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OGH vom 27.05.2008, 8ObA32/08a

OGH vom 27.05.2008, 8ObA32/08a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat Dr. Spenling und die Hofrätin Dr. Lovrek und die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Walter J*****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Johannes Müller, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Landhausgasse 4, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der T***** GmbH, wegen Feststellung (159.374,17 EUR netto) und Zahlung (8.000 EUR brutto sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 119.172,52 EUR netto Feststellung; 5.620,65 EUR brutto sA Zahlung), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 120/07m-44, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Anfechtung von fehlerhaften Beschlüssen der Gesellschafter einer GmbH mittels Klage nach § 41 GmbHG (nur) dort entbehrlich, wo ein Beschluss mit solch gravierenden Mängeln behaftet ist, dass von einer rechtlich unbeachtlichen Willensäußerung gesprochen werden muss (RIS-Justiz

RS0060167; 6 Ob 575/77 = SZ 50/51; 6 Ob 1013/92; 7 Ob 284/98k =

ecolex 1999/160; 6 Ob 290/98k = SZ 72/15).

Die außerordentliche Revision zieht diese - von einem Teil der Lehre kritisierte - Auffassung (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 41 Rz 8; Artmann, Offene Fragen der gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsklage, GeS 2007, 3 [4, 15] je mwN, die dafür eintreten, dass die Kategorie des „Scheinbeschlusses" zugunsten der Annahme eines nichtigen Beschlusses aufgegeben werden sollte) gar nicht in Zweifel. Der Kläger meint allerdings, das Berufungsgericht weiche in seiner Beurteilung, der vom Kläger gemeinsam mit einem zweiten Gesellschafter gefasste Gewinnausschüttungsbeschluss vom sei ein „Scheinbeschluss", von der bisherigen Rechtsprechung ab.

Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend: Vielmehr hält sich die

Entscheidung des Berufungsgerichts im Rahmen der höchstgerichtlichen

Rechtsprechung, die einen „Scheinbeschluss" insbesondere dann

annimmt, wenn die Beschlussfassung entgegen der Vorschrift des § 34

GmbHG weder in einer Generalversammlung noch in der in dieser

Gesetzesstelle für die schriftliche Abstimmung vorgesehenen Weise

erfolgte (6 Ob 575/77 = SZ 50/51; s auch 7 Ob 284/98k = ecolex

1999/160; 6 Ob 290/98k = SZ 72/15).

Genau dieser Fall ist hier verwirklicht:

Der vom Kläger und einem zweiten Gesellschafter, die gemeinsam 50 % der Geschäftsanteile hielten, am gefasste Gewinnausschüttungsbeschluss bezüglich des Bilanzgewinns 2001 erging, ohne dass eine Generalversammlung einberufen wurde und ohne dass die beiden weiteren Gesellschafter überhaupt von der Beschlussfassung erfuhren. Fest steht überdies, dass dieser im Umlaufweg unter ausschließlicher Beteiligung des Klägers und des zweiten Gesellschafters gefasste Beschluss nicht die Zustimmung der - übergangenen - weiteren Gesellschafter gefunden hätte. Bereits im September 2002 war nämlich von sämtlichen Gesellschaftern ein abweichender Bilanzgewinnverteilungsbeschluss für 2001 gefasst worden, den die durch den „Umlaufbeschluss" übergangenen Gesellschafter als abschließende Regelung der Gewinnverteilung für das genannte Jahr ansahen.

Der „Umlaufbeschluss" vom verstößt somit gegen die gesetzliche Grundregel des § 34 Abs 1 erster Halbsatz GmbHG, wonach „die durch das Gesetz oder den Gesellschaftsvertrag den Gesellschaftern vorbehaltenen Beschlüsse in der Generalversammlung gefasst werden". Auch die in § 34 Abs 1 zweiter Halbsatz GmbHG vorgesehene Ausnahme von diesem Grundsatz für den Fall, dass sämtliche Gesellschafter sich im einzelnen Fall schriftlich mit der zu treffenden Bestimmung oder doch mit der Abstimmung im schriftlichen Weg einverstanden erklärten, liegt nicht vor: Weder erklärten sich die übergangenen Gesellschafter schriftlich mit dem Inhalt des Umlaufbeschlusses einverstanden noch gaben sie ihr schriftliches Einverständnis zur Abstimmung im schriftlichen Weg. Der Beschlussinhalt wurde ihnen vielmehr nach den Feststellungen erst im April bzw Mai 2007 übermittelt, also Jahre nach seiner Fassung. Auch die zwischen allen Gesellschaftern getroffene „Walk out"-Vereinbarung vom , auf die sich die Revision beruft, lässt für den Standpunkt des Klägers nichts gewinnen: Das Berufungsgericht hat diese Vereinbarung sämtlicher Gesellschafter vom zumindest vertretbar dahin ausgelegt, dass ein gänzlicher Verzicht der in der Folge übergangenen Gesellschafter auf die Ausübung ihres Stimmrechts nicht abgegeben wurde. Ob ein genereller Verzicht auf die Stimmrechtsausübung überhaupt zulässig wäre, bedarf daher keiner Untersuchung.

Ein Stimmrechtsbindungsvertrag entfaltet nur schuldrechtliche Wirkung (6 Ob 9/93 = SZ 66/56; RIS-Justiz RS0059854) und nimmt dem Gesellschafter nicht das Recht der Stimmrechtsausübung. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung widerspricht die berufungsgerichtliche Entscheidung auch keiner der in der Revision zitierten Entscheidungen: In der Entscheidung 6 Ob 575/77 (SZ 50/51) gelangte der Oberste Gerichtshof deshalb zur Beurteilung eines „Scheinbeschlusses", weil die Mehrheitsgesellschafter von der beabsichtigten Beschlussfassung überhaupt nicht verständigt worden waren. In der Entscheidung 7 Ob 284/98k (ecolex 1999/160) wurde ein Scheinbeschluss angenommen, weil die Beschlussfassung entgegen der Vorschrift des § 34 GmbHG weder in einer Generalversammlung noch in einer in dieser Gesetzesstelle für die schriftliche Abstimmung vorgesehenen Weise erfolgte. Die Entscheidung 8 Ob 233/99v = EvBl 2001/105 unterscheidet sich von dem hier zu beurteilenden Fall dadurch, dass die Generalversammlung ordnungsgemäß einberufen wurde, die Gesellschafterin allerdings nicht teilnahm, sodass das in der Satzung der Gesellschaft vorgesehene Präsenzquorum von 75 % des Stammkapitals nicht erreicht wurde. Damit lässt sich der vorliegende Fall nicht vergleichen, bei welchem weder eine Generalversammlung einberufen wurde noch die Voraussetzungen des § 34 Abs 1 zweiter Halbsatz GmbHG eingehalten wurden.

Eine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO liegt damit insgesamt nicht vor. Dies bedarf gemäß § 510 Abs 3 ZPO keiner weitergehenden Begründung.