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OGH vom 05.09.2001, 16Ok3/01

OGH vom 05.09.2001, 16Ok3/01

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer, Dkfm. Joachim Lamel, Dkfm. Alfred Reiter und Dr. Thomas Lachs in der Kartellrechtssache der antragstellenden und gefährdeten Partei g*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei Österreichische Post AG, *****, vertreten durch CMS Strommer Reich-Rohrwig Karasek Hainz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und einstweiliger Verfügung, über den Rekurs der Antragstellerin und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom , GZ 26 Kt 9, 10/01-5, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin und gefährdete Partei (im Folgenden Antragstellerin) ist ein Unternehmen, das nicht persönlich adressiertes Werbematerial, insbesondere Prospekte und Kataloge, verteilt. Es verfügt in diesem Markt der Zustellung von nicht persönlichen adressierten Massensendungen über einen Marktanteil von etwa 5 %. Hingegen entfallen auf die Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei, die Österreichische Post AG 42 % des Marktes und ein weiteres mit ihr verbundenes Unternehmen rund 13 %, insgesamt sohin ca 55 %.

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass die Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden die Post) eine marktbeherrschende Stellung besitzt und diese missbräuchlich ausübt. Sie begehrt der Post aufzutragen, es zu unterlassen, nicht adressierte Massensendungen durch Einlegen in Hausbrieffachanlagen und Landabgabestellen zuzustellen, Kunden für die Übernahme nicht adressierter Massensendungen zur Zustellung die Gewährung von Rabatten für die Erbringung von Leistungen des reservierten Postdienstes anzukündigen, zuzusagen, oder zu gewähren, insbesondere wenn es sich bei den reservierten Postdienstleistungen um die Zustellung von Antwortkarten im Anschluss an zuvor verteilte unadressierte Massensendungen handelt, sowie letztlich, bei Mitbewerbern für die Beförderung derartiger Sendungen im Verhältnis zu Kunden, die nicht Mitbewerber sind, unterschiedliche Bedingungen anzuwenden. Ferner beantragt sie die hier maßgebliche Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahin, der Post aufzutragen, es ab sofort zu unterlassen, unadressierte Massensendungen (Info-Mails ohne persönliche Anschrift) durch das Einlegen dieser Sendungen in Hausbrieffachanlagen im Sinne von § 14 PostG zuzustellen. Insoweit stützt sie sich im Wesentlichen darauf, dass auf dem relevanten Markt der Zustellung nicht persönlich adressierter Massensendungen in Österreich der Post eine marktbeherrschende Stellung zukomme. Dieser sei gemäß § 6 PostG die Erbringung von Postdienstleistungen für persönlich beschriftende Briefsendungen mit einem Gewicht bis zu 350 Gramm als "reservierter Postdienst" vorbehalten, nicht aber der hier relevante Markt. Auch auf diesem sei sie aber marktbeherrschend, was sich nicht nur aus dem hohen Marktanteil, sondern auch aus den wirtschaftlichen Dimensionen, insbesondere aus dem reservierten Postdienst und den dadurch begünstigten Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten ergebe. Auch sei sie bei den zusätzlichen Aktivitäten dadurch begünstigt, dass sie diese auch ohne Fixkostenbelastung erbringen könne und wegen der Grundauslastung flexibler sei. Nach § 14 PostG seien die Eigentümer von Häusern mit mehr als vier Wohnungen verpflichtet, Hausbrieffachanlagen für die Zustellung persönlich adressierter Briefsendungen im Rahmen des reservierten Postdienstes zu errichten, zu denen - so wie zu den anderen Abgabestellen - nur die Briefträger der Post Zugang hätten. Entgegen der Bestimmung des § 14 PostG stelle die Post jedoch nicht nur Sendungen des reservierten Postdienstes, sondern auch unadressierte Massensendungen über die Hausbrieffachanlagen zu. Sie verschaffe sich durch die gesetzwidrige Vorgangsweise einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, den sie auch am Markt als Hauptargument verwende.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrages sowie des Antrages auf Erlassung der einstweiligen Verfügung und wendete vorweg ein, dass ihr keine marktbeherrschende Stellung zukomme, da der sachlich relevante Markt neben den Prospekten auch die Zeitungsbeilagen, Druckstrecken und prospektähnlichen Inserate umfasse. In diesem Markt mit einem Marktvolumen von 6.268,000.000,-- habe die Post nur einen Marktanteil von etwa 22,8 %. Auch stehe sie in einem intensiven Wettbewerb mit anderen Anbietern mit teilweiser internationaler Anbindung und erheblicher Finanzkraft, unter anderem der Antragstellerin, an der die niederländische Post zu 50 % beteiligt sei. Auch die Personalstruktur der Post stelle einen wesentlichen Wettbewerbsnachteil dar.

Jedenfalls sei der Post kein Missbrauch vorzuwerfen. § 14 PostG betreffe nur die Ausgestaltung der Hausbrieffachanlagen, ohne diese auf die Verwendung für den reservierten Postdienst einzuschränken. Es erfolge auch keine Quersubventionierung des Bereiches der Zustellung unadressierter Massensendungen durch den reservierten Bereich, da dies durch die Post - Kostenrechnungsverordnung verhindert werde. Die Post sei verpflichtet, die Konten für den nicht reservierten Dienst eindeutig von den zum Universaldienst gehörenden Konten zu trennen. Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Es ging dabei rechtlich davon aus, dass der sachlich relevante Markt jener der Verteilung von gedruckter Werbung sei und auf diesem der Post eine marktbeherrschende Stellung zukomme. Nach § 35 Abs 1 KartellG habe das Kartellgericht auf Antrag dem beherrschenden Unternehmen aufzutragen, einen allfälligen Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung zu beenden. Es müsse jedoch zwischen der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens und seinem missbräuchlichen Verhalten Kausalität gegeben sein, also das konkrete Marktverhalten bzw dessen Auswirkungen durch den besonderen Handlungsspielraum des Marktbeherrschers ermöglicht worden sein. Dies sei aber hier nicht der Fall, da die marktbeherrschende Stellung der Post für den ihr auf Grund des Postgesetzes als Betreiber des reservierten Postdienstes zukommenden Wettbewerbsvorteil nicht kausal sei. Auch ohne marktbeherrschende Stellung hätte sie allein die Möglichkeit, nicht adressierte Massensendungen in die Hausbrieffachanlagen und Landabgabestellen zu legen. Allein schon mangels Kausalität der marktbeherrschenden Stellung sei der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen. Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die einstweilige Verfügung erlassen werde, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Antragstellerin ist im Ergebnis nicht berechtigt. Zutreffend wendet sich die Antragstellerin allerdings gegen die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass ein missbräuchliches Verhalten schon deshalb ausscheide, da die Post die Möglichkeit der Benutzung der Hausbrieffachanlagen für nicht adressierte Werbesendungen auch dann hätte, wenn ihr auf diesen Markt keine marktbeherrschende Stellung zukomme. § 35 Abs 1 KartG sieht einleitend vor, dass das Kartellgericht auf Antrag den beteiligten Unternehmen aufzutragen hat, den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen. Im Folgenden werden dann verschiedene Formen des Missbrauches beispielsweise aufgezählt. Diesen wurde durch die Kartellgesetznovelle 1999 als Z 5 angeführt, dass auch der sachlich nicht gerechtfertigte Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis einen Missbrauch darstellen kann.

Das Erstgericht hat sich bei seiner Rechtsansicht auf die Entscheidungen des Kartellobergerichtes vom , Okt 3/93 (= ecolex 1993, 689 = RdW 1993, 304 = ÖBl 1993, 124) und vom , Okt 7/93 (= ÖBl 1993, 271) sowie des Obersten Gerichtshofes vom , 4 Ob 2/93 (= WBl 1993, 264) gestützt. In den Entscheidungen des Kartellobergerichtes ging es darum, dass ein Generalvertriebsberechtigter für eine PKW-Marke durch bestimmte Ankündigungen bewirkte, dass seine Vertragshändler Rabatte gewähren mussten. Das Kartellobergericht beurteilte dies nicht als missbräuchliches Verhalten im Sinn des § 35 KartellG und führte damals aus, dass sich dieses Verhalten weder als Ausnutzung machtbedingter Verhaltensspielräume darstelle, um ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung durchzusetzen ("Ausbeutungsmissbrauch"), noch die Vertragshändler in ihrem Wettbewerb behindere ("Behinderungsmissbrauch"). Schon damals hat also das Kartellobergericht gerade beim Behinderungsmissbrauch nicht darauf abgestellt, ob die gesetzten Verhalten nur durch die Marktmacht des marktbeherrschenden Unternehmens ermöglicht wurden. Vielmehr hat bereits damals das Kartellobergericht auch unter Bedachtnahme auf den damals geltenden Artikel 86 EGV ausgeführt, dass als missbräuchlich sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung bezeichnet werden, die die Strukturen eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen. Dies verblieb die ständige Rechtsprechung des Kartellobergerichtes (vgl zuletzt etwa , 16 Ok 2/00 = ÖBl 1999, 297 = SZ 71/103; RIS-Justiz RS0063530).

Die Ausführungen in den Entscheidungen Okt 3/93 und Okt 7/93 zum Zusammenhang zwischen Marktbeherrschung und missbräuchlichen Verhalten sind vor dem Hintergrund der Frage der Absatzkonditionen zu verstehen und beziehen sich damit auf den "Ausbeutungsmissbrauch", also der Übervorteilung der Abnehmer.

In der Entscheidung 4 Ob 2/93 (= WBl 1993, 264) war diese Frage schon mangels ausreichender Behauptungen zu einer marktbeherrschenden Stellung nicht entscheidungswesentlich. Gleiches gilt für die Entscheidung vom zu 4 Ob 165/98p (= RdW 1998, 675 = WBl 1998/358 = ÖBl 1999, 50).

Es hat daher gerade in dem hier maßgeblichen Bereich des Behinderungswettbewerbs bei der oben dargestellten Voraussetzung zu bleiben, dass es sich nur um Mittel handeln muss, die von jenen eines normalen Wettbewerbes auf Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen und geeignet sind, den Wettbewerb noch weiter zu beeinträchtigen. Für den Behinderungsmissbrauch, dessen Zielrichtung ja gerade darin liegt, den Wettbewerb weiter zu beeinträchtigen, kann ein darüber hinausgehendes Erfordernis, dass es sich nur um solche Mittel handeln kann, die sich aus der beherrschenden Stellung des Unternehmens ergeben, nicht abgeleitet werden. Dies zeigt sich auch an dem - entsprechend der bereits davor bestehenden Rechtsprechung - durch die Kartellgesetznovelle 1999 nunmehr in § 35 Z 5 KartG ausdrücklich anerkanntem Verbot des sachlich nicht gerechtfertigten Verkaufes von Waren unter dem Einstandspreis (vgl dazu auch 1775 der BlgNR 20. GP, 11; sowie Kartellobergericht 16 Ok 6/00 = MuR 2000, 391 = ÖBl 2001, 133 ua); steht doch dieses Mittel jedem und nicht nur einem marktbeherrschenden Unternehmen offen. Damit wird auch die Regelung des Einleitungssatzes des § 35 Abs 1 KartellG in diesem Sinne klargestellt.

Die Ausführungen von Tahedl (Neues zum Missbrauch marktbeherrschender

Stellung, ecolex 1993, 683) über den kausalen Zusammenhang zwischen

der marktbeherrschenden Position eines Unternehmers und seinem

"missbräuchlichen" Marktverhalten erfolgten vor dem Hintergrund der

einleitend dargestellten Entscheidung über die Erzwingung eines

Rabattes durch Ankündigungen des Generalimporteurs, also wohl im

Zusammenhang mit dem Ausbeutungsmissbrauch. Barfuß/Wollmann/Tahedl

(Österreichisches Kartellrecht 98), sprechen sich zwar für einen

kausalen Zusammenhang zwischen marktbeherrschender Stellung des

Unternehmens und dem missbräuchlichen Verhalten aus, unterscheiden

aber insoweit nicht näher zwischen Behinderungsmissbrauch und

Ausbeutungsmissbrauch. In seinen grundsätzlichen Ausführungen zum

"Missbrauch marktbeherrschender Stellungen im österreichischen

Kartellrecht" stellt aber auch Tahedl (211) die Entscheidungspraxis

dahin dar, dass es bei der missbräuchlichen Ausnutzung auf einen

ursächlichen Zusammenhang zwischen der beherrschenden Stellung und

der missbräuchlichen Ausnützung nicht ankommt. Letztlich ergibt sich

dies auch daraus, dass nach nunmehr ständiger Judikatur des

Kartellobergerichtes Art 86 EGV (= nunmehr Art 82 EG) zur Auslegung

des § 35 KartellG heranzuziehen ist (vgl 16 Ok 5/98 = SZ 71/103;

ähnlich 16 Ok 1/99 = ÖBl 1999, 297, RIS-Justiz RS0110382; vgl

Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3, 231 uva).

Der EuGH hat aber eindeutig das Erfordernis eines kausalen Zusammenhanges zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem eingesetzten missbräuchlichen Verhalten verneint (vgl 6-72 Continental CanSlg 1973, 215; ebenso 85-76 Hoffmann - La Roche Slg 1979, 0461 Rz 91; vgl auch Schulz in Langen/Bunte Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht9, 565 - zum Behinderungsmissbrauch wegen der besonders schädlichen Auswirkungen dieser Verhaltensweisen durch das marktbeherrschende Unternehmen; de Bronett in Wiedemann Handbuch des Kartellrechts 1999, 802 unter Bedachtnahme auf die funktionale Bedeutung des Art 86 EGV;

Möschl in Immenga/Mestmäcker GWB3, 666, wonach die wettbewerbsrechtliche Gefährlichkeit im Rahmen des GWB ausreicht;

derselbe unmittelbar zum europäischen Kartellrecht in Immenga/Mestmäcker EG-Wettbewerbsrecht 1997, 722; Stockhuber, Europäisches Kartellrecht, 98).

Da also eine "Kausalität" der marktbeherrschenden Stellung des Unternehmens für das missbilligte Verhalten im Sinne des Erstgerichtes kein Erfordernis für die Beurteilung eines Verhaltens als missbräuchlich im Sinne des § 35 KartellG darstellt, ist zu prüfen, inwieweit das Verhalten der Post, die nicht adressierten Werbesendungen in die Hausbrieffächer einzulegen, ein vom normalen Produktions- und Dienstleistungswettbewerb abweichendes Verhalten zur Behinderung des Wettbewerbes ist.

Dazu ist voranzustellen, dass der Einsatz von vorhandenen Ressourcen ein normales Mittel des Dienstleistungswettbewerbes ist. Diesen langfristig zu verbessern, ist ja auch Ziel des Kartellrechts. Die Besonderheit liegt hier darin, dass diese speziellen Ressourcen bei Hausbrieffachanlagen der Post weitgehend im Rahmen ihres Monopols des reservierten Postdienstes im Sinne des § 6 des PostG 1997 unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, da die Gebäudeeigentümer bei Neubauten von Gebäuden mit mehr als vier Einheiten, die sich in mehr als zwei Geschossen befinden, verpflichtet sind, beim Gebäudeeingang eine Hausbrieffachanlage zu errichten. Soweit die Post nun im Rahmen dieses reservierten Postdienstes das ihr gesetztlich übertragene Monopol ausübt, ist sie entsprechend § 5 Abs 1 Z 3 KartG von der Anwendung des Kartellgesetzes ausgenommen. Ihre Tätigkeit auf anderen Märkten, hier also der Zustellung von nicht adressiertem Werbematerial, unterliegt aber dem Kartellgesetz (vgl auch Gugerbauer, Kommentar zum Kartellgesetz2 § 5 Rz 11; Barfuß/Wollmann/Tahedl aaO, 21). Auch bei dieser Frage der Beurteilung der Wirkung von Ressourcen aus einem Monopol - auch dies ist ein regelmäßig "beherrschter Markt" (vgl -C 163/96 Silvano Raso, Slg 1998 I-533 mwN; -C320/9a Corbeau Slg 1993, 2533) - auf einen anderen beherrschten Markt ist im Wesentlichen eine Übereinstimmung des § 35 KartG mit Art 82 EG (ex 86) iVm Art 86 EG (ex 40) anzustreben.

Das Gemeinschaftsrecht sieht in Art 86 Abs 1 (ex Art 90) allgemein vor, dass die Mitgliedstaaten ua in Bezug auf Unternehmen, denen sie ausschließliche Rechte gewähren, ua keine den Art 81 bis 89 widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten. Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, bestimmt Art 86 Abs 2 EG (ex Art 90), dass die Wettbewerbsregeln nur insoweit anzuwenden sind, als diese nicht die Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindern; jedoch darf die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem dem Interessen der Gemeinschaft zuwiderlaufenden Ausmaß beeinträchtigt werden. Weiters ist auch darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art 86 Abs 3 EG (ex Art 90) erforderlichenfalls geeignete Richtlinien und Entscheidungen an die Mitgliedstaaten richtet.

Im Zusammenspiel der Art 82 EG (ex 86) und Art 86 EG (ex 90) wird im Ergebnis der Rahmen der Zulässigkeit der Einräumung ausschließlicher Rechte und der sich daraus in weiterer Folge ergebenden Beeinträchtigung des Wettbewerbs auch über den unmittelbar betroffenen Markt hinaus geregelt (vgl etwa allgemein zu den marktübergreifenden Beurteilungen EuGH-Rechtssachen C-333/94p Slg 1996 I; 5951 - Tetra Pak mwN; sowie Silviano Raso Slg 1998 I - 533 mwN dazu, dass regelmäßig auch die Auswirkungen des Monopolbereiches auf andere Bereiche beurteilt werden; ferner GB-INNO-BM SA Slg 1991, I-5941 zur Beurteilung der Befugnisse eines Betreibers eines Fernmeldenetzes bei der Zulassung von Fernsprechgeräten bei gleichzeitiger Tätigkeit auf dem Markt des Vertriebs von Fernsprechgeräten).

Im Zusammenhang mit dem hier maßgeblichen Postmarkt ist auch beachtlich, dass der Rat selbst am die Richtlinie 97/67/EG über die gemeinsamen Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstqualität erlassen hat (ABl L 015 vom , 14 ff). Damit sollte zwar einerseits die schrittweise und kontrollierte Liberalisierung gewährleistet, andererseits aber auch das Funktionieren des Universaldienstes unter finanziell ausgewogenen Bedingungen ermöglicht werden (vgl insb Punkt 8 und 16 der Begründungserwägungen). Auch die Trennung zwischen reservierten und nicht reservierten Diensten zur Vermeidung von Quersubventitionen war eines von deren Anliegen (vgl insb Punkt 28 der Begründungserwägungen).

Dieser Richtlinie wird auch in der Bekanntmachung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf dem Postsektor und über die Beurteilung bestimmter staatlicher Maßnahmen betreffend Postdienste Bedeutung zugemessen (vgl ABl C-039 vom S 2 bis 18). In dieser Mitteilung wird hervorgehoben, dass die Monopolstellung nicht dazu missbraucht werden soll, um in den liberalisierten Bereichen eine beherrschende Position einzunehmen. Nur eine objektiv gerechtfertigte Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf einem bestimmten Markt ist zulässig, um sich eine starke Position auf dem angrenzenden Markt zu verschaffen (vgl Punkt 6,2 der Mitteilung). Aus dem Gemeinschaftsrecht lassen sich also vorweg zwei Beschränkungen ableiten. Einerseits ist es grundsätzlich (vgl zu den einschränkenden Vorgaben TNT Traco Spa) verpönt, den Wettbewerb in angrenzenden Märkten durch "Quersubventionen" aus dem geschützten Monopolbereich zu unterstützen. Andererseits soll auch sonst keine objektiv nicht gerechtfertigte Ausnutzung des Monopols zur Erlangung von beherrschenden Stellungen in anderen Märkten erfolgen (vgl. Die Mitteilung der Kommission, ferner Silviano Raso Slg 1998 I - 533; GB-INNO-BM SA Slg 1991, I-5941; allgemein zu den Grenzen des Monopols und dessen Ausweitung C-320/9a Corbeau Slg 1993, 2533; Jungbluth in Langen/Bunte aaO, 2234).

Schon das Bedürfnis der Unternehmen und der Konsumenten nach einer gesicherten Zustellung kann grundsätzlich als eine objektive Rechtfertigung für die Zustellung in den Hausbrieffachanlagen angesehen werden. Auch aus den Bestimmungen des Postgesetzes lässt sich die kartellrechliche Unzulässigkeit der Zustellungen der Massensendungen grundsätzlich nicht ableiten. Geht doch auch das Postgesetz von einer Teilnahme der Post (PTA) am Wettbewerb aus (vgl etwa den AB 966 BlgNR 20. GP, 1; vgl ferner § 1 Abs 1 des Poststrukturgesetzes iVm § 14 des Postgesetzes 1957). Der dadurch dem Unternehmen eingeräumte Spielraum unterliegt der kartellrechlichen Kontrolle (vgl auch Duisberg, Die Anwendung der Art 85 und 86 des EG-Vertrages in den Fällen der Staatlichen Einflußnahme auf Unternehmensverhalten, 6; Mestmäcker in Immenga/Mestmäcker EG-Wettbewerbsrecht 1997, 1558 ff). Aus § 14 PostG über die Hausbrieffachanlagen ergibt sich nur, dass diese zu errichten sind und die Gebäudeeigentümer jedenfalls die Zustellung der reservierten Postdienste darin zu dulden haben. Solange dies aber gewährleistet ist, kann aus den Bestimmungen nicht abgeleitet werden, dass die Post mit Zustimmung der Gebäudeeigentümer nicht auch andere Sendungen einlegen dürfte.

Hinsichtlich der Frage der Quersubventionierung ist darauf zu verweisen, dass die kostenrechtliche Vorgaben des § 10 PostG 1997 und der dazu ergangenen Post-KostrechnungsV BGBl II 2000/71 (insb § 3 Abs 2) eine solche verbieten. Nähere Ausführungen dazu, inwieweit die auf die Zustellung der Werbesendungen entfallenden Begünstigungen anteilsmäßig dem reservierten Bereich gutzuschreiben sind, erübrigen sich jedoch im Hinblick auf das mangelnde vorliegende Sachverhaltssubstrat bzw Antragsvorbringen. Auch wäre dies primär eine Frage der Tarifgestaltung und nicht der Nutzung der Hausbrieffachanlagen.

Unter kartellrechtlichen Aspekten kann ein Anlass für die Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung auf Untersagung der Verwendung der Hausbrieffachanlagen nicht gesehen werden.

Geht man schließlich davon aus, dass die Zustellung nur ein Teilbereich des hier maßgeblichen Marktes ist, so könnte ein Missbrauch darin gesehen werden, wenn die Post als alleiniger Inhaber dieses Vertriebsnetzes für eine gesicherte Zustellung der Antragstellerin den Zugang dazu nicht oder nicht zu angemessenen Bedingungen eröffnet (vgl allgemein zur Theorie der "essential facilities" 16 Ok 4/00 = ÖBl 2001/41 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vgl ferner Möschel in Immenga/Mestmäcker GWB3 § 19 Rz 178 ff; derselbe in Immenga/Mestmäcker EG-Wettbewerbsrecht 1997, 765). Dies ist jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens auf Erlassung der einstweiligen Verfügung.

Unter dem Aspekt des Antragsvorbringens und des im Provisorialverfahren bescheinigten Sachverhaltes ist also davon auszugehen, dass ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin nicht nachgewiesen wurde, weshalb der erstgerichtliche Beschluss im Ergebnis zu bestätigen war.