OGH vom 09.03.2000, 8ObA332/99b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Richard Paiha und Dr. Heinz Paul als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der Antragstellerin Allgemeine Fachgruppe des Gewerbes der Wirtschaftskammer Oberösterreich, 4020 Linz, Hessenplatz 3, gegen den Antragsgegner Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie, 1040 Wien, Plößlgasse 15, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge feststellen, dass der Arbeitgeber einem überlassenen Arbeitnehmer für die Zeitdauer der Überlassung regelmäßig (nur) das kollektivvertragliche (Mindest-)Entgelt des für den Beschäftigerbetrieb anwendbaren Kollektivvertrages und nicht das allenfalls höhere "ortsübliche" Entgelt, ermittelt aufgrund nicht repräsentativer Umfragen von Betriebsratsmitgliedern oder nicht anwendbarer Lohnstatistiken, schulde, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist eine zur gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitgeber berufene Körperschaft im Sinne des § 4 Abs 1 ArbVG; die Kollektivvertragsfähigkeit des Antragsgegners ergibt sich aus § 4 Abs 2 ArbVG. Antragstellerin und Antragsgegner sind daher im Sinne des § 54 Abs 2 letzter Satz ASGG als Parteien des besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.
Die Antragstellerin beantragt wie im Spruch ersichtlich und bringt dazu im Wesentlichen vor wie folgt:
Der Antragsgegner habe in Medien und in Interventionsschreiben für einzelne Arbeitnehmer die Rechtsansicht vertreten, der überlassenen Arbeitskraft gebühre für die Zeit der Überlassung nicht bloß das kollektivvertragliche (Mindest-)Entgelt nach dem Beschäftiger-Kollektivvertrag, sondern das höhere "ortsübliche Entgelt einer Region". Dabei werde sinngemäß eine Aufforderung an überlassene Arbeitnehmer gerichtet, das "auf der Straße liegende höhere Entgelt" mit Hilfe des Antragsgegners "aufzuklauben". Der Antragsgegner berufe sich auf Erhebungen bei diversen Betriebsräten, die ergeben hätten, dass das kollektivvertragliche (Mindest-)Entgelt nach dem Arbeiterkollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie und dem Arbeiterkollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe durch das "ortsübliche" Entgelt zum Teil nicht unerheblich überschritten werde. Sämtliche anderen Lohnstatistiken stellten bestenfalls auf Bundesländer ab und zeigten kein für den Standort des Überlassers ortsübliches Entgelt. Außerdem werde nicht nach der für die Lohnhöhe oft entscheidenden Beschäftigungsdauer differenziert. Nach Medienberichten hätten sich bereits eine Unzahl von Arbeitnehmern, die bei Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen beschäftigt seien, an die Arbeiterkammer und den Antragsgegner gewandt, um entsprechende Ansprüche geltend zu machen.
Nach den grundlegenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs SZ 64/161 und Arb 10.979 zu § 10 Abs 1 AÜG habe der Arbeitnehmer eines Arbeitskräfteüberlassers während der überlassungsfreien Zeit ("Stehzeit") Anspruch auf das angemessene, ortsübliche Entgelt, wobei ortsüblich auf die Region des Standortes des Überlassers abstelle; während der Dauer der Überlassung bestimme sich das Entgelt nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebes, nicht aber nach dem im Beschäftigerbetrieb gezahlten überkollektivvertragliche Entgelt. Weder in freien noch in zulässigen Betriebsvereinbarungen enthaltene Entgeltregelungen für die Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebes seien auf die überlassene Arbeitskraft anzuwenden. In DRdA 1993/46 und in DRdA 1994/1 habe der Oberste Gerichtshof ua ausgesprochen, dass der Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs auf das Arbeitsverhältnis der überlassenen Arbeitskraft nicht unmittelbar einwirke; er sei nur über den Umweg der Angemessenheit des Entgeltes zu berücksichtigen. Die Höhe des Entgeltes der überlassenen Arbeitskraft richte sich nach dem für den Überlasser geltenden Kollektivvertrag. Bestehe kein solcher Kollektivvertrag, habe die Arbeitskraft jedenfalls Anspruch auf ein angemessenes, auf den Standort des Überlasser bezogenes ortsübliches Entgelt. Für die Dauer der Überlassung sei bei Beurteilung der Angemessenheit auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt "Bedacht zu nehmen". Dieser Anspruch stehe der Arbeitskraft unabhängig davon zu, ob im Überlasserbetrieb ein Kollektivvertrag existiere. Bei dieser Bedachtnahme komme es allein auf die Mindestentgelte des auf den Beschäftigerbetrieb anzuwendenden Kollektivvertrages an. Es könnten nicht alle Bestimmungen dieses Kollektivvertrags, die sich auf den Entgeltanspruch der Arbeitnehmer beziehen - insbesondere soweit sie nicht ziffernmäßig bestimmte Mindestentgelte regeln - für überlassene Arbeitskräfte unmittelbar und ohne Modifikation angewendet werden, zumal die überlassene Arbeitskraft nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Beschäftiger stehe. Das Herausnehmen einzelner Detailregelungen sowohl aus dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs als auch aus der Grundvereinbarung ("Rosinentheorie") sei nicht möglich.
Ein im Sinne des § 3 Abs 2 ArbVG anzustellender Günstigkeitsvergleich sei aber nur zwischen einem Beschäftiger-Kollektivvertrag und einem Kollektivvertrag des Überlassers anzustellen. Bestehe für die Überlasser kein Kollektivvertrag, sei ein solcher Günstigkeitsvergleich nicht vorzunehmen. Für den Fall, dass ein Kollektivvertrag im Überlasserbetrieb nicht existiere - wie dies derzeit für die Arbeiter der Fall sei - könne ein höheres ortsübliches Entgelt in der Region des Überlasserbetriebs nicht das niedrigere "Ist-Entgelt" des Kollektivvertrages des Beschäftigerbetriebs verdrängen. Gegenteiliges hätte der Gesetzgeber ausdrücklich anordnen müssen. Für diesen Standpunkt spreche auch der Umstand, dass das kollektivvertragliche Mindestentgelt leicht feststellbar sei, während das ortsübliche Entgelt nur durch schwierigere Erhebungen (demoskopische Umfragen oder Auskunft des AMS) zu erheben sei, wobei Zweifel, ob derartige Erhebungen repräsentativ seien, nicht völlig auszuschließen seien. Dazu komme, dass das ortsübliche Entgelt am Standort des Überlassers regelmäßig niedriger sein dürfte, als das kollektivvertragliche Mindestentgelt nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs. Wäre dies ausnahmsweise nicht der Fall und hätten die überlassenen Arbeitnehmer einen höheren Entgeltanspruch als die Ist-Löhne vergleichbarer Arbeitnehmer im Beschäftigerbetrieb, wäre dies eine Diskriminierung der Stammarbeiter, ohne dass es möglich wäre, im Rahmen des Günstigkeitsvergleiches mit dem kompensatorischen Effekt der im Übrigen besseren arbeitsrechtlichen Absicherung der Stammarbeitnehmer zu argumentieren. Für Arbeiter gelte daher, dass ein Kollektivvertrag des Beschäftigers die Angemessenheit und Ortsüblichkeit als Bestimmungsmerkmal des Entgeltes gemäß § 10 Abs 1 erster Satz AÜG für die Dauer der Überlassung gemäß § 10 Abs 1 dritter Satz AÜG verdränge.
"Es soll(e) nicht mit Stillschweigen übergangen werden", dass der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen zu § 10 Abs 1 dritter Satz AÜG "die Einschränkung" gemacht habe, dass der Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs dann nicht anwendbar sei, wenn das höhere Grundentgelt (nach § 10 Abs 1, Satz 1 und 2 AÜG) das Mindestentgelt nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebes überschreite. Theoretisch bestehe also die Möglichkeit, dass das Grundentgelt höher wäre als das Mindestgehalt nach dem für den Beschäftigerbetrieb geltenden Kollektivvertrag. Dieser Sachverhalt sei "rechtstatsächlich so ungewöhnlich selten, dass er im Sinne einer typisierenden Durchschnittsbetrachtung vernachlässigt werden" könne. Überdies könne einer Norm kein Sinn unterstellt werden, der sie praktisch unanwendbar oder nur mit äußersten Schwierigkeiten anwendbar machte bzw. der den Normunterworfenen, der auf schwierige und anfechtbare Erhebungen angewiesen wäre, in rechtsstaatlich bedenklicher Weise überfordern würde. Im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung einfachen Gesetzesrechtes könne eine solche Handlungspflicht dem Überlasser nicht auferlegt werden. Eine andere Fallkonstellation, die zur Bedachtnahme auf das Ist-Entgelt des Beschäftigerbetriebs führe, habe der Oberste Gerichtshof in Arb 10.977 angedeutet, und zwar für den Fall, dass die überlassene Arbeitskraft nur für den Einsatz in einem bestimmten Industriezweig vom Überlasser aufgenommen worden sei. Insofern habe der VwGH in RdW 1996, 589 überzeugend gegen den Standpunkt des Obersten Gerichtshofs Stellung genommen. Beide Fälle (Sitz des Überlassers in einer Hochlohn-Region und Überlassung an einen Beschäftiger mit einem Niedrig-Lohn-Kollektivvertrag; Aufnahme der Arbeitskraft nur für den Einsatz in einem Hochlohn-Industriezweig) seien so selten und daher unwahrscheinlich, dass sie für die Zwecke dieses Feststellungsantrages im Sinne einer typisierenden Betrachtungsweise vernachlässigt werden könnten.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurück-, in eventu, ihn abzuweisen. Seine Fassung sei derart mangelhaft, dass kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung bestehe. Dass niemand Anspruch auf ein falsch ermitteltes "ortsübliches" Entgelt habe (ermittelt auf Grund nicht repräsentativer Umfragen bei Betriebsräten oder nicht anwendbarer Lohnstatistiken), sei evident und unstrittig. Soweit sich aus dem Antragsvorbringen gerade noch erschließen lasse, welche Feststellung die Antragstellerin tatsächlich anstrebe, werde ihr widersprochen. Allerdings stehe auch der Antragsgegner auf dem Rechtsstandpunkt, dass der überlassene Arbeitnehmer für die Dauer des Einsatzes beim Beschäftiger keinen Anspruch auf Zahlung des betriebsüblichen Ist-Lohns habe. Unrichtig sei aber die Meinung der Antragstellerin, das "ortsübliche und angemessene" Entgelt iS des § 10 Abs 1 erster Satz AÜG stehe nur für Stehzeiten zu und werden für die Dauer des Einsatzes von den Mindestlohntabellen des jeweiligen Beschäftigerkollektivvertrages verdrängt. Vielmehr stimmten Lehre und Rechtsprechung darin überein, dass - mangels eines Kollektivvertrages für die Arbeitskräfteüberlasser - bei der Festsetzung des Grundentgeltes nicht nur ein möglichst sacheinschlägiger Kollektivvertrag, sondern auch eine ortsübliche Überzahlung der kollektivvertraglichen Mindestentgelte zu berücksichtigen sei. Dieser höhere Grundentgeltanspruch bleibe auch während der Dauer eines Einsatzes unberührt. Andernfalls könnte sich die eigenartige und vom Gesetzgeber sicher nicht gewollte Situation ergeben, dass für Zeiten einer Überlassung ein niedrigerer Entgeltanspruch bestehe, als für die "Stehzeit". Träfe es im Übrigen zu, dass das ortsübliche Entgelt regelmäßig niedriger sei, als der Kollektivvertrag des Beschäftigers, wäre der Feststellungsantrag mangels rechtlichen Interesses und mangels dreier betroffener Arbeitnehmer zurückzuweisen. Der Einwand, dass das angemessene und ortsübliche Entgelt nicht feststellbar sei, sei geradezu rechtsmissbräuchlich, weil der in § 1152 ABGB normierte, auf ein solches Entgelt gerichtete Anspruch immer handhabbar gewesen sei. Zudem führe die Antragstellerin selbst Statistiken, aus denen sich für jeden politischen Bezirk die jeweiligen ortsüblichen Löhne ergeben. Überdies müsse das nach eben diesen Grundsätzen zu ermittelnde Grundentgelt, das jedenfalls (auch) für Stehzeiten zu gewähren sei, ohnedies im Dienstzettel vereinbart werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag ist aus folgenden Überlegungen abzuweisen:
Zum besseren Verständnis des unübersichtlichen Antragsvorbringens bedarf es der Darstellung der wesentlichen Grundzüge der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der für die Entgeltansprüche der überlassenen Arbeitskraft maßgebenden Bestimmung des § 10 Abs 1 AÜG:
Nach Satz 1 dieser Bestimmung hat die Arbeitskraft Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt, das mindestens einmal monatlich auszuzahlen ist. Gemäß Satz 2 bleiben Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, unberührt. Schließlich ist gemäß Satz 3 bei der Beurteilung der Angemessenheit für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen. Mit Satz 1 und2 dieser Bestimmung wird der gemäß § 11 Abs 1 Z 1 AÜG schon vor Überlassung zwischen Überlasser und Arbeitskraft unabhängig von der einzelnen Überlassung zu vereinbarende Entgeltgrundanspruch inhaltlich geregelt, während Satz 3 eine ergänzende Regelung für die Zeit der Überlassung trifft (SZ 64/161).
Satz 1 des § 10 Abs 1 AÜG ist im Zusammenhalt mit Satz 2 der zitierten Gesetzesstelle dahin zu verstehen, dass für das Grundentgelt in erster Linie eine für den Überlasserbetrieb geltende kollektivvertragliche Regelung maßgebend ist. Lediglich dann, wenn kein Kollektivvertrag für den Überlasserbetrieb besteht, ist der Grundanspruch nach Satz 1 zu bestimmen, wobei in diesem Fall nicht nur ein möglichst sacheinschlägiger Kollektivvertrag, sondern auch eine ortsübliche Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestentgeltes zu berücksichtigen ist. Dabei ist der Begriff der "Ortsüblichkeit" in § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG auf den Standort des Betriebes des (inländischen) Überlassers zu beziehen, wobei im Hinblick darauf, dass es dort allenfalls gar keine Betriebe gibt, die die zwischen Überlasser und Arbeitskraft vereinbarten Dienste in Anspruch nehmen, nicht auf das in der Ortsgemeinde übliche Lohnniveau, sondern auf das Lohnniveau der betreffenden als einheitlicher Arbeitsmarkt in Betracht kommenden Region abzustellen ist (SZ 64/161).
Für die Dauer der Überlassung ist gemäß § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG bei der Beurteilung der Angemessenheit auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt "Bedacht zu nehmen", wobei der Ausdruck "Bedachtnahme" iS eines Anspruchs der überlassenen Arbeitskraft auf die Mindestentgelte nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs (nicht aber auf die überkollektivvertraglichen Istlöhne) zu verstehen ist (SZ 64/161; Arb 10.979; DRdA 1993/46; DRdA 1994/1 ua). Dieser Anspruch steht der Arbeitskraft unabhängig davon zu, ob im Überlasserbetrieb ein Kollektivvertrag existiert (DRdA 1994/1). Ein höherer Grundentgeltanspruch bleibt unberührt (SZ 64/161).
Mit dem größten Teil ihres Vorbringens stellt sich die Antragstellerin hingegen erkennbar auf den Rechtsstandpunkt, dass dem überlassenen Arbeitnehmer für die Zeit der Überlassung ein über den Mindestentgelten des Kollektivvertrages im Beschäftigerbetrieb liegendes höheres Grundentgelt iS § 10 Abs 1 Satz 1 und 2 AÜG nur dann zustehe, wenn sich dieses Grundentgelt nach einem für den Überlasser geltenden Kollektivvertrag richte. Bestehe ein solcher Kollektivvertrag nicht und bestehe das Grundentgelt daher in einem angemessenen, auf den Standort des Überlassers bezogenen Entgelt iS § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG, habe der Arbeitnehmer für die Zeit der Überlassung nur Anspruch auf das (unter dieser Annahme niedrigere) Mindestentgelt nach dem für den Beschäftigerbetrieb geltenden Kollektivvertrag.
Mit dieser Rechtsauffassung befindet sich die Antragstellerin somit im Widerspruch zur wiedergegebenen Rechtsprechung, die sich auch auf zahlreiche Belegstellen in der Lehre berufen kann (Leutner/Schwarz/Ziniel, AÜG 110; Mazal, Arbeitskräfteüberlassung 38, 40; Schrank, Grundfragen des Entgeltanspruchs überlassener Arbeitnehmer nach § 10 Abs 1 AÜG,ZAS 1991, 49; Schwarz, Ausgewählte Rechtsfragen aus dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, DRdA 1988, 428).
Diesem Umstand trägt die Antragstellerin insofern Rechnung, als sie ihrem eben wiedergegebenen Standpunkt den Hinweis anschließt, es solle nicht "mit Stillschweigen übergangen werden", dass der Oberste Gerichtshof "die Einschränkung" gemacht habe, der Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebes sei dann nicht anwendbar, wenn das höhere Grundentgelt das Mindestentgelt nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebes überschreite. Dies stellt aber keine "Einschränkung" des Standpunktes der Antragstellerin dar, sondern steht dazu in unüberwindlichem Gegensatz. Damit setzt sich die Antragstellerin nicht auseinander, weil sie im folgenden den Standpunkt einnimmt, dass die Möglichkeit eines Grundentgeltes, das höher sei als das Mindestgehalt nach dem für den Beschäftigerbetrieb geltenden Kollektivvertrag, "rechtstatsächlich so ungewöhnlich selten" sei, dass sie "im Sinne einer typisierenden Durchschnittsbetrachtung vernachlässigt werden" könne. Vor diesem Hintergrund ist auch der Wortlaut der von der Antragstellerin begehrten Feststellung zu verstehen, dass "der Arbeitgeber einem überlassenen Arbeitnehmer für die Zeitdauer der Überlassung regelmäßig (nur) das kollektivvertragliche (Mindest-)Entgelt des für den Beschäftigerbetrieb anwendbaren Kollektivvertrages...." schulde. Damit wird deutlich, dass der Antragsteller seinen Antrag auf den von ihm als Regelfall bezeichneten Sachverhalt einschränkt, dass das Mindestentgelt des für den Beschäftigerbetrieb anwendbaren Kollektivvertrages höher ist, als das nach § 10 Abs 1 Satz 1 und 2 AÜG geschuldete Grundentgelt. Für diese Sachverhaltsvariante besteht aber überhaupt kein Auffassungsunterschied. Strittig ist ja nach dem eigenen (wenn auch undeutlichen, aber insofern letztlich unmissverständlichen) Vorbringen der Antragstellerin nur, was zu gelten hat, wenn das nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG ermittelte Grundentgelt höher ist, als das Mindestentgelt des für den Beschäftigerbetrieb anwendbaren Kollektivvertrages. Genau diesen Fall will aber die Antragstellerin offenbar "im Sinne einer typisierenden Durchschnittsbetrachtung" vernachlässigt wissen. Damit erreicht sie aber den Effekt, dass die begehrte Feststellung ihrem Wortlaut nach nur den unstrittigen Regelfall ("regelmäßig") betrifft, für die strittige Rechtsfrage aber keine Aussagen enthält.
Auch für den Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG muss - wie für die Feststellungsklage nach § 228 ZPO - ein rechtliches Interesse (Feststellungsinteresse) bestehen (SZ 71/51; DRdA 1999, 395; Kuderna, ASGG**2 Anm 12 zu § 54). § 54 Abs 5 ASGG, der normiert, dass Feststellungsanträge nach § 54 Abs 2 ASGG auch dann erhoben werden können, wenn der Berechtigte eine Leistungsklage erheben könnte, beseitigt nur die Notwendigkeit des Vorliegens dieser Voraussetzung des rechtlichen Interesses (Kuderna, ASGG**2 Anm 23 zu § 54), ändert aber sonst am Erfordernis des rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung nichts. Dieses rechtliche Interesse ist vom Obersten Gerichtshof auf der Grundlage des vom Antragsteller zu behauptenden Sachverhalts, der auch auf das rechtliche Interesse Bezug nehmen muss, von Amts wegen zu prüfen. Sein Fehlen führt zur Abweisung des Feststellungsantrages (SZ 71/51; DRdA 1999, 395).
Nach der Rechtsprechung zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 228 ZPO setzt das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung voraus, dass ein unmittelbarer aktueller Anlass zur Klageführung gegeben ist. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn infolge Verhaltens des Beklagten eine erhebliche objektive Ungewissheit über den Bestand des Rechts entstanden ist. Die begehrte Feststellung muss überdies geeignet sein, die Unsicherheit für das Rechtsverhältnis zu beseitigen und künftige Rechtsstreitigkeiten zu verhindern (Fasching, Lehrbuch**2 Rz 1098, 1100; Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO2, Rz 11 zu § 228; DRdA 1999, 395; SZ 70/186; SZ 70/84; RdW 1990, 407; RIS-Justiz RS0039202). Demgemäß ist das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung nicht gegeben, wenn das betroffene Recht oder Rechtsverhältnis zwischen den Parteien gar nicht strittig ist (DRdA 1999, 395; SZ 70/186; 9 ObA 127/94).
Für den hier zu beurteilenden Fall bedeutet dies, dass dem Antrag das erforderliche Feststellungsinteresse fehlt. Dies ergibt sich schon aus der Formulierung der begehrten Feststellung, nach der der eingenommene Rechtsstandpunkt nur "regelmäßig" gelte, zumal im Wortlaut der begehrten Feststellung jeder Hinweis zur nachvollziehbaren Abgrenzung des Regelfalls zum (nicht betroffenen) Ausnahmefall fehlt. Damit ist die begehrte Feststellung von vornherein wertlos. Umso mehr gilt dies, wenn man das Antragsvorbringen berücksichtigt, nach dem diese Einschränkung deshalb erfolgte, weil der - einzig strittige - Ausnahmefall ohnedies zu vernachlässigen sei. Dass dieser Ausnahmefall - das nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG ermittelte Grundentgelt ist höher als das Mindestentgelt nach dem für den Beschäftigerbetrieb geltenden Kollektivvertrag - überhaupt nicht vorkommt, hat die Antragstellerin nicht behauptet. Aber auch aus einer solchen Behauptung wäre für sie letztlich nichts zu gewinnen, weil unter dieser Voraussetzung überhaupt kein strittiger Anlassfall gegeben wäre.
Schon aus diesen Überlegungen ist daher der Antrag iS der dargestellten Rechtsprechung zu § 54 Abs 2 ASGG abzuweisen, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit den Argumenten der Antragstellerin zur in Wahrheit strittigen Rechtsfrage bedarf.