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OGH vom 12.08.1997, 10ObS229/97t

OGH vom 12.08.1997, 10ObS229/97t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer (Arbeitgeber) und Peter Stattmann (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rolf K*****, vertreten durch Lansky & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 54/97p-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 6 Cgs 179/96y-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde dem in Frankreich wohnhaften Kläger, bei dem die Voraussetzungen des § 5a OFG unstrittig vorliegen, zur von der beklagten Partei gewährten Pensionsleistung Pflegegeld der Stufe 2 zuerkannt.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei zur Gewährung von Pflegegeld der Stufe 5 zu verpflichten; im Hinblick auf den bestehenden Leidenszustand seien die Voraussetzungen für einen Anspruch in der begehrten Höhe erfüllt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung bestehe bei Aufenthalt im Ausland unter den Voraussetzungen des § 5a OFG nur Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 2; das darüberhinausgehende Begehren des Klägers sei daher nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, daß es dem Kläger das Pflegegeld in der bescheidmäßigen Höhe zuerkannte und das Mehrbegehren abwies. Es erachtete die vom Kläger zu der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 5a OFG vorgetragenen Argumente nicht für überzeugend und führte unter Darstellung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu verschiedenen Regelungen des Opferfürsorgegesetzes aus, aus welchen Gründen es keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmung hege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung haben ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit des § 5a OFG zum Gegenstand. Der Revisionswerber regt an, diese Bestimmung (offenbar nur die darin enthaltene Beschränkung des Anspruches auf Pflegegeld der Stufe 2) zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Gemäß Art 89 Abs 2 B-VG hat ua der Oberste Gerichtshof dann, wenn er gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat, den Antrag auf Aufhebung des Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Ob solche Bedenken bestehen, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu prüfen, wobei auch die Art der in Frage stehenden Norm und ihre Position im Normenzusammenhang in Betracht zu ziehen und auf die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Bedacht zu nehmen ist. Bestehen nach dieser Prüfung Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nicht, so besteht auch keine Veranlassung für eine Antragstellung im Sinne des Art 89 Abs 2 B-VG.

Der Anspruch auf Pflegegeld hat grundsätzlich den Inlandsaufenthalt zur Voraussetzung (§ 3 Abs 1 BPGG). Der Export des Pflegegeldes ist demnach im BPGG ausgeschlossen (Pfeil BPGG 49).

§ 5a OFG wurde im Rahmen des Sozialrechtsänderungsgesetzes 1993 (Art IV) geschaffen. Absatz 1 dieser Bestimmung normiert, daß die Ansprüche von Berechtigten nach diesem Bundesgesetz (OFG) auf Pflegegeld durch das BPGG geregelt werden. Gemäß Abs 2 leg cit haben Personen im Sinne der Z 1 bis 6 des § 3 Abs 1 BPGG, die in der im § 500 ASVG angeführten Zeit und aus den dort angeführten Gründen auswanderten und hilflos im Sinne des § 105a ASVG in der bis geltenden Fassung sind, auf Antrag und unter den sonstigen Voraussetzungen des BPGG Anspruch auf eine monatliche Leistung in der jeweiligen Höhe eines Pflegegeldes der Stufe 2, wenn sich ihr gewöhnlicher Aufenthalt aufgrund dieser Auswanderung im Ausland befindet. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über diese Ansprüche und das Verfahren richten sich nach dem BPGG. Die Gesetzesmaterialien (AB 968 BlgNR 18.GP, 6) verweisen darauf, daß das Pflegegeld, das frühere pflegebezogene Leistungen ersetzt habe, nur Personen gebühre, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Personen, die im Ausland wohnen und denen eine pflegebezogene Leistung (in der Regel ein Hilflosenzuschuß) vor Inkrafttreten des BPGG zuerkannt wurde, würde diese Leistung durch eine Übergangsbestimmung (§ 46 BPGG) gewahrt. Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und nach dem ein Pflegegeld oder einen Hilflosenzuschuß beantragen, seien dagegen von der Zuerkennung ausgeschlossen. Dieser im BPGG normierte und sachlich gerechtfertigte Grundsatz bedürfe jedoch für jene Personen einer Ausnahme, die Österreich nicht freiwillig verließen, sondern aufgrund der politischen Verfolgung in den Jahre 1933 bis 1945 erzwungenermaßen auswanderten und aus diesem Grund im Ausland leben. Ihnen solle das Recht auf eine pflegebezogene Leistung, deren Voraussetzung und Höhe der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BPGG entspreche, gewahrt bleiben. Unzutreffend sind die Ausführungen der Revision, insoweit der Revisionswerber die österreichische Staatsbürgerschaft als Anspruchsvoraussetzung unterstellt; der begünstigte Personenkreis des § 5a OFG ist vielmehr unabhängig von der Staatsbürgerschaft erfaßt.

Absicht des Gesetzgebers war es, für diesen begünstigten Personenkreis die durch das Inkrafttreten des BPGG (durch die Bindung des Anspruches auf Pflegegeld an den Inlandsaufenthalt) ansonst eintretende Nachteile hintanzuhalten. Durch § 5a Abs 2 OFG sollte für diese Personen die bis geltende Rechtslage im wesentlichen perpetuiert werden. Was die Anspruchsvoraussetzungen betrifft, wurde die Weitergeltung des gemäß Art I Z 12 des 2.Teiles BPGG iVm dem

3. Teil 1.Abschnitt Z 1 BPGG mit außer Kraft getretenen § 105a ASVG angeordnet. Dem Begünstigten soll damit das Recht auf eine pflegebezogene Leistung, deren Voraussetzungen und deren Höhe der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BPGG entspricht, gewahrt bleiben (Pfeil, Die Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich 170). Die materiellen Leistungsvoraussetzungen (Umfang der Betreuungsbedürftigkeit) richten sich nicht nach den Bestimmungen des BPGG, sondern nach dem früheren § 105a ASVG (SSV-NF 9/97).

Bei der Bestimmung des § 5a OFG handelt es sich daher um eine Ausnahmeregelung; anders als in anderen Fällen, in denen der Auslandsaufenthalt dem Anspruch auf Pflegegeld entgegensteht, soll bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen der Anspruch ungeachtet des fehlenden Inlandsaufenthaltes, wenn auch in eingeschränkter Höhe, die sich an der Höhe des vor Inkrafttreten des BPGG bestehenden Hilflosenzuschusses orientiert, zustehen. Der Umstand, daß die Höhe gegenüber dem im Inland bestehenden Anspruch eingeschränkt ist, vermag verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu begründen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ist nicht erkennbar. Der Gleichheitsgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen; sachlich gerechtfertigte Differenzierungen stehen mit dem Gleichheitsgrundatz jedoch nicht in Widerspruch. Der Auslandsaufenthalt ist ein Tatbestandsunterschied, der eine abweichende Regelung zulässig macht. Es besteht keine Verpflichtung des Gesetzgebers, das Ausmaß des dem im § 5a OFG umschriebenen Personenkreis in dieser Norm eingeräumten Anspruches in gleicher Höhe festzusetzen, wie für im Inland aufhältige Personen. Es liegt vielmehr im zulässigen rechtspolitischen Gestaltungsbereich des Gesetzgebers, diese trotz Auslandsaufenthalt ausnahmsweise zustehende Leistung in einer Höhe zu bestimmen, die unter jener liegt, die bei Vorliegen aller Voraussetzungen des BPGG bei Inlandsaufenthalt zusteht. Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlaßt, einen Antrag auf Gesetzesprüfung an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen würden, wurden nicht geltend gemacht und es ergeben sich auch keine Hinweise auf solche Gründe aus der Aktenlage.