OGH vom 24.01.2002, 8ObA311/01w

OGH vom 24.01.2002, 8ObA311/01w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Anton Gabmayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Café G*****, vertreten durch Lansky, Steiner & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Stefan W*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Franz Linsinger, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert 29.069,13 Euro), hier Erlassung einer einstweiligen Verfügung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 304/01m-11, womit infolge Rekurses der klagenden und gefährdeten Partei der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 17 Cga 160/01z-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Verfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden Beklagte) war bis in einem der klagenden und gefährdeten Partei (im Folgenden Klägerin) gehörenden Gasthaus beschäftigt und verfügte auch über dessen Kundenkartei. Seit ist er nunmehr Betriebsleiter des Cafes einer Restaurationsgesellschaft. Er hat im Rahmen von Aussendungen an mögliche Gäste dieses Cafes auf seinen beruflichen Wechsel und kulturelle Veranstaltungen in diesem Cafe hingewiesen.

Mit ihrer mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbundenen Klage begehrt die Klägerin den Beklagten schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, die Adressenaufzeichnungen über die Kunden der Klägerin auf welche Art auch immer, insbesondere aber in Form der Aussendung von Werbeankündigungen, zu verwerten sowie weiters die Feststellung, dass er verpflichtet ist, den der Klägerin durch die Verwertung der Kundenkarteien entstehenden Schaden zu ersetzen. Sie stützt dies zusammengefasst darauf, dass sie und der neue Arbeitgeber des Beklagten den gleichen Kundenkreis hätten. Der Beklagte habe noch während des Arbeitsverhältnisses zur Klägerin deren in mehr als 3 1/2-jähriger Arbeit erstellte Kundenkartei kopiert, um diese nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zur Klägerin zu Wettbewerbszwecken zu verwenden. Bei der Kundenkartei handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 11 UWG. In der Folge habe der Beklagte bei seinem neuen Arbeitgeber unter Verwendung dieser Kundenkartei Einladungen zu Veranstaltungen in dem neuen Cafe an nahezu sämtliche Kunden aus der Kundenkartei verschickt. Damit habe er den Wettbewerb des neuen Arbeitgebers auf Kosten der Klägerin absichtlich und planmäßig gefördert. Es bestehe die Gefahr, dass die Klägerin Umsatzeinbußen habe.

Das Verhalten des Beklagten verstoße sowohl gegen § 1 UWG also auch gegen § 11 Abs 2 UWG sowie § 13 UWG. Die Beklagte habe die Kundenkartei, die ein Betriebsgeheimnis darstelle, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise erlangt und auch unbefugt verwertet. Die sittenwidrige Absicht des Beklagten ergebe sich auch aus dem Begleitschreiben in dem er einen gezielten Angriff auf den Abnehmerkreis der Klägerin, den sich diese mühsam aufgebaut habe, gestartet hätte.

Zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung stützte sich die Klägerin auch noch auf die bestehende Wiederholungsgefahr sowie die Gefahr der Umsatzeinbußen. Der Kundenkreis des neuen Arbeitgebers des Beklagten und der Klägerin sei gleich oder zumindest überschneidend, ebenso die erbrachte Dienstleistung. Dass außerhalb des Gastronomiebereiches der Klägerin gelegentlich auch Kinder-, Geburtsfeste und Hochzeiten stattfinden, während der Arbeitgeber des Beklagten gelegentlich Kulturveranstaltungen anbiete, ändere an dem Wettbewerbsverhältnis in den wesentlichen Gastronomieleistungen nichts. Die Beklagte habe noch während des aufrechten Dienstverhältnisses den inneren Frontwechsel vollzogen.

Der Beklagte beantragte, den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung kostenpflichtig abzuweisen und wendete im Wesentlichen ein, dass ein unmittelbar zu erwartender Schaden nicht bescheinigt werde und der Beklagte auch in keinem direkten Konkurrenzverhältnis zur Klägerin stehe, ebensowenig sein neuer Arbeitgeber. Die jeweils erbrachten Dienstleistungen und Kunden seien aus dem im Einzelnen dargestellten Gründen unterschiedlich. Der Beklagte habe sich auch nicht unbefugt während des Arbeitsverhältnisses dessen Kundenkartei kopiert, sondern bei seinem Eintritt beim neuen Arbeitgeber sei eine Kundenkartei mit etwa 1000 Adressen vorhanden gewesen. Diese habe der Beklagte aus seinen persönlichen handschriftlichen Aufzeichnungen ergänzt. Bei den von der Klägerin angeführten Personen handle es sich großteils um dem Beklagten persönlich oder allgemein in Gastronomiekreisen bekannte Kunden. Die Anschriften seien keine Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 11 UWG.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Es stützte dies darauf, dass nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses ein auf § 11 Abs 1 UWG gestützter Unterlassungsanspruch nicht mehr erhoben werden könne. Auch könne eine Kundenkartei nur dann ein Betriebsgeheimnis darstellen, wenn neben den Namen und Adressen auch besondere Angaben über das Konsumverhalten bzw Produktvorlieben in der Datei enthalten seien. Ein Verstoß des Beklagten gegen § 1 UWG liege nicht vor, da kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Streitteilen bestehe und der Beklagte nur Angestellter sei. Auch müssten konkrete Umstände behauptet werden, die einen unwiederbringlichen Schaden wahrscheinlich machten. Nach den allgemeinen Lebenserfahrungen schließe der Besuch eines weiteren Gastronomiebetriebes den Besuch des bisher frequentierten Gastronomiebetriebes nicht aus.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs der Klägerin nicht Folge. Es stützte sich dabei darauf, dass ein Wettbewerbsverhältnis zwischen einem Unternehmer einerseits und einem Angestellten eines anderen Unternehmens auszuschließen sei. Die Ausführungen der Klägerin, dass der Beklagte den Wettbewerb seinen Arbeitgebers fördere, widerspreche dem Neuerungsverbot. Selbst wenn ein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Klägerin und dem neuen Arbeitgeber bestünde, könne dies nicht zu einer einstweiligen Verfügung gegen den Beklagten führen. Auch habe die Klägerin keine Umstände behauptet, die einen unwiederbringlichen Schaden wahrscheinlich machen würden, es sei nicht anzunehmen, dass ein Kunde der Klägerin diese deshalb nicht besuche, weil er auf eine Veranstaltung in dem Cafe gehe. Bloße Namenslisten könnten auch nicht als Geschäftsgeheimnisse bewertet werden. Für einen Behinderungswettbewerb mangle es schon an einem entsprechenden Vorbringen in erster Instanz.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht ohne nähere Begründung als nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und auch berechtigt.

Zutreffend wendet sich die Klägerin gegen die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass die einstweilige Verfügung gegen den Beklagten nur dann erlassen werden könne, wenn ein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehe.

Nach § 1 UWG kann jemand, der im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen unter anderem auch auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dabei ist passivlegitimiert jeder "Störer", also auch der sittenwidrig den Wettbewerb seines neuen Arbeitgebers fördernde Arbeitnehmer (vgl dazu allgemein Reissner, Die arbeitsrechtliche Konkurrenzklausel, 251 mwN; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht22, 891; = DRdA 1980/18 mit zust Besprechung von Rummel; so ferner auch Kuderna in FS Weissenberg, Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen durch eine Konkurrenzklausel gebundene Arbeitnehmer, 288; ferner RIS-Justiz RS0077738 mwN insb = Arb 10.892). Soweit es um die Förderung des fremden Wettbewerbes geht, ist allerdings eine Wettbewerbsabsicht nicht zu vermuten, sondern vom Kläger nachzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0077619 mzwN etwa SZ 50/86, SZ 51/171, SZ 61/134 und SZ 65/133).

Die Klägerin hat nun in erster Instanz ausdrücklich behauptet, dass es dem Beklagten um die Förderung des Wettbewerbes des neuen Arbeitgebers ging (vgl S 4 der Klagen oben), Dies wurde jedoch von den Vorinstanzen nicht berücksichtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat ferner auch bereits ausgesprochen, dass das Verhalten eines Angestellten, der sich durch Speicherung von Adressen aus Kundenkarteien seines Arbeitgebers eine dauernde und sichere Kenntnis dieser Daten verschafft, um sie später nach seinem Ausscheiden in einem eigenen Unternehmen zu verwerten, sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist (vgl = ÖBl 1988, 13 = RIS-Justiz RS0078339; ferner SZ 59/153).

Das muss im Sinne der oben dargestellten Judikatur auch dann gelten, wenn er diese Kundenkartei nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb im Unternehmen des neuen Arbeitgebers verwertet (vgl dazu auch allgemein Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht22, 798). Ist der Arbeitnehmer doch dann in gleicher Weise Störer des Wettbewerbs seines ehemaligen Arbeitgebers.

Es wird daher im fortgesetzten Verfahren auch zu klären sein, ob der Beklagte tatsächlich die Kundenlisten der Klägerin kopierte und für Einladungen zu Veranstaltungen seines neuen Arbeitgebers verwendete. Sollte der Beklagte tatsächlich die Kundenlisten des Gastronomiebetriebes der Klägerin verwendet haben, um für den Gastronomiebetrieb seines neuen Arbeitgebers weitere Kunden zu gewinnen, so wäre selbst dann, wenn es sich um etwas verschiedene Branchen handeln würde, ein Wettbewerbsverhältnis nicht ausgeschlossen (vgl dazu RIS-Justiz RS0077680), umso mehr aber bei Gleichheit des Kundenkreises im selben Ortsgebiet (vgl RIS-Justiz RS0077719 mwN etwa SZ 65/122; RS0077677 mwN).

Eine darüber hinausgehende Gefährdung muss gemäß § 24 UWG nicht nachgewiesen werden (RIS-Justiz RS0080058 sowie RIS-Justiz RS0071899 jeweils mwN).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 402 Abs 4 sowie 78 EO und 52 ZPO.