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OGH vom 29.09.2010, 9ObA2/10z

OGH vom 29.09.2010, 9ObA2/10z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. J***** F***** B*****, vertreten durch Galanda Oberkofler, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Bundesanstalt Statistik Österreich, Guglgasse 13, 1110 Wien, vertreten durch Dr. Rainer Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 135/09w 36, womit das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 29 Cga 116/08b 29, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber fordert die (zumindest) analoge Anwendung des § 105 Abs 3 Z 1 lit i und Z 2 ArbVG auf sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Darin sei eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet. Zum besseren Verständnis ist voranzustellen, dass der Kläger ab Vertragsbediensteter des Österreichischen Statistischen Zentralamts bzw ab nach Ausgliederung des Österreichischen Statistischen Zentralamts aufgrund des Bundesstatistikgesetzes 2000, BGBl I 1999/163 (RV 1830 BlgNR 20. GP 32, 42 f) Vertragsbediensteter der Bundesanstalt Statistik Österreich war. Dabei handelt es sich um eine Anstalt öffentlichen Rechts des Bundes mit Rechtspersönlichkeit (§ 22 Abs 1 und 3 Bundesstatistikgesetz 2000). Am vollendete der Kläger das 65. Lebensjahr. Mit Schreiben der Beklagten vom wurde das Dienstverhältnis des Klägers gemäß § 32 Abs 2 Z 7 VBG zum (Erreichen des Alters für eine Leistung aus der Pensionsversicherung) gekündigt, nachdem der Betriebsrat der Beklagten von der Kündigungsabsicht der Beklagten informiert worden war. Unstrittig ist, dass der Kläger ab einen gesetzlichen Pensionsanspruch hat (ON 5).

Das Bundesstatistikgesetz 2000 ordnet für Beamte ausdrücklich die Geltung des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), BGBl 1974/22, an (§ 55 Abs 4). Für Vertragsbedienstete einer ausgegliederten Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit kann die Geltung des ArbVG aus den Regelungen des Geltungsbereichs nach §§ 1, 33 ArbVG abgeleitet werden (vgl Cerny in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller , ArbVG Bd 2 4 § 1 Erl 7; Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller , ArbVG Bd 2 4 § 33 Erl 3; Reissner in ZellKomm § 1 ArbVG Rz 21; Windisch-Graetz in ZellKomm § 33 ArbVG Rz 10 ua). Das Bundesstatistikgesetz 2000 begnügt sich mit einer bloßen Übergangsvorschrift, wonach dem bisherigen Dienststellenausschuss beim Österreichischen Statistischen Zentralamt ab dem Inkrafttreten des Gesetzes () bis zum Ablauf seiner Funktionsperiode die Funktion des Betriebsrats der Bundesanstalt im Sinn des ArbVG obliegt (§ 59 Bundesstatistikgesetz 2000), und trifft nur Anordnungen über die Entsendung von Mitgliedern des Betriebsrats gemäß § 110 ArbVG in den Wirtschaftsrat (§ 48 Abs 2 Z 3, § 49 Abs 3 Bundesstatistikgesetz 2000).

Die Anwendung des ArbVG muss hier aber nicht abschließend beurteilt werden, weil die dem Kläger vorschwebende Kündigungsanfechtung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i und Z 2 ArbVG voraussetzt, dass der Arbeitnehmer eine Stellungnahme des Betriebsrats zur Kündigungsabsicht der Beklagten (§ 105 Abs 1, 2 und 4 ArbVG) wurde nicht geltend gemacht innerhalb einer Woche nach Zugang der Kündigung diese beim Gericht mit Anfechtungsklage anficht (§ 105 Abs 4 ArbVG). Das Vorliegen einer rechtzeitigen Anfechtungsklage des Klägers wurde allerdings von den Vorinstanzen übereinstimmend verneint. Der Kläger erhob nach dem Inhalt des Aktes innerhalb der Anfechtungsfrist die Kündigung war von ihm am übernommen worden keine Klage, sondern er ersuchte das Erstgericht mit Schreiben vom lediglich um „Rechtsbelehrung“ bezüglich einer ihn störenden Eintragung der Beklagten in seinem Personalakt. Der Kläger deponierte in seinem Schreiben, dass er bis urlaubsbedingt ortsabwesend sei, und verlieh der Hoffnung auf eine gütliche Klärung Ausdruck. Der Kläger brachte in seinem Schreiben nicht den unbedingten Willen zum Ausdruck, bereits hiermit eine Klage gegen die Kündigung der Beklagten vom zu erheben. Das Berufungsgericht qualifizierte dieses Schreiben demzufolge auch nicht als Anfechtungsklage gegen die Kündigung, sondern entsprechend der Diktion des Klägers als ein bloßes Ersuchen um Rechtsbelehrung. Erst am (nach Ablauf der Anfechtungsfrist) gab der Kläger beim Erstgericht das den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Klagebegehren zu Protokoll (ON 5). Nach dem Vorgesagten hängt die Frage, ob schon das erste Einschreiten des Klägers mit Schreiben vom als Klageerhebung zu qualifizieren ist, von der Auslegung des Vorbringens des Klägers ab. Diese Auslegung begründet aber zufolge ihrer Einzelfallabhängigkeit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042828 ua). Eine unvertretbare Auslegung des Berufungsgerichts liegt nicht vor.

Bejaht man gemäß der Zulassungsbeschwerde des Klägers die Anwendung des ArbVG auf sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten, dann sind die weiteren Überlegungen, allfällige verpönte Motive der Beklagten bei der Kündigung des Klägers im Weg einer Kündigungsanfechtung nach § 879 ABGB geltend zu machen, nicht geeignet, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Insoweit ist der Revisionswerber nämlich, wie schon in der Berufungsentscheidung, auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach dem Arbeitnehmer die Berufung auf § 879 ABGB bei allen unter § 105 Abs 3 Z 1 und 2 ArbVG fallenden Anfechtungssachverhalten verwehrt ist (9 ObA 200/93, DRdA 1994/9 [ Floretta ]; 9 ObA 26/94; RIS Justiz RS0018163 ua).

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).