OGH vom 28.08.2014, 12Os88/14d

OGH vom 28.08.2014, 12Os88/14d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Moritz als Schriftführer in der Strafsache gegen Sevkican S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten Sevkican S***** und Emrah A***** sowie über die Berufung des Emrah A***** wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Jugendschöffengericht vom , GZ 30 Hv 76/13x-66, sowie über die Beschwerde des letztgenannten Angeklagten gegen einen Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Emrah A***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten Sevkican S***** und Emrah A***** fallen auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen einen zu Unrecht nicht gesondert ausgefertigten (vgl Schroll in WK² StGB § 50 Rz 16; Danek , WK StPO § 270 Rz 50) Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe enthaltenden Urteil wurden Sevkican S*****, Milenko D***** und Emrah A***** abweichend von der wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB erhobenen Anklage jeweils des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am in S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Helmut H***** durch Schläge in dessen Gesicht und gegen dessen Brustbereich, wodurch dieser Blutergüsse und Schwellungen im Gesicht, insbesondere im Bereich des rechten Auges, eine blutende Nase sowie eine Rippenprellung erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt.

Dagegen richtet sich die von der Staatsanwaltschaft zum Nachteil sämtlicher Angeklagter erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, welche sich auf § 281 Abs 1 Z 5 und 7 StPO stützt, sowie die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sevkican S***** und die sich auf Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO berufende Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Emrah A*****.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Mängelrüge wendet sich mit dem Ziel einer Verurteilung der drei Angeklagten jeweils wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB gegen die Negativfeststellung des Erstgerichts, wonach „das weitere Schicksal der von Helmut H***** auf der Tankstelle gekauften und im Pkw des Emrah A***** transportierten Kiste Bier samt Whiskyflasche“ ebenso ungeklärt blieb wie der Verbleib des von H***** behobenen Bargeldbetrags von 330 Euro und wonach nicht geklärt werden könne, ob die drei Angeklagten dem Opfer diese Sachen weggenommen haben (US 7).

Dem eine Unvollständigkeit der Begründung (Z 5 zweiter Fall) monierenden Beschwerdevorbringen zuwider, haben die Tatrichter den Umstand, dass die am Tatort einschreitenden Polizeibeamten weder die Kiste Bier noch die Flasche Whisky auffinden konnten, sehr wohl berücksichtigt, indem sie festhielten, dass diese am Tatort (nur) den Reisepass des Tatopfers auffinden, aber keine sonstigen verwertbaren Spuren feststellen konnten (US 7).

Die bekämpfte Negativfeststellung ließ das Erstgericht entgegen dem weiteren Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auch keineswegs unbegründet, vielmehr führten die Tatrichter aus, allein auf die diesbezüglich zweifelhafte Aussage des Helmut H*****, der bei der Angabe einer Beute von 1.700 Euro nachweislich die Unwahrheit gesagt hätte, keine Feststellungen betreffend eine Wegnahme oder Abnötigung der Gegenstände durch die Angeklagten stützen zu können (US 11).

Indem die Staatsanwaltschaft weiter vorbringt, „ausgehend von der Feststellung, dass das Bier und der Whisky im Kofferraum verblieben sind, könnte man bei subjektiv anders gestaltetem Vorsatz auch an eine Subsumtion des Sachverhalts unter den Tatbestand einer Unterschlagung im Sinne des § 134 Abs 2 StGB denken“, will sie offenbar einen Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend machen, verabsäumt es jedoch, Indizien für die Annahme des (auch) nach diesem Tatbestand erforderlichen Zueignungs und Bereicherungsvorsatzes aufzuzeigen (vgl RIS Justiz RS0118580; Ratz , WK StPO § 281 Rz 607 ff).

Im Übrigen hat das Schöffengericht eben gerade nicht festgestellt, dass die Getränke im Wagen des Angeklagten Emrah A***** geblieben sind.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Erstgericht weiters Nichterledigung der Anklage (Z 7) vor, weil das Ersturteil keinen „Ausspruch über die zur Last gelegten Sachwegnahmen getätigt“ habe. Dabei lässt die Rechtsmittelwerberin jedoch die bereits eingangs zitierte Negativfeststellung der Tatrichter außer Acht (vgl RIS Justiz RS0099643; Ratz , WK StPO § 281 Rz 538).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sevkican S*****:

Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch nicht eröffnet (RIS Justiz RS0119583). Indem der Rechtsmittelwerber ausführt, wenn das Erstgericht die Angaben des Zeugen H***** betreffend die Wegnahme der gegenständlichen Sachen für nicht glaubwürdig hielt, dürfte ihm auch betreffend die Körperverletzung kein Glauben geschenkt werden, gelingt es nicht, derartige erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage beim Obersten Gerichtshof zu wecken. Mit der weiteren Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) wird lediglich unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter bekämpft (RIS Justiz RS0102162).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Emrah A*****:

Auch dieser Beschwerdeführer beruft sich mit seiner Mängelrüge auf den Grundsatz „in dubio pro reo“ und zeigt damit keinen aus Z 5 beachtlichen Mangel auf. Ein solches Vorbringen ist an keiner der fünf Anfechtungskategorien dieses Nichtigkeitsgrundes orientiert (RIS Justiz RS0102162 [T4]).

Entgegen der Mängelrüge, die eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite geltend macht (Z 5 vierter Fall), ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zu Grunde liegendes Wollen oder Wissen ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar, ja bei leugnenden Angeklagten in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671). Dass den Tatrichtern das Motiv für den Angriff der Angeklagten auf Helmut H***** verschlossen blieb, vermag fallbezogen daran nichts zu ändern.

Entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen gründete das Erstgericht die Feststellungen betreffend die Ursache der Verletzungen des Opfers nicht nur auf die Wahrnehmungen der unmittelbar nach dem Vorfall eingeschrittenen Polizeibeamten einschließlich der angefertigten Lichtbilder, sondern auch auf die Angaben des insoweit als glaubwürdig erachteten Helmut H***** (US 9).

Abgesehen davon, dass eine Bezugnahme auf eine konkrete Fundstelle in den Akten unterblieb (RIS Justiz RS0124172), gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) mit dem bloßen Hinweis auf diesbezüglich fehlende objektive Beweismittel und die mangelnde Erinnerung des Tatopfers daran, von wie vielen Personen er mit Händen oder Füßen geschlagen bzw getreten wurde, ebenso wenig Bedenken im Sinn des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes zu wecken wie unter Bezugnahme auf dessen Aussage, „nicht wegen jedes Wehwehchens oder bloß wegen Schmerzen zum Arzt zu rennen“. Der Einwand, die Verletzungen könnten Folge eines Sturzes sein, bleibt spekulativ.

Indem sie die Urteilsfeststellungen zum bewussten und gewollten Zusammenwirken aller drei Angeklagten ebenso in Frage stellt wie die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 7 f), nimmt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht wie bei Geltendmachung materieller Nichtigkeit stets geboten am Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit Maß.

Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis (samt genauer Angabe der Fundstelle in den Akten) auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch durch Beweisergebnisse indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580). Mit wiederholt spekulativen Erwägungen zu einem die Verletzungen möglicherweise verursachenden Sturz des Opfers wird die Nichtigkeitsbeschwerde diesen Anforderungen nicht gerecht.

Der Rechtsmittelwerber reklamiert für sich den Rechtfertigungsgrund der Selbsthilfe (§§ 19, 344 ABGB; inhaltlich Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO) und führt aus, das Opfer wäre lediglich „unsanft“ aus dem Fahrzeug entfernt worden, verabsäumt es jedoch wie zur Geltendmachung eines Feststellungsmangels erforderlich auf ein den die Annahme des Ausnahmesatzes indizierendes, in der Hauptverhandlung vorgekommenes Sachverhaltssubstrat hinzuweisen (RIS Justiz RS0116735, RS0118580).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur sofort zurück zuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten Emrah A***** folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00088.14D.0828.000