OGH 22.09.2015, 12Os89/15b
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Metus J***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Metus J***** und Elvis M***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 81 Hv 6/15t-210, sowie die Beschwerde des Metus J***** gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten Metus J***** und Elvis M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche der Angeklagten Metus J*****, Elvis M***** und Maria B***** enthält, wurden - soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz -
Metus J***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./1./), des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (I./2./) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 (richtig) Z 2 WaffG (I./3./) und
Elvis M***** des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 12 dritter Fall, 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat
I./ Metus J*****
1./ am in W***** mit Gewalt gegen Personen bzw durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen bzw abzunötigen versucht, indem er mit einem Messer und einem Pfefferspray bewaffnet unmittelbar vor der Filiale des M*****-Markts in *****, auf- und abschritt und Angestellten des Unternehmens unter Vorhalt des Messers bzw Einsatz des Pfeffersprays Geld wegzunehmen trachtete, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe zu verüben suchte und die Tat lediglich infolge der Warnung über die Ausführung hindernde Tatumstände durch seinen Komplizen Elvis M***** fehlschlug und es beim Versuch blieb;
2./ am in T***** eine fremde Sache, nämlich einen Kaffeeautomaten des Unternehmens B***** beschädigt, indem er die Verglasung durch einen Faustschlag zerbrach;
3./ von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Herbst 2014 bis , wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe (§ 17 WaffG), nämlich einen Schlagring besessen;
II./ Elvis M***** am in W***** zur Ausführung einer strafbaren Handlung, nämlich zu dem unter Punkt I./1./ beschriebenen schweren Raub beigetragen, indem er Metus J***** gemäß zuvor getroffener Vereinbarung zum Geschäftslokal begleitete, Aufpasserdienste leistete und ihm fernmündlich Informationen über die für eine erfolgreiche Verwirklichung des Tatplans wesentlichen Umstände mitteilte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen gerichteten Nichtigkeitsbeschwerden stützen der Angeklagte Metus J***** auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 9 lit b StPO, der Angeklagte Elvis M***** auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Metus J*****:
Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) behauptet eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zur geplanten Waffenverwendung beim Raub, weil diese entgegen der Ansicht der Tatrichter nicht aus den angeführten Telefonaten (US 12 ff) hervorgehe. Solcherart verfehlt die Rüge aber die gesetzeskonforme Darstellung, weil sie die Erwägungen übergeht (RIS-Justiz RS0099632, RS0119370; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 455), wonach ein Überfall auf Angestellte des Me*****-Markts ohne Einsatz von Waffen nur sehr schwer möglich gewesen wäre, die subjektive Tatseite aus dem objektiven Geschehensablauf ableitbar ist (US 28 f) und dass sich die Tatrichter auf den Observationsbericht (ON 188) stützten, nach dem der unmittelbare Täter die (später sichergestellte) Tasche mit den Waffen bei sich trug (US 25). Als bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen - als welcher sich das auf US 13 f angeführte Telefonat darstellt - kann dessen in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Beurteilung, die - wie fallbezogen - erst in der Gesamtschau mit anderen zum Ausspruch über entscheidende Tatsachen führt, mit Mängelrüge nicht bekämpft werden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410).
Auch in Ansehung der Feststellungen, wonach die Angeklagten nicht freiwillig vom Raubvorhaben Abstand nahmen, sondern dieses für nicht mehr durchführbar hielten (US 15 ff) moniert der Nichtigkeitswerber eine mangelnde Begründung (Z 5 vierter Fall). Dem Beschwerdeeinwand zuwider hat das Erstgericht diese Konstatierungen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit einwandfrei - auf Basis der vom Rechtsmittelwerber nicht beanstandeten Aussagen der observierenden Beamten (US 25, 28) - auf das rege Kundenaufkommen und das Zufahren weiterer (wenn auch nicht als Einsatzfahrzeuge erkennbarer) Fahrzeuge (US 25, 27 f) sowie die aus dem objektiven Geschehensablauf ableitbare subjektive Tatseite (US 28 f) gestützt. Ob die Angeklagten darüber hinaus ihr Vorhaben für entdeckt hielten, ist nicht entscheidungswesentlich (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399).
Dass die observierenden Beamten nichts über die innere Einstellung des Nichtigkeitswerbers angaben, liegt in der Natur des Zeugenbeweises (vgl RIS-Justiz RS0097545).
Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) waren die Tatrichter nicht zur gesonderten Erörterung der Aussage des Zeugen Enver K***** verpflichtet, wonach er aufgrund eines Anrufs seiner Frau nach Hause fahren wollte und dies dem Angeklagten Elvis M***** auch mitgeteilt habe (ON 170 S 125 ff, insb S 139, 143). Der Beweggrund dieses Zeugen für das Verlassen des Parkplatzes steht nämlich der Annahme, dass der Versuch des Raubes am regen Kunden- und Fahrzeugaufkommen scheiterte, nicht entgegen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen darüber, ob Enver K*****, der nach den - nicht entscheidenden (vgl zum Begriff Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399) und somit entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers auch nicht mit Mängelrüge (Z 5) bekämpfbaren - Konstatierungen im Fahrzeug am M*****-Parkplatz wartete, um Metus J***** und Elvis M***** die Flucht zu ermöglichen (US 12), in „einen allfälligen Tatplan eingeweiht war“. Nur dann sei nämlich eine abschließende Beurteilung möglich, ob der Nichtigkeitswerber die entscheidende Hemmschwelle vor der Tat schon überwunden habe. Dabei übergeht die Rüge die Feststellung, wonach der Rechtsmittelwerber während des ersten zwischen ihm und dem Angeklagten Elvis M***** geführten Telefonats unmissverständlich zum Ausdruck brachte, dass er unmittelbar davor steht, den M*****-Markt zu betreten, um den Überfall zu begehen und dazu entschlossen ist (US 15). Solcherart verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung (RIS-Justiz RS0099730). Im Übrigen leitet die Rüge nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb eine Kenntnis des Enver K***** vom Tatplan für die rechtliche Beurteilung der dem Beschwerdeführer angelasteten Tat von Bedeutung sein sollte.
Die freiwilligen Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) übergeht die tatrichterlichen Feststellungen, wonach der Nichtigkeitswerber aufgrund der zufahrenden Fahrzeuge und des regen Kundenaufkommens das Vorhaben für entdeckt und nicht mehr erfolgreich durchführbar hielt, weshalb er den Parkplatz verließ (US 17), und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit.
Mangels vergleichbaren Sachverhalts stützt auch die vom Nichtigkeitswerber angeführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 12 Os 25/98 die Beschwerdeansicht nicht, wonach fallbezogen nur ein nach Eintritt in das Versuchsstadium gesteigertes Kundenaufkommen kumulativ mit dem Erkennen von Einsatzfahrzeugen die Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch ausschließen könne.
Soweit der gegen das ganze Urteil gerichtete Aufhebungsantrag auch die Schuldsprüche I./2./ und I./3./ erfasst, ist auf die Beschwerde keine Rücksicht zu nehmen, weil der Nichtigkeitswerber insofern weder bei der Anmeldung noch im Rahmen der Ausführung der Beschwerde Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnete (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Elvis M*****:
Entgegen der Kritik offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter die Feststellung, dass der Angeklagte Metus J***** seine Umhängetasche, in welcher sich ein Messer und ein Pfefferspray befanden, bei sich hatte (US 12), auf die Aussagen des Zeugen Enver K***** (US 24) und den Observationsbericht sowie die damit in Einklang stehenden Aussagen der observierenden, anonym (§ 162 StPO) vernommenen Beamten gestützt (US 25), aus denen jeweils hervorgeht, dass der Angeklagte während des Wartens am Parkplatz eine dunkle Umhängetasche bei sich hatte (ON 188 S 4; ON 194 S 51, 67).
Die Feststellungen, wonach der Nichtigkeitswerber den Einsatz des Messers zur Erlangung des Bargelds billigend in Kauf nahm und sich damit abfand (US 17), haben die Tatrichter entgegen der eine diesbezüglich fehlende Begründung behauptenden Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) aus dem objektiven Geschehensablauf abgeleitet (US 28 f) und überdies darauf verwiesen, dass ein Überfall auf Angestellte des Me*****-Markts ohne Waffeneinsatz nur sehr schwer möglich gewesen wäre (US 26 f). Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen ist rechtsstaatlich ohne weiteres vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671).
Die einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) orientiert sich nicht an den Urteilsfeststellungen, wonach der Nichtigkeitswerber sein Vorhaben aufgrund der zufahrenden Fahrzeuge und des regen Kundenaufkommens für entdeckt und nicht mehr erfolgreich durchführbar hielt (US 17) und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit.
Soweit die Beschwerde Feststellungen über das vom Rechtsmittelwerber in seinen ursprünglichen Tatplan einbezogene Kundenaufkommen und das eingeplante Entdeckungsrisiko vermisst, leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb diese über die vom Erstgericht getroffenen Konstatierungen hinaus zur Erfüllung des Tatbestands des schweren Raubes erforderlich sein sollten.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Metus J***** und Elvis M***** waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung ihrer Berufungen und der impliziten Beschwerde des Angeklagten Metus J***** folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
Schlagworte | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00089.15B.0922.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAD-96782