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OGH vom 08.10.2008, 16Ok5/08

OGH vom 08.10.2008, 16Ok5/08

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Vogel und Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Bauer und Dr. Haas als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, Wien 2, Praterstraße 31, wider die Antragsgegnerinnen 1. O***** GmbH, *****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte OEG in Wien und Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, 2. K***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. S***** GmbH (als Rechtsnachfolgerin der S***** AG), *****, 4. H***** GmbH, *****, 5. D***** AG, *****, Antragsgegnerinnen zu 3.-5. vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Verhängung von Geldbußen gem § 142 Z 1 lit a und lit d KartG 1988, über die Rekurse der Antragstellerin und sämtlicher Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom , GZ 25 Kt 12/07-125, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Keinem der Rekurse wird Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit am eingelangtem Schriftsatz beantragte die Bundeswettbewerbsbehörde (in der Folge: ASt), über die Antragsgegnerinnen (in der Folge: AG) wegen fortlaufender Zuwiderhandlungen gegen das Kartellverbot des § 18 Abs 1 Z 1 KartG 1988 und Art 81 EGV seit dem Ende der 80er Jahre bis zumindest Mitte des Jahres 2004 folgende Geldbußen zu verhängen: über die ErstAG 18,2 Mio EUR, über die ZweitAG 26 Mio EUR, über die DrittAG 31,3 Mio EUR, über die ViertAG 8 Mio EUR und über die FünftAG 4,5 Mio EUR.

Der Antrag betrifft den inländischen Markt für Aufzüge und Fahrtreppen in den drei Bereichen Neuanlagengeschäft, Wartung und Reparatur sowie Modernisierung bestehender Anlagen, auf dem die AG nach ihrem eigenen Vorbringen zusammen einen Marktanteil von rund 80 % erreichen.

Gegenstand der behaupteten Zuwiderhandlungen sind Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen zwischen den wichtigsten Mitbewerbern mit dem Ziel, den Markt dadurch aufzuteilen, dass Kunden einzelnen Unternehmen zugeteilt, bei öffentlichen und privaten Aufträgen die Preise koordiniert sowie sensible Informationen ausgetauscht werden. Dies habe dazu geführt, dass die Marktanteile der vier größten Marktteilnehmer in den letzten Jahren nahezu stabil geblieben seien. Die Abstimmung der Beteiligten sei in regelmäßigen Sitzungen auf Ebene der Geschäftsführungen und Verkaufsverantwortlichen erfolgt, in denen ua bestimmte Neuanlagenprojekte einzelnen Unternehmen zugeteilt worden seien.

Die ErstAG räumte ein, dass Angestellte von ihr gegen Kartellrecht verstoßen hätten. Sie habe jedoch mit der ASt vorbildlich zusammengearbeitet, und erst durch ihre zur Verfügung gestellten Informationen seien die Rechtsverletzungen gerichtlich nachweisbar geworden. Auch betriebsintern habe sie alles getan, um das unerlaubte Handeln abzustellen. Sie habe auch als erstes Unternehmen die Europäische Kommission über verdächtige Praktiken auf dem österreichischen Markt informiert. Aus generalpräventiver Sicht sei es nicht notwendig, ein Bußgeld gegen sie zu verhängen; wenn überhaupt, sei nur eine sehr geringe Geldbuße gerechtfertigt, zumal auch die Auswirkungen der Absprachen - sofern es solche gegeben habe - aufgrund ihres ineffizienten Charakters und der mangelnden Disziplin der teilnehmenden Unternehmen sehr gering gewesen seien.

Die ZweitAG beantragte, den Bußgeldantrag abzuweisen. Zwar beschreibe die ASt die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen grundsätzlich zutreffend, doch habe das letzte Treffen der Beteiligten, bei dem Einzelprojekte abgesprochen worden seien, am stattgefunden. Spätestens am habe die ZweitAG allfälliges wettbewerbswidriges Verhalten eingestellt, weshalb Verfolgungsverjährung eingetreten sei.

Die DrittAG brachte vor, der von ihrem Konzern 1997 eingeführte Code of Conduct untersage kartellrechtlich relevante Kontakte mit Wettbewerbern. Ihre Muttergesellschaft habe das ihr Mögliche unternommen, um Zuwiderhandlungen gegen das Kartellrecht zu verhindern. Eine bei ihr im Juni 2004 intern durchgeführte Befragung und Unterlagendurchsicht habe keine Anzeichen für Absprachen von Projekten ergeben. In den Sitzungen der Vorstände der AG in der Wirtschaftskammer sei es jedenfalls ab 2000 nicht mehr zu Absprachen gekommen. In der Sitzung der Verkaufsleiter der AG am sei es letztmalig zu Projektabsprachen gekommen. Im Bereich „Existing Installations" seien Absprachen in der ersten Jahreshälfte 2006 eingestellt worden.

Die ViertAG beantragte, den gegen sie gerichteten Antrag abzuweisen. Sie habe spätestens im November 2003 ihre Teilnahme an kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen beendet; die nunmehrige Verfolgung sei verspätet.

Die FünftAG brachte vor, spätestens Mitte 2001 ihre Teilnahme an kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen beendet zu haben.

Das Erstgericht verhängte nach § 142 Z 1 KartG 1988 wegen der Teilnahme an Art 81 EG verletzenden Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen in Österreich vom bis Ende 2005 Geldbußen in folgender Höhe: gegen die ErstAG 18,2 Mio EUR, gegen die ZweitAG 22,5 Mio EUR, gegen die DrittAG als Rechtsnachfolgerin des beteiligten Unternehmens 25 Mio EUR, gegen die ViertAG 6 Mio EUR, gegen die FünftAG 3,7 Mio EUR. Es traf unter anderem folgende Feststellungen:

Die ErstAG steht mittelbar zur Gänze im Eigentum des amerikanischen Unternehmens O***** Company, des weltweit größten Produzenten für Aufzugsanlagen, und ist Teil des Konzerns der U***** (UTC), der 2006 einen weltweiten Umsatz von 38,6 Mrd EUR erzielte. 2006 erzielte die ErstAG einen Umsatz von 116,1 Mio EUR.

Die ZweitAG steht mittelbar zur Gänze im Eigentum der K***** Corporation, eines finnischen Industrieunternehmens, und gehört zu einer Gruppe von Unternehmen, die 2006 einen weltweiten Gesamtumsatz von rund 3,629 Mrd EUR erzielte. 2006 betrug der Gesamtumsatz 65,36 Mio EUR.

Die DrittAG steht mittelbar zu 100 % im Eigentum der Schweizer Konzernmutter S***** Holding AG, deren Konzern 2006 einen Umsatz von 6,81 Mrd CHF erzielte. Die Konzernmutter ist seit Ende 1998 mittelbare Eigentümerin der Viert- und FünftAG. 2006 erreichte die DrittAG einen Umsatz von 82,47 Mio EUR, die ViertAG einen Umsatz von 22,57 Mio EUR, die FünftAG einen Umsatz von 13,9 Mio EUR.

Bedingt durch den Markteintritt von T***** setzte Ende der 1970er Jahre auf dem betroffenen Markt ein verstärkter Preiswettbewerb ein. Seit den 1980er Jahren fanden in Österreich in regelmäßigen Abständen Treffen zwischen Wettbewerbern in der Aufzugs- und Fahrtreppenindustrie mit gegenseitigem Informationsaustausch statt. Es gab Treffen auf Geschäftsführungs- oder Vorstandsebene, im Bereich Kundendienst und im Bereich der Verkaufsleitungen für Neuanlagen. Zumindest seit dieser Zeit trafen sich auch die Vorstände (Geschäftsführer) der AG etwa alle zwei Monate in Räumen der Wirtschaftskammer Österreich.

Um dem als zu aggressiv empfundenen Preiswettbewerb entgegenzutreten, entwickelten sich zwischen den großen österreichischen Marktteilnehmern (Erst- bis DrittAG und T*****) bei den Treffen der Vorstände der Aufzugsindustrie Grundsätze (die auch als „gentlemen's agreement" oder „guideline" bezeichnet wurden), nach denen die Aufträge jeweils dem Unternehmen zufallen sollten, für das der Auftraggeber ein „preferred customer" war. Zur Erreichung dieses Ziels sollten sich die Mitbewerber in solchen Fällen bei ihren Angeboten weniger aggressiv verhalten oder überhaupt keine Angebote unterbreiten. Ein Unternehmen sollte einen Kunden als „preferred customer" ansehen können, wenn es im Vorfeld einer Angebotseinholung bereits bei der Planung einer Anlage mitgewirkt hatte. Als „preferred customer" war nach der „guideline" auch ein Kunde anzusehen, für dessen Gebäude das Unternehmen bereits früher eine Anlage geliefert hatte. Aufgrund bestehender Geschäftsbeziehungen waren auch bestimmte Kunden ganz allgemein als „preferred customers" anerkannt. Für die Bereiche Wartung, Reparatur und Modernisierung galt nach der „guideline" der Grundsatz, dass jeder Hersteller seine installierten Anlagen wartet, repariert oder modernisiert. Unter den AG nahm die FünftAG insoweit eine Sonderstellung ein, als dieses Unternehmen von den bei den Treffen der Vorstände vertretenen Unternehmen zugebilligt erhalten hatte, dass ihr im Ergebnis die Installation von Anlagen in Vorarlberg überlassen bleibt und es deswegen die Bearbeitung von außerhalb ihres Stammgebietes gelegenen Gebieten unterlässt. Dieser Grundsatz wurde jedoch von T***** ab 2001 nicht mehr beachtet. Die Vorstände der Aufzugsindustrie erörterten und bekräftigten in den ersten Jahren ihrer Treffen nicht nur die Geltung der erwähnten Grundsätze, sondern erörterten auch einzelne Projekte, bei denen es auf der Ebene der Verkaufsleiter zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war. Zumindest seit Beginn des laufenden Jahrzehnts wurden nicht mehr einzelne Projekte während der Treffen im Detail erörtert und abgestimmt, wohl aber wurde die Geltung der oben dargestellten Grundsätze gelegentlich bekräftigt, indem sich einzelne Vorstände (Geschäftsführer) in Anwesenheit noch aller übrigen immer wieder über das den Grundsätzen widersprechende Wettbewerbsverhalten von Marktteilnehmern unter Ausführung konkreter Beispiele beschwerten. Bei diesen Gelegenheiten sicherten sich die einzelnen Unternehmensvertreter - unabhängig von der Frage der Berechtigung der Beschwerden - wechselseitig die grundsätzliche Geltung der „guideline" zu. Die Vorstände erörterten bei ihren Treffen bis 2004 auch immer wieder die Entwicklung des „Marktpreises", dessen Verfall sie entgegenwirken wollten. Zu diesem Zweck führten Erst- und ZweitAG regelmäßig Berechnungen durch und teilten die Änderung mit. Dieser „Marktpreis" veränderte sich in den letzten Jahren vor 2004 kaum. Am trafen sich die Vorstände der Erst- und der ZweitAG und erörterten den Erwerb der Viert- und der FünftAG durch die DrittAG. Um ein Übergewicht der DrittAG in den Sitzungen sowie Vorteile bei den Auftragsvergaben zu vermeiden, wollten sie von dieser verlangen, dass die drei Gesellschaften der Gruppe als Einheit auftreten sollten. Zur Erreichung und Sicherung der grundsätzlich vorgesehenen Auftrags- und Kundenzuordnungen fanden regelmäßige zentrale Treffen in Wien, aber auch bilaterale Kontakte (solche auch auf lokaler Ebene) statt.

Zu den Treffen der Verkaufsleiter für Neuanlagen in den Räumlichkeiten der Wirtschaftskammer Österreich in Wien (anfangs als „Club", später auch als „Marketingausschuss" bezeichnet) wurde mündlich eingeladen. Die Treffen fanden regelmäßig in Abständen von vier bis acht Wochen statt; gelegentlich gab es gesonderte Treffen zur Abstimmung von Großprojekten. Abgestimmt wurden dort vor allem Projekte mittleren und größeren Umfangs (ab einer Aufzugsanzahl von drei bis fünf Stück); auch Projekte mit unter Umständen nur einem Aufzug wurden erörtert, sofern es sich um Spezialanfertigungen handelte und das Auftragsvolumen entsprechend hoch war. Vom Grundverständnis her waren alle Projekte einer konkreten Abstimmung zugänglich. In den meisten Fällen war noch keine Aufforderung an die Unternehmen ergangen, ein Angebot zu legen, doch wurde dies jeweils in absehbarer Zeit erwartet. Nahmen die Repräsentanten der Unternehmen an, dass ein Projekt den Mitbewerbern nicht bekannt wird (was auf zumeist kleinere Projekte zutraf), sprachen sie es in der Regel auch nicht an. Die Teilnehmer nahmen ihre Informationen über aktuelle Projekte meist in Form von internen Listen zu den Sitzungen mit. Die meisten Projekte wurden, kurz nachdem sie auf den Markt kamen oder einem der Mitbewerber bekannt wurden, in den Sitzungen angesprochen. In der Regel vertraten zwei Personen (zumeist Verkaufsleiter) die Unternehmen, weil es zumeist eine Trennung zwischen Wien einerseits und den Bundesländern andererseits gab. Vertreten waren alle AG, die FünftAG nahm ab 2001 an den Treffen der Verkaufsleiter - ausgenommen die Sitzung vom - nicht mehr teil. In den Sitzungen wurden die einzelnen Projekte reihum geordnet nach Bundesländern besprochen. Es herrschte zwischen den teilnehmenden Unternehmen die gemeinsame Grundauffassung, dass grundsätzlich jenes Unternehmen zum Zug kommen sollte, das schon Vorarbeiten für ein konkretes Projekt geleistet oder bereits wirtschaftliche Beziehungen zum Kunden aufgebaut hatte. In diesem Zusammenhang wurden auch geäußerte Kundenwünsche mitberücksichtigt. Gelegentlich spielten auch andere Argumente für die Zuordnung von Projekten eine Rolle, zB technische oder kapazitätsmäßige Gegebenheiten bei einzelnen Unternehmen. Ein weiteres Grundverständnis bestand darin, dem zum Zuge kommenden Unternehmen auch die Möglichkeit einzuräumen, mit dem Kunden im Anschluss oder parallel zum Neuanlagenvertrag den Vertrag über die Wartung der Anlage abzuschließen. Infolge dieses Grundverständnisses hielten es die Unternehmensvertreter grundsätzlich nicht für notwendig, konkrete Absprachen für den Wartungsbereich zu treffen. Innerhalb einer Sitzung wurden durchschnittlich 20 bis 50 Projekte, geordnet nach Bundesländern, genannt. Durch Nennung eines Projekts bekundeten die jeweiligen Unternehmensvertreter ihr Interesse an diesem konkret zu erwartenden Auftrag und wollten damit erreichen, dass sich die anderen Hersteller zurückhalten. Im Anschluss an eine Projektnennung wurde die Reaktion der Mitbewerber abgewartet. Teilweise wurden auch Richtpreise entweder noch während der Sitzung oder danach auf telefonischem Weg oder im Rahmen persönlicher Treffen ausgetauscht. Damit sollte erreicht werden, dass sich die Mitbewerber mit ihrem Angebot daran orientieren und die Preise dieser Scheinangebote über dem Angebot des Herstellers liegen. Die einvernehmliche Zuteilung von Projekten erfolgte nicht nur zentral im „Club", sondern auch auf lokaler Ebene durch zahlreiche bilaterale Kontakte. Dieses Verhalten trug dazu bei, dass es bei den Marktanteilen der AG zu keinen wesentlichen Änderungen kam. Die in den Sitzungen diskutierten Bewertungen von Projekten dienten auch dem Zweck, die Auswirkungen der Zuordnung von Projekten auf die Marktanteile der Unternehmen zu erkennen und zu argumentieren. Wenn einem Unternehmen ein größeres Projekt zugebilligt wurde, versuchten die Unternehmensvertreter gelegentlich in der Diskussion einen Ausgleich mit anderen Projekten herbeizuführen. Immer wieder bekundeten auch andere Unternehmen ihr Interesse an einem der genannten Projekte. In derartigen Fällen konkurrierender Interessen konnte vielfach keine Einigung erreicht werden. Es kam auch vor, dass derart strittige Projekte in späteren Sitzungen erneut angesprochen wurden oder dass Personen der Geschäftsführungsebene informiert wurden, die in der Folge aktiv in den Abstimmungsprozess eingriffen und zB die Weisung erteilten, den Angebotspreis zu erhöhen. Die AG haben hinsichtlich erheblich mehr als der Hälfte des Marktvolumens bei Neuanlagen konkret eine Koordinierung versucht, indem sie etwa die Projekte im „Club" angesprochen haben. Hinsichtlich mehr als der Hälfte der im „Club" angesprochenen Projekte ist eine Zuteilung an eine Antragsgegnerin einvernehmlich erfolgt. Zumindest ein Drittel des Marktvolumens ist konkret abgesprochen worden. Die getroffenen Absprachen wurden nicht gemeinsam dokumentiert; die Unternehmensvertreter machten sich jeweils eigene Notizen und leiteten diese intern weiter. Nach der Sitzung vergingen zumeist Monate (manchmal auch Jahre) bis zu einer von den Kunden angefragten Angebotslegung. Erfolgreich abgestimmte Projekte kamen zu etwa zwei Drittel auch tatsächlich abstimmungsgemäß zustande. Jene Projekte, die letztendlich nicht der Abstimmung entsprechend verwirklicht wurden, bestanden einerseits aus Fällen, in denen die Auftraggeber andere - dem Kartell nicht angehörige - Unternehmen zum Zug kommen ließen, und andererseits aus solchen, wo Mitbewerber sich nicht an die Abstimmung hielten und niedrigere Preise anboten. Anlässlich der Sitzungen beschwerten sich immer wieder auch einzelne Unternehmensvertreter, wenn sie entgegen einer vorher abgestimmten Präferenz für ein Projekt bei diesem nicht zum Zuge kamen. Grundsätzlich bemühten sich Mitbewerber nicht mehr um die einem anderen Unternehmen zugesprochenen Projekte und unterboten die vom vorgesehenen Unternehmen abgegebenen Preise nicht mehr. Allerdings bestand für alle Mitbewerber bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Auftragserteilung durch den Auftraggeber die Möglichkeit, abstimmungswidrig ein besseres Angebot abzugeben, insbesondere in der Phase von Nachverhandlungen zwischen Auftraggeber und dem vorgesehenen Unternehmen. Es sind keine abgestimmten (zugesprochenen) Projekte bekannt, um die sich Mitbewerber nach dem Aufhören der Besprechungen und Abstimmungen im Neuanlagenbereich entgegen ihrer ursprünglichen Absicht ernstlich beworben hätten. Die Einstellung der Treffen wirkte sich auf die Umsetzung des in den vorherigen Treffen bereits abgestimmten Verhaltens nicht aus.

In der Wirtschaftskammer Österreich trafen sich seit den 1980er Jahren auch Repräsentanten der AG zur Erörterung und Abstimmung für den Bereich des Services von Anlagen. Diese Treffen fanden im Abstand von zwei bis drei Monaten statt und dienten weniger der Erörterung von Projekten, sondern betrafen vor allem die Zusammenarbeit mit dem TÜV (Aufzüge-Gütegemeinschaft). In diesen Runden wurden aber auch die jährlichen Preisrunden diskutiert und Preiserhöhungen für gemeinsame Kunden abgestimmt. Die einzelnen Teilnehmer bei den Treffen gaben jeweils eine Bandbreite hinsichtlich der von ihnen in Aussicht genommenen Preiserhöhungen bekannt. Diese Bandbreiten waren zB auch relevant für die Regiestundensätze für die Störungsbehebung, für die es in den Wartungsverträgen keine Gleitklauseln gab. An den Treffen des „Service-Kreises" beteiligten sich alle AG, die FünftAG jedenfalls bis Ende 2000.

Im Bereich Wartung und Reparatur („Service") sowie Modernisierung lag der Abstimmung der Wettbewerber das gemeinsame Verständnis zugrunde, dass den Auftrag jener Anbieter erhalten sollte, von dem auch die Anlage stammte. Um dieses Ziel zu erreichen, kontaktierte jene AG, die eine Kundenanfrage für eine Fremdanlage erhielt, die AG, von der die Anlage stammte, um dann ein höheres Angebot oder ein Angebot, das der Kundenanfrage nicht entsprach, abzugeben. Die AG sahen ihre Vorgangsweise aus ihrer Sicht für pragmatisch geboten an, weil sie - mit Ausnahme der ViertAG - nicht besonders interessiert waren, Fremdanlagen zu warten oder zu reparieren und dafür keine Kapazitäten eingeplant hatten; auch war die Beschaffung von Ersatzteilen für Fremdanlagen schwieriger als für eigene Anlagen und das notwendige Spezialwissen bei eigenen Anlagen größer. Die Abstimmungen zwischen den AG dienten vor allem dazu, durch die Vermeidung von zu günstigen Konkurrenzangeboten dem Unternehmen, das den Auftrag nach dem bestehenden Grundverständnis erhalten sollte, ein möglichst hohes Entgelt sicherzustellen. Ohne die Absprachen hätten sich die Wettbewerber aber dennoch vermehrt um Aufträge für Fremdanlagen bemüht.

2004 begann die Europäische Kommission aufgrund des Hinweises eines Informanten europaweite Untersuchungen in der Aufzugsbranche zur Aufdeckung wettbewerbswidrigen Verhaltens. Die ErstAG leitete ab März 2004 eine interne Untersuchung ein, die sich auf Deutschland, die Benelux-Staaten und auch auf Österreich erstreckte. Während in Deutschland und Belgien die verantwortlichen Mitarbeiter Geständnisse ablegten, führten die Untersuchungen in Österreich zu keinem positiven Ergebnis. In der Folge stellte die ErstAG bei der Kommission einen Antrag auf Zuerkennung des Kronzeugenstatus im Fall COMP/E-1/38.823-PO/Elevators and Escalators. Als Antwort verschickte die Kommission am einen „no-action letter" betreffend Österreich, wonach das angezeigte Verhalten nicht weiter verfolgt werde, die Kommission sich jedoch vorbehalte, auf die Eingabe mit Ersuchen um Zuerkennung des Kronzeugenstatus zurückzukommen.

Am erhielt die ASt eine Sachverhaltsdarstellung von T*****, nach welcher dieses Unternehmen seit den 1980er Jahren an Absprachen und abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Anbietern von Aufzügen und Fahrtreppen in Österreich beteiligt war. T***** stellte den Sachverhalt vor allem durch die Wiedergabe von unternehmensinternen Aussagen dar und ersuchte um Vorgehen nach § 11 Abs 3 WettbG. Am versandte die ASt Auskunftsverlangen an die Erst- bis DrittAG. Einige Tage später ersuchte auch die ErstAG die ASt um ein Vorgehen nach § 11 Abs 3 WettbG. In Würdigung der von T***** und der ErstAG beigebrachten Informationen zur Aufdeckung des Kartells erklärte die ASt gegenüber T*****, von einem Antrag auf Verhängung einer Geldbuße abzusehen; gegenüber der ErstAG erklärte sie ihre grundsätzliche Absicht, eine um 30 % bis 50 % geminderte Geldbuße zu beantragen.

Am verhängte die Europäische Kommission gegen die Unternehmensgruppen der Erst- bis DrittAG sowie gegen T***** eine Geldbuße von insgesamt 992 Mio EUR wegen der Teilnahme an Kartellen beim Einbau und der Wartung von Aufzügen und Fahrtreppen in Belgien, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden (COMP/E-1/38.823-PO/ElevatorsandEscalators). Im Einzelnen betrugen die den betroffenen T*****-Gesellschaften auferlegten Geldbußen 479,7 Mio EUR. Konzerngesellschaften der ErstAG wurden Geldbußen von 224,9 Mio EUR, Konzerngesellschaften der ZweitAG von 142,1 Mio EUR und Konzerngesellschaften der DrittAG von 143,8 Mio EUR auferlegt.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Kartellgericht seine Befugnis, für seit dem verwirklichte Sachverhalte Geldbußen wegen der Verletzung von Art 81 EGV verhängen zu dürfen (§ 42f KartG 1988 in Verbindung mit Art 84 EGV). Alle AG hätten als Mittäter zwischen 1980 und Ende 2005 wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen teilweise durchgeführt und sich den Vereinbarungen gemäß verhalten und damit gegen Art 81 EGV verstoßen. Der zwischenstaatliche Handel sei beeinträchtigt worden, weil der betreffende Umsatz einen erheblichen Anteil am inländischen Gesamtumsatz betragen habe und die beteiligten Unternehmen im Bereich Neuanlagen und Modernisierung sowie bei Wartung und Reparatur auf Zulieferer aus anderen Mitgliedstaaten angewiesen gewesen seien. Die festgestellten Zuwiderhandlungen gegen Art 81 EGV seien zugleich auch ein vereinbartes Absichtskartell nach § 10 KartG 1988, weil das zwischen den Beteiligten vereinbarte Grundverständnis über die Zuordnung von Aufträgen umfassend gewesen sei und sämtliche Geschäftsbereiche betroffen habe. Im Hinblick auf den zugestandenen inländischen Marktanteil der AG von an die 80 % liege nicht bloß ein Bagatellkartell (§ 16 KartG 1988) vor.

Der Tatbestand des § 142 Z 1 lit a KartG 1988 übernehme den früheren Straftatbestand der verbotenen Durchführung eines Kartells (§ 130 KartG 1988 idF vor der KartGNov 2002). Es handle sich um ein schlichtes Verhaltensdelikt, das keinen Erfolgseintritt erfordere und auch keine Kausalität zwischen dem Verhalten und einem irgendwie eingetretenen Erfolg voraussetze. Die Tat werde fortgesetzt, sofern die Vereinbarung oder sonstige Verhaltensabstimmung praktiziert werde, also einzelne Durchführungshandlungen erfolgten. Die Tathandlung bestehe darin, dass sich der Täter über das Durchführungsverbot hinwegsetze. Eine vollständige Verwirklichung der Vereinbarung oder Abstimmung sei nicht erforderlich; auch eine verspätete oder nur teilweise Ausführung sei tatbildlich. Ob das von den am Kartell beteiligten Unternehmen angestrebte Ziel erreicht werde, sei für die Verwirklichung des Tatbestands unerheblich. Keine Voraussetzung der Durchführung einer Kartellvereinbarung sei es, dass alle Kartellbeteiligten aktive Maßnahmen setzten, um die vereinbarten Wettbewerbsbeschränkungen in die Tat umzusetzen (16 Ok 4/07, Punkt 10.2.). Tatbestandsmäßig sei jedes Verhalten, das darauf abziele, der mit dem Durchführungsverbot belegten Vereinbarung oder Verhaltensabstimmung in verbotener Weise Geltung zu verschaffen. Das Verhalten müsse zumindest auch auf die Vereinbarung zwischen den Mitgliedern des Kartells zurückgeführt werden können. Bei Preiskartellen könne die Durchführung in der Anhebung des Verkaufspreises auf das abgestimmte Preisniveau oder im Nichtgewähren höherer Rabatte als der vereinbarten bestehen; zur Durchführung zählten auch aufgrund der Verhaltensabstimmung unternommene Bemühungen, die Preise anderer Kartellmitglieder und Konkurrenten zum Zwecke der Wettbewerbsbeschränkung zu beeinflussen. Die in Ausführung der zwischen den AG vereinbarten Grundsätze der Auftragszuordnung vorgenommenen konkreten Erörterungen seien somit ebenso als Durchführung der kartellrechtswidrigen Verhaltensabstimmung zu beurteilen wie das folgende Handeln und Unterlassen, das die Erteilung des Auftrags an das dafür vorgesehene Unternehmen sicherstellen habe sollen. Das festgestellte Verhalten der AG sei somit nicht nur eine Zuwiderhandlung gegen Art 81 EGV, sondern auch eine nach § 18 KartG 1988 unzulässige Durchführung eines Kartells. Da der mit § 142 Z 1 lit d KartellG 1988 erfasste Unrechtswert der Zuwiderhandlung gegen Art 81 EGV den Unrechtswert der nach § 142 Z 1 lit a KartG 1988 zu ahndenden unzulässigen Durchführung eines Kartells gänzlich erfasse, trete der zuletzt genannte Tatbestand in der Beurteilung des Verhaltens zurück.

Nach § 143c KartG 1988 dürfe eine Geldbuße nach § 142 KartG 1988 nur dann auferlegt werden, wenn der Antrag binnen drei Jahren ab der Beendigung der Rechtsverletzung gestellt werde. Tatbestandsmäßig sei jede Koordination zwischen den AG zur Erfüllung der zwischen ihnen ausdrücklich und konkludent vereinbarten und abgestimmten Übereinkommen über die Beachtung von Grundsätzen bei der Zuordnung von Aufträgen. Die Beendigung des Übereinkommens zwischen den AG setze einen entsprechenden Willen voraus, der den anderen Kartellteilnehmern gegenüber klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden müsse. Das Verhalten der AG in der letzten Sitzung des „Marketing-Ausschusses" am , in der das Angebotsverhalten der AG für konkrete Angebote zu Neuanlagen abgesprochen worden sei, erfülle den Tatbestand in der Begehungsform eines abgestimmten Verhaltens. Außerdem bestehe die Vermutung, dass das folgende Verhalten der AG die in der Sitzung aufgenommenen wettbewerbsrelevanten Informationen im eigenen Angebotsverhalten nicht ausblende, sondern in den täglichen geschäftlichen Bemühungen berücksichtige. Es bedürfe daher zur Klarstellung der Fortsetzung des Kartells über den hinaus nicht des Nachweises weiteren abgestimmten Verhaltens. Abgesehen davon habe sich die Einstellung der zentralen Koordinationen im „Club" nicht auf die Durchführung des in den vorhergehenden Treffen bereits abgestimmten Verhaltens ausgewirkt. Es sei nämlich kein 2003 oder 2004 abgestimmtes Projekt hervorgekommen, für das sich ein Unternehmen nach dem Aufhören der zentralen Koordination entgegen seiner ursprünglichen Absicht dann doch ernstlich beworben hätte. Es seien auch keine konkreten nach dem erfolgten Auftragserteilungen hinsichtlich abgestimmter Projekte festgestellt worden, zu denen sich die Mitbewerber abstimmungswidrig verhalten hätten. Das Verhalten der AG sei nach den Feststellungen über den hinaus auch noch insoweit abstimmungsgemäß, als bestimmte AG Aufträge noch etwa im Juni 2004 ohne Wettbewerb der anderen Kartellmitglieder abstimmungsgemäß entsprechend der 2003 im „Club" erteilten Zuteilung erhalten hätten. Zudem seien die Koordinationen sowohl im Bereich Neuanlagen als auch im Bereich Service und Modernisierung zur Zuteilung von konkreten Aufträgen frühestens Ende 2005 endgültig eingestellt worden. Ein ausdrücklicher Austritt irgendeines Unternehmens aus dem Kartell sei hingegen nicht festzustellen gewesen. Im Hinblick auf die fortgesetzte lokale Koordination könne sich kein Unternehmen auf eine konkludente Auflösung des Kartells infolge Einstellung der vereinbarten Koordinationen berufen.

Bei Berechnung der Obergrenzen der Geldbuße nach § 142 Z 1 KartG 1988 sei auf die von den einzelnen Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten weltweiten Umsatzerlöse abzustellen und die Zusammenrechnungsregel des § 2a Z 1 KartG 1988 anzuwenden. Dass sich die Muttergesellschaften der AG des Rechts begeben hätten, den Tochtergesellschaften Weisungen zu erteilen, sei nicht behauptet worden. Die Höchstgrenzen betrügen daher für die ErstAG 3,86 Mrd EUR, für die ZweitAG 362 Mio EUR und für die Dritt- bis FünftAG je 730 Mio EUR. Die Geldbuße sei begrenzt durch den verfahrenseinleitenden Antrag (§ 36 Abs 2 Satz 2 KartG 2005). Ihrer Bemessung seien die Kriterien des § 143 KartG 1988 zugrundezulegen; es sei demnach insbesondere auf die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie - im Falle der Durchführung eines Kartells nach § 142 Z 1 lit a KartG 1988 - auch auf die Mitwirkung an der Aufklärung der Rechtsverletzung Bedacht zu nehmen. Das tatbildliche Verhalten der Marktaufteilung zähle seiner Art nach zu den schwersten Wettbewerbsbeschränkungen. Der Grad des Verschuldens der Kartellteilnehmer sei hoch, weil sich die Unternehmensleitungen vorsätzlich an den Zuwiderhandlungen beteiligt hätten. Das pönalisierte Verhalten habe sich auch auf dem Markt ausgewirkt. Zwar lasse sich nicht mit hinreichender Sicherheit auf eine durch das Kartell erzielte Bereicherung der Unternehmen schließen; es könne aber davon ausgegangen werden, dass zumindest ein ganz wesentlicher Teil der verhängten Geldbußen durch die erzielten Mehrerlöse gedeckt sei, wobei die Mehrerlöse im Bereich der Neuanlagen nicht so hoch seien wie im Bereich von Wartung, Reparatur und Modernisierung; in letzterem Bereich wären Mehrerlöse zumindest bis Ende 2005 in großem Umfang angefallen.

Die Bemessung der Geldbuße für die ErstAG sei mit 18,2 Mio EUR entsprechend dem Antrag begrenzt. Die ASt habe einen Grundbetrag der Geldbuße von 30 % des Umsatzes des Geschäftsjahres der letzten Zuwiderhandlung angesetzt, diesen zur Berücksichtigung der Dauer der Zuwiderhandlung um 50 % erhöht und einen Abzug für mildernde Umstände von 5 % wegen Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung im kartellgerichtlichen Verfahren sowie einen weiteren Abschlag von 50 % wegen des zugestandenen Kronzeugenstatus zugestanden. Ausgehend vom erzielten Umsatz der ErstAG 2005 von 114,43 Mio EUR ergebe sich unter Berücksichtigung des Antrags von 18,2 Mio EUR ein rückgerechneter Grundbetrag von 38,32 Mio EUR (95 % davon: 36,40 Mio EUR = 18,2 Mio EUR x 2), was einem Anteil von 33,5 % des Umsatzes entspreche. Dieser Betrag sei nicht überhöht, zumal die Unternehmen Teil von großen Konzernen seien, die über juristischen Sachverstand und Ressourcen verfügten; auch bewegten sich die beantragten Geldbußen weit unter den gesetzlichen Höchstgrenzen. Die Dauer des Verstoßes erlaube einen Aufschlag von 50 %. Die von der ASt vorgenommene Minderung um 50 % lasse unter Beachtung des Handbuchs der Wettbewerbsbehörde zur Anwendung des § 11 Abs 3 WettbG keinen offensichtlichen Bemessungsfehler erkennen. Der von der ErstAG bei der Kommission gestellte Antrag auf Kronzeugenbehandlung gelte - in Ermangelung eines gemeinschaftsweiten Systems vollständig harmonisierter Kronzeugenprogramme - nicht als Antrag auf Kronzeugenbehandlung bei einer anderen Behörde (hier: der ASt). Auch hätte die bei der ErstAG in Österreich eingeleitete Untersuchung keinen Beweis für Zuwiderhandlungen in Österreich erbracht, weil die Organe und Mitarbeiter der ErstAG bei der Aufklärung des Sachverhalts nicht mitgewirkt hätten. Zudem habe die ErstAG die Zuwiderhandlungen auf lokaler und bilateraler Ebene fortgesetzt. Die Bedingungen für einen Geldbußenerlass seien daher auch nach Pkt 11 lit a und lit b der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl Nr C 45 vom ) nicht erfüllt. Die Zubilligung eines Nachlasses von 5 % für die sicherlich wertvolle Mitwirkung im kartellgerichtlichen Verfahren sei hinreichend. Die Unternehmensgruppe der ErstAG verfüge über einen weltweiten jährlichen Gesamtumsatz, der den aller anderen am Kartell beteiligten AG wesentlich übersteige; dennoch sei von der Verhängung eines Zuschlags für Großunternehmen zur Erzielung der erforderlichen Abschreckungswirkung, wie im europäischen Bereich üblich, wegen der hervorragenden Mitwirkung der ErstAG im kartellgerichtlichen Verfahren und wegen ihrer in Österreich durchgezogenen „Zero Tolerance Policy" von der ASt zu Recht Abstand genommen worden. Die Geldbuße der ErstAG betrage ½ % der gesetzlichen Obergrenze.

Die ZweitAG habe 2005 (dem letzten Jahr der festgestellten Zuwiderhandlungen) mit auf den relevanten Märkten erbrachten Leistungen Umsatzerlöse von 67,25 Mio EUR erzielt. Die für sie beantragte Geldbuße von 26 Mio EUR entspreche etwa 38,66 % dieses Umsatzes. Zur Wahrung der Gleichbehandlung aller AG werde für die ZweitAG eine Geldbuße von 33,5 % des im Geschäftsjahr 2005 erzielten Umsatzes, demnach 22,5 Mio EUR, festgesetzt, was einem Sechzehntel der gesetzlichen Obergrenze entspreche. Die Behauptung der ZweitAG, sie habe ihren Gesamtvorsatz vor dem aufgegeben, stehe im Widerspruch zum festgestellten Verhalten ihrer Mitarbeiter. Abgesehen davon könne die Teilnahme an einem Kartell nicht durch einen den anderen Kartellteilnehmern nicht mitgeteilten Willensentschluss beendet werden. Der Milderungsgrund einer aktiven Mitwirkung an der Aufklärung der Rechtsverletzung komme der ZweitAG nicht zugute, weil anlässlich bei ihr 2004 durchgeführter Untersuchungen Vorstand und Verkaufsleiter keine Zuwiderhandlungen zugestanden hätten, sodass auch keine entsprechenden Mitteilungen des Konzerns an die Wettbewerbsbehörden möglich gewesen seien. Auch in der Folge habe die ZweitAG zur Aufklärung des Sachverhalts gegenüber der ASt nicht erkennbar beigetragen.

Die DrittAG habe 2005 auf den relevanten Märkten Umsatzerlöse von 79,958 Mio EUR erzielt. Zur Gleichbehandlung mit der ErstAG sei von einer angemessenen Höhe der Geldbuße von 26,8 Mio EUR (= 33,5 % von 79,958 Mio EUR) auszugehen. Sie habe in ihrer Stellungnahme vom (ON 14) selbst zugestanden, die Absprachen endgültig erst im zweiten Quartal 2006 eingestellt zu haben. Das Compliance-Programm ihres Konzerns habe sie in Österreich nicht nachhaltig durchgesetzt. Die DrittAG habe im Kartellverfahren die Fortdauer der Zuwiderhandlungen im Bereich Wartung, Reparatur und Modernisierung bis Anfang 2006 dargestellt und ihre eigene Beteiligung an den fortdauernden Zuwiderhandlungen bis in die erste Jahreshälfte 2006 eingestanden; für diese Mitwirkung sei eine Minderung der Geldbuße auf 25 Mio EUR angemessen.

Die ViertAG habe 2005 Umsatzerlöse von 23,163 Mio EUR erzielt. Zur Wahrung der Gleichbehandlung sei die Geldbuße - vor Berücksichtigung der Milderungsgründe - mit 33,5 % dieses Umsatzes anzusetzen, das seien 7,8 Mio EUR. Die ViertAG habe in der kritischen Zeit sowohl an den zentralen Abstimmungen im Bereich der Neuanlagen, als auch an den Treffen des Servicekreises teilgenommen und sei bei den Treffen der Geschäftsführer vertreten und damit in alle zentralen Abstimmungsbereiche eingebunden gewesen. Außerdem habe sie sich gelegentlich auch an Abstimmungen beteiligt. Es könne aber berücksichtigt werden, dass das Unternehmen bei den Zuwiderhandlungen nur eine untergeordnete Rolle eingenommen habe und im Bereich von Service und Modernisierung bloßer Mitläufer gewesen sei, was aber nicht ausschließe, dass es als Trittbrettfahrer durch das kartellbedingte Fehlen von Wettbewerbsdruck der anderen AG auch Vorteile bei Aufträgen für Fremdanlagen erzielt habe. Auch im Bereich der Neuanlagen könne ein geringerer Grad von Abstimmungen berücksichtigt werden. Diese mildernden Umstände rechtfertigten eine Geldbuße von 6 Mio EUR.

Die FünftAG habe unter ihrem Vorstand Eckhart P***** nicht nur auf lokaler Ebene bilaterale Absprachen vorgenommen, sondern auch an allen zentralen Koordinationsveranstaltungen (Treffen der Vorstände, Club, Servicekreis) teilgenommen. Nach Übernahme der Leitung des Unternehmens durch den Vorstand DI B***** sei kein Austritt aus dem Kartell erfolgt. Auch im Bereich Service und Modernisierung sei das Kartell zugunsten der FünftAG wirksam gewesen, weil die anderen Unternehmen auch aufgrund des ihr für Vorarlberg gewährten Schutzes dort keine Niederlassungen errichtet hätten, die Voraussetzung für einen Wettbewerb in diesen Geschäftsbereichen gewesen wären. 2005 habe die FünftAG Umsatzerlöse von 14,395 Mio EUR erzielt. Zur Wahrung der Gleichbehandlung sei von einer Geldbuße (vor Minderung wegen Milderungsgründen) in Höhe von 33,5 % dieses Umsatzes auszugehen, das seien 4,8 Mio EUR. Im Hinblick auf den Beitrag des Unternehmens zur Aufklärung des Inhalts der Sitzung am sowie den Umstand, dass es seit 2001 an den zentralen Abstimmungen - abgesehen von der zuletzt genannten Sitzung - nicht mehr beteiligt gewesen sei, sei die Geldbuße mit 3,7 Mio EUR zu bestimmen.

Dem Argument, die Dritt- bis FünftAG müssten bei Auferlegung der gegen sie beantragten Geldbußen - ohne Hilfe ihrer Konzernmutter - insolvenzbedingt aus dem Markt ausscheiden, sei zu entgegnen, dass sie mit ihrer Konzernmutter ein einziges Unternehmen bildeten und jeglicher Anhaltspunkt dafür fehle, dass die Tochterunternehmen nicht auf die Hilfe ihrer Konzernmutter rechnen könnten. Zudem erreichten die über die Dritt- bis FünftAG verhängten Geldbußen die gesetzliche Höchstgrenze von 730,3 Mio EUR mit weniger als einem Zwanzigstel bei Weitem nicht. An der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Konzerns bestehe kein Zweifel, zumal - unter Ausklammerung der im ersten Halbjahr 2007 bezahlten EU-Geldbuße von 234 Mio CHF - der Konzerngewinn um 12,4 % auf 253 Mio CHF und der Cashflow um 6,3 % auf 289 Mio CHF gesteigert worden sei.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse sämtlicher Antragsgegnerinnen sowie der Antragstellerin .

Rechtliche Beurteilung

Alle Rekurse sind nicht berechtigt.

I. Allgemeine Erwägungen

Die von den Rechtsmittelwerberinnen geltend gemachten Argumente überschneiden einander vielfach. Zur Vermeidung von Wiederholungen sind daher der näheren Behandlung der einzelnen Rechtsmittel folgende allgemeine Erwägungen voranzustellen:

1. Die Sanktionsbefugnis des Kartellgerichts

1.1. Mit der KartG-Nov 2002, BGBl I 2002/62, wurde das bis dahin geltende System gerichtlicher Straftatbestände für Verstöße gegen das Kartellgesetz durch die am in Kraft getretene Einführung einer einheitlichen, allein vom Kartellgericht aufzuerlegenden Geldbuße unter Bedachtnahme auf die europäische Rechtsentwicklung neu gestaltet (vgl dazu die bei Auer/Urlesberger, Kartellrecht5 113 ff abgedruckten Materialien).

1.2. Nach § 142 KartG 1988 idF BGBl I 2002/62 hat das Kartellgericht Unternehmern Geldbußen ua dann aufzuerlegen, wenn sie ein Kartell in verbotener Weise durchführen (Z 1 lit a) oder gegen Art 81 Abs 1 EGV verstoßen, sofern das Kartellgericht nach § 42f KartG 1988 zuständig ist (Z 1 lit d). § 42f Abs 1 KartG 1988 erklärt das Kartellgericht für zuständig zur Erlassung von Entscheidungen im Einzelfall, die nach Art 84 bis 86 EGV und den nach Art 83 EGV erlassenen Verordnungen von den Behörden der Mitgliedstaaten zu treffen sind.

Art 83 EGV ermächtigt den Rat, die erforderlichen Durchführungsvorschriften zu erlassen, die zur Umsetzung und Anwendung der in den Art 81 bis 82 EGV niedergelegten Grundsätze erforderlich sind. Eine solche Durchführungsverordnung war die VO 17/62 des Rates; sie wurde ab durch die VO (EG) 1/2003 des Rates ersetzt. Gemäß Art 35 Abs 1 VO (EG) 1/2003 bestimmen die Mitgliedstaaten die für die Anwendung der Art 81 und 82 des Vertrags zuständigen Wettbewerbsbehörden, die nach Art 5 VO (EG) 1/2003 auch Geldbußen wegen der Verletzung von Art 81 und 82 des Vertrags verhängen können. Mit § 142 Z 1 lit d KartG 1988 hat der österreichische Gesetzgeber dem Kartellgericht eine derartige Sanktionsbefugnis zugesprochen. Das Kartellgericht war somit nach der VO (EG) 1/2003 jedenfalls seit befugt, Geldbußen wegen des Verstoßes gegen Art 81 EGV zu verhängen.

Diese Befugnis bestand jedoch - entgegen der Auffassung der Dritt- bis FünftAG - bereits unter Berücksichtigung der VO 17/62 des Rates seit gemäß § 42f Abs 1 KartG 1988 iVm Art 84 EGV, weil § 142 Z 1 lit d KartG 1988 die Verhängung von Geldbußen wegen der Verletzung von Art 81 EGV ausdrücklich vorsah und die VO 17/62 des Rates nur bezüglich Freistellungserklärungen vom gemeinschaftsrechtlichen Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen eine ausschließliche Zuständigkeit der Kommission vorsah (Art 9), während im Übrigen die nationalen Kartellbehörden Zuwiderhandlungen gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen in eigener Zuständigkeit mit ihren eigenen verfahrensrechtlichen Mitteln verfolgen konnten (Ritter in Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht II VO 17 Vorbemerkungen Rn 7; Sauter in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht I9 VO 17/62 Art 9 Rn 3).

Nach der im Zeitpunkt des kartellrechtswidrigen Verhaltens geltenden Rechtslage bestand der Grundsatz der parallelen Anwendung europäischen und nationalen Kartellrechts durch die jeweils zuständigen Behörden; dies galt mangels Ausnahmeregelung auch für die Bußgeldvorschriften. Die gegenteilige Auffassung der Dritt- bis FünftAG findet auch in der deutschen Rechtslage keine Stütze, weil das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der damals geltenden Fassung keine dem § 142 Z 1 lit d KartG 1988 vergleichbare Ermächtigung enthielt.

1.3. Nach § 87 Abs 2 KartG 2005 sind §§ 142 bis 143c KartG 1988 auf Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten des KartG 2005 am verwirklicht worden sind, weiterhin anzuwenden. Für Sachverhalte, die schon vor dem verwirklicht worden sind, ist nach § 87 Abs 3 KartG 2005 weiterhin Art V Abs 6 und 7 KartG-Nov 2002 anzuwenden. Nach den beiden letztgenannten Bestimmungen ist eine Geldbuße durch das Kartellgericht nicht für Sachverhalte zu verhängen, die vor dem Inkrafttreten dieser Novelle verwirklicht worden sind, sondern es ist weiter die Zuständigkeit der Strafgerichte nach dem XIV. Abschnitt des KartG 1988 gegeben. Das Kartellgericht war somit befugt, Zuwiderhandeln ab dem gegen nationales und europäisches Wettbewerbsrecht durch Verhängung von Geldbußen zu ahnden.

2. Art und Dauer des sanktionierten Verhaltens bei Beteiligung mehrerer Unternehmen

2.1. Innerhalb komplexer Organisationen zu dem gleichen Zweck getroffene Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen sind für ihre gesamte Dauer als einheitliche Zuwiderhandlung zu beurteilen. Die Zerlegung eines durch ein einziges wirtschaftliches Ziel gekennzeichneten kontinuierlichen Verhalten wäre gekünstelt. Die Verantwortlichkeit mehrerer an einer einheitlichen Zuwiderhandlung beteiligter Unternehmen erstreckt sich auf die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung und umfasst auch Verhaltensweisen anderer Kartellmitglieder, an denen das betroffene Unternehmen selbst nicht beteiligt ist, sofern sie im Rahmen des Gesamtkartells (der „Grundvereinbarung") erfolgen. Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen wusste oder wissen musste, dass es sich an einem auf Wettbewerbsverfälschung abzielenden Gesamtkartell beteiligte und vom Verhalten der anderen Kartellmitglieder wusste, wissen musste oder es hätte voraussehen müssen und bereit war, das Risiko auf sich zu nehmen (vgl EuGH, , Rs C-49/92 P - Komm/Anic, Rn 82, 83; EuGH, , Rechtssachen C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P - Komm/Aalborg Portland, Rn 258; Bunte in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht II10 Art 81 EGV Rn 36a mit weiteren Nachweisen zur europäischen Rechtsprechung).

Sind an einer Zuwiderhandlung mehrere Mittäter beteiligt, kann die Verantwortung des einzelnen Unternehmens für die Gesamtzuwiderhandlung einschließlich des Verhaltens, das von anderen beteiligten Unternehmen an den Tag gelegt worden ist, aber dieselbe wettbewerbswidrige Bestimmung oder Wirkung hat, nicht schon allein deshalb ausgeschlossen sein, weil jedes Unternehmen sich auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt (vgl EuGH, , Rs C-49/92 P - Komm/Anic, Rn 80).

2.2. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass die Beendigung der Beteiligung eines Unternehmens an der Durchführung einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung oder die Einstellung eines auf die Verfälschung des Wettbewerbs abzielenden abgestimmten Verhaltens einer klaren und deutlichen Willenserklärung gegenüber den anderen Beteiligten bedarf, weil letztere erst dadurch in die Lage versetzt werden, ihr künftiges Verhalten sowie den Umfang ihrer eigenen Verantwortlichkeit aufgrund der geänderten Umstände neu zu beurteilen.

2.3. Einer juristischen Person ist das wettbewerbswidrige Verhalten ihrer Organe und sonstigen Entscheidungsträger insoweit zuzurechnen, als diese in Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben handeln oder ihr Verhalten auf dienstlichen Weisungen beruht (Nowak/Pombo in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht I Art 23 VerfVO Rn 17 mit Nachweisen zur europäischen Rechtsprechung).

2.4. Die AG haben zumindest seit den 1980er Jahren ein zwischen ihnen immer wieder bestätigtes Übereinkommen in großem Umfang - wenn auch nicht lückenlos - durchgeführt, wonach der Markt nach allseits anerkannten Grundsätzen aufgeteilt wird. Die in Durchführung dieser Grundvereinbarung getroffenen Verhaltensabstimmungen, verbunden mit einem regelmäßigen Austausch sensibler Unternehmensdaten, waren darauf gerichtet, dem jeweils bevorzugten Unternehmen einen höheren Preis zu sichern, als unter Wettbewerbsbedingungen erreichbar gewesen wäre. Den Vorständen der AG war die fortdauernde Ausführung des vereinbarten Grundverständnisses bewusst, weil sie an den konkreten ausführenden Vereinbarungen und Abstimmungen entweder selbst beteiligt waren oder von ihren Mitarbeitern darüber informiert wurden; dass letztere ihren dienstlichen Aufgabenbereich überschritten hätten, wurde nicht festgestellt. Die Aufteilung der Kunden bzw Aufträge zwischen den AG und die zwischen ihnen abgestimmten Erhöhungen des Preisniveaus schwächten den Wettbewerb, indem so die unter Wettbewerbsbedingungen eintretende Entwicklung der Preise auf dem betroffenen Markt verfälscht wurde.

Dieses Verhalten den AG zuzurechnender Personen verstößt als bezweckte wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung und als abgestimmtes Verhalten gegen Art 81 EGV; mangels Differenzierung in den Rechtsfolgen bedarf es im Bußgeldverfahren keiner näheren Zuordnung zu einer der in dieser Bestimmung genannten Varianten. Zugleich erfüllt das Verhalten den Tatbestand der verbotenen Durchführung eines Kartells gemäß § 18 KartG 1988.

2.5. Die letzte Sitzung des „Marketing-Ausschusses", in der eine Absprache der AG zu konkreten Angeboten zu Neuanlagen erfolgte, fand am statt. Nach diesem Zeitpunkt erfolgten sowohl im Bereich Neuanlagen als auch im Bereich Service und Modernisierung weitere Vereinbarungen und Abstimmungen einiger AG zur Zuteilung konkreter Aufträge; derartige Koordinationen sind frühestens Ende 2005 endgültig eingestellt worden. Ein ausdrücklicher Austritt irgendeines Unternehmens aus dem Kartell ist nicht aktenkundig; es ist auch kein 2003 oder 2004 abgestimmtes Projekt hervorgekommen, um das sich ein Unternehmen nach dem Aufhören der zentralen Koordination entgegen seiner ursprünglichen Absicht dann doch ernstlich beworben oder zu dem es sich abstimmungswidrig verhalten hätte. Unter diesen Umständen ist das Kartellgericht zutreffend von einem einheitlichen, sämtlichen AG zurechenbaren Zuwiderhandeln ausgegangen, das zumindest bis Ende 2005 angedauert hat, zumal nach den Feststellungen oft Monate - manchmal auch Jahre - zwischen der Abstimmung eines Projekts in einer Sitzung und der von einem Kunden ausgelösten Angebotslegung vergingen.

3. Zur Bemessung der Geldbuße

3.1. Nach § 142 Z 1 KartG 1988 hat das Kartellgericht wegen der Durchführung eines Kartells in verbotener Weise oder wegen des Verstoßes gegen Art 81 Abs 1 EGV Geldbußen in Höhe von 10.000 EUR bis eine Million EUR oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % der von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmer im letzten Geschäftsjahr erzielten weltweiten Umsatzerlöse aufzuerlegen.

Nach dem aus den Materialien (abgedruckt bei Auer/Urlesberger aaO 114) klar ersichtlichen Willen des Gesetzgebers sind bei der Anwendung dieser Bestimmung die allgemeinen Berechnungsvorschriften des § 2a KartG 1988 anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass miteinander iSd § 41 KartG 1988 (nunmehr § 7 KartG 2005) verbundene Unternehmen als ein einziges Unternehmen gelten (§ 2a Z 1 KartG 1988; ebenso zum KartG 2005 für die Anwendung des § 22 KartG 2005 Hoffer, KartG 247; Petsche/Tautscher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 29 Rz 13; Reidlinger/Hartung, Das neue österreichische Kartellrecht 210).

3.2. Das Kartellgericht darf keine höhere Geldbuße verhängen als beantragt (§ 36 Abs 2 KartG 2005).

3.3. Die Geldbußen des österreichischen Kartellrechts verfolgen präventive und repressive Zwecke. Nur eine angemessen hohe Geldbuße kann abschreckende Wirkung erzielen (16 Ok 4/07). Die theoretisch optimale Höhe der Geldbuße für einen materiell-rechtlichen Wettbewerbsverstoß ist der Betrag des erlangten Gewinns zuzüglich einer Marge, die garantiert, dass die Zuwiderhandlung nicht Folge eines rationalen Kalküls ist (Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, EG-Kartellrecht, VO 1/2003, Art 23 Rn 30).

3.4. Die Festsetzung einer kartellrechtlichen Geldbuße ist eine Ermessensentscheidung, bei der neben den - nicht taxativ aufgezählten - gesetzlichen Bemessungsfaktoren die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Es handelt sich um eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände, nicht um das Ergebnis einer schlichten Rechenoperation auf der Grundlage etwa des Gesamtumsatzes, dies insbesondere dann nicht, wenn die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht den gesamten Teil des Umsatzes ausmachen (16 Ok 4/07).

3.5. Die Kontrolle der Höhe einer Geldbuße im Rechtsmittelverfahren richtet sich danach, inwieweit das Kartellgericht bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung rechtlich korrekt alle gesetzlichen Faktoren berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens von Bedeutung sind (vgl 16 Ok 4/07).

3.6. Das Kartellgericht ist (ebenso wie die ASt) bei Bemessung der Geldbuße der ErstAG einem im europäischen Kartellrecht entwickelten mehrstufigen Verfahren gefolgt.

Es hat in einem ersten Schritt einen Grundbetrag der Geldbuße festgelegt. Diesen Grundbetrag hat es - nach der Schwere des Verschuldens und der Verstöße - unter den vorliegenden Umständen (horizontale Wettbewerbsbeschränkungen zählen zu den schwersten Verstößen gegen Art 81 EG; die Absprachen bezogen sich auf das gesamte Bundesgebiet; die betroffenen Unternehmen verfügen als Teile großer internationaler Konzerne über juristischen Sachverstand und Ressourcen und konnten erkennen, in welchem Maß ihr Verhalten gegen Wettbewerbsregeln verstößt; ein wesentlicher Teil der beantragten Geldbußen ist durch die durch das Kartell verursachten bzw abgesicherten Mehrerlöse abgedeckt) mit jeweils 30 % des Umsatzes des letzten Geschäftsjahres, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war (vgl europäische Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen 2006, Rn 13), als nicht überhöht beurteilt.

In einem zweiten Schritt hat das Kartellgericht - ebenso wie die Antragstellerin - einen Aufschlag von 50 % für die Dauer des Verstoßes vorgenommen und dabei berücksichtigt, dass das Kartell ab März 2004 nur mehr abgeschwächte Wirkung entfaltet hat.

In einem dritten Schritt hat das Kartellgericht sodann den Milderungsgrund der Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts mit einem Abschlag von 5 % berücksichtigt und letztlich - wiederum der Antragstellerin folgend - bei der Erstantragsgegnerin einen weiteren Abschlag von 50 % in Anwendung der „Kronzeugenregelung" des § 11 Abs 3 WettbG vorgenommen. Zuletzt hat das Kartellgericht in einer Art Plausibilitätskontrolle die ermittelte Geldbuße der gesetzlichen Höchstgrenze gegenübergestellt.

Unter Berücksichtigung der durch den Antrag bestimmten Obergrenze von 18,2 Mio EUR ergab eine Rückrechnung, dass der beantragte Grundbetrag zuzüglich Zuschlag für die Dauer der Zuwiderhandlung 33,5 % des Umsatzes beträgt; einen Betrag in diesem Ausmaß hat das Kartellgericht zur Gleichbehandlung aller AG sodann der Bemessung der Geldbußen der übrigen AG zu Grunde gelegt.

3.7. Der Senat billigt die vom Kartellgericht angewendete Bemessungsmethode als grundsätzlich geeignet, eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Geldbuße zu ermitteln. Das angewendete Verfahren stellt bei Verstößen mit mehreren Beteiligten sicher, dass die Geldbuße für jedes einzelne an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen individuell und differenziert je nach dem Gewicht des jeweils zu verantwortenden Verstoßes bemessen wird.

4. Oberster Gerichtshof (OGH) ist auch im Geldbußverfahren nur Rechtsinstanz

Der Senat ist in der Entscheidung 16 Ok 20/04 nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der bisherigen Judikatur zum Ergebnis gelangt, dass der OGH auch als Kartellobergericht im kartellgerichtlichen Verfahren ausschließlich als Rechtsinstanz tätig wird und zur Überprüfung der Beweiswürdigung - ebenso wie in allen anderen Verfahrensarten - in keinem Fall berufen ist (RIS-Justiz RS0109206 [T6]).

An diesem Ergebnis hat der Senat in der Folge mehrfach festgehalten (16 Ok 43/05: Die Anfechtung der Beweiswürdigung ist im kartellgerichtlichen Verfahren unzulässig; 16 Ok 8/07: Eine Notwendigkeit, auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts einer Überprüfung im Rechtsmittelverfahren zuführen zu können, ergibt sich auch nicht aus Art 6 EMRK). Diese Rechtsprechungslinie wird in der Lehre (Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 296 f mit eigenen Argumenten) zustimmend zur Kenntnis genommen.

Auch der im Rechtsmittel der ErstAG aufgezeigte besondere Charakter von Geldbußverfahren mit seiner Nähe zum Strafverfahren führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung in dieser Frage. Der OGH ist nämlich auch im Strafverfahren keine Tatsacheninstanz. Das strafrechtliche Rechtsmittelverfahren vor dem OGH ist nicht mit erhöhten Garantien für die Urteilswahrheit im Tatsachenbereich ausgestattet; dazu dient allein die unmittelbare, mündliche Beweisaufnahme vor einem aus mehreren Richtern bestehenden Spruchkörper in erster Instanz. Nur was im Tatsächlichen schlechterdings unerträglich ist, weil es das gesetzliche Beweiswürdigungsermessen überschreitet, kann ungeachtet formal einwandfreier Beweiswürdigung zur Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens führen. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der OGH ohne eingehende eigene beweiswürdigende Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnis keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (Ratz in Fuchs/Ratz, Wiener Kommentar zur StPO § 281 Abs 1 Z 5 Rz 445, 449, 490).

II. Zum Rekurs der ErstAG

Die ErstAG strebt mit ihrem Rechtsmittel an, dass über sie keine Geldbuße verhängt, hilfsweise die Geldbuße mit höchstens 3,33 Mio EUR festgesetzt, hilfsweise die Geldbuße herabgesetzt oder die angefochtene Entscheidung aufgehoben werde.

Das Rechtsmittel versucht - auch unter dem Rechtsmittelgrund sekundärer Feststellungsmängel - weitwändig aufzuzeigen, dass keine einheitliche Zuwiderhandlung von bis Ende 2005 vorgelegen sei; das „strukturierte Kartell" sei schon am beendet worden, nach diesem „inhaltlichen Bruch" habe es nur mehr lokale Abstimmungen gegeben, die der ErstAG nicht zurechenbar und die auch nicht spürbar gewesen seien.

Diese Ausführungen gehen nicht vom ausreichend festgestellten Sachverhalt aus und lassen die zuvor unter Punkt I. 2. erörterten Grundsätze außer Acht. Eine Aufgliederung der Wettbewerbsverstöße etwa nach Zeiträumen, betroffenen Teilmärkten, handelnden Personengruppen oder angewendeten Methoden der Abstimmung kommt nach den hier vorliegenden Umständen eines von einem einheitlichen Vorsatz getragenen Grundverständnisses aller Beteiligten nicht in Betracht. Entgegen der Auffassung der ErstAG bewirkt dieses von ihr auf Vorstandsebene geteilte Grundverständnis eine Mitverantwortung für das in Durchführung dieses Gesamtplans verwirklichte Verhalten von Mitarbeitern darunter liegender Organisationsstufen aller beteiligten Unternehmen.

Die ErstAG meint, ihr für die Bußgeldbemessung relevantes Zuwiderhandeln habe höchstens 20 Monate gedauert; das Kartellgericht habe deshalb den Grundbetrag der Geldbuße zu hoch bemessen. Fälschlich sei auch der nicht tatbezogene Umsatz berücksichtigt worden. Richtigerweise wäre vom Umsatz allein der ErstAG für 2003 auszugehen gewesen.

Wie schon zuvor ausgeführt (Punkt I.3.), ist nach der klaren gesetzlichen Vorgabe bei Bemessung der Geldbuße vom erzielten (Gesamt-)Umsatz auszugehen und die Zusammenrechnungsregel des § 2a KartG 1988 anzuwenden. Die Bemessung nach dem Umsatz im letzten Jahr des Zuwiderhandelns entspricht den europäischen Vorgaben und stellt den zeitlichen Zusammenhang zwischen Verstoß und Leistungsfähigkeit sicher. Eine Einschränkung allein auf den tatbezogenen Umsatz kommt nicht in Betracht, weil dadurch die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens nicht ausreichend berücksichtigt würde. Dass der Gruppenumsatz des Konzerns als Berechnungsgröße der Obergrenze der Geldbuße heranzuziehen ist, bewirkt noch nicht, dass neben der ErstAG als Adressatin der Geldbußenentscheidung noch weiteren Konzerngesellschaften die Stellung von Verfahrensbeteiligten samt den damit verbundenen Rechten einzuräumen gewesen wäre.

Ob dem Kartellgericht bei Bemessung der Geldbuße der FünftAG ein Rechenfehler unterlaufen ist, was zu einer Bevorzugung dieser AG geführt habe, kann die ErstAG auch nicht unter dem Aspekt der Gleichbehandlung als Argument für eine Herabsetzung der über sie selbst verhängten Geldbuße ins Treffen führen, weil die Geldbuße für jeden Beteiligten individuell nach dessen eigenem Beitrag zum Zuwiderhandeln zu bemessen ist. Dass das Kartellgericht bei Beurteilung von Umfang und Ausmaß der Milderungsgründe (Zusammenarbeit mit ASt und Kartellgericht) den ihm in dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraum in korrekturbedürftigem Ausmaß überschritten hätte, ist nicht erkennbar. Der OGH hatte erst ein einziges Mal eine kartellrechtliche Geldbuße wegen wettbewerbsverfälschenden Verhaltens unter gänzlich unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu beurteilen (16 Ok 4/07); der Vorwurf, das Kartellgericht sei von einer „gerichtlichen Entscheidungspraxis" abgewichen, geht daher ins Leere.

Mit zutreffender Begründung hat es das Kartellgericht abgelehnt, der ErstAG im Verfahren den Status eines Kronzeugen iSd § 11 Abs 3 WettbG zuzuerkennen. Die Kommission hat die Einleitung eines Verfahrens zur Untersuchung wettbewerbswidrigen Verhaltens auf dem inländischen Aufzugsmarkt abgelehnt; diese Entscheidung hat weder das Recht der ASt, selbst eine solche Untersuchung durchzuführen, eingeschränkt, noch die ErstAG in ihrem Recht verletzt, nicht zwei Mal wegen desselben Sachverhalts abgestraft zu werden. Erklärungen der ErstAG in einem von Gemeinschaftsbehörden eingeleiteten Bußgeldverfahren können mangels Vollharmonisierung dieses Rechtsbereichs keine Wirkung in von innerstaatlichen Behörden geführten Verfahren entfalten, mögen diese auch denselben Untersuchungsgegenstand haben.

Das Kartellgericht hat ausführlich dargelegt, aufgrund welcher vielfältigen Beweisergebnisse es von einer bei den AG eingetretenen Bereicherung ausgegangen ist (Entscheidung S 134 - 136). Auf das von der ErstAG vorgelegte Privatgutachten hat es sich bei dieser Feststellung nicht gestützt; eine im Zusammenhang mit diesem Gutachten geltend gemachte Aktenwidrigkeit entbehrt daher der rechtlichen Relevanz. Ob sich die Aussage des Zeugen W***** über eine Verhaltenskoordinierung bis allein auf den Bereich Service und die Bundesländer Wien und Niederösterreich bezog, ist im Hinblick auf das Vorliegen einer durchgehenden einheitlichen Zuwiderhandlung ebenso unerheblich wie die im Zusammenhang mit der Aussage von Ing. W***** geltend gemachte angebliche Aktenwidrigkeit.

Der Vorwurf einer Verletzung der Begründungspflicht im Zusammenhang mit der Bußgeldbemessung ist angesichts der umfangreichen Ausführungen zu diesem Thema im angefochtenen Beschluss unverständlich. Dass das Kartellgericht bei seiner (originären) Bemessung der Geldbußen vom verfahrenseinleitenden Antrag ausgegangen ist, entspricht den gesetzlichen Vorgaben (§ 36 Abs 2 KartG 2005) und bedeutet nicht, dass sich das Gericht mit der Überprüfung einer Ermessensausübung einer Verwaltungsbehörde begnügt hätte. Mangels entsprechenden Antrags durfte das Kartellgericht jenes Unternehmen, dem die ASt Kronzeugenstatus zuerkannt hat, nicht in das Verfahren einbeziehen; weshalb dadurch die ErstAG in eigenen Verteidigungsrechten geschmälert worden sein soll, ist nicht nachvollziehbar.

III. Zum Rekurs der ZweitAG

Die ZweitAG bekämpft mit ihrem Rechtsmittel die Geldbuße hinsichtlich eines 2,03 Mio EUR übersteigenden Betrags. Sie macht geltend, das Kartellgericht lege seiner Entscheidung eine unrichtige Dauer der Zuwiderhandlung zu Grunde, weil es nicht von einer zumindest konkludenten Aufhebung der wettbewerbswidrigen „Grundsätze" durch die Vorstände der AG schon im Frühjahr 2004 ausgehe. Das Kartellgericht verlange von den betroffenen Unternehmen den Nachweis einer „Aufhebungsvereinbarung", was einer unzulässigen Beweislastumkehr gleichkomme.

Dem ist - ergänzend zu dem schon zuvor unter Punkt I. 2. und zum Rechtsmittel der ErstAG Ausgeführten - zu entgegnen, dass die den AG zuzurechnenden fortgesetzten Abstimmungen ihrer Mitarbeiter bis Ende 2005 (mögen solche auch nur auf lokaler Ebene und punktuell stattgefunden haben) nicht willkürlich vom vorangehenden Verhalten der AG unterschieden werden können, sondern als weitere Vollzugshandlungen des (niemals ausdrücklich widerrufenen) Grundverständnisses der Vorstände der AG über eine Marktaufteilung zu beurteilen sind, auf diesem Grundverständnis aufgebaut haben und ohne dieses auch nicht denkbar gewesen wären.

Die ZweitAG räumt in ihrem Rekurs selbst ein, dass es auch die Vorkommnisse nach dem Frühjahr 2004 nicht hätte geben dürfen; es ist aber dann nur konsequent, mangels Widerrufs des Grundkonsenses durch die Beteiligten von einem einheitlichen, sämtlichen AG zurechenbaren Zuwiderhandeln auszugehen. Das Kartellgericht hat als erwiesen angesehen, dass die AG trotz Einstellung der Absprachen auf Vorstandsebene bis zumindest Ende 2005 von den zuvor erfolgten Koordinationen einzelner Projekte profitiert haben. Dies bedeutet, dass die Marktverhältnisse zumindest bis zum genannten Zeitpunkt verfälscht worden sind, weil die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen noch Wirkungen entfaltet haben. Es wäre unter diesen Umständen an den AG gelegen, den Nachweis zu erbringen, ab welchem früheren Zeitpunkt ihr Verhalten die Eignung verloren hat, den freien Wettbewerb auf dem betroffenen Markt zu gefährden.

Nicht zu beanstanden ist, dass das Kartellgericht den gesamten und nicht bloß den auf verfälschtem Wettbewerb beruhenden Umsatz als Bemessungsgrundlage herangezogen hat. Schon nach dem Wortlaut des § 142 Z 1 KartG 1988 ist der weltweite Umsatz der beteiligten Unternehmer maßgeblich; dies betonen auch die Materialien (abgedruckt bei Auer/Urlesberger, Kartellrecht5 114). Bei anderer Beurteilung würde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Die ZweitAG bemängelt die unterbliebene Vernehmung einer Auskunftsperson. Sie verkennt, dass das Kartellgericht gar nicht in Abrede gestellt hat, dass auch die ZweitAG interne Untersuchungen durchgeführt hat (Entscheidung S 149); allein zu diesem Beweisthema wurde die Auskunftsperson aber geführt. Ein relevanter Verfahrensfehler liegt damit nicht vor. Warum das Kartellgericht bei der ZweitAG keinen Milderungsgrund als verwirklicht ansah, hat es nachvollziehbar begründet; eine Ermessenüberschreitung ist ihm nicht vorzuwerfen.

Der Argumentation der ZweitAG, nach österreichischem Kartellrecht sei für die Bußgeldobergrenze allein auf den Umsatz des an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens abzustellen, ist aus den schon zuvor (Punkt I.3.1.) angeführten Gründen nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat sich im kartellrechtlichen Verfahren ganz allgemein dafür entschieden, die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens nicht allein nach dessen Umsatz zu beurteilen, sondern in wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 1 KartG 1988) die Finanzkraft des Konzerns, dem das Unternehmen angehört, einzubeziehen (§ 2a KartG 1988); für das Geldbußenverfahren kann damit nichts anderes gelten. Bei gegenteiliger Sicht könnte das kartellrechtliche Geldbußensystem dadurch unterlaufen werden, dass ein zuwiderhandelndes Unternehmen von seinem Konzern mit so geringen Eigenmitteln ausgestattet wird, dass es im Fall einer Geldbuße in empfindlicher Höhe insolvent wird und aus dem Markt ausscheidet, während der Konzern den aus der Zuwiderhandlung erwirtschafteten und bereits abgeschöpften Gewinn dieses Unternehmens straflos behalten kann. Dass die Konzernleitung nicht in der Lage gewesen wäre, geschäftliche Entscheidungen der ZweitAG als Konzernunternehmen zu beeinflussen, ist nicht festgestellt. Verfehlt ist deshalb in diesem Zusammenhang das Argument, der Konzern werde ohne Zurechenbarkeit für fremdes strafbares Verhalten mittelbar bebußt. Da andere Konzerngesellschaften nicht Adressaten der Bußgeldentscheidung sind, bedurfte es deren Einbeziehung in das kartellgerichtliche Verfahren nicht.

IV. Zum Rekurs der DrittAG

Die DrittAG beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass über sie eine „reduzierte Geldbuße" verhängt werde, hilfsweise, den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Sie macht als Verfahrensmangel/Aktenwidrigkeit geltend, es lägen keine Beweisergebnisse für die Feststellung vor, dass nach dem in den Sitzungen der AG bei der Verteilung von Projekten mit Marktanteilen argumentiert worden sei. Ein behaupteter Widerspruch zwischen Akteninhalt und Feststellungen muss jedoch für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sein, um als Rechtsmittelgrund erfolgreich geltend gemacht werden zu können (E. Kodek in Rechberger, ZPO³ § 471 Rz 7 mwN; vgl RIS-Justiz RS0043421); diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, weil es beim pönalisierten Verhalten in erster Linie auf dessen Zielrichtung und mögliche Auswirkungen, nicht aber auf die Argumentation im Zuge des Zustandekommens der verbotenen Absprachen ankommt.

Dass es - wie vom Kartellgericht ausgesprochen, aber von der DrittAG in Zweifel gezogen - bei den Marktanteilen der AG „zu keinen wesentlichen Änderungen kam", ist ein richterliches Werturteil, dessen Tatsachengrundlagen in Form von Umsatzzahlen - wie im Rechtsmittel S 4 zugestanden - zutreffend wiedergegeben worden sind. Diese (ohne nähere zeitliche Differenzierung aus einem jahrzehntelang andauernden Sachverhalt gezogene) Schlussfolgerung des Kartellgerichts wird in ihrer Richtigkeit nicht schon durch eine punktuelle Betrachtung der Umsatzentwicklung zwischen 2003 und 2004 erschüttert.

Im Übrigen ist es für ein Zuwiderhandeln gegen Art 81 Abs 1 EGV gerade nicht erforderlich, dass eine Absprache oder ein abgestimmtes Verhalten sowohl einen wettbewerbswidrigen Zweck als auch eine wettbewerbswidrige Wirkung hat. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Nachweise bei Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht II10 Art 81 Rn 97 - 99) sind die beiden Tatbestandsmerkmale „bezwecken" und „bewirken" alternativ zu sehen. Bezweckt eine Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung, so brauchen deren tatsächlichen Auswirkungen nicht festgestellt zu werden; dies gilt auch für abgestimmtes Verhalten in Bereichen, in dem Beeinflussungen erfahrungsgemäß zu nachteiligen Auswirkungen auf dem Markt führen (etwa Preiskoordinierungen oder Gebietsaufteilungen).

Die Ausführungen des Rechtsmittels zur angeblich fehlerhaften Abgrenzung des Verhaltens der AG zwischen verbotener Durchführung eines Kartells (§ 18 KartG 1988) und - nach nationalem Recht - sanktionsloser Vereinbarung eines Kartells sind gegenstandslos, weil das durch Bußgeld sanktionierte Verhalten in erster Linie wegen Zuwiderhandelns gegen Art 81 Abs 1 EGV verhängt worden ist, welchen Tatbestand die festgestellten Absprachen und das abgestimmte Verhalten zu wettbewerbswidrigem Zweck erfüllen.

Unberechtigt ist der Vorwurf, das Kartellgericht hätte bei Bemessung der Geldbuße in unzulässiger Weise europäische Normen herangezogen. Der Senat hat erst jüngst ausgesprochen, dass das Geldbußensystem des Gemeinschaftsrechts (Art 23 VO 1/2003) mit jenem des nationalen Rechts nicht deckungsgleich ist, weshalb etwa die Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen im Verfahren über eine vom Kartellgericht nach nationalem Recht zu verhängende Geldbuße nur in jenem Umfang sinngemäß angewendet werden können, in dem die entsprechenden Normen und die ihnen zugrunde liegenden Wertungen vergleichbar sind (16 Ok 4/07 = RIS-Justiz RS0122747). Es ist deshalb unbedenklich, dass sich das Kartellgericht zwar an der europäischen Entscheidungspraxis zum Geldbußenrecht orientiert hat, ohne dabei jedoch das eigenständige inländische Sanktionensystem zu missachten und eigene Überlegungen zu vernachlässigen. Der im Rechtsmittel gezogene Vergleich mit der höchsten bisher in Österreich verhängten kartellrechtlichen Geldbuße von 7 Mio EUR ist mangels vergleichbaren Sachverhalts nicht zielführend.

Auch hinsichtlich der DrittAG hat das Erstgericht den ihm offenstehenden Ermessensspielraum bei Ausmittlung der Geldbuße (unter Berücksichtigung der anrechenbaren mildernden Umstände) nicht überschritten. Ob Kartellteilnehmer eine gemeinsame Liste zur Überwachung des Marktverhaltens der Mitbewerber führen oder - wie die AG - Aufzeichnungen nur für ihr eigenes Unternehmen anfertigen, macht für die Schwere des Zuwiderhandelns keinen Unterschied. Unzutreffend ist, dass das Kartellgericht bei der DrittAG keine Bereicherung durch die Zuwiderhandlungen festgestellt hätte, ist es doch davon ausgegangen, dass sämtliche AG bis Ende 2005 insbesondere in den Bereichen Wartung, Reparatur und Modernisierung kartellbedingte Mehrerlöse erzielt haben (Beschluss S 136).

Die DrittAG wirft der ASt vor, ihr Ersuchen um Kronzeugenregelung gemäß § 11 Abs 3 WettbG unberechtigt abgelehnt und dadurch die eigenen (im Internet in einem Handbuch veröffentlichten) Grundsätze verletzt zu haben. Ihr ist zu entgegnen, dass sie die ASt erst am ersucht hat, gemäß § 11 Abs 3 WettbG vorzugehen (eigenes Vorbringen Schriftsatz vom , ON 14, S 2); zu diesem Zeitpunkt war ihr jedoch die Aufforderung des Kartellgerichts zur Stellungnahme zum Bußgeldantrag bereits zugegangen (RS vom ). Damit lag eine der gesetzlichen Voraussetzungen zur Anwendung dieser Bestimmung nicht vor, dass nämlich die ASt vom präsumtiven Kronzeugen informiert wird, noch bevor sie selbst von dem Sachverhalt erfährt (§ 11 Abs 3 Z 2 WettbG). Die Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts wurde vom Kartellgericht ohnehin mit einem Abschlag von der Geldbuße berücksichtigt.

Der Senat sieht sich nicht veranlasst, der Anregung der DrittAG zu folgen und die Zusammenrechnungsregel des § 2a KartG 1988 auf Bußgeldsachverhalte nicht anzuwenden bzw diese Norm als verfassungswidrig beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Ist das zuwiderhandelnde Unternehmen mit anderen Unternehmen in der in § 41 KartG 1988 beschriebenen Form verbunden, ist es aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung, die in der genannten Norm in typisierter Form erfasst wird, sachlich gerechtfertigt, auch bei Ausmittlung einer Geldbuße die Leistungsfähigkeit (Finanzkraft) nicht allein am Umsatz des zuwiderhandelnden Unternehmens, sondern am Umsatz der gesamten Unternehmensgruppe zu messen. Damit wird auch das strafrechtliche Schuldprinzip nicht verletzt, bleibt doch das zuwiderhandelnde Unternehmen alleiniger Adressat der Bußgeldentscheidung. Die verbundenen Unternehmen müssen gerade nicht für etwas einstehen, „womit sie nichts verbindet", wie die DrittAG unzutreffend meint. Ob diese Grundsätze auch für den Ausnahmefall gelten, dass trotz Bestehens einer Verbindung gemäß § 41 KartG 1988 die Konzernleitung infolge besonderer Umstände nicht in der Lage gewesen wäre, geschäftliche Entscheidungen des zuwiderhandelnden Konzernunternehmens zu beeinflussen, kann dahingestellt bleiben; ein solcher Sachverhalt wurde nämlich nicht festgestellt.

Abschließend macht die DrittAG geltend, es verstoße gegen das „Rückwirkungsverbot", Geldbußen zu verhängen, die ein Vielfaches der Summe aller bisher im Inland verhängten Geldbußen überschritten; es müsse einem Täter ermöglicht werden, die Rechtsfolgen seiner Tat vorherzusehen, weshalb die Entscheidung auf das Bußgeldniveau der bis zum Beginn der Zuwiderhandlung ergangenen Entscheidungen abzustellen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die Vorhersehbarkeit der Höhe einer kartellrechtlichen Geldbuße schon aus den im Zeitpunkt des Zuwiderhandelns bestehenden gesetzlichen Bestimmungen ergibt. Folgte man hingegen der Auffassung der DrittAG, dürfte das Kartellgericht niemals eine Geldbuße verhängen, kann doch denkunmöglich beim ersten Anlassfall einer zu bebußenden Zuwiderhandlung schon ein inländisches „Bußgeldniveau" als angeblich relevanter Maßstab bestehen.

V. Zum Rekurs der ViertAG

Die ViertAG beantragt, den Geldbußenantrag abzuweisen, hilfsweise eine „reduzierte Geldbuße" zu verhängen oder den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Ihr Rechtsmittel ist in weiten Abschnitten mit jenem der DrittAG wortgleich; insoweit ist sie auf die dortigen Ausführungen zu verweisen.

Als Verfahrensmangel/Aktenwidrigkeit macht sie geltend, es läge keine Beweisgrundlage für die Feststellung vor, dass auch der Vorstand der ViertAG den Grundkonsens der übrigen AG mitgetragen habe, bzw sei das Kartellgericht auf Aussagen einiger Zeugen dazu nicht eingegangen. Soweit die Rechtsmittelwerberin damit eine Überprüfung der Beweiswürdigung des Kartellgerichts anstrebt, ist dies nach den vorangestellten Ausführungen (Punkt I.4.) nicht zulässig. Im Übrigen hat das Kartellgericht an anderer Stelle - von der ViertAG unbeanstandet - festgestellt, dass nach einem Wechsel in der Position des Verkaufsleiters dem neuen Vertreter der ViertAG bei der ersten Verkaufsleitersitzung, an der er 2003 teilnahm, bewusst war, dass die Teilnehmer einander Projekte zuordneten; er hat diese Beobachtung dem Geschäftsführer der ViertAG mitgeteilt, sich von dieser Vorgangsweise den anderen Teilnehmern gegenüber jedoch nie distanziert, weil er sich nicht unbeliebt machen wollte (Beschluss S 72 f). Es kann demnach keine Rede davon sein, die Geschäftsleitung der ViertAG habe vom abgesprochenen Zuwiderhandeln keine Kenntnis gehabt oder dieses nicht (durch stillschweigendes Dulden) mitgetragen.

Die unter demselben Rechtsmittelgrund bekämpfte Feststellung, Vertreter der ViertAG hätten an Treffen des „Servicekreises" auch noch nach 2003 teilgenommen, ist für die gegen die ViertAG ergangene Entscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung, weil die Teilnahme an diesen Treffen nur ein Teilaspekt des Gesamtverhaltens aller AG auf verschiedenen Unternehmensebenen über einen langen Zeitraum hinweg war und auch die ViertAG zu keinem Zeitpunkt vor Ende 2005 gegenüber den Mitbeteiligten die Einstellung ihres kartellrechtswidrigen Verhaltens bekundet hat; auf die Ausführungen unter Punkt I.2.5. ist zu verweisen.

Soweit die ViertAG Verjährung geltend macht, weil ihr nach dem kein Zuwiderhandeln zur Last gelegt werden könne, ist sie auf die Ausführungen unter Punkt I.2. zu verweisen. Die Verantwortlichkeit für ein langjährig abgesprochenes und ausgeübtes Gesamtverhalten mehrerer Teilnehmer entfällt nicht schon deshalb, weil sich ein Teilnehmer nicht mehr an Sitzungen beteiligt, wenn er weiterhin wettbewerbsbeschränkende Abstimmungen vornimmt (vgl angefochtener Beschluss S 74).

Auch hinsichtlich der ViertAG hat das Erstgericht den ihm offenstehenden Ermessensspielraum bei Ausmittlung der Geldbuße nicht überschritten und insbesondere deren untergeordnete Rolle bei den Zuwiderhandlungen mit einem deutlichen Abschlag gegenüber dem Grundbetrag ausreichend berücksichtigt.

VI. Zum Rekurs der FünftAG

Die FünftAG beantragt, den Geldbußenantrag abzuweisen, hilfsweise eine „reduzierte Geldbuße" zu verhängen oder den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Ihr Rechtsmittel ist in weiten Abschnitten mit jenem der Dritt- und ViertAG wortgleich; insoweit ist sie auf die dortigen Ausführungen zu verweisen.

Entgegen der Auffassung der FünftAG findet die Feststellung, es habe eine von allen AG beachtete Gebietsschutzabrede zu ihren Gunsten gegeben, ihre Deckung in Beweisergebnissen (vgl dazu Beschluss S 91). Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit liegt damit nicht vor, weil nicht der Akteninhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig wiedergegeben wird, sondern das Gericht aufgrund richtig dargestellter Beweisergebnisse zu Feststellungen oder rechtlichen Schlussfolgerungen in einer bestimmten Richtung gelangt ist (vgl RIS-Justiz RS0043324).

Weshalb das Kartellgericht zur Überzeugung gelangt ist, dass in den Sitzungen der Vorstände der AG auch nach 2000 die Grundsätze des Zuwiderhandelns vom allgemeinen Konsens umfasst waren, hat es unter Hinweis auf entsprechende Beweisergebnisse begründet (Beschluss S 90 f); eine Aktenwidrigkeit ist damit nicht gegeben. Dass der Vorstand der FünftAG vom abgesprochenen Zuwiderhandeln nach 2000 keine Kenntnis gehabt oder dieses nicht (durch stillschweigendes Dulden) mitgetragen habe, steht nicht fest.

Warum regionale Zuwiderhandlungen einiger Teilnehmer nach dem auch der FünftAG als am Grundkonsens beteiligtem Unternehmen zuzurechnen sind und der Beginn der Verjährungsfrist zumindest nicht vor Ende 2005 zu laufen begann, wurde schon zuvor unter Punkt I.2. erörtert. Dass der für die FünftAG an der Sitzung der Verkaufsleiter am teilnehmende Mitarbeiter die Sitzung verlassen hat, als konkrete künftige Projekte zwar genannt wurden, darüber aber noch nicht abgestimmt worden ist, hat das Kartellgericht zutreffend nicht als künftige Distanzierung der FünftAG von den bisherigen Zuwiderhandlungen der AG gewertet: Derselbe Mitarbeiter hat sich ja schon früher an Projektabstimmungen beteiligt und galt als eingeweiht; auch verließ er die Sitzung erst, nachdem die Nennung der Projekte für Vorarlberg und Tirol (dem der FünftAG vorbehaltenen Bereich) abgeschlossen war (Beschluss S 78 f). Festgestellt wurde auch, dass die FünftAG nicht aus dem Kartell ausgetreten ist und dass das Zuwiderhandeln der Beteiligten auch im Bereich von Service und Modernisierung zugunsten der FünftAG wirksam war, weil die anderen Unternehmen vereinbarungsgemäß in Vorarlberg keine Niederlassungen als Voraussetzung für einen Wettbewerb in diesen Geschäftsbereichen errichtet haben.

Auch hinsichtlich der FünftAG hat das Erstgericht den ihm offenstehenden Ermessensspielraum bei Ausmittlung der Höhe der Geldbuße nicht überschritten und mildernde Umstände mit einem ausreichenden Abschlag gegenüber dem Grundbetrag berücksichtigt.

VII. Zum Rekurs der ASt

Die ASt strebt mit ihrem Rechtsmittel eine Aufhebung der Entscheidung hinsichtlich der ErstAG wegen Verfahrensfehlern und in diesem Umfang eine Zurückverweisung an das Kartellgericht zur Verfahrensergänzung an; aus rechtlichen Gründen beantragt sie für die Zweit- bis FünftAG die Erhöhung der Geldbußen auf die von ihr jeweils beantragten Beträge.

Ein Verfahrensmangel betreffend die ErstAG soll darin liegen, dass die ASt vom Kartellgericht nicht darauf hingewiesen worden sei, dass der Inhalt des Schriftsatzes der ErstAG vom (ON 96) von zuvor bekanntgegebenen Umsatzzahlen abweiche; dieser Verstoß gegen die Anleitungspflicht und das rechtliche Gehör habe dazu geführt, dass die ASt die bis zu diesem Zeitpunkt herangezogene Bemessungsgrundlage nicht habe berichtigen können.

Die ASt gesteht selbst zu, dass ihr der genannte Schriftsatz (analog § 112 ZPO) von der ErstAG unmittelbar zugestellt worden ist; auch hat nach Einbringung des Schriftsatzes vom noch am eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der die ASt Gelegenheit gehabt hätte, ihre bisherigen Anträge zu modifizieren. Von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs kann damit keine Rede sein.

Darüber hinaus verkennt die Rechtsmittelwerberin Inhalt und Umfang der richterlichen Anleitungspflicht. Im hier gemäß § 38 KartG 2005 anzuwendenden Verfahren außer Streitsachen kommen die Anleitungs- und Belehrungspflichten nach der ZPO zur Anwendung (§ 14 AußStrG). Die ASt als Amtspartei muss sich auch im Verfahren vor dem Kartellobergericht nicht durch Rechtsanwälte vertreten lassen (§ 49 Abs 1 KartG 2005), sie also persönlich von der Anwaltspflicht ausgenommen (andere Fälle siehe § 28 ZPO). Damit besteht ihr gegenüber - schon im Verfahren erster Instanz - keine über die allgemeine Anleitungs- und Belehrungspflicht hinausgehende erweiterte Manuduktionspflicht, wie sie sonst gegenüber rechtsunkundigen und nicht durch Rechtsanwälte vertretenen Parteien gemäß § 14 zweiter Satz AußStrG geboten ist (vgl Rechberger in Rechberger, AußStrG³ § 14 Rz 4).

Gemäß § 182 ZPO hat das Gericht auch gegenüber durch einen Rechtsanwalt vertretenen Parteien Anleitungs- und Belehrungspflichten. Diese Verpflichtung bedeutet aber nicht, dass die vertretene Partei (der die ASt gleichzuhalten ist) über die mit ihren Handlungen und Unterlassungen verbundenen Rechtsfolgen zu belehren oder zur Stellung bestimmter prozessualer Anträge anzuleiten wäre oder das Gericht eine Klageänderung oder -erweiterung mit den Parteien zu erörtern hätte (Fucik in Rechberger, ZPO³ § 182 Rz 1 mwN; RIS-Justiz RS0037052). Auch geht die Anleitungspflicht nach § 182 ZPO nicht soweit, dass der Richter auf die Partei beratend einzuwirken hätte. Eine solche Anleitung löste die Besorgnis der Befangenheit aus und wäre als parteilich zu werten (RIS-Justiz RS0108818 [T2]). Diese Grundsätze haben auch im Kartellverfahren in Ansehung der Amtsparteien zu gelten. Dem Kartellgericht ist daher kein Verfahrensfehler unterlaufen, wenn es die ASt nicht aufgefordert hat, ihren bisherigen Antrag betreffend die ErstAG der Höhe nach der im Hinblick auf den Inhalt des Schriftsatzes der ErstAG geänderten Beweislage anzupassen.

Die ASt macht geltend, die Ermessensausübung des Kartellgerichts bei Ausmittlung der Geldbußen sei weder schlüssig noch nachvollziehbar und habe zu fehlerhaften Ergebnissen geführt. Dieser Vorwurf ist unbegründet. Das Kartellgericht hat dargelegt, auf welche Weise es das ihm offenstehende Ermessen bei Ausmittlung der Geldbußen innerhalb der gesetzlichen Grenzen (§ 142 KartG 1988 iVm § 36 Abs 2 KartG 2005) ausgeübt hat; seine Erwägungen sind weder nach der angewandten Methode (dazu schon zuvor Punkt I.3.), noch nach dem erzielten Ergebnis zu beanstanden. Eine Geldbuße ist zu bemessen und nicht zu berechnen; es ist deshalb verfehlt, vom Kartellgericht die Offenlegung einer „Berechnungsweise" zu verlangen oder - im Widerspruch dazu - dem Kartellgericht (Rechtsmittel Punkt 25) vorzuwerfen, es hätte bei Anwendung seiner eigenen Berechnungsweise als Maßstab „weit höhere Bußgelder aussprechen müssen als [...] beantragt" (was im Hinblick auf § 36 Abs 2 KartG 2005 jedenfalls gesetzwidrig gewesen wäre). Dass aber das Kartellgericht bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung nicht alle gesetzlichen Bemessungsfaktoren berücksichtigt oder sie in unvertretbarer Weise gewichtet hätte, ist nicht zu erkennen.