OGH vom 15.03.2016, 11Os22/16v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz als weitere Richterinnen in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Fritsche als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sandor L***** und weitere Beschuldigte wegen des Verbrechens des schweren durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1 StGB, AZ 32 HR 411/15p (nunmehr AZ 40 Hv 5/16p) des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die Grundrechtsbeschwerde des Peter L***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom , AZ 33 Bs 27/16m (ON 102 der Hv Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen Sandor L***** und weitere Beschuldigte (AZ 32 HR 411/15p, 12 St 290/15i) wurde mit Beschluss vom (ON 51) die am über Peter L***** verhängte (ON 23 S 7, ON 25) Untersuchungshaft aus den Haftgründen des § 173 Abs 2 Z 1, Z 2, Z 3 lit b und c StPO fortgesetzt. Unmittelbar nach Verkündung des Beschlusses erklärte der Beschuldigte, Beschwerde erheben und diese schriftlich ausführen zu wollen.
Nach Zustellung des Beschlusses im Faxweg am (Sendebericht bei ON 51) führte die Verteidigerin am somit verspätet (§ 176 Abs 5 StPO) die Beschwerde aus (ON 81).
Das Oberlandesgericht Wien gab mit der angefochtenen Entscheidung (ON 102) der Beschwerde des Beschuldigten gegen den genannten Beschluss nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Gründen des § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO an. Das Beschwerdegericht berücksichtigte bei seiner Entscheidung das Vorbringen ON 81 und wies zutreffend darauf hin, dass die unrichtige Rechtsbelehrung durch das Erstgericht über die Dauer der Rechtsmittelfrist (vierzehn statt drei Tage) keinen Einfluss auf deren Ablauf habe.
Dabei erachtete es den Beschuldigten als dringend verdächtig, am in B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Sandor L*****, Ferenc L***** und Attila K***** als Mittäter Bernhard und Waltraud T***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einbruch in eine Wohnstätte Sachen im Wert von über 15.000 Euro weggenommen zu haben. In rechtlicher Hinsicht subsumierte das Oberlandesgericht dieses Verhalten dem Verbrechen des schweren durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1 StGB.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien richtet sich die fristgerecht erhobene Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten (ON 104), die die Annahme des dringenden Tatverdachts und das Vorliegen der Haftgründe bekämpft.
Da die in der Haftverhandlung erhobene Beschwerde an das Oberlandesgericht zunächst unbegründet blieb und die Grundrechtsbeschwerde (demzufolge) ausschließlich auf Argumente Bezug nimmt, die in dem außerhalb der dreitägigen Frist des § 176 Abs 5 StPO eingebrachten vom Oberlandesgericht in seiner Entscheidung zutreffend berücksichtigten (RIS Justiz RS0118014) Schriftsatz vorgetragen wurden, ist das Zulässigkeitserfordernis der horizontalen Erschöpfung des Instanzenzugs insgesamt nicht erfüllt (13 Os 55/09a; RIS Justiz RS0114487 [insbesondere T 19, T 21]; Kier in WK² GRBG § 1 Rz 42).
Im Übrigen verfehlen die Beschwerdeargumente auch den gesetzlichen Bezugspunkt (vgl § 1 Abs 1 GRBG).
Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren kann die Begründung des dringenden Tatverdachts in sinngemäßer Anwendung des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO bekämpft werden, die rechtliche Beurteilung, welche strafbare Handlung durch die als sehr wahrscheinlich angenommenen Tatsachen (maW durch die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts) begründet wird, unterliegt der Nachprüfung gemäß Z 9 und 10 des § 281 Abs 1 (RIS Justiz RS0110146, RS0114488; Kier in WK 2 GRBG § 2 Rz 26 ff, 30; Kirchbacher/Rami , WK StPO Vor §§ 170 189 Rz 24b).
Indem die Beschwerde einzelne Argumente der angefochtenen Entscheidung isoliert herausgreift und solcherart als unzureichend darzustellen trachtet, entzieht sie sich mangels Orientierung an der Gesamtheit der Erwägungen des Beschwerdegerichts ebenfalls einer meritorischen Erledigung (RIS Justiz RS0110146). Mit dem weiters erhobenen Vorwurf unterbliebener Sachverhaltsaufklärung verkennt sie, dass dies nicht Gegenstand der Mängelrüge ist und auch nicht unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge (vgl Z 5a des § 281 Abs 1 StPO) mit Grundrechtsbeschwerde geltend gemacht werden kann (RIS Justiz RS0099400 [T6]).
Die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahr (Prognoseentscheidung) wird vom Obersten Gerichtshof darauf überprüft, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, also nicht oder nur offenbar unzureichend begründet, darstellt (RIS Justiz RS0117806, RS0118185). Vergleichsbasis des Willkürverbots sind mit Blick auf § 173 Abs 2 StPO, der nur verlangt, dass die angenommenen Haftgründe auf bestimmten Tatsachen beruhen ausschließlich die der Prognoseentscheidung zugrunde gelegten Tatsachen.
Dem daraus resultierenden Begründungs erfordernis wird die angefochtene Entscheidung der Beschwerde zuwider gerecht, indem sie die Tatbegehungsgefahr auf die vorliegende Vorstrafenbelastung (ON 4 S 5; ON 38) in Ungarn stützte. Demnach wurden bestimmte Tatsachen angeführt, aus denen das Oberlandesgericht die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO genannten Gefahr willkürfrei ableiten konnte. Das Gesetz stellt auf eine Tilgung nach dem Recht des Urteilsstaats nur dann ab, wenn sie durch eine hier nicht vorliegende öffentliche Urkunde bescheinigt ist (§ 7 Abs 3 TilgG; 14 Os 140/13i, 11 Os 139/15y), weswegen die entsprechende Beschwerdebehauptung ins Leere geht.
Die Beschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00022.16V.0315.000