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OGH vom 10.02.1993, 9ObA21/93

OGH vom 10.02.1993, 9ObA21/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Mayer und Dr.Stein in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** S*****, Vertragsbediensteter, ***** vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Stadt I*****, vertreten durch Dr.Hansjörg Schweinester und Dr.Paul Delazer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Zuerkennung von Karenzurlaub (Streitwert 532.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 5 Ra 124/92-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 7.Feber 1992, GZ 43 Cga 203/91-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 19.177,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 3.196,20 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1986 als Vertragsbediensteter bei der beklagten Partei beschäftigt und als Sachbearbeiter im Sozialamt tätig. Seine Gattin gebar am das gemeinsame Kind Maximilian Theodor, das im gemeinsamen Haushalt aufwächst. Die Gattin des Klägers ist nichtamtsführende Gemeinderätin der beklagten Partei. Nichtamtsführenden Gemeinderäten der beklagten Partei steht monatlich ein Bezug von 18.993 S brutto zu, der sich aus einem Sonderbezug von 13.863 S und einem Auslagenersatz von 5.130 S zusammensetzt. Der Sonderbezug bildet die Bemessungsgrundlage für den Pensionsbeitrag. Der um den Pensionsbeitrag geminderte Bruttobezug wird 14 x jährlich ausgezahlt. Zusätzlich gebührt den Gemeinderäten pro Sitzung ein Sitzungsgeld von 500 - 600 S. Der Bezug unterliegt der Einkommensteuer. Viele Gemeinderäte leisten Spenden und schaffen Ehrengeschenke an, so daß von ihren Bezügen unter Berücksichtigung der zu leistenden Steuer und des tatsächlichen Sachaufwandes kaum etwas übrig bleibt. Die Fraktion, der die Gattin des Klägers angehört, hat den Grundsatzbeschluß gefaßt, daß Spenden nur für soziale Zwecke geleistet werden. Bei dieser Fraktion erhält jedes Gemeinderatsmitgleid einen bestimmten individuell festgesetzten Nettobetrag; der Rest geht als Clubbeitrag an die Fraktion, die auch die Steuer vom Gesamtbetrag entrichtet. Aus diesen Clubbeiträgen wird der gesamte Büroaufwand der Fraktion gedeckt. Die Gattin des Klägers hat darüber hinaus, ausgenommen die Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel von 200 - 300 S monatlich keine Auslagen zu tragen. Der Arbeitsaufwand der Gemeinderatsmitglieder hängt von der Größe der Fraktion und vom Umfang der Tätigkeit in den verschiedenen Ausschüssen ab. Die Fraktion, der die Gattin des Klägers angehört, ist klein und in zahlreichen Ausschüssen vertreten. Infolge ihrer gewissenhaften Vorbereitung, ihres Arbeitsstils und ihres Engagements arbeitet die Gattin des Klägers als Gemeinderätin ca 30 Stunden wöchentlich (ausgenommen die sitzungsfreien Monate August und September). In dieser Wochenstundenzahl ist zum Teil auch parteipolitische Tätigkeit enthalten.

Mit Schreiben vom teilte der Kläger der beklagten Partei mit, daß er beabsichtige, nach der Geburt des Kindes und dem Ende der Mutterschutzfrist Karenzurlaub zu nehmen. Am ersuchte er die beklagte Partei um Gewährung von Karenzurlaub vom Ende der Mutterschutzfrist bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes. Die beklagte Partei lehnte dieses Begehren ab. Am teilte der Kläger seinem Vorgesetzten mit, daß er ab Karenzurlaub konsumieren werde. Als er seinen Dienst trotz Aufforderung nicht antrat, sprach die beklagte Partei am die Entlassung des Klägers aus. Die Gattin des Klägers, die wegen der Entbindung vom bis beurlaubt war, übt ihr Gemeinderatsmandat wieder aus. Seit dem Ausspruch der Entlassung des Klägers erhält sie von ihrem Club den gesamten Bezug sowie die Sitzungsgelder nach Abzug der Steuern.

Der Kläger begehrte, die beklagte Partei zu verpflichten, ihm in der Zeit vom bis Karenzurlaub zu gewähren, in eventu die Feststellung, daß er in diesem Zeitraum Karenzurlaub konsumiere.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Karenzurlaub nach dem Tiroler Eltern-Karenzurlaubsgesetz (Tir EKUG) lägen nicht vor, weil es sich bei der Ausübung des Gemeinderatsmandates durch die Gattin des Klägers nicht um eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 lit b dieses Gesetzes handle.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Nach § 2 Abs 1 lit b Tir EKUG sei für den geltend gemachten Anspruch Voraussetzung, daß die Mutter infolge einer Erwerbstätigkeit an der Betreuung des Kindes verhindert sei. Nach den Gesetzesmaterialien sei unter Erwerbstätigkeit im Sinne dieser Bestimmung eine selbständige Tätigkeit als Bäuerin, Gewerbetreibende oder freiberuflich tätige Frau zu verstehen. Die Lehre vertrete dazu die Ansicht, daß auch Tätigkeiten auf Werkvertragsbasis, etwa als Buchhalterin oder Dolmetscherin Erwerbstätigkeiten im Sinne dieser Bestimmung seien. Diese Tätigkeiten seien jedoch mit der Ausübung eines Gemeinderatsmandates nicht vergleichbar. Die Tätigkeit eines Gemeindefunktionärs begründe kein Dienstverhältnis, sondern sei ein politisches Amt. Die Mitgliedschaft zu einem kollegialen Gemeindeorgan sei ehrenamtlich; zum Wesen dieser Tätigkeit gehöre, daß der Funktionär für diese Tätigkeit keine Besoldung erhalte. Die Rückvergütung tatsächlicher Auslagen stehe dem nicht entgegen; die Aufwandsentschädigungen unterlägen auch weder der Sozialversicherung noch der Lohnsteuer. Das geltende Innsbrucker Stadtrecht bezeichne zwar das Amt des Gemeinderates nicht mehr ausdrücklich als Ehrenamt, doch sei die Ausübung der Funktion des Gemeinderates weder als selbständige noch als unselbständige Erwerbstätigkeit zu werten, weil sie nach dem durch das Gesetz vorgezeichneten Typus nicht die Schaffung von Einkünften bezwecke. Darauf weise auch § 253 a Abs 2 ASVG idF der 39.ASVG-Novelle hin, der bestimme, daß die im § 23 Abs 2 BezügeG bezeichneten Bezüge als Erwerbseinkommen auf Grund einer Erwerbstätigkeit zu gelten haben. Wäre der Gesetzgeber der Ansicht gewesen, daß es sich bei diesen Bezügen um Erwerbseinkommen handle, hätte es dieser Novellierung nicht bedurft. Durch die Gewährung von Bezügen an Mandatare politischer Organe solle vermieden werden, daß die Beschäftigung mit politischen Belangen nur jenen Bürgern offenstehe, die imstande seien, aus eigenen Mitteln den mit der Ausübung ihrer Ämter verbundenen Aufwand zu tragen. Eine ausreichende finanzielle Absicherung liege im Interesse der Förderung der Objektivität der Amtsausübung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige. Das Argument, daß die Bezüge, die über den Aufwandersatz hinausgehen, auch den Zweck haben, den Zugang zu einem öffentlichen Amt auch solchen Personen zu ermöglichen, die auf das Einkommen aus ihrer Tätigkeit angewiesen seien, treffe in vollem Ausmaß nur auf eine Funktion zu, neben der die Ausübung einer vollen Berufstätigkeit im allgemeinen nicht mehr möglich sei. Die Funktion eines Gemeinderates der beklagten Partei werde aber durchwegs von Personen ausgeübt, die daneben noch eine volle Berufstätigkeit ausüben. Dafür, ob eine Tätigkeit als Erwerbstätigkeit bezeichnet werden könne, sei der aus der Tätigkeit verbleibende reine Erwerb im Verhältnis zu Zeitaufwand von entscheidender Bedeutung. Berücksichtige man, daß einem Gemeinderat in der gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Situation nur ein verhältnismäßig geringer und von vornherein nicht bestimmbarer Teil der Gemeinderatsentschädigung für den persönlichen Bedarf bleibe, könne nicht angenommen werden, daß die Tätigkeit eines Gemeinderates der beklagten Partei im Hinblick auf den damit erzielten Erwerb ausgeübt werde. In Wahrheit stehe wohl bei allen Mandataren die politische Aufgabe im Vordergrund; das erworbene Einkommen sei höchstens eine Abgeltung dessen, was der betreffende Mandatar bei seinen Fähigkeiten durch eine anderweitige Tätigkeit in der aufgewendeten Zeit erwerben könnte. Auch wenn die Ausübung des Mandates zur Folge habe, daß dem Mandatar daraus in einem gewissen Umfang ein Einkommen verbleibe, handle es sich doch nicht um eine Erwerbstätigkeit. Wohl habe die Fraktion der Gattin des Klägers mit einem Betrag von 9.000 S monatlich von ihren Bezügen eine entsprechende Alimentation überlassen, doch sei nicht wesentlich, was der Gattin des Klägers letztlich von ihren Bezügen übrig geblieben sei. Entscheidend sei vielmehr die Gesamtsituation der Gemeinderatsmitglieder. Der Umstand, daß dem Großteil der Gemeinderatsmitglieder von den Bezügen nur ein verhältnismäßig geringer Teil als Einkommen verbleibe, spreche dagegen, diese Tätigkeit als Erwerbseinkommen zu qualifizieren.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag die angefochtene Entscheidung in klagestattgebendem Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die in der Revision gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Gemäß § 2 Abs 1 Tiroler EKUG, das auf das Dienstverhältnis des Klägers Anwendung zu finden hat, ist einem männlichen Arbeitnehmer Urlaub gegen Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes zu gewähren, wenn er mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, das Kind überwiegend selbst betreut und a.) die Mutter einen Anspruch auf Karenzurlaub aus Anlaß der Mutterschaft nach österreichischen Rechtsvorschriften hat oder b.) die Mutter keinen Anspruch auf Karenzurlaub hat, jedoch infolge Erwerbstätigkeit an der Betreuung des Kindes verhindert ist. Strittig ist im vorliegenden Fall lediglich die Frage, ob die Gattin des Klägers eine Erwerbstätigkeit ausübt; die übrigen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch werden von der beklagten Partei nicht in Frage gestellt.

Bereits das Erstgericht ist zutreffend zum Ergebnis gelangt, daß es sich bei der Entschädigung, die die Gattin des Klägers für die Ausübung ihres Mandates im Gemeinderat der beklagten Partei bezieht nicht um ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit handelt; es hat sich dazu im wesentlichen auf die Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl 89/08/029 gestützt.

§ 23 Abs 2 Bezügegesetz bestimmt, daß § 94 ASVG,§ 60 GSVG,§ 56 BSVG,§ 10 FSVG,§ 26 NVG und § 40 a des Pensionsgesetzes 1965 auf Bezüge nach Abschnitt I dieses Bundesgesetzes (§ 1 Abs 1 BezügeG), sowie auf Bezüge von obersten Organen der Vollziehung, Bürgermeistern und Mitgliedern des Stadtsenates von Städten mit eigenem Statut oder Mitgliedern von Organen der Gesetzgebung nach vergleichbaren landesgesetzlichen Regelungen anzuwenden ist. Wohl wurden die in dieser Norm genannten Ruhensbestimmungen der Sozialversicherungsgesetze inzwischen durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben, doch ist § 23 Abs 2 BezügeG dadurch nicht inhaltsleer geworden, zumal die noch aufrechten Bestimmungen des § 253 a Abs 2 und § 253 b Abs 1 lit d und Abs 2 ASVG,§ 131 Abs 1 lit d GSVG,§ 122 Abs 1 lit d BSVG mit den Worten:

"als Erwerbseinkommen gelten auch die im § 23 Abs 2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezüge" weiterhin auf diese Bestimmung verweisen. Danach gelten die in § 23 Abs 2 BezügeG genannten Bezüge bei Prüfung der Voraussetzungen für das Entstehen und den Wegfall des Anspruches auf die vorzeitige Alterspension als Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit. Durch diese Regelung ist klargestellt, welche Arten von Bezügen oberster Organe und politischer Mandatare die für den Fall des Bezuges von Erwerbseinkommen angeordneten Rechtsfolgen auslösen. Da in der taxativen Aufzählung die Bürgermeister und geschäftsführende Gemeinderäte (Stadträte) von Gemeinden ohne eigenes Statut, nicht geschäftsführende Gemeinderäte aber überhaupt fehlen, sind deren Bezüge bei Anwendung der an den Bezug eines Erwerbseinkommens anknüpfenden Rechtsfolgen der genannten sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen außer Betracht zu lassen (idS auch Heindl-Löwenstein-Verosta, Österreichisches Recht Lfg 949 u 950, Anm 2 zu § 23 Abs 2 BezügeG). Diese Regelung bezieht sich zwar nach ihrem Wortlaut nur auf sozialversicherungsrechtliche Tatbestände, doch kommt darin zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber die genannten Bezüge grundsätzlich nicht als Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit behandelt; andernfalls hätte es dieser Bestimmungen nicht bedurft.

In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof in der genannten Entscheidung den Anspruch eines Bürgermeisters einer Gemeinde ohne eigenes Statut auf den Bezug von Arbeitslosengeld mit der Begründung bejaht, daß es sich bei seinen Bezügen nicht um Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit handle; die Ausübung der Funktion eines Bürgermeisters sei keine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit, weil sie nicht die Schaffung von Einkünften in Geld- oder Güterform bezwecke. Dieser Begriff der Erwerbstätigkeit sei auch dem § 12 AlVG zugrundezulegen. Dem ist beizutreten. Die im Katalog des § 23 Abs 2 BezügeG nicht genannte Entschädigung, die die Gattin des Klägers für die Ausübung ihres Gemeinderatsmandates bezieht, ist daher nicht als Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit zu qualifizieren. Es würde auch einen unüberbrückbaren Wertungswiderspruch bedeuten, wenn die Bezüge für die Tätigkeit eines Mitgliedes eines Gemeinderates bei der Anwendung der Bestimmungen über die vorzeitige Alterspension (und den Anspruch auf Arbeitslosengeld) nicht als Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit gelten, so daß die für den Leistungswerber bzw Leistungsbezieher sonst mit dem Bezug eines Erwerbseinkommens verbundenen nachteiligen Folgen nicht eintreten, dieselbe Tätigkeit aber in Fällen, die einen Anspruch an eine Erwerbstätigkeit knüpfen, als solche gewertet würde.

Die Ausübung des Gemeinderatsmandates durch die Gattin des Klägers ist daher keine Erwerbstätigkeit. Damit fehlt aber nach dem Tiroler EKUG die Grundlage für den Anspruch des Klägers. Die Vorinstanzen sind daher zu Recht zu einer klageabweisenden Entscheidung gelangt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.