OGH vom 28.11.2017, 9ObA136/17s

OGH vom 28.11.2017, 9ObA136/17s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Lughofer Rechtsanwälte GesbR in Linz, wegen 250,37 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 29/17i-14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Kollektivvertragliche oder einzelvertragliche Ausschlussfristen, die eine Verkürzung der Verjährungsfrist auch für nach dem Gesetz unabdingbare Ansprüche vorsehen, sind nach ständiger Rechtsprechung zulässig, sofern dadurch die Rechtsverfolgung nicht übermäßig erschwert wird (RISJustiz RS0034517, RS0016688). An dieser Rechtsansicht, die darauf gründet, dass zwischen der vertraglichen Unabdingbarkeit eines Anspruchs und der Frist für dessen Geltendmachung zu unterscheiden ist, wurde trotz Kritik in der Lehre ausdrücklich festgehalten (vgl insbesondere 9 ObA 1/14h).

Verfallsfristen von drei bzw vier Monaten sind in Kollektivverträgen durchaus üblich und werden nicht nur von den Kollektivvertragsparteien, sondern auch von der Rechtsprechung akzeptiert (vgl RIS-Justiz RS0034517 [T15]; RS0064548; RS0016688).

2. Richtig ist, dass ein Zweck einer Verfallsbestimmung darin gesehen wird, dem Beweisnotstand zu begegnen, der häufig bei späterer Geltendmachung der Ansprüche auftritt (RIS-Justiz RS0034417). Sie dienen in der Regel aber auch dazu, für eine möglichst rasche Bereinigung noch offener Ansprüche zu sorgen. Die Vertragspartner sollen dazu angehalten werden, möglichst bald ihre Ansprüche geltend zu machen. Andernfalls droht eben Bereinigung durch Verfall (RIS-Justiz RS0034417 [T1, T 8]). Daher wurde beispielsweise auch der Verfall von Ansprüchen auf Überstundenentgelt bejaht, deren Leistung dem Arbeitgeber regelmäßig bekannt gegeben wurde (9 ObA 44/14g).

Dem widerspricht auch nicht die in der Revision zitierte Entscheidung 9 ObA 91/07h, da die dort zu beurteilende Verfallsbestimmung auf Ansprüche beschränkt war, die typischerweise einzeln verrechnet werden und die oft schon nach relativ kurzen Zeiträumen nur sehr schwer unter Beweis gestellt werden können. Die im vorliegenden Fall zu beurteilende Bestimmung des § 19 Pt 2 des Kollektivvertrags für Arbeiter des holz- und kunststoffverarbeitenden Gewerbe Österreichs sieht dagegen im Bereich der Kunststoffverarbeitung vor, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit Ausnahme des reinen Lohnanspruchs bei sonstigem Verfall innerhalb von vier Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden müssen. Für eine Differenzierung nach der Beweisbarkeit bietet die Regelung daher keine Anhaltspunkte.

3. Der Lauf der Verfallsfrist beginnt ausdrücklich mit der Fälligkeit des betreffenden Anspruchs. Die von der Klägerin gewünschte Interpretation, dass die Frist (gemeint offenbar wie bei Ansprüchen auf Schadenersatz) frühestens mit der Kenntnis vom Bestehen einer offenen Entgeltforderung zu laufen beginnt, würde dem Zweck, für eine möglichst rasche Bereinigung der noch offenen Ansprüche zu sorgen, zuwiderlaufen (vgl 9 ObA 98/10t).

4. Eine Sittenwidrigkeit des Verfallseinwands setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass dem Arbeitgeber ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorzuwerfen ist, das von der Absicht getragen ist, die Anspruchsdurchsetzung durch den Arbeitnehmer zu verhindern oder zumindest ernsthaft zu erschweren (RISJustiz RS0051974 [T5]). So etwas wurde von der Klägerin aber nicht behauptet.

5. Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz soll sicherstellen, dass Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Entgelt erhalten. Arbeitgeber, die diese Pflicht verletzen, begehen eine Verwaltungsübertretung (§ 29 LSD-BG). Daraus lässt sich aber – entgegen der Revision – kein Rückschluss auf die (weitere) Wirksamkeit kollektivvertraglicher Verfallsfristen ziehen.

6. Zur Möglichkeit einer Urlaubsvereinbarung für einen Feiertag hat der Oberste Gerichtshof, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat, in der Entscheidung 9 ObA 60/05x Stellung genommen und unter Hinweis auf Resch („Feiertagsentlohnung im Schichtbetrieb“ in ecolex 2001, 463 f) ausgeführt, dass im Fall der Einteilung des Arbeitnehmers in einem Schichtplan § 4 Abs 2 UrlG nicht greift, weil diese Regelung davon ausgeht, dass keine Arbeitspflicht besteht, was aber bei Einteilung zum Schichtbetrieb nicht der Fall ist. Es ist daher nicht richtig, dass der Oberste Gerichtshof zu dieser Konstellation noch nicht Stellung genommen hat. Die Klägerin übergeht in ihren Ausführungen zu einem Anspruch auf Urlaubsersatzleistung, dass sie zum Schichtbetrieb eingeteilt war und nur aufgrund der getroffenen Urlaubsvereinbarung nicht gearbeitet hat.

7. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00136.17S.1128.000
Schlagworte:
;Arbeitsrecht;

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