OGH vom 08.06.2000, 8ObA316/99z

OGH vom 08.06.2000, 8ObA316/99z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Bukovec und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Zuzana S*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B***** KG, *****, vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 2.000 und Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses (Revisionsinteresse: Feststellung), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 188/99i-18, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 5 Cga 170/98z-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil, das in seinem Punkt 1) mangels Anfechtung unberührt geblieben ist, auch in seinem Punkt 2) wieder hergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.839,08 (darin S 846,28 USt) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bewarb sich bei der beklagten Partei um eine Stelle als Planungsassistentin. Nach mehreren Gesprächen wurde ein Arbeitsvertrag dahin geschlossen, dass als Arbeitsantritt der vereinbart war; dieser Beginn wurde jedoch einvernehmlich auf den vorverlegt, wofür die Klägerin den ihr inzwischen rechtskräftig zugesprochenen Betrag von S 2.000 begehrte. Im Übrigen war ein Probemonat vereinbart und ein darauf folgendes bis befristetes Dienstverhältnis.

Im Zeitpunkt der Anstellung der Klägerin gab es keinen besonderen, vor allem keinen in den sprachlichen Fähigkeiten der Klägerin gelegenen Befristungsgrund für die beklagte Partei. Die Bevollmächtigten der beklagten Partei waren vielmehr der Meinung, dass die Klägerin im ausreichenden Maße der deutschen Sprache mächtig ist. Die beklagte Partei wollte die Klägerin bloß über einen den Probemonat übersteigenden Zeitpunkt beobachten und auf ihre Qualifikationen hin überprüfen. Diese Befristung stellte keinen Einzelfall dar, sondern gehörte vielmehr zum Standard der beklagten Partei, welche bei derartigen Posten immer befristete Dienstverträge abschließt, ohne Unterschied ob es sich um einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin handelt.

Die Klägerin war in einem Team, welches aus vier Mitarbeitern bestand, für die Planung und Einrichtung der Büros am Computer verantwortlich. Zusätzlich zur Klägerin waren im Team noch ein Außendienstmitarbeiter, der für die Betreuung der Großkunden zuständig war, eine Mitarbeiterin für die Auftragsbearbeitung und ein Techniker für spezielle Probleme der Kunden.

Die Klägerin musste also primär Pläne erstellen. Zu ihrem Tätigkeitsbereich gehörte aber auch ein gewisses Maß an Kundenbetreuung, welches vor allem darin bestand, geänderte Kundenwünsche am Telefon entgegenzunehmen und Nachrichten für den Außendienstmitarbeiter weiterzuleiten. Bei diesen letztgenannten Tätigkeiten traten jedoch mitunter Sprachschwierigkeiten auf. Das führte dazu, dass die Beklagte der Klägerin anbot, Sprachkurse auf Kosten der beklagten Partei zu absolvieren; die Klägerin hätte die Kurse auch während der Dienstzeit absolvieren können, sofern diese Kurse in die Dienstzeit gefallen wären. Die Klägerin lehnte dies jedoch ab.

In der Folge wollte die beklagte Partei das Dienstverhältnis mit der Klägerin schon nach dem Probemonat lösen, was aber auf Grund der Versäumung der Monatsfrist nicht mehr möglich war. Die Klägerin stimmte einer einvernehmlichen Auflösung nicht zu.

Darauf gab die beklagte Partei der Klägerin am bekannt, dass der am auslaufende Dienstvertrag nicht mehr verlängert werde, stellte die Klägerin ab diesem Tag bis zum Ende des Dienstverhältnisses dienstfrei und vereinbarte, dass sie in dieser Zeit ihren restlichen Urlaub konsumieren sollte.

Am teilte die Klägerin der beklagten Partei mit, dass sie am Vortag erfahren habe, dass sie schwanger sei. Die Klägerin befand sich zum Zeitpunkt des Auslaufens des Dienstvertrages am bereits in der 6. Schwangerschaftswoche. Das bedeutet, dass die Klägerin, setzt man den zu ihren Gunsten am Ende der 6. Schwangerschaftswoche an, frühestens am schwanger geworden ist. Der Klägerin war daher im Zeitpunkt des Schwangerschaftseintritts bereits bekannt, dass ihr Arbeitsverhältnis bei der beklagten Partei jedenfalls mit auslaufen wird.

Das Erstgericht wies das in der letzten mündlichen Streitverhandlung präzisierte Feststellungsbegehren, dass das zwischen der Klägerin und der beklagten Partei bestehende Dienstverhältnis über den hinaus bis zum aufrecht bestanden habe, ab. Es meinte in rechtlicher Hinsicht, dass nicht § 10 MSchG, sondern § 10a MSchG anzuwenden sei, weil die Klägerin nicht gekündigt, sondern mit ihr ein befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen gewesen sei, dessen Nichtverlängerung ihr vor Eintritt der Schwangerschaft bekanntgegeben worden sei. Diese Bekanntgabe sei von der Wirkung her einer Kündigung gleichzusetzen. Weiters setze die Ablaufhemmung eines befristeten Dienstverhältnisses gemäß § 10a MSchG bis zum Beginn des Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 1 MSchG eine sachlich nicht gerechtfertigte Befristung voraus und sei dem Dienstgeber eine Umgehungsabsicht des § 10a MSchG nachzuweisen; eine solche liege im gegenständlichen Fall nicht vor, weil die beklagte Partei bei derartigen Dienstverhältnissen generell auf die ersten drei Monate befristete Dienstverhältnisse abschließe. Nach § 10a MSchG werde der Ablauf des Dienstverhältnisses überdies nur gehemmt, sodass bereits die Wort- und systematische Interpretation gegen eine analoge Anwendung des § 10 MSchG auf bereits abgelaufene befristete Dienstverhältnisse spreche.

Das Berufungsgericht gab der gegen das abweisliche Feststellungsbegehren erhobenen Berufung der Klägerin Folge und stellte in Abänderung des erstgerichtlichen Urteils fest, dass das zwischen der Klägerin und der beklagten Partei bestehende Dienstverhältnis über den hinaus bis zum aufrecht bestanden habe.

Es meinte in rechtlicher Hinsicht, es müsse vorliegendenfalls nicht abschließend geklärt werden, ob § 10a Abs 2 MSchG eine taxative Aufzählung der Rechtfertigungsgründe enthalte oder nicht, weil selbst eine taxative Aufzählung das Vorliegen einer unechten Gesetzeslücke nicht unter allen Umständen ausschließen könne. Wenn eine Befristung sachlich nicht gerechtfertigt sei, werde der Ablauf der Frist gehemmt und das Arbeitsverhältnis bestehe weiter aufrecht. Dies sei speziell dann der Fall, wenn die Zeit der Erprobung gegenüber der geforderten Qualifikation in einem unausgewogenen Verhältnis stehe. Je höher die Qualifikation einer Arbeitnehmerin sei, desto länger werde ein solches befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart werden können, um sachlich gerechtfertigt iSd § 10a MSchG zu sein.

In diesem Sinn sei eine gerechtfertigte längere Erprobungszeit zu Lasten der Klägerin nicht anzunehmen. Einerseits sei die Möglichkeit der Feststellung der Kenntnisse der Klägerin im Bereich der EDV-gestützten Planerstellung für den Dienstgeber bereits während des Probemonats offenbar ausreichend gegeben gewesen, weil die beklagte Partei das Arbeitsverhältnis schon nach dem Probemonat lösen wollte, aber diesbezüglich den Zeitraum während des ersten Monats versäumte, sodass eine weitere Erprobung aus der Sicht des Dienstgebers gar nicht mehr geplant war. Die verminderten sprachlichen Fähigkeiten seien jedenfalls von Anfang an kein Befristungsgrund gewesen. Da die Klägerin am bis dienstfrei gestellt worden sei, scheide eine sachliche Rechtfertigung der (längeren) Befristung schon deshalb begrifflich aus.

Die Anordnung einer Verständigungspflicht von der Schwangerschaft, vergleichbar jener der Bestimmung des § 10 Abs 2 MSchG fehle im § 10a MSchG. Eine Stellungnahme, weshalb eine Übernahme der Regelung des § 10 Abs 2 MSchG in § 10a MSchG unterblieben sei, fehle. Es sei aber sachgerecht, § 10 Abs 2 MSchG auch auf den Fall des § 10a MSchG analog anzuwenden. Im Wege der angewendeten Analogie sei es aber dem Gericht verwehrt, eine Neuregelung zu kreieren, vielmehr sei an die vorhandene Regelung des § 10 Abs 2 MSchG anzuknüpfen. Damit gelange auch die Regelung zur Anwendung, dass dann, wenn die Arbeitnehmerin aus Gründen, die nicht von ihr zu vertreten seien - diesbezüglich sei kein gegenteiliges Vorbringen vorhanden -, gehindert gewesen sei, dem Dienstgeber ihre Schwangerschaft auch noch nachträglich nach Wegfall des Hindernisses wirksam bekannt geben könne. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Schwangerschaftseintrittes noch in einem befristeten Arbeitsverhältnis, wenn auch dienstfrei gestellt, gestanden, dessen Ende mit ihr bekannt gewesen sei; es liege aber kein anderer Sachverhalt vor, als ob zu dem genannten Zeitpunkt eine Kündigung zum erfolgt wäre. Sie könne daher auch noch nach Beendigung des befristeten Dienstverhältnisses ihrer ehemaligen Dienstgeberin ihre bereits vor Beendigung des befristeten Dienstverhältnisses eingetretene Schwangerschaft, die ihr erst später bekannt geworden sei, bekannt geben, um in den Genuss der Hemmungswirkung des § 10a Abs 1 MSchG zu gelangen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils berechtigt.

Nach § 10a MSchG wird der Ablauf eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft bis zum Beginn des Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 1 MSchG oder den Beginn eines auf Dauer ausgesprochenen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 3 MSchG gehemmt, es sei denn, dass die Befristung aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgesehen ist.

In Abs 2 werden verschiedene Gründe für die sachliche Rechtfertigung einer Befristung aufgezählt, ua wenn auf Grund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist.

Zweck der Einfügung des § 10a MSchG durch das arbeitsrechtliche BegleitG, BGBl 1992/822, war die Verhinderung der Umgehung des MSchG. Die Erläuterungen (RV 735 BlgNR 18. GP 22 f) führen dazu aus, dass es immer häufiger vorkomme, dass mit jungen Frauen befristete Dienstverträge abgeschlossen würden, was dazu führe, dass diese Frauen infolge Zeitablaufs des Dienstverhältnisses und Nichterlangen eines neuen Arbeitsplatzes bei Schwangerschaft eine Reihe von Ansprüchen verlören. Nunmehr werde für befristete Dienstverhältnisse, deren Befristung nicht sachlich gerechtfertigt sei, eine Ablaufhemmung, ähnlich wie im Falle der Hemmung des Ablaufes der Beschäftigungsbewilligung für Ausländer, getroffen.

Der erkennende Senat kann die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht teilen, dass die Befristung des Dienstverhältnisses der Klägerin zum Zwecke einer längeren Erprobung sachlich nicht gerechtfertigt gewesen wäre.

Gemäß § 19 Abs 2 AngG dauert die Probezeit einen Monat. Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen von beiden Seiten gelöst werden. Es werden jedoch auch öfters Arbeitsverhältnisse zur Erprobung befristet abgeschlossen. Ein solcher befristeter Abschluss ist dann sachlich gerechtfertigt, wenn die Zeit der Erprobung in einem ausgewogenen Verhältnis zur Ausbildung und der angestrebten Verwendung steht. Je höher die Qualifikation ist, desto länger wird ein solches befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart werden können, um noch ein sachlich gerechtfertigtes zu sein. Für gehobene Positionen wie die der Klägerin - sie ist Akademikerin und EDV-Spezialistin im technischen Bereich - wird eine Erprobung sogar im Ausmaß von sechs Monaten für sachlich gerechtfertigt gehalten (Knofler, Komm MSchG 215 f). Hingegen wird die mehrmonatige Befristung eines Arbeitsverhältnisses etwa einer Regalbetreuerin oder Kassiererin in einem Supermarkt oder einer Reinigungsfrau für nicht gerechtfertigt angesehen. Wesentlich ist auch, ob im Unternehmen des Dienstgebers für die in Frage kommenden Verwendungen grundsätzlich - gleichgültig, ob es sich um einen männlichen oder einen weiblichen Dienstnehmer handelt - befristete Arbeitsverhältnisse abgeschlossen werden. Da § 10a MSchG nur verhindern will, dass das MSchG umgangen wird, und eine solche Umgehungsabsicht des Dienstgebers nachgewiesen werden muss, scheidet nach Knofler (aaO 185) bei einer generellen dreimonatigen Befristung von Arbeitsverhältnissen eine solche Umgehungsabsicht jedenfalls aus.

Die Befristung des Dienstverhältnisses der Klägerin nach einem Probemonat auf weitere zwei Monate (also eine Erprobungszeit von insgesamt drei Monaten) war daher sachlich gerechtfertigt, sodass es bei Schwangerschaft der Klägerin keinesfalls zu einer Verlängerung des Dienstverhältnisses bis zum Beginn des Beschäftigungsverbots kommen konnte. Dass sich der Dienstgeber bereits längere Zeit vor Ablauf des insgesamt auf drei Monate befristeten Arbeitsverhältnisses zur Nichtverlängerung entschloss, dies der Klägerin mitteilte und sie dienstfrei stellte, ändert nichts daran, dass die Befristung zu dem für ihre Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Vereinbarung sachlich gerechtfertigt war.

Hieraus ergibt sich, dass auf die Argumente des Berufungsgerichts für eine analoge Anwendung des § 10 Abs 2 MSchG auf § 10a MSchG nicht mehr einzugehen ist, sondern das Urteil des Erstgerichts wegen sachlicher Rechtfertigung der Befristung des Arbeitsverhältnisses zur Erprobung wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.