OGH vom 11.05.2010, 9ObA137/09a (9ObA138/09y)
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei ***** Dr. G***** T*****, Facharzt für *****, vertreten durch Prof. Haslinger Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte und gefährdende Partei Oberösterreichische Gesundheits- und Spitals-AG, Hafenstraße 47-51, 4020 Linz, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Bruno Binder ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen Leistung und Feststellung (Streitwert 70.000 EUR) und einstweiliger Verfügung, über die Revisionsrekurse der klagenden Partei gegen die beiden Beschlüsse des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 63/09k-21 und 12 Ra 77/09v-22, womit die Beschlüsse des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 7 Cga 3/09k-10, und , GZ 7 Cga 3/09k-15, abgeändert bzw bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.050,38 EUR (darin 341,73 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Rekursgericht ließ in den beiden angefochtenen Beschlüssen den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass der Einfluss eines die Krankenhausträger übergreifenden Kooperationsabkommens auf das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis und allfällige privatrechtliche Vereinbarungen eines an einen anderen Krankenhausträger überlassenen Primararztes noch nicht Verfahrensgegenstand vor dem Obersten Gerichtshof gewesen sei. Die klagende und gefährdete Partei (im Folgenden kurz Kläger) schloss sich zur Zulässigkeit der Revisionsrekurse erkennbar der rekursgerichtlichen Begründung des Zulassungsausspruchs an. Die beklagte und gefährdende Partei (im Folgenden kurz Beklagte) bestritt demgegenüber in ihrer Revisionsrekursbeantwortung bezüglich der Klagezurückweisung - hinsichtlich der vom Kläger begehrten einstweiligen Verfügung hat sie keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet - ausdrücklich das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 ZPO und beantragte die Zurückweisung des Revisionsrekurses des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit eines Revisionsrekurses an den diesbezüglichen Ausspruch des Rekursgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 iVm § 526 Abs 3 ZPO nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Gemäß § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der beiden Revisionsrekurse kann sich daher auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz iVm § 528a ZPO).
Zum besseren Verständnis ist vorauszuschicken, dass sich im vorliegenden Verfahren nicht Dienstnehmer und Dienstgeber als Parteien gegenüberstehen. Der Kläger ist Beamter des Landes Oberösterreich und in dieser Eigenschaft seit 1995 als Primararzt in der *****klinik in ***** tätig. Unterbrochen wurde seine Tätigkeit in der ***** in der Zeit vom bis , in der er im ***** Krankenhaus ***** im Einsatz war. Seit dem ist der Kläger - wie alle Landesbediensteten, die am in einer Landeskrankenanstalt des Landes Oberösterreich beschäftigt waren - gemäß § 1 Abs 1 Oö.Landesbediensteten Zuweisungsgesetz, LGBl 2001/81, der Beklagten (oder einer ihrer Tochtergesellschaften) unter Wahrung seiner Rechte und Pflichten als Landesbediensteter mit seinem damaligen Dienstort zur dauernden Dienstleistung zugewiesen worden. Die Diensthoheit verblieb gemäß § 2 Abs 1 Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz bei der Oberösterreichischen Landesregierung. Für die Bediensteten sollte durch die Zuweisung insofern keine Änderung eintreten, als der Rechtsstatus als Beamte des Landes Oberösterreich beibehalten wurde (AB 1115/2001 BlgOöLT 25. GP).
Zum Revisionsrekurs des Klägers betreffend die Klagezurückweisung:
Das Rekursgericht wies die Klage über Einrede der Beklagten wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Dabei stützte es sich auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs von den Klagebehauptungen auszugehen ist, dabei aber nicht allein der Wortlaut des Begehrens, sondern die Natur des erhobenen Anspruchs maßgebend ist (RIS-Justiz RS0045584, RS0045718 ua). Entscheidend ist daher nicht, wie der Kläger seinen Anspruch rechtlich formt, sondern ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird (RIS-Justiz RS0045644 ua). Das Rekursgericht betonte, dass der Kläger Landesbeamter sei und die von ihm behauptete Verpflichtung der Beklagten in untrennbarem Zusammenhang mit seinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehe. Die nähere Ausgestaltung des Dienstverhältnisses wurzle ausschließlich im öffentlichen Recht. Dies gelte auch für das Feststellungsbegehren des Klägers bezüglich der Ambulanz- und Sekundargebühren.
Die Frage, wie ein bestimmter eingeklagter Anspruch nach den vorstehenden Kriterien der ständigen Rechtsprechung beurteilt wird, hängt regelmäßig von dessen konkreter Gestaltung und der Auslegung des Vorbringens im Einzelfall ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO, der über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme. Es entspricht einhelliger Rechtsprechung, dass Streitigkeiten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis von Beamten im Verwaltungsweg geltend zu machen sind (RIS-Justiz RS0086019 ua). Dem Kläger ist nicht zu folgen, wenn er - darauf verweisend, dass sich im vorliegenden Verfahren zwei nicht durch ein Dienstverhältnis verbundene Privatrechtssubjekte gegenüberstehen - meint, dass schon deshalb keine Unzulässigkeit des Rechtswegs gegeben sein könne. Es kommt in erster Linie, wie schon erwähnt, auf das Wesen des erhobenen Anspruchs an (8 ObA 40/07a ua). Es mag schon zutreffen, dass sich das Problem der Unzulässigkeit des Rechtswegs in der Praxis häufiger stellt, wenn ein Hoheitsträger (meistens als beklagte Partei) an einem Verfahren beteiligt ist. Entscheidend ist dies jedoch nicht. Eine Sache wird nicht schon deshalb zur Privatrechtssache, weil sich zwei Privatrechtssubjekte im Prozess gegenüberstehen und vom Kläger behauptet wird, dass sein Anspruch auf einer privatrechtlichen Vereinbarung beruht. So kann beispielsweise der Bauführer auch nicht (zulässigerweise) den Bauunternehmer auf Erteilung der Baubewilligung klagen, selbst wenn er in der Klage behaupten würde, der Bauunternehmer habe ihm vertraglich deren Erteilung zugesagt. Gleiches gilt, wenn der Beamte jene Einrichtung, der er zugewiesen ist, mit Ansprüchen belangt, die ihrer Natur nach auf dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis des Beamten beruhen und mit diesem untrennbar verbunden sind (vgl 8 ObA 40/07a ua).
Verneinte nun das Rekursgericht in Anwendung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Zulässigkeit des Rechtswegs für das gegenständliche Klagebegehren, dass die Beklagte schuldig sei, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger seiner Leitungsfunktion hinsichtlich der zehn krankenanstaltenrechtlich der Beklagten im Rahmen der ***** sanitätsbehördlich genehmigten ***** Betten ausüben könne, und festgestellt werden möge, dass die Beklagte dem Kläger den Entfall der Ambulanz- und Sekundargebühren zu ersetzen habe, der seine Ursache darin habe, dass die Beklagte in der ***** keine ***** Operationen durchführe, so erscheint dies nach den vorstehenden Ausführungen vertretbar und ist nicht zu beanstanden. Eine „Zweifelsregel“ kommt hier entgegen der Auffassung des Klägers nicht zum Tragen. Die geltend gemachten Ansprüche des Klägers sind, wie das Rekursgericht zutreffend betonte, untrennbar mit seinem Beamtendienstverhältnis verbunden und sind daher ihrer Natur nach keine privatrechtlichen Ansprüche.
Die Überlegungen des Rekursgerichts zum AHG können hier dahingestellt bleiben; der Kläger hat sich in erster Instanz nicht auf Schadenersatz, sondern auf eine „Vereinbarung“ gestützt. Dass diese Vereinbarung für die Beklagte nicht unterfertigt wurde und die Beklagte erwidert, dass es sich um einen von ihrem für Personalangelegenheiten zuständigen Vorstandsmitglied als Dienstbehörde erster Instanz (§ 2 Abs 2 Oö. Landesbediensteten Zuweisungsgesetz) erlassenen Bescheid handle, muss hier nicht weiter behandelt werden. Im Verfahrensstadium der Prüfung der Prozesseinrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs kommt es nicht darauf an, ob der behauptete Anspruch auch begründet ist; darüber ist (wäre) erst in der Sachentscheidung abzusprechen (3 Ob 2/75; RIS-Justiz RS0045584 [T4] ua). Auch das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten kann daher dahingestellt bleiben.
Entgegen der rekursgerichtlichen Begründung des Zulassungsausspruchs kommt hier auch nicht zum Tragen, dass der Einfluss eines die Krankenhausträger übergreifenden Kooperationsabkommens auf das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis eines an einen anderen Krankenhausträger überlassenen Primararztes noch nicht Verfahrensgegenstand vor dem Obersten Gerichtshof war. Der Kläger macht keine Ansprüche aus seiner Tätigkeit im A***** geltend, er stützt sein Klagebegehren auch nicht auf das Kooperationsabkommen zwischen der Beklagten und der A***** GmbH. Der Kläger versucht vielmehr sein Dienstverhältnis mit dem Land Oberösterreich im Wege der Zuweisung an die Beklagte nach seiner Rückkehr aus dem A***** nach seinen Vorstellungen zu formen. Er ist aber trotz der Zuweisung an die Beklagte zur Dienstleistung, wie nicht oft genug betont werden kann, noch immer Landesbeamter. An der öffentlich-rechtlichen Natur seines Dienstverhältnisses, an der Rolle des Landes als Dienstgeber und an der Diensthoheit der Landesregierung hat sich durch die Zuweisung nichts geändert, auch nicht an den Rechten und Pflichten des Klägers aus dem Dienstverhältnis mit dem Land. Das Beamtendienstverhältnis des Klägers wurde nicht mit Dienstvertrag, sondern mit Bescheid, einem Hoheitsakt, begründet (§ 4 Abs 1, § 6 Abs 1 Oö. Landesbeamtengesetz 1993, LGBl 1994/11). Eine Vereinbarung mit einem vom Dienstgeber verschiedenen Dritten vermag ohne besondere gesetzliche Ermächtigung - weder im Beamtendienstrecht noch im Privatrecht - das Dienstverhältnis und die daraus resultierenden Arbeitsbedingungen rechtswirksam zu ändern. Dies ist keine Frage der „Privatautonomie“. Der Kläger übergeht, dass es sich bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis nicht um ein Rechtsverhältnis zwischen zwei Vertragspartnern handelt. Die aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abgeleiteten Rechte und Pflichten sind im Gegensatz zu privatrechtlichen Dienstverhältnissen - sofern nicht Gestaltungsrechte gesetzlich ausdrücklich eingeräumt sind - weder vom Dienstgeber noch vom Dienstnehmer gestaltbar, sondern haben sich aus dem Gesetz zu ergeben. Maßgebend für einen Anspruch ist daher, ob die im Gesetz enthaltenen Tatbestandserfordernisse erfüllt sind (VwGH 89/12/0004, 95/12/0298, 96/12/0024 ua). Es gilt daher: Die Arbeitsbedingungen des in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich stehenden beamteten Spitalsarztes, der der Oö. Gesundheits- und Spitals-AG gemäß Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz zur dauernden Dienstleistung zugewiesen ist, sind nicht durch Vereinbarung gestaltbar.
Macht der Kläger neben einem auf den Verwaltungsweg gehörigen Gestaltungsanspruch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses im Rahmen eines Feststellungsbegehrens auch noch einen Anspruch auf verschiedene, vermeintlich entgangene Entgeltansprüche aus dem Dienstverhältnis geltend, die er aus einer bestimmten (Nicht-)Gestaltung des Dienstverhältnisses ableitet, so ist er auch mit diesen Ansprüchen - wie bei allen vermögensrechtlichen Ansprüchen aus dem Dienstverhältnis (vgl Antoniolli/Koja , Allgemeines Verwaltungsrecht³ 359; Stellamor/Steiner , Handbuch Arztrecht I 64 f ua) - auf den Verwaltungsweg verwiesen. Auf einen vertraglichen „Ausgleichsanspruch“ oder „Garantieerfüllungsanspruch“ gegen die Beklagte hat sich der Kläger in erster Instanz nicht gestützt, insbesondere auch nicht auf Punkt 6. der behaupteten Vereinbarung mit der Beklagten. Letzteres überrascht auch nicht, weil sich dieser Punkt auf die Gestellung des Klägers an das A***** bezieht, während es dem Kläger im vorliegenden Verfahren um die Zeit nach seiner Rückkehr aus diesem Krankenhaus geht. Die diesbezüglichen Überlegungen des Klägers widerstreiten aber ohnehin dem im Revisionsrekursverfahren herrschenden Neuerungsverbot ( Kodek in Rechberger , ZPO³ § 526 Rz 3 ua), weshalb dem Obersten Gerichtshof eine Auseinandersetzung damit verwehrt ist.
Zum Revisionsrekurs des Klägers betreffend die einstweilige Verfügung:
Hier genügt der Hinweis, dass zu sichernde Ansprüche, für die der Rechtsweg unzulässig ist, nicht durch einstweilige Verfügung gesichert werden können (RIS-Justiz RS0004913 ua). Es bleibt daher bei der Zurückweisung der begehrten einstweiligen Verfügung. Auf darüber hinausgehende Erörterungen des Rekursgerichts braucht nicht eingegangen zu werden.
Zusammenfassend erweisen sich beide Revisionsrekurse des Klägers mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO als unzulässig und sind daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung zur Klagezurückweisung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035979 ua).