechnung des zugesprochenen Betrags von insgesamt 7.198,10 EUR Abstand zu nehmen und diesen Betrag auszuzahlen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und verwies in seiner rechtlichen Beurteilung auf § 76 Abs 1 letzter Satz GSVG, wonach Geldleistungen zurückzufordern seien, wenn und soweit sich wegen eines nachträglich festgestellten Anspruchs auf Weiterleistung der Geld- und Sachbezüge herausstelle, dass sie zu Unrecht erbracht worden seien. Dies gelte unabhängig davon, ob dem Kläger die Verletzung einer Mitteilungspflicht oder ein anders subjektives Verschulden zur Last gelegt werden könne. Die Funktion des Krankengeldes als Surrogat für die Geld- und Sachbezüge aus dem Arbeitsverhältnis rechtfertige die Anwendung des § 76 Abs 1 letzter Satz GSVG auch auf Fälle, in denen sich wegen eines nachträglich festgestellten Anspruchs auf Weiterleistung des Krankengeldes herausstelle, dass Krankengeld zu Unrecht erbracht worden sei. Mit der Bestimmung werde eine nachträgliche Korrektur der Sozialversicherungsleistung ermöglicht, wenn ein sozialversicherungsrechtlicher Anspruch zu Unrecht gewährt worden sei. Da sich aufgrund des Urteils vom die Aussteuerungszeiträume verschoben hätten (§ 106 Abs 4 1. Satz iVm Abs 5 GSVG) und Krankengeldleistungen für die Zeiträume vom 14. 4. bis und vom 12. 9. bis zu Unrecht erbracht worden seien, sei der Rückforderungstatbestand des § 71 Abs 1 (letzter Satz) GSVG erfüllt. Innerhalb der neuen Aussteuerungszeiträume sei ein Krankengeld von 16.861,96 EUR ausbezahlt worden; dem stehe ein auszuzahlender Anspruch auf Tag- und Krankengeld im Gesamtbetrag von 7.198,10 EUR gegenüber.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Argumentation des Klägers könne im Ergebnis nicht gefolgt werden. Die vergleichsweise Heranziehung des § 143 Abs 1 Z 3 ASVG müsse schon deswegen scheitern, weil die beiden Sozialversicherungssysteme - nach dem ASVG und dem GSVG - von ihrer Basis her auf unterschiedlichen Sachverhalten aufbauten und daher gerade in der Frage der Einbeziehung des Tatbestands von Arbeitgeberleistungen nicht kompatibel seien. Unter diesem Aspekt überzeuge auch das Argument des Klägers nicht, mit der Weiterleistung der Geld und Sachbezüge könnten keine Leistungen des Sozialversicherungsträgers gemeint sein. Durch die im Vorverfahren festgestellte Leistungsverpflichtung der beklagten Partei sei es nachträglich zu einer Verschiebung der Aussteuerungszeiträume gekommen, obgleich der Kläger zwischenzeitig für Zeiträume, die nunmehr der Aussteuerung unterlägen, Kranken- und Taggeld bezogen habe. Die Nichtanwendbarkeit des § 76 Abs 1 letzter Satz GSVG auf derartige Fälle würde bedeuten, dass Versicherungsnehmer, die im Klagsweg eine Änderung der Aussteuerungszeiträume erreicht hätten, einen wesentlich umfangreicheren Krankengeld- und Taggeldbezug in Anspruch nehmen könnten als vom Gesetzgeber vorgesehen. Mit der Anwendung des § 76 Abs 1 letzter Fall GSVG auf Fälle, in denen sich wegen eines nachträglich festgestellten Bezugs von Krankengeld ergebe, dass ein sozialversicherungsrechtlicher Anspruch zu Unrecht erbracht worden sei, werde eine nachträgliche Korrektur der Sozialversicherungsleistung ermöglicht. § 76 Abs 1 letzter Satz GSVG stelle nicht auf die subjektive Einschätzung des Sachverhalts durch den Versicherten ab. Die Formulierung des § 76 Abs 1 letzter Satz GSVG sei ident mit der Bestimmung des § 107 Abs 1 letzter Satz ASVG, die nach der Rechtsprechung einen von subjektiven Momenten unabhängigen Rückforderungstatbestand bilde.
Die ordentliche Revision sei zulässig, da eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zum Rückforderungstatbestand des § 76 Abs 1 letzter Satz GSVG aufgrund einer Verschiebung von Aussteuerungszeiträumen fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
In der Revision wird vom Kläger nicht in Zweifel gezogen, dass für die hier in Frage stehenden, von der Rückforderung betroffenen Zeiträume Kranken- bzw Taggeld nicht zustand. Auch die Höhe der bezogenen Leistung wird nicht releviert. Bestritten wird ausschließlich das Vorliegen eines Rückforderungstatbestandes. Diesbezüglich wiederholt der Kläger seinen Standpunkt, durch den Gebrauch der Ausdrücke "Geld- und Sachbezüge" in § 107 ASVG und § 76 GSVG habe der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Rückforderung nur bei Zusammentreffen von Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis mit Sozialversicherungsleistungen ermöglichen solle; dies ergebe sich auch aus der Anfügung des Rückforderungstatbestandes im Zusammenhang mit dem Wirksamwerden des EFZG. Die Wortwahl des Gesetzgebers sei keineswegs so eindeutig, dass sich eine Anwendung des Rückforderungstatbestandes auf einander ausschließende Sozialversicherungsleistungen ergebe, wie der OGH in SSV-NF 2/29 gemeint habe. Eine extensive Auslegung eines Rückforderungstatbestandes zum Nachteil des Versicherten widerspreche dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung und sei daher unzulässig.
Die gemäß § 2 Abs 1 GSVG Pflichtversicherten können bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres für ihre Person eine Zusatzversicherung auf Kranken- und Taggeld abschließen (§ 9 Abs 1 GSVG). Für den Fall des Bestehens einer Zusatzversicherung auf Kranken- und Taggeld gebührt bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit an ein tägliches Krankengeld (§ 106 Abs 1 GSVG). Arbeitsunfähigkeit liegt nach § 106 Abs 3 GSVG vor, wenn und solange der Anspruchsberechtigte infolge Krankheit nicht oder nur mit Gefahr der Verschlechterung seines Zustandes oder der Erkrankung fähig ist, seiner bisherigen Beschäftigung nachzugehen.
Krankengeld ist bis zur Höchstdauer von 26 Wochen für ein und dieselbe Krankheit zu gewähren, selbst wenn während dieser Zeit zu derjenigen Krankheit, für die Krankengeld zuerst gewährt wurde, eine neue Krankheit hinzugetreten ist. Werden anspruchsberechtigte Versicherte nach Beendigung des Krankengeldbezuges vor Ablauf der Höchstdauer neuerlich innerhalb einer Frist von 12 Monaten infolge derjenigen Krankheit, für die bereits Krankengeld gewährt wurde, arbeitsunfähig, so sind diese Zeiten zur Feststellung der Höchstdauer zusammenzurechnen (§ 106 Abs 4 GSVG). Hat ein anspruchsberechtigter Versicherter bereits für 26 Wochen (hintereinander oder insgesamt) für ein und dieselbe Krankheit Krankengeld bezogen, erlangt er nach § 106 Abs 5 GSVG erst wieder nach Ablauf von einem Jahr - gerechnet vom Tag der Aussteuerung an - einen neuen Anspruch auf Krankengeld.
Der Anspruch auf Krankengeld ruht unter anderem dann, wenn der Versicherten auf Rechnung des Versicherungsträgers Anstaltspflege erhält (§ 107 Abs 1 Z 2 GSVG). In diesem Fall hat der Versicherte einen Anspruch auf Taggeld anstelle des Krankengeldes (§ 108 Abs 1 GSVG). Der Zeitraum, für den Taggeld gemäß § 108 Abs 1 GSVG gewährt wird, ist auf die Höchstdauer des Krankengeldanspruchs anzurechnen (§ 108 Abs 2 GSVG).
Zu Unrecht erbrachte Geldleistungen sowie den Aufwand für zu Unrecht erbrachte Sachleistungen hat der Versicherungsträger gemäß § 76 Abs 1 GSVG zurückzufordern, wenn der Leistungsempfänger bzw Zahlungsempfänger den Bezug (die Erbringung) durch bewusst unwahre Angaben, bewusste Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften herbeigeführt hat oder wenn der Leistungsempfänger bzw Zahlungsempfänger erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Geldleistungen sind ferner zurückzufordern, wenn und soweit sich wegen eines nachträglich festgestellten Anspruchs auf Weiterleistung der Geld- und Sachbezüge herausstellt, dass sie zu Unrecht erbracht wurden.
Dieser letzte Satz wurde mit der 17. GSVG-Novelle, BGBl 1990/295, angefügt. In den Gesetzesmaterialien (RV 1278 BlgNR 17. GP 10 f) wird dazu ausgeführt: "Mit diesem Änderungsvorschlag soll die rechtliche Möglichkeit der Rückforderung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen ausgedehnt und damit die im Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz bestehende Rechtslage an die des § 107 Abs 1 letzter Satz ASVG angepasst werden. Es betrifft dies besonders die Fälle im Zusammenhang mit der nachträglichen Feststellung eines Pensionsruhens gemäß § 61a GSVG bei nachträglicher Feststellung eins Krankengeldanspruches nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz."
Im ASVG war mit der 31. ASVG-Novelle, BGBl 1974/775, dem § 107 Abs 1 ASVG ein gleichlautender Satz angefügt worden ("Geldleistungen sind ferner zurückzufordern, wenn und soweit sich wegen eines nachträglich festgestellten Anspruches auf Weiterleistung der Geld- und Sachbezüge herausstellt, dass sie zu Unrecht erbracht wurden."). Die Bestimmung wird in den Gesetzesmaterialien (RV 1286 BlgNR 13. GP 15) folgendermaßen erklärt: "Das Entgeltfortzahlungsgesetz sieht bei Arbeitsunfällen einen anderen - längeren - Anspruch auf Entgeltfortzahlung vor als bei sonstigen krankheitsbedingten Arbeitsverhinderungen. Ob ein Arbeitsunfall vorliegt, wird häufig erst später festgestellt werden. Der Arbeitgeber wird daher bis zur Klärung zunächst nur das für eine krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung vorgeschriebene Entgelt leisten; für die anschließende Zeit hat der Krankenversicherungsträger Kranken-, Familien- oder Taggeld zu zahlen.
Wird dann nachträglich der Unfall, der die Arbeitsverhinderung herbeigeführt hat, als Arbeitsunfall anerkannt, gebührt dem Arbeitnehmer nach § 2 Abs 5 Entgeltfortzahlungsgesetz für einen längeren Zeitraum das Entgelt. Das bereits geleistete Krankengeld (Familien- oder Taggeld) gilt wegen des eingetretenen Ruhens als vom Versicherten zu Unrecht bezogen. Eine Rückforderung solcher zu Unrecht erbrachter Leistungen nach § 107 ASVG setzt nach der derzeitigen Gesetzeslage voraus, dass der Zahlungsempfänger erkennen musste, dass die Leistung nicht gebührte.
Neben den Geldleistungen aus der Krankenversicherung ist auch denkbar, dass in den angeführten Fällen ein Pensionsversicherungsträger gemäß § 302 ASVG für die Dauer eines Heilverfahrens Familiengeld (Taggeld) gewährt, obwohl der Versicherte für denselben Zeitraum einen Anspruch auf das Entgelt hat.
Ein Versicherter soll im Erkrankungsfall auch dann die aus der Sozialversicherung in Betracht kommenden Geldleistungen erhalten, wenn seine arbeitsrechtlichen Ansprüche auf Entgeltfortzahlung noch nicht eindeutig feststehen. Nach deren nachträglicher Feststellung soll der Versicherte aber die bereits bezogene Geldleistung nicht neben dem Lohn behalten können. Durch die Aufnahme einer diesbezüglichen Bestimmung im § 107 Abs 1 soll dem Versicherungsträger die Möglichkeit einer Rückforderung in den angeführten Fällen eröffnet werden."
In seiner Entscheidung vom , 10 ObS 51/88(SSV-NF 2/29), hat sich der Oberste Gerichtshof eingehend mit § 107 Abs 1 letzter Satz ASVG auseinandergesetzt und dargestellt, dass sich die Wortfolge "Geld- und Sachbezüge" im Ersten Teil, Abschnitt V des ASVG im Rahmen der Bestimmungen über die Regelung der Beiträge zur Pflichtversicherung findet. § 49 Abs 1 ASVG bestimmt, dass unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen sind, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst-(Lehr-)Verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienst-(Lehr-)Verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. "Geld- und Sachbezüge" ist damit, was sich auch aus § 44 Abs 1 ASVG ergibt, ein Begriff, dessen sich das Gesetz zur Definition des Arbeitsverdienstes, des Entgelts aus einer Erwerbstätigkeit bedient. Da es sich beim Krankengeld, das den durch die Arbeitsunfähigkeit erlittenen Entgeltverlust (zumindest teilweise) ersetzen und den Unterhalt des Versicherten während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit sicherstellen soll, um ein Surrogat für die Geld- und Sachbezüge aus einem Arbeitsverhältnis handelt, hat der Oberste Gerichtshof § 107 Abs 1 letzter Satz ASVG auch auf Fälle angewendet, in denen sich wegen eines nachträglich festgestellten Anspruchs auf Weiterleistung des Krankengeldes herausstellt, dass Pensionsbezüge zu Unrecht erbracht wurden. An sich wurde durch § 107 Abs 1 letzter Satz ASVG für Fälle, in denen sich wegen eines nachträglich festgestellten Bezuges aus einem Arbeitsverhältnis ergibt, dass ein sozialversicherungsrechtlicher Anspruch zu Unrecht erbracht wurde, eine nachträgliche Korrektur der Sozialversicherungsleistung ermöglicht, indem ein von subjektiven Momenten unabhängiger Rückforderungstatbestand geschaffen wurde. Die darin zum Ausdruck kommenden Grundsätze haben aber dasselbe Gewicht in Fällen, in denen sich zufolge einer nachträglichen Feststellung ergibt, dass zwei einander ausschließende Sozialversicherungsleistungen für einen identen Zeitraum gewährt wurden.
Der Oberste Gerichtshof sieht zum einen keinen Grund, aufgrund der Revisionsausführungen von dieser Ansicht abzugehen. Zum anderen können diese Grundsätze nicht nur dann gelten, wenn einander ausschließende Sozialversicherungsleistungen für einen identen Zeitraum aus verschiedenen Versicherungszweigen gewährt wurden bzw zustehen. Im Gegenteil muss die in der Entscheidung SSV-NF 2/29 aufgezeigte Wertung erst recht dann gelten, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die sich von ihrer Funktion her deckenden Sozialversicherungsleistungen aus demselben Zweig der Sozialversicherung stammen.
Im vorliegenden Fall steht allerdings nicht eine Doppelleistung im Vordergrund (wie ihn die Gesetzesmaterialien im Auge haben), sondern der Umstand, dass sich aufgrund eines nachträglich festgestellten Anspruchs auf Weiterleistung von Leistungen mit Einkommens(ersatz)funktion herausgestellt hat, dass bedingt (nur) durch diesen nachträglich festgestellten Anspruch der Anspruch für andere Zeiten wegfällt. Auch dieser Fall ist vom Gesetzeswortlaut des § 76 Abs 1 letzter Satz GSVG (§ 107 Abs 1 letzter Satz ASVG) eindeutig gedeckt.
Durch die in § 76 Abs 1 letzter Satz GSVG (§ 107 Abs 1 letzter Satz ASVG) normierten einschränkenden Voraussetzungen, insbesondere das Erfordernis der nachträglichen Feststellung eines Anspruchs, ist gewährleistet, dass durch eine breitere Anwendung dieses Rückforderungstatbestandes nicht den in § 76 Abs 1 Satz 1 GSVG (§ 107 Abs 1 Satz 1 ASVG) angeführten Rückforderungstatbeständen der Anwendungsbereich entzogen wird.
Zu Recht sind daher die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass es der nachträglich mit dem Urteil des Erstgerichts vom festgestellte Anspruch auf Taggeld bzw Krankengeld eine Verschiebung der Anspruchs- und Aussteuerungszeiträume bedingt hat, der zu einer Rückforderung von Geldleistungen iSd § 76 Abs 1 letzter Satz GSVG führt.
Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.