OGH vom 26.01.1995, 8ObA338/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Walter Zeiler und Gerald Kopecky in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Elfriede B*****, Betriebsratsvorsitzende, ***** vertreten durch Dr.Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Zentralbetriebsrat der K*****, reg GenmbH, ***** vertreten durch die Vorsitzende Erna D*****, diese vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wegen Anfechtung einer Zetralbetriebsratswahl (Streitwert S 500.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 33 Ra 67/94-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 17 Cga 148/93w-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 21.375,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.562,50 USt) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die K***** reg GenmbH war Inhaberin einer Vielzahl von Handels- und Produktionsbetrieben, welche unter Anwendung des Strukturverbesserungsgesetzes als Tochtergesellschaften (GesmbH) verselbständigt wurden. Diese selbständigen Tochtergesellschaften sind in einem Konzern der K***** reg GenmbH zusammengefaßt.
Die Klägerin ist Vorsitzende des Arbeiterbetriebsrates des Distributionszentrums H*****, eines Betriebes der K***** reg GenmbH. In dieser Funktion war sie zum Zentralbetriebsrat wahlberechtigt, dessen Wahl am stattfand.
Mit der am bei Gericht eingelangten Klage focht die Klägerin die Wahl mit der wesentlichen Begründung an, dieser Wahl hätten trotz des Protestes der Klägerin entgegen § 81 Abs 1 ArbVG nicht nur die Mitglieder der im Unternehmen errichteten Betriebsräte teilgenommen, sondern auch Betriebsräte von Betrieben, die nicht zum Unternehmen der K***** reg GenmbH gehörten, sondern von rechtlich selbständigen Kapitalgesellschaften, nämlich Tochtergesellschaften des K*****, betrieben würden. Mit der Zulassung von nicht wahlberechtigten Betriebsräten von Betrieben, die nicht zum Unternehmen der K***** reg GenmbH gehörten, sondern mit dieser bloß wirtschaftlich verflochten seien, seien wesentliche Bestimmungen des Wahlverfahrens verletzt worden. Insgesamt hätten die Betriebsräte von dreizehn Tochtergesellschaften an der Wahl des beklagten Zentralbetriebsrates teilgenommen.
Folgender Sachverhalt steht fest:
Im Unterschied zu ihren Tochtergesellschaften verfügt die K***** reg GenmbH selbst über mehrere Betriebe, für welche ein Zentralbetriebsrat zu wählen ist. Diese Wahl fand am statt; an ihr nahmen allerdings nicht nur die Betriebsräte jener Betriebe teil, die direkt zur K***** reg GenmbH gehören, sondern auch die Betriebsräte, welche in den Betrieben der dreizehn Tochtergesellschaften gewählt wurden. In den Zentralbetriebsrat wurden auch Betriebsräte von Tochtergesellschaften gewählt. Die einzelnen Tochtergesellschaften besitzen zwar rechtliche Selbständigkeit, werden jedoch von der Zentrale des K***** reg GenmbH aus gesteuert und verwaltet. Die Gesellschaften verfügen über keine eigene Buchhaltung und kein eigenes Rechnungswesen. Sämtliche Buchhaltungsarbeiten werden vom K***** reg GenmbH durchgeführt. Zahlungsanweisungen erfolgen nicht durch die Handelsgesellschaften, sondern allein durch den K***** reg GenmbH. Dieser behält sich die Durchführung des Geldverkehrs vor.
Die Geschäftsführer der Tochtergesellschaften sind bestellt, um den Vorschriften des Gesellschaftsrechtes Genüge zu tun. Sie haben nahezu keine eigenen Befugnisse. Sämtliche Entscheidungen werden von der Zentrale beim K***** reg GenmbH getroffen. Die Geschäftsführer haben die Zentrale zu fragen und sind dieser gegenüber weisungsgebunden. Die "ausgetöchterten" Gesellschaften betreiben nur im bescheidenen Ausmaß Handel mit dritten Personen. Sie dienen im wesentlichen dazu, den K***** reg GenmbH zu beliefern. Selbst erzeugte Produkte werden überwiegend dem K***** zur Verfügung gestellt. Die gegenseitige Verrechnung und die hiezu erforderlichen Buchhaltungsvorgänge werden vom K***** reg GenbH abgewickelt. Es handelt sich hiebei durchwegs um Verrechnungsposten, die nicht wie zwischen selbständigen Unternehmen üblich, jeweils ausgeglichen werden, sondern auch für längere Zeit offen bleiben. Die Geschäftsführer der Tochtergesellschaften besitzen außerdem keine Befugnis, selbständige Investitionen wahrzunehmen, auch hierüber entscheidet allein die Zentrale.
Die Tochtergesellschaften haben keine Personalverwaltung, sie können Arbeitnehmer weder selbständig aufnehmen noch kündigen. Die Personalverwaltung einschließlich der Gehaltsabrechnung wird von der Zentrale durchgeführt. Verrechnungstechnisch werden die einzelnen Gesellschaften mit den Personalkosten belastet. Von Kündigungen wird gemäß § 105 Abs 1 ArbVG der jeweilige Betriebsrat der Tochtergesellschaft nicht durch den Geschäftsführer der Tochtergesellschaft, sondern durch die Personalabteilung der Zentrale verständigt. Mit diesem wird auch die entsprechende Beratung durchgeführt. Sämtliche Angelegenheiten, die den Zentralbetriebsrat betreffen, werden von diesem gegenüber durch den K***** reg GenmbH wahrgenommen.
Die stattgefundenen Änderungen im gesellschaftlichen Bereich durch die Abspaltung der Tochtergesellschaften fand in der Unternehmensstruktur keinen Niederschlag; betriebs- und unternehmensorganisatorisch änderte sich durch die gesellschaftsrechtliche Maßnahme nichts.
Das Stammkapital der Tochtergesellschaften gehört jeweils zur Gänze der K***** reg GenmbH. Die Muttergesellschaft hat von dem ihr eingeräumten Recht, auf die Willensbildung der Geschäftsführungen in den Tochtergesellschaften einzuwirken, dahingehend Gebrauch gemacht, daß ein mehr oder weniger weitgehender Teil jener Leitungsmacht, die die Geschäftsführungen der Tochtergesellschaften als Betriebsinhaber der Tochterbetriebe auszuüben haben, tatsächlich von Organen der Muttergesellschaft ausgeübt werden, und zwar entweder in der Weise, daß die Organe der Muttergesellschaft aufgrund ausdrücklicher oder konkludenter Bevollmächtigung durch die Geschäftsführung der Tochtergesellschaften Willenserklärungen vornehmen oder aber, daß die Organe der Muttergesellschaft Willenserklärungen abgeben bzw Dispositionen vornehmen, die von den Geschäftsführern der Tochtergesellschaften nur mehr unverändert nachvollzogen werden. Von sonstigen Bevollmächtigungen bzw Betriebsführungsvereinbarungen unterscheidet sich die Situation bei der K***** reg GenmbH dadurch, daß der Betriebsführende bzw Bevollmächtigte selbst das Ausmaß und die Dauer der Delegation von Leitungsmacht der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft festlegt. Auf diese Weise greift die Muttergesellschaft direkt oder indirekt in die Geschäftsführung bzw Leitungsmacht der einzelnen Betriebe ein, insbesondere im Personalbereich, in dem Aufnahmen von Arbeitnehmern und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen von der Personalabteilung der Muttergesellschaft allein bestimmt wird. Auf einen Betrieb einer Tochtergesellschaft nimmt jeweils nur die Geschäftsführung dieser Tochtergesellschaft in weitgehendem Einvernehmen mit der Muttergesellschaft und die Muttergesellschaft selbst Einfluß, nicht aber die Geschäftsführung anderer Tochtergesellschaften.
Der beklagte Zentralbetriebsrat stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt außer Streit, beantragte jedoch die Abweisung des Klagebegehrens mit dem Vorbringen, die Tochtergesellschaften seien zwar unter Anwendung des Strukturverbesserungsgesetzes von der Muttergesellschaft abgespaltet worden, die Veränderungen hätten sich jedoch lediglich in Bereiche des Gesellschaftsrechtes vollzogen. Betriebs- und unternehmensorganisatorisch habe sich durch diese gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nichts geändert. Wegen der Unselbständigkeit der Tochtergesellschaften sei davon auszugehen, daß innerhalb des Konzerns nur ein Unternehmen vorhanden sei. Der Zentralbetriebsrat müsse daher auf jener Ebene angesiedelt werden, der die personellen Entscheidungen des Unternehmens treffe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und führte in rechtlicher Hinsicht aus, mangels Unternehmenseinheit sei die Wahl des Zentralbetriebsrates gemäß § 59 Abs 2 ArbVG unzulässig.
Das Berufungsgericht gab der gegen das erstgerichtliche Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge und bewertete den Entscheidungsgegenstand mit einem S 50.000,-- übersteigenden Betrag. Es erklärte, im wesentlichen stelle sich die Rechtsfrage, ob mehrere juristische Personen betriebsverfassungsrechtlich ein Unternehmen oder nur einen Konzern bilden könnten. § 40 Abs 4 ArbVG lege fest, daß ein Unternehmen, das mehrere Betriebe umfasse, die eine wirtschaftliche Einheit bildeten und vom Unternehmer zentral verwaltet würden, einen Zentralbetriebsrat zu bilden habe. Durch die ArbVG-Nov 1993 sei die zuvor installierte Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte als zusätzliches Organ in Konzernen zu einer Konzernvertretung ausgebaut worden. Gemäß § 40 Abs 4 a ArbVG könne nunmehr in Konzernen im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes 1965 oder des § 115 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung eine Konzernvertretung gebildet werden (§ 88 a ArbVG). Die beklagte Partei habe in ihrem Schriftsatz vom außer Streit gestellt, daß die näher angeführten dreizehn Tochtergesellschaften als juristische Personen des Handelsrechtes zum Konzern der K***** reg GenmbH gehörten. Die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Unternehmen sei unstrittig, die Abspaltung als eigene juristische Personen sei zufolge des Strukturverbesserungsgesetzes erfolgt. Unstrittig sei auch die Zusammenfassung dieser Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung der Muttergesellschaft. Die Grenze zwischen den Voraussetzungen für die Wahl des Zentralbetriebsrates gemäß § 40 Abs 4 ArbVG und der Konzernvertretung gemäß § 40 Abs 4 a ArbVG könne nur die sein, die der Gesetzgeber gezogen habe. Die einzelnen Unternehmen erfüllten zwar eindeutig den genannten Konzernbegriff und ließen somit die Bildung einer Konzernvertretung offen, sie erfüllten aber nicht in allen Punkten den Unternehmensbegriff des § 40 Abs 4 ArbVG, da nicht mehrere Betriebe eines Rechtsträgers vorlägen, sondern rechtlich selbständige Unternehmen.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die beklagte Partei wiederholt ihre schon zuvor getroffenen Rechtsausführungen, daß die mehreren Konzernunternehmen der K***** reg GenmbH ein einheitliches Unternehmen bildeten. Der Konzern sei aus einem einheitlichen Unternehmen hervorgegangen, es seien durch die Gründung diverser Tochtergesellschaften lediglich Änderungen im Firmenbuch erfolgt, die im Bereich des Tatsächlichen keinen Niederschlag gefunden hätten. Ohne Änderung der faktischen Organisation und der Entscheidungsstrukturen im (früher) einheitlichen Unternehmen würde anderenfalls mit einem "Handstreich" durch die Auflösung des Zentralbetriebsrates ein tiefer Schnitt in die gewachsene arbeitsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsstruktur erfolgen. Durch den Ausbau der Konzernvertretung in den §§ 88 a f ArbVG sollte die bisherige Struktur des Betriebsrates und Zentralbetriebsrates nicht beeinträchtigt werden. Sowohl auf der Ebene des Betriebes als auch des Unternehmens könnten zwei Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb oder ein gemeinschaftliches (gemeinsames) Unternehmen führen. In einem gemeinsamen Unternehmen sei statt einer Konzernvertretung ein Zentralbetriebsrat zu wählen. Der Gesetzgeber habe ein Mitbestimmungsdefizit nicht beabsichtigt, das arbeitsrechtliche Schutzprinzip stehe einer Einschränkung der Mitbestimmungsrechte entgegen. Im Gegensatz zur Entscheidung 8 Ob A 224/94, die einen anderen Sachverhalt betraf, gebiete eine teleologische Auslegung die Vermeidung zukünftiger Unwegsamkeiten in der Gesetzesanwendung. Es seien verstärkt die faktischen Verhältnisse zu berücksichtigen, wonach die Konzernunternehmen lediglich die Funktion einer Betriebsabteilung oder eines Unternehmensbestandteils hätten, sodaß sie als einheitliches Unternehmen zu werten seien. Es bestehe keine Rechtfertigung hiefür, ein Konzernunternehmen durch weitgehende Befreiung von betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten besserzustellen. Vielmehr sei der Entscheidung 9 Ob A 311-338/94 zu folgen, die auf die faktische Verfügungsmacht über den Betrieb abstelle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Da die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtig ist und mit der früher zur Konzernvertretung ergangenen Entscheidung des erkennenden Senates 8 Ob A 224/94 ( = ARD 4576/21/94) übereinstimmt, genügte es, auf die zutreffende Begründung hinzuweisen (§ 48 ASGG). Wegen der in einem größeren Rahmen geführten Diskussion zur Frage der Konzernvertretung ist es aber geboten, auf die gewichtigen Ausführungen in der Revision näher einzugehen.
Wie aus der in der Revision gebrauchten Wendung, durch einen "Handstreich" sei durch eine nur formelle Änderung im Firmenbuch ohne faktische Änderung des einheitlichen Unternehmenscharakters eine gewachsene Mitbestimmungsstruktur zum Nachteil der im Zentralbetriebsrat organisierten Belegschaft verändert worden, hervorgeht, wird der Sache nach ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten (vgl § 21 BAO) geltend gemacht bzw für eine "wirtschaftliche Betrachtungsweise" (vgl § 4 Abs 1 AÜG) eingetreten. Die Ausnützung der steuerrechtlichen Vorteile des Strukturverbesserungsgesetzes bedeutet aber noch keineswegs einen Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmacht in der Absicht, die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft zu beeinträchtigen. Ein schikanöses Vorgehen auch im Sinne der diesen Begriff erweiternden jüngeren Rechtsprechung (JBl 1994, 471) liegt nicht vor und wurde von der beklagten Partei auch nicht behauptet. Eine Ausgliederung von Unternehmensteilen zur Verbesserung einer Kostenstellenrechnung oder aus bilanztechnischen Gründen stellt eine wirtschaftliche Disposition des Arbeitgebers (Unternehmers) dar, die regelmäßig nicht der Überprüfung des Gerichtes unterliegt (vgl zur Provision 9 Ob A 235/90 = ARD 4237/30/91 = JUSZ 1991, 734 = NRsp 1991, 39; zur inhaltlichen Prüfung einer Weisung siehe SZ 64/20 = JBl 1991, 668 = DRdA 1991, 385). Die Wahl der Organisationsform steht grundsätzlich im Belieben des Unternehmers (vgl Tomandl, Verwirrungen um den Betriebs- und Unternehmensbegriff, ZAS 1994, 149, 157). Das Gesellschaftsrechtänderungsgesetz 1993, BGBl 459 (Gesetz über die Spaltung von Kapitalgesellschaften) ist zwar auf Genossenschaften nicht anwendbar, wozu noch kommt, daß die Beherrschung von Genossenschaften in einem Vertragskonzern abgelehnt wird (vgl Keinert, Aktuelle Probleme des Genossenschaftsverbunds, 29, 46 ff), zeigt aber, daß die Spaltung von Kapitalgesellschaften (Unternehmen) grundsätzlich vom Gesetzgeber in Anerkennung eines betriebswirtschaftlichen Bedürfnisses gebilligt wird. Daher stellt die Ausgliederung von Unternehmen bzw Unternehmensteilen aus einem früher rechtlich einheitlichen Unternehmen keine mißbräuchliche Vorgangsweise zur Benachteiligung der Belegschaft und ihrer gewachsenen Mitbestimmungsstruktur dar.
Die beklagte Partei argumentiert im wesentlichen damit, die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft würden durch die Umwandlung eines Unternehmens in einen Konzern beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung ist aber nicht erkennbar, wenn zu bisher vorhandenen Betriebsräten und einem Zentralbetriebsrat eine Konzernvertretung hinzutritt, wenngleich die personelle Grundlage zur Wahl des Zentralbetriebsrates und damit auch die Zahl seiner Mitglieder durch die Verkleinerung des Unternehmens infolge Ausgliederung von Unternehmensteilen verkleinert wird (vgl §§ 80 f ArbVG). Eine gewisse Erschwerung der Kommunikation und Information, indem den Betriebsräten in den "ausgetöchterten" Betrieben abhängige, dh im Konzernverhältnis von einer Konzernspitze abhängige Betriebsinhaber gegenüber stehen, bedeutet keinen allzu sehr ins Gewicht fallenden Nachteil für die Belegschaft als Träger von Mitbestimmungsrechten. Früher für das Gesamtunternehmen geschlossene Betriebsvereinbarungen bleiben im Falle der rechtlichen Verselbständigung von Betriebsteilen in ihrer Geltung unberührt (§ 31 Abs 5 ArbVG), später von der Konzernvertretung abgeschlossene Betriebsvereinbarungen können durch "Beitritt" der "ausgetöchterten" Unternehmen auch für diese wirksam werden (§ 113 Abs 5 letzter Satz ArbVG). Im übrigen ist für zahlreiche Mitwirkungsrechte durch kurze Fristen (vgl § 98 ArbVG "rechtzeitig"; § 101 ArbVG "unverzüglich"; § 105 Abs 1 ArbVG "fünf Arbeitstage" ua) eine hohe Effektivität gesichert. Eine gewisse Erschwerung der Kommunikation ist aber andererseits durch komplizierte Strukturen in Kauf zu nehmen, denn auch in den Fällen der Stellvertretung sowie der organschaftlichen Vertretung tritt eine gewisse Verzögerung im Informationsfluß und in der Willensbildung ein, ohne daß deshalb diese Rechtsfiguren in Frage gestellt würden. Für einen "Vertrauensschutz" der Belegschaft auf ein bestimmtes Organisationsmodell der Belegschaftsvertretung gibt es keinen ausreichenden Grund (Tomandl aaO, 157).
Die vom Revisionswerber geforderte verstärkte Berücksichtigung faktischer Verhältnisse darf nicht ungebührlich ausgeweitet werden. Nach der Kritik von F.Bydlinski an den "faktischen Vertragsverhältnissen" (Privatautonomie, 85 ff) ist es entbehrlich, an bloß faktische Vorgänge anzuknüpfen, wenn eine Lösung der Rechtsfragen mit rechtlichen Kategorien möglich ist. Anderenfalls besteht die Gefahr, vorschnell einen faktischen Vorgang hinzunehmen und von weiteren dogmatischen Bemühungen abzusehen.
Der Kritik des Rechtsmittelwerbers an der Auslegung des Konzernbegriffes durch den erkennenden Senat ist zu entgegnen, daß es bei einem relativ jungen Gesetz - BGBl 460/1993, wodurch die Arbeitsgemeinschaften von Betriebsräten zu einer Konzernvertretung mit Wirkung vom geändert wurde (vgl 8 Ob A 224/94) - der Rechtsprechung weniger gestattet ist, sich allzuweit von der Absicht des Gesetzgebers, der noch nicht die Beifügung "historisch" verdient, zu entfernen (vgl dazu Kerschner, DHG, Rz 32 zu § 3 gegen die teleologische Reduktion bei einem relativ jungen Gesetz). Zum Zeitpunkt der angefochtenen Wahl am hätte vor dem Inkrafttreten des § 88 a ArbVG idF des BGBlNr 460/1993 noch nicht einmal eine Konzernvertretung, sondern nur eine Arbeitsgemeinschaft von Betriebsräten konstituiert werden dürfen.
Grießer (Betriebsverfassungsrecht: Unternehmen und Konzern, ecolex 1994, 36, und in seiner Replik zu Schima, RdW 1994, 178) vertritt die Ansicht, mehrere rechtlich selbständige Unternehmen könnten unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich einer besonders engen organisatorischen Verflechtung, ein einheitliches Unternehmen, in dem folgerichtig statt einer Konzernvertretung ein Zentralbetriebsrat zu wählen ist, bilden. Abgesehen von der Ablehnung dieser Ansicht durch Tomandl (ZAS 1994, 149) und Schima (Rechtsträgerübergreifende Unternehmen im österreichischen Betriebsverfassungsrecht ? RdW 1994, 81) bestehen gegen die Annahme einer Identität des Unternehmens - und Konzernbegriffes erhebliche methodische Einwände.
Bei den im ArbVG gebrauchten Begriffen Betrieb - Unternehmen - Konzern handelt es sich um eine Typenreihe, bei der eine typologische Zuordnung vorzunehmen ist (zum Typenvergleich siehe F.Bydlinski Methodenlehre2, 543 ff) vergleichbar der typologischen Unterscheidung von Arbeitsvertrag - freier Arbeitsvertrag - Werkvertrag (F.Bydlinski, Verträge über ärztliche Leistungen, FS Kralik 345, 349). Bei einer solchen Typenreihe kann es sicherlich Überschneidungen geben, nur sprechen gegen die vom Revisionswerber und von Grießer geforderte Verdrängung des Konzernbegriffes durch den Unternehmensbegriff nachstehende Erwägungen:
1.) Bei drei verschiedenen Ausdrücken, nämlich bei Betrieb - Unternehmen - Konzern ist im Zweifel nicht zu vermuten, daß zwei davon, nämlich Unternehmen und Konzern, nahezu oder weitgehend ident sein können. Es ist nämlich nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber ohne Notwendigkeit den Ausdruck "Konzern", für den er im Gegensatz zum Unternehmen auf eine Legaldefinition verweist, häufig gleichbedeutend mit "Unternehmen" (vgl § 1 Abs 2 KSchG) verwendet oder den Ausdruck nach Belieben wechselt, um an einen gleichartigen Sachverhalt dieselben Rechtsfolgen, nämlich die Bildung eines Zentralbetriebsrates zu knüpfen.
2.) Für den Typus des Betriebes hat der Gesetzgeber in Kenntnis der Unschärfe einer typologischen Zuordnung und zur Vermeidung eines Mitbestimmungsdefizits die Gleichstellung einer Arbeitsstätte ermöglicht (§ 35 ArbVG). Eine vergleichbare Gleichstellung eines Konzerns mit einem Unternehmen, das nicht alle Merkmale eines Unternehmens im engeren Sinn aufweist, fehlt im Gesetz. Die "strenge" typologische Abgrenzung hilft im Vergleich zu einer Typenvermengung durch erhöhte Rechtsklarheit häufig zu erwartende Wahlanfechtungen zu vermeiden.
3.) Die Kompetzenzabgrenzung (§ 113 ArbVG) zwischen Betrieb - Unternehmen - Konzern gestattet eine Kompetenzübertragung (§ 114 ArbVG) durch Betriebsräte bzw den Betriebsausschuß an den Zentralbetriebsrat bzw durch den Zentralbetriebsrat an die Konzernvertretung, hingegen ist eine Kompetenzübertragung von einer Konzernvertretung an einen Zentralbetriebsrat hinsichtlich der in § 113 Abs 5 ArbVG angeführten Befugnisse nicht vorgesehen.
4.) Der Gesetzgeber kennt für besonders eng verflochtene Konzernunternehmen, denen eine Selbständigkeit weitgehend oder völlig fehlt, den besonderen Begriff der Organschaft bzw Organgesellschaft (vgl Kastner-Doralt-Novotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes5, 32; § 9 KStG;§§ 2 Abs 2 Z 2 UStG 1972 und UStG 1994). Es wäre daher für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen, die typologische Zuordnung von Unternehmen und Konzern in der von Grießer gewünschten Form dadurch zu vereinfachen, daß im Fall von Unternehmen mit Organgesellschaften jedenfalls ein einheitliches Unternehmen im Sinne des ArbVG anzunehmen und daher ein Zentralbetriebsrat statt einer Konzernvertretung zu bestellen sei. Gerade dadurch, daß der Gesetzgeber des ArbVG den Begriff (richtig Typus) des Konzerns durch Verweisung auf das Gesellschaftsrecht definiert, ohne eine eigenständige Definition des Konzerns im Sinne des ArbVG (vgl etwa § 16 Abs 1 letzter Satz UrlG zum Angehörigenbegriff im Sinne dieses Bundesgesetzes) in der Weise, daß unternehmensähnliche Konzerne als Unternehmen im Sinne des ArbVG anzusehen seien, zu versuchen, ist an der in der Vorentscheidung des erkennenden Senates (8 Ob A 224/94) vertretenen Auffassung zur Abgrenzung von Unternehmen und Konzern festzuhalten.
Ungeachtet des behaupteten Mitbestimmungsdefizites, dem leicht durch intensivierte Zusammenarbeit zwischen einem oder mehreren Zentralbetriebsräten und/oder Betriebsräten und einer Konzernvertretung abgeholfen werden kann, besteht keine Regelungslücke im Gesetz, die zur Förderung von Belegschaftsanliegen durch eine teleologische Reduktion des Konzernbegriffes geschlossen werden müßte.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1995:008OBA00338.940.0126.000 |