Suchen Hilfe
OGH 28.08.2012, 12Os89/12y

OGH 28.08.2012, 12Os89/12y

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lindenbauer als Schriftführer in der Strafsache gegen Martin B***** wegen Vergehen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall und Abs 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom , GZ 25 Hv 20/11g-26, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss nach §§ 50, 51 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil und demzufolge auch der Beschluss nach §§ 50, 51 StGB aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, im zweiten Rechtsgang gefällten Urteil (vgl zum ersten Rechtsgang 12 Os 160/11p) wurde Martin B***** (richtig:) der Vergehen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall und Abs 3 SMG (I./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 2 und Abs 2 SMG (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er „in O***** vorschriftswidrig Suchtgift

I./ im Zeitraum von Beginn 1985 bis Ende 1996 sowie vom Jahr 2002 bis zum Jahr 2011 in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge erzeugt, indem er im Zeitraum 1985 bis Ende 1996 und von 2002 bis 2004 jährlich zumindest 4 bis 5 Vogelhanfpflanzen ansetzte, bis zur Erntereife zog und daraus zumindest 7.000 Gramm Vogelhanf, enthaltend zumindest 140 Gramm Delta-9-THC, erzeugte und im Zeitraum 2005 bis Ende 2010 jährlich 4 bis 5 Cannabispflanzen ansetzte, bis zur Erntereife zog und im Jahr 2011 zumindest eine Cannabispflanze erntete und daraus insgesamt zumindest 3.150 Gramm Cannabiskraut, enthaltend zumindest 165,4 Gramm Delta-9-THC, erzeugte;

II./ im Zeitraum von Juli 2010 bis fünf Cannabispflanzen zum Zweck der Suchtgiftgewinnung angebaut, wobei er die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging“.

Nach § 34 SMG iVm § 26 Abs 1 StGB wurden „die sichergestellten Suchtmittel und Suchtmittelutensilien (eine Filmdose mit Hanfsamen) eingezogen“.

Gemäß §§ 50, 51 StGB erteilte das Gericht dem Angeklagten die Weisung, sich einer ambulanten Gruppentherapie zu unterziehen und seine Drogenfreiheit vierteljährlich nachzuweisen.

Gegen Punkt I./ des Schuldspruchs in Ansehung des Tatzeitraums 1985 bis Ende 1996 richten sich die jeweils auf Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, die das Rechtsmittel zum Vorteil des Angeklagten ergriffen hat.

Nach den Feststellungen des Schöffengerichts konsumiert der Angeklagte „seit etwa 26 Jahren mit einer Unterbrechung von 1997 bis 2001 regelmäßig Cannabiskraut, täglich zwischen zwei bis drei Joints. Er ist an Suchtmittel gewöhnt. Um in den Besitz des dafür erforderlichen Suchtgifts zu kommen“, baute er jährlich - für den Eigengebrauch (US 7) - vier bis fünf Hanfpflanzen an, die er bis zur Erntereife zog, und erntete jährlich 500 Gramm Cannabisblüten. Von Beginn des Jahres 1985 bis Ende 1996 pflanzte er Vogelhanf. Von Ende des Jahres 1996 bis Ende 2001 konsumierte der Angeklagte kein Cannabis; erst zu Beginn des Jahres 2002 begann er wieder mit dem Cannabiskonsum und -anbau. Von Beginn des Jahres 2002 bis Ende 2004 erntete er Vogelhanf in einer Menge von jährlich 500 Gramm; von Beginn des Jahres 2005 bis Ende 2010 baute er gezüchtete Hanfpflanzen an und erntete jährlich ebenfalls 500 Gramm Cannabis. Im Jahr 2011 fand er am Ufer der L***** eine wilde Cannabispflanze, welche er aberntete und daraus 150 Gramm Cannabisblüten gewann. Sowohl im Zeitraum vor der Unterbrechung als auch danach wurde jeweils ein Vielfaches der Grenzmenge von 20 Gramm Delta-9-THC erzeugt (US 3 ff).

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrügen (Z 9 lit b) beider Nichtigkeitswerber zeigen zutreffend auf, dass der Schuldspruch I./ in Bezug auf den Tatzeitraum 1985 bis 1996 verfehlt ist.

Der diesem Teil des Schuldspruchs zugrunde liegende Sachverhalt wurde unter den Tatbestand des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall und Abs 3 SMG subsumiert (obwohl eine den Additionseffekt kontinuierlichen Erzeugens umfassende Intention des Angeklagten nicht festgestellt wurde; s dazu die Ausführungen zur Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 StPO). Diese strafbare Handlung ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht; die in § 57 Abs 3 dritter Fall StGB für ein solches Vergehen normierte Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre.

Mit Blick auf den 1996 endenden Tatzeitraum und mangels Feststellungen von Umständen, die eine Ablaufhemmung (§ 58 Abs 2 StGB) - die nächste als verjährungshemmend in Betracht kommende Tat wurde erst wieder „zu Beginn des Jahres 2002“ begangen - oder Fortlaufhemmung der Verjährungsfrist (iSd § 58 Abs 3 Z 2 StGB idF vor BGBl I 2007/93) bewirken, ist von Verjährung der Strafbarkeit - bei Verneinung einer den Additionseffekt kontinuierlichen Erzeugens umfassenden Intention des Angeklagten lägen überhaupt mit minderer Strafe bedrohte Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG vor -
jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2001 auszugehen.

Sollten im erneuten Rechtsgang der Verjährung entgegenstehende Konstatierungen nicht getroffen werden, wird in Bezug auf den Tatzeitraum 1985 bis 1996 mit einem Freispruch vorzugehen sein.

Zur Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO:

Das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG ist zwar mit dem Abernten der Cannabispflanzen verwirklicht (RIS-Justiz RS0124029), allerdings nur, wenn dieser Vorgang eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge Suchtgift betrifft. Mehrere, für sich allein die Grenzmenge nicht übersteigende Suchtgiftquanten sind nur insoweit (zu die Grenzmenge übersteigenden Mengen) zusammenzurechnen, als der Wille (§ 5 Abs 1 StGB) des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste. Auf diese Weise kann das Verbrechen nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG auch als tatbestandliche Handlungseinheit im Sinn einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung begangen werden. Wird ein solcher Täterwille nicht als erwiesen angenommen, können derartige Einzelakte nur jeweils das Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG begründen (RIS-Justiz RS0124018; so auch explizit die in dieser Strafsache ergangene Entscheidung 12 Os 160/11p ON 23).

Ob die Willensausrichtung des Angeklagten von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste und sich daher auf die Erzeugung einer die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmenge bezog, geht aus den Konstatierungen nicht hervor, weshalb das Urteil (erneut) an Nichtigkeit nach Z 10 des § 281 Abs 1 StPO leidet.

Mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 35 und 37 SMG war auch der Schuldspruch II./ aufzuheben (§ 289 StPO; RIS-Justiz RS0119278).

Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS-Justiz RS0121298). Davon kann bei „Suchtmittelutensilien (eine Filmdose mit Hanfsamen)“ (US 2) per se keine Rede sein; Feststellungen als (notwendige) Grundlage der Gefährlichkeitsprognose hat das Erstgericht nicht getroffen.

Das Einziehungserkenntnis war überdies auch in Bezug auf „die sichergestellten Suchtmittel“ (US 2) aufzuheben, weil es (wie schon im ersten Rechtsgang) insoweit den Gegenstand der Einziehung nicht determiniert (vgl dazu abermals die in dieser Strafsache ergangene und genau diesen Mangel ansprechende Entscheidung 12 Os 160/11p).

Die aufgezeigten Rechtsfehler erforderten - in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Generalprokuratur - die Aufhebung des Urteils und Verweisung der Sache an das Landesgericht Eisenstadt zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO). Hinsichtlich des Beschlusses nach §§ 50, 51 StGB war demzufolge ebenso vorzugehen (§ 498 Abs 3 StPO).

Bleibt anzumerken, dass die vom Erstgericht erteilte Weisung, innerhalb der Probezeit vierteljährlich den Nachweis der Drogenfreiheit zu erbringen, inhaltlich als Auftrag zu verstehen ist, innerhalb der Probezeit keine (gleichartige) neue strafbare Handlung zu begehen. Eine solche Weisung entspricht jedoch nicht der Zielsetzung der §§ 50 ff StGB und ist somit unzulässig (RIS-Justiz RS0092261).

Zu beachten ist weiters, dass andere als die in § 494a StPO genannten, im Zusammenhang mit einem Urteil ergehenden Beschlüsse (so etwa jene nach § 494 StPO über die Erteilung von Weisungen) nicht gemeinsam mit dem Urteil, sondern erforderlichenfalls (§ 86 Abs 3 StPO) gesondert auszufertigen sind (Danek, WK-StPO § 270 Rz 50; Schroll in WK² § 50 Rz 16).

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Strafrecht
Schlagworte
Strafrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2012:0120OS00089.12Y.0828.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAD-96747