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OGH vom 17.12.1997, 16Ok20/97

OGH vom 17.12.1997, 16Ok20/97

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Birgit Langer als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr.Fidelis Bauer, Dkfm.Joachim Lamel, Dkfm.Alfred Reiter und Dr.Thomas Lachs in der Kartellrechtssache der Antragstellerin und gefährdeten Partei E***** & P***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Wilheim, Klauser & Prändl, Rechtsanwälte OEG, wider die Antragsgegnerin M***** Anzeigengesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn und Dr.Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und einstweiliger Verfügung infolge des Rekurses der Antragstellerin und gefährdeten Partei gegen den die einstweilige Verfügung abweisenden Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom , GZ 26 Kt 127/97, 26 NaV 2/97-13, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Eine Kostenersatzpflicht der unterliegenden antragstellenden Partei entfällt.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin betreibt das Gewerbe der Werbemittlung und ist auf Immobilienmakler spezialisiert. Seit Jänner 1997 ist sie der exklusive Verlagsvertreter für die Tageszeitung "Der S*****" im Bereich der Immobilienanzeigen. Die Antragsgegnerin wickelt für die M***** Zeitungs- und Zeitschriftenverlag GmbH & Co KG, in deren alleinigen Eigentum sie steht, das gesamte Anzeigengeschäft der von der Muttergesellschaft verlegten Tageszeitungen "K*****" und "N*****K***** Z*****" ab.

Bescheinigt ist weiters folgender Sachverhalt:

Die Verlagsbedingungen der Antragsgegnerin, die im Verhältnis zu deren Kunden gelten, sofern nicht im Einzelfall anderes vereinbart ist, sehen in Punkt 35 vor, daß Rechnungen sofort nach Erhalt zur Zahlung fällig sind. Nach Punkt 36 ist der Verlag berechtigt, bei Zahlungsverzug den gesamten Saldo fälligzustellen. Es entspricht der allgemeinen Geschäftspolitik der Antragsgegnerin, Anzeigensperren gegenüber säumigen Schuldnern auszusprechen, um Zahlungen zu erlangen.

Der Saldo der Geschäftsbeziehungen zwischen den Streitteilen entwickelte sich seit 1995 dahingehend, daß der Negativsaldo der Antragstellerin Ende 1995 über S 3,5 Mio betrug, 1996 stetig anstieg, Ende September und Ende November 1996 über S 6,5 Mio betrug, im Dezember 1996 auf etwa S 4,5 Mio abgebaut werden konnte und zur Zeit der Annahmesperre ab S 4,747.000,- betrug.

Das Erstgericht konnte nicht "feststellen" (präzise: nahm nicht als bescheinigt an), daß die Streitteile einvernehmlich das Zahlungsziel für Rechnungen mit 90 Tagen festgelegt hätten. Am trafen die Streitteile eine Zahlungsvereinbarung für das laufende Jahr, wonach die Antragstellerin jeden Mittwoch S 400.000,- (für laufende Aufträge) und zusätzlich jeden Monat je S 1,000.000,- (zum Abbau des offenen Saldos) zu überweisen hatte; dieser Zahlungsplan wurde von der Antragstellerin fallweise schleppend eingehalten; die Überweisungen folgten teilweise verspätet. Mit Schreiben vom mahnte die Antragsgegnerin Zahlungen laut Zahlungsplan für Dezember 1996 als noch nicht eingegangen ein und drohte eine Anzeigensperre ab für den Fall an, daß die Überweisungen nicht sofort durchgeführt und ihr nachgewiesen würden. Mit Schreiben vom erinnerte die Antragsgegnerin die Antragstellerin an die weiteren im Dezember 1996 fälligen Zahlungen laut Zahlungsplan und erklärte neuerlich, bei nicht fristgerechter Überweisung genötigt zu sein, eine Anzeigensperre auszusprechen. Tatsächlich wurden die Beträge verspätet vom Konto der Antragstellerin abgebucht.

Mit Schreiben vom erklärte die Antragsgegnerin, zu einem weiteren Zahlungsaufschub nicht mehr bereit zu sein, stellte den offenen Saldo fällig und drohte bei Nichtzahlung rechtliche Schritte an; zugleich wurde der Antragstellerin unter Hinweis auf die Verlagsbedingungen erklärt, daß bis zur Begleichung des offenen Betrages keine weiteren Inserate mehr erscheinen können. Die Annahmesperre erfolgte endgültig am .

Die Antragstellerin gestand mit Schreiben vom zu, Schulden bei der Antragsgegnerin in Höhe von rund S 4,500.000,- zu haben, und ersuchte um Weiterführung der Geschäftsbeziehung gegen Bankeinzugsermächtigung zuzüglich 15 % Aufschlag auf jede Rechnung zur Schulden- tilgung. In einem weiteren Schreiben vom gestand die Antragstellerin zu, die vereinbarten Zahlungsziele des Zahlungsplans bei Jahresende 1996 überschritten zu haben und bestätigte neuerlich den offenen Saldo von mehr als S 4 Mio.

Die Antragsgegnerin verwehrte sich bereits in ihrem Schreiben vom an die Antragstellerin dagegen, daß diese die Behauptung aufstelle, deshalb von Schaltungen im K***** ausgeschlossen zu sein, weil sie für den S***** tätig sei; derartige Behauptungen seien falsch, ehrenrührig und kreditschädigend.

In der Folge klagte die Antragsgegnerin den offenen Saldo in Höhe von S 4,808.170,92 ein. In diesem Rechtsstreit stellte die Antragstellerin für sich und ihre Komplementärin Anträge auf Gewährung der Verfahrenshilfe und legte Vermögensbekenntnisse vor, aus denen sich eine Überschuldung der Antragstellerin in Höhe von ca. S 2 Mio und die Vermögenslosigkeit der Komplementärgesellschaft ergibt. Die Antragstellerin beabsichtigt, in diesem Verfahren eine Gegenforderung aus dem Titel des Schadenersatzes aufrechnungsweise geltend zu machen, welche die Klags- forderung übersteigt und die aus der Verweigerung der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung resultieren soll.

Gestützt auf § 35 KartG und § 4 NVG beantragte die Antragstellerin, eine einstweilige Verfügung, der Antragsgegnerin möge aufgetragen werden, es zu unterlassen, die Schaltung von Anzeigen, die sie bei ihr für den "K*****" und die "N*****K***** Z*****" in Auftrag gebe, zu den für Werbemittlungs-Agenturen üblichen Konditionen zu verweigern. Hilfweise stellte sie drei Eventualbegehren und zwar eine einstweilige Verfügung zu erlassen, a) soferne die Antragstellerin die gelegten Anzeigenrechnungen jeweils innerhalb von acht Tagen nach Rechnungserhalt bezahle; b) soferne die Antragstellerin die jeweiligen Anzeigenkosten spätestens bei Anzeigenschluß bezahle (Vorauskasse); c) unter der zusätzlichen Voraussetzung der Leistung einer Sicherheit von bis zu S 1 Mio.

Die Antragstellerin brachte dazu vor, bis Jänner 1997 einer der größten Kunden der Antragsgegnerin im Bereich Immobilienanzeigen gewesen zu sein (Umsatz 1996 S 20,700.000,-). Seit die Antragstellerin jedoch im Jänner 1997 als exklusive Verlagsvertreterin für die Tageszeitung "Der S*****" im Bereich der Immobilienanzeigen tätig sei, weigere sich die Antragsgegnerin ungerechtfertigt, von der Antragstellerin übergebene Inserate zu veröffentlichen. Dieser Umstand sei das ausschließliche Motiv dieser Liefersperre gewesen; dies erhelle den Zeitablauf. Keine Rolle spiele hingegen der Umstand, daß die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin offene Verbindlichkeiten in Millionenhöhe habe.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung der beantragten einstweiligen Verfügung und wandte ein, der alleinige Grund für die Verweigerung weiterer Vertrags- abschlüsse mit der Antragstellerin liege darin, daß die Antragstellerin die offenen Verbindlichkeiten in Millionen- höhe nicht vereinbarungsgemäß abgedeckt habe. Die Einforderung von Außenständen bei gleichzeitiger Leistungsverweigerung stelle kein marktmißbräuchliches Verhalten dar.

Das Erstgericht wies die beantragte einstweilige Verfügung ab. Es sei unumstritten, daß der kartellrechtliche Tatbestand des marktmißbräuchlichen Verhaltens (§ 35 Abs 1 KartG) in Form der Geschäftsverweigerung durch Abbruch geschäftlicher Beziehungen nur dann vorliege, wenn die Geschäftsverweigerung nicht sachlich gerechtfertigt sei. Die Verhängung einer Liefer- oder Bezugssperre gegenüber bisherigen Handelspartnern stelle eine aktive Handlung des beherrschenden Unternehmens dar, die zunächst die Vermutung eines Gesetzesverstoßes begründe; diese Vermutung könne aber durch den Hinweis auf besondere Rechtfertigungsgründe ausgeräumt werden. Es ist anerkannt, daß die durch Liefer- oder Aufnahmesperren bewirkte Behinderung oder unterschiedliche Behandlung anderer Unternehmer aus ausschließlich in der Person des Gesperrten liegenden Gründen (Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsmoral, Haftungsverhältnisse etc.) billig oder sachlich gerechtfertigt sein könne. In solchen Fällen dürfe das beherrschende Unternehmen Maßnahmen ergreifen, die es zur Wahrung seiner geschäftlichen Interessen für erforderlich halte, sofern diese nicht unverhältnismäßig oder allein darauf begründet seien, daß der Kunde Konkurrenzprodukte vertreibe. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt sei ein marktmißbräuchliches Verhalten der Antragsgegnerin nicht zu erkennen. Sie wende nämlich das Mittel der Annoncensperre gleichmäßig auf ihre mit Zahlungen säumigen Kunden als legitimes Mittel zur Erreichung der ihr zustehenden Zahlungen an; die Antragstellerin sei demnach nicht diskriminiert worden, sondern über einen langen Zeitraum trotz exorbitanter Außenstände von ihrer Gläubigerin geradezu wohlwollend behandelt worden. Die Antragstellerin habe den mit ihr im September 1996 vereinbarten Zahlungsplan nicht eingehalten, weshalb Terminverlust eingetreten und die Fälligstellung des Saldos rechtmäßig erfolgt sei. Die Antragsgegnerin habe somit hinreichende Rechtfertigungsgründe für ihr Verhalten dargetan, ohne daß es der Antragstellerin gelungen wäre, zu bescheinigen, daß der einzige Grund der Annoncensperre in der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung zu einem Konkurrenzunternehmen gelegen wäre. Die Annahme eines § 35 Abs 1 KartG zu unterstellenden Sachverhalts scheide damit schon aus diesem Grunde aus, sodaß auf die weitere Voraussetzung des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung nicht eingegangen werden müsse. Eine Anwendung des NVG auf den zu beurteilenden Sachverhalt scheitere zusätzlich an dem Umstand, daß die Antragstellerin von der Antragsgegnerin nicht mit zur Deckung der notwendigen Bedürfnisse des täglichen Lebens dienenden Waren beliefert worden sei.

Gegen den erstgerichtlichen Beschluß richtet sich der weitwendige Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger bzw unvollständiger Tatsachenfeststellung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß ihrem Sicherungsantrag stattgegeben werden; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Gegenäußerung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Schwerpunkt des Rekurses liegt auf der behaupteten unrichtigen bzw unvollständigen Tatsachenfest- stellung auf Grund unrichtiger Beweiswürdigung und der geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Beide Rekursgründe können zwar im vorliegenden Verfahren geltend gemacht werden, liegen aber nicht vor.

In kartellrechtlichen Rekursverfahren wurde die Überprüfung der Beweiswürdigung früher stets für zulässig gehalten (ÖBl 1990, 127 - Lustenauer Senf; ÖBl 1993, 291 - Fiat Vertriebsbindung; Koppensteiner, Wettbewerbs- recht3 233). Diese Rechtsansicht ist im Lichte der Entscheidung des verstärkten Senates vom , 6 Ob 650/93, SZ 66/164 nochmals zu überprüfen und bedarf einer - hier allerdings nicht greifenden - Einschränkung. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sind die Normen über Sicherungsanträge nach der EO (§§ 378 ff) analog (im Wege des Art XXVII EGEO) auch auf in Spezialnormen enthaltene einstweilige Verfügungen in Verfahren außer Streitsachen, wozu auch die streitgegenständliche einstweilige Verfügung nach § 52 Abs 1 iVm § 35 KartG zählt, anzuwenden (MGA EO13 Art XXVII EGEO/E 2; ausführlich Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung 181 ff, insb 189 ff). Seit der Entscheidung des verstärkten Senates SZ 66/164, die daher auch im vorliegenden kartellrechtlichen Rekursverfahren zu berücksichtigen ist, ist klargestellt, daß auch in Sicherungsverfahren die Überprüfung der Beweiswürdigung des erkennenden Richters durch das Rekursgericht insoweit ausgeschlossen ist, als dieser den Sachverhalt auf Grund vor ihm abgelegter Zeugen - oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen hat. In anderen Fällen, nämlich wenn keine unmittelbare derartige Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gericht erfolgt ist, ist eine Umwürdigung der Beweise durch das Rekursgericht zulässig. Grund hiefür ist, daß dann, wenn die Vorinstanz Zeugen oder Parteien selbst vernommen und eine erhebliche Tatsachenannahme darauf begründet hat, bei widersprechen- den Aussagen letztlich der persönliche Eindruck von der Fähigkeit und dem Willen der einen oder anderen vernommenen Person zur objektiv wahrheitsgemäßen Wiedergabe von Zuständen oder Geschehensabläufen für die Richtigkeitsüberzeugung bei der Beweiswürdigung ausschlaggebend war. Wenn das Rekursgericht auf Grund der vom Rechtsmittelwerber in seiner Rechtsmittelschrift ausgeführten Argumenten Bedenken gegen eine solche Beweiswürdigung hegt, muß es, um diese auf die gerügte Fehlerhaftigkeit prüfen zu können, die Möglichkeit haben, auch selbst den für die Beweiswürdigung angeführten persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit (nicht des bekundeten Zustandes oder Vorganges, sondern) der aussagenden Person zu gewinnen. Dazu reicht die Verlesung der über die Aussage aufgenommenen Protokolle gerade nicht. Daraus folgt, daß eine derartige Überprüfung der Beweiswürdigung ausgeschlossen ist, wo verfahrensrechtlich die Voraussetzungen einer neuerlichen Vernehmung nicht erfüllbar sind. Im Rekursverfahren ist aber eine neuerliche Beweisaufnahme verfahrensrechtlich ausgeschlossen, sodaß in diesen Fällen eine Überprüfung der Beweiswürdigung nicht möglich ist.

Im vorliegenden Sicherungsverfahren ist - im Gegensatz zum parallel geführten Wettbewerbsprozeß vor dem Handelsgericht Wien wegen Unterlassung einer Liefersperre (Kontrahierungszwang), 17 Cg 7/97d-, die Überprüfung der Beweiswürdigung nicht ausgeschlossen, weil der Sachverhalt lediglich auf Grund der vorgelegten Urkunden, nicht aber auch wie dort auf Grund vor ihm abgelegter Zeugen- oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen worden ist; im vorliegenden Verfahren wurde nämlich nur die im Parallelprozeß abgegebene Aussage des Zeugen G***** als Urkunde zum Akt genommen und entsprechend gewürdigt. Hiebei handelt es sich ebensowenig wie bei der Würdigung einer eidesstattlichen Erklärung um die Aufnahme eines Bescheinigungsmittels, bei der der persönliche Eindruck des Vernommenen maßgeblich war; eine Umwürdigung durch das Rekursgericht ist daher zulässig.

Die Antragstellerin bekämpft die "Negativfeststellung", daß nicht festgestellt werden könne, daß die Streitteile einvernehmlich das Zahlungsziel für Rechnungen mit 90 Tagen festgelegt hätten sowie die in der rechtlichen Beurteilung enthaltene "Negativfeststellung", daß es ihr nicht gelungen wäre, zu bescheinigen, daß der einzige Grund der Annoncensperre in der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung zu einem Konkurrenzunternehmen gelegen wäre und will jeweils das Gegenteil festgestellt wissen. Es bestünden objektive Zweifel am Wahrheitsgehalt der im Parallelprozeß vor dem Handelsgericht vernommenen Auskunftsperson G*****, der Leiter der Anzeigen-, Buchhaltungs- und Mahnabteilung der Antragsgegnerin sei. Sie, die Antragstellerin habe die jederzeit zu bewerkstelligende Einvernahme des Geschäftsführers ihrer Komplementärgesellschaft Reinhard E*****, und ihres Steuerberaters beantragt und lege dazu im Rekursverfahren eine eidesstattliche Erklärung des Geschäftsführers vor.

Selbst unter Berücksichtigung dieses neuen, erst im Rekursverfahren vorgelegten Bescheinigungsmittels, das allerdings unschwer auch bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorgelegt werden können (zur grundsätzlichen Zulässigkeit von neuem Tatsachenvorbringungen und neuen Beweismitteln im kartellrechtlichen Rekursverfahren vgl Koppensteiner aaO 286 mwN), kann dieser eidesstattlichen Erklärung nicht entnommen werden, daß der Antragstellerin ein Zahlungsziel von 90 Tagen eingeräumt worden wäre; derartiges behauptet der Geschäftsführer darin nicht einmal, sodaß in seiner Nichtvernehmung zu diesem Punkt kein Verfahrensmangel liegen kann. Aus der unbedenklichen Korrespondenz des Geschäftsführers mit der Antragsgegnerin geht vielmehr hervor, daß dieser selbst stets nur von einem "tolerierten Zahlungsziel von 60 Tagen" ausgeht (Schreiben vom ); dieses deckt sich insofern auch mit der Aussage der Auskunftsperson G***** im Parallelprozeß vor dem Handelsgericht, die der Antragsteller im vorliegenden Verfahren selbst vorgelegt hat. Gegen diese bekämpfte "Negativfeststellung" bestehen daher keine Bedenken.

Ob ein 60-tägiges Zahlungsziel stillschweigend eingeräumt oder lediglich ein derartiger Zahlungsverzug vorerst toleriert wurde, kann dahingestellt bleiben, weil die Antragstellerin die bis Ende 1996 vereinbarten Ratenzahlungen jedenfalls nicht zur Gänze einhielt und sich aus der von ihr selbst nunmehr vorgelegten eidestattlichen Erklärung des Geschäftsführers eindeutig ergibt, daß die Antragsgegnerin mit einer Reduzierung der vereinbarten Zahlungen zu Jahresende 1996 nicht einverstanden war, die Antragstellerin eine Vereinbarung wie bisher für das Jahr 1997 nicht mehr treffen wollte und konnte; der Geschäftsführer der Antragstellerin erklärte der Antragsgegnerin danach dezidiert, im Jahre 1997 die Zahlungsvereinbarungen des Vorjahres nicht einhalten zu können; er könne nicht - wie vordem für das Jahr 1996 vereinbart - jeden Monat S 1,000.000,- Schulden "abbauen".

Unter diesen Umständen bestehen daher auch keinerlei Bedenken gegen die in der rechtlichen Beurteilung enthaltene Negativfeststellung, daß nicht festgestellt werden könne, daß die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung zu einem Konkurrenzunternehmen der einzige Grund für die Liefersperre gewesen sei. Die Vernehmung des Geschäftsführers zu den Motiven der Antragsgegnerin zur Annoncensperre konnte unterbleiben, weil über die Motive der Antragsgegnerin nur diese selbst bzw die für sie handelnden Personen Aussagen treffen können. Es liegt im Rahmen der freien Beweiswürdigung, ob das Erstgericht zur Beurteilung dieser Frage die Aussage nur der Auskunftsperson G***** und die vorliegende Korrespondenz als ausreichend ansah oder ob sie zur Bescheinigung auch noch die Einvernahme der von der Antragsgegnerin für die gegenteilige Feststellung (Annoncensperre wegen Zahlungsverzugs und Nichteinhaltung bzw Nichteinigung auf einen neuen Stundungsplan) namhaft gemachten Personen für notwendig hielt.

Daß unter Zugrundelegung des als bescheinigt angenommenen Sachverhals die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes unrichtig wäre, behauptet die Antragstellerin nicht; es genügt daher auf diese zu verweisen (vgl für alle Koppensteiner aaO 231 ff; in diesem Sinn auch die Rsp zu Art 86 EGV, vgl Koppensteiner aaO 405 f, jeweils mwN).

Die Fälligstellung des Saldos unter gleichzeitiger Aufnahmesperre ist ein legitimes, nicht gegen § 35 KartG verstoßendes sachlich gerechtfertigtes Vorgehen. Da die Antragsgegnerin dieses bei allen ihren säumigen Kunden anwandte, wurde dadurch die Antragstellerin auch keineswegs gegenüber anderen Kunden diskriminiert. Im Gegenteil, sie wurde durch das unverhältnismäßig lange Zuwarten trotz der exorbitanten Außenstände sogar bevorzugt behandelt; daraus kann sie aber nicht das Recht ableiten, daß dies immer so sein müßte. Die Antragsgegnerin hat rechtzeitig den Saldo fälliggestellt und hinreichende objektive Gründe für die Aufnahmesperre angetan. Ob die Antragsgegnerin über die Aufnahme der Konkurrenztätigkeit der Antragstellerin zusätzlich verärgert war und ihr daher gerade zu diesem Zeitpunkt die Geduld mit der säumigen Schuldnerin endgültig riß, ändert nichts an der Berechtigung der verhängten Aufnahmesperre. Sie ist auch nicht verpflichtet, eine derartig säumige Kundin gegen "Vorauskasse-Zahlungen" weiter zu beliefern, wenn diese den offenen Saldo nicht in angemessener Frist abbauen kann. Dazu kommt, daß sie im Parallelprozeß zugestanden hat, hoch überschuldet zu sein und daher verpflichtet wäre, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen.

Da es der Antragstellerin nicht gelungen ist, den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin zu bescheinigen, entfällt auch die Möglichkeit, die fehlende Bescheinigung des Mißbrauchs durch eine Sicherheitsleistung auszugleichen (MGA EO12 § 390/E 2 mwN).

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf § 45 Abs 2 KartG: An sich bestünde gemäß §§ 402, 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO eine Kostenersatzpflicht der unterliegenden antragstellenden Partei, weil es sich in diesem Fall um einen vom Hauptverfahren losgelösten Zwischenstreit handelt (MGA EO2 § 393/E 7 ff); die Kostenersatzpflicht entfällt aber gemäß der Sonderbestimmung des § 45 Abs 2 KartG, weil die Rechtsverfolgung nicht als mißbräuchlich bezeichnet werden kann.