OGH vom 20.06.2012, 9ObA19/12b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger und KR Karl Frint als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei U***** G*****, vertreten durch Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei D***** AG *****, vertreten durch DLA Piper Weiss Tessbach, Rechtsanwälte GmbH in Wien und der auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin A***** AG, *****, wegen Feststellung (6.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 72/11y 23, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Im Fall der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind Feststellungsklagen auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung grundsätzlich unzulässig; wohl aber kann auf Feststellung des Fortbestands eines Dienstverhältnisses geklagt werden (vgl RIS Justiz RS0039036; RS0039019 [T12]). Ist aus der Klagserzählung zu erkennen, dass das Rechtsschutzziel tatsächlich die Feststellung des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses ohne bestimmten Endtermin zum Ziel hat, dann kann das (unzulässige) auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung gerichtete Klagebegehren in ein solches auf Feststellung des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses umgedeutet werden (RIS Justiz RS0039010).
Soweit revisionsgegenständlich, begehrt die Klägerin in eventu für den Fall, dass das Gericht zur Auffassung eines Betriebsübergangs iSd § 3 AVRAG gelangen sollte, die Feststellung, „ die von der erstbeklagten Partei gegenüber der klagenden Partei am zum ausgesprochene Kündigung ist in Folge Nichtigkeit rechtsunwirksam. Das Dienstverhältnis ist in Folge eines ex lege Betriebsüberganges zum auf die zweitbeklagte Partei mit allen bisherigen Rechten und Pflichten übergegangen “. Ihr Rechtsschutzbegehren kann im Sinne der genannten Rechtsprechung daher zwanglos als Begehren auf Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses zur ursprünglich Zweit beklagten und späteren Nebenintervenientin (idF: Erwerberin) verstanden werden.
2. Der Klägerin gelingt es jedoch nicht, entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ein entsprechendes Feststellungsinteresse gegenüber der Erst beklagten (idF: Beklagte) darzulegen (die Klage gegen die Zweitbeklagte wurde unbekämpft mit der Begründung zurückgewiesen, dass mit dem zweiten Satz des Eventualbegehrens eine unzulässige Eventualstreitgenossenschaft begründet würde):
Das Recht oder Rechtsverhältnis, das zum Gegenstand der Feststellungsklage gemacht wird, kann auch ein solches zwischen einer Partei und einem Dritten sein. Da die gerichtliche Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand eines Rechtsverhältnisses gegenüber Dritten von Ausnahmen abgesehen jedoch nicht in Rechtskraft erwächst (RIS Justiz RS0039068; vgl auch Fasching in Fasching/Konecny 2 , § 228 ZPO Rz 61), folgt daraus aber regelmäßig das Fehlen des notwendigen Feststellungsinteresses. Wesentlich für die die Rechtsbeziehungen einer der Parteien zu einer dritten Person betreffende Feststellungsklage ist, dass die Rechtsverhältnisse des Klägers durch das Verhalten des Beklagten unmittelbar berührt werden (RIS Justiz RS0038958 [T5]). Die Feststellungsklage muss also geeignet sein, die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch den Gegner zu beenden und einen künftigen weiteren Rechtsstreit zu vermeiden. Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung kann nur dort als vorhanden angenommen werden, wo das Feststellungsurteil für den Kläger von rechtlich praktischer Bedeutung ist und dieser auf einem anderen Weg als der Feststellungsklage rechtlich außerstande wäre, einen ihm zustehenden Anspruch zum Durchbruch zu verhelfen oder einem ihm drohenden Nachteil zu begegnen (9 ObA 16/97m mwN). Entscheidend ist immer der Nachweis des Klägers, dass er gerade gegenüber dem Beklagten ein rechtliches Interesse auf alsbaldige Feststellung des gegenständlichen Rechtsverhältnisses besitzt ( Fasching aaO § 228 Rz 61 aE).
Derartiges ist hier nicht ersichtlich:
In der Entscheidung 8 ObA 91/97h wurde zur bejahten Passivlegitimation des Erwerbers für den Fall einer vor dem Betriebsübergang erfolgten Kündigung durch den Veräußerer festgehalten, dass die Klage gegen den kündigenden Veräußerer immer dann problematisch erscheine, wenn der Arbeitnehmer gerade nicht das Fortbestehen des Dienstverhältnisses ihm gegenüber festgestellt wissen will (s auch RIS Justiz RS0108455). Der Klägerin kann daher zugestimmt werden, dass diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragbar ist, weil die Beklagte die Kündigung hier am , sohin nach dem am erfolgten Betriebsübergang ausgesprochen hat. In der Entscheidung wurde aber auch keine Aussage darüber getroffen, ob das Begehren auf Feststellung des aufrechten Bestands eines Arbeitsverhältnisses zum Erwerber gegen den die Kündigung aussprechenden Veräußerer gerichtet werden könne, sodass daraus für den Klagsstandpunkt nichts zu gewinnen ist.
Richtig ist, dass die Beurteilung, ob überhaupt ein Betriebsübergang stattgefunden hat, gerade für den Arbeitnehmer nicht immer einfach sein mag, weshalb zu seinem Schutz von Gesetzes wegen ua die Informationspflicht des § 3a AVRAG besteht und darüber hinaus in der Literatur ein Eingreifen des Gesetzgebers verlangt wurde, um eine Feststellungsklage gegen Veräußerer und Erwerber als einheitliche Streitpartei erheben zu können ( Grießer , Zur verfahrenstechnischen Umsetzung des § 3 AVRAG, RdW 1997, 669, 677 f). De lege lata ändert dies jedoch nichts am Grundsatz, dass die passive Klagslegitimation vom Kläger unter Beweis zu stellen ist.
Das Klagsvorbringen, dass zum ein Betriebsübergang auf die Erwerberin stattgefunden hat, begründet zunächst ein Interesse der Klägerin an der Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses infolge Betriebsübergangs gegenüber der Erwerberin. Damit könnte auch ihrer Befürchtung, dass die Erwerberin den Betriebsübergang bestreitet und die Klägerin diesen nochmals unter Beweis zu stellen hätte, begegnet werden, wodurch die Situation entgegen ihrer Ansicht noch nicht „unhaltbar“ erscheint.
Dass die Klägerin im Fall eines Prozessverlusts gegenüber der Beklagten die Prozesskosten zu tragen hätte, ist nur Folge eines solchen Verfahrensausgangs, jedoch keine geeignete Voraussetzung zur Begründung eines Feststellungsinteresses. Mögliche Schadenersatzansprüche gegenüber der Beklagten wegen einer Verletzung der Informationspflicht nach § 3a AVRAG (s dazu etwa Binder , AVRAG § 3a Rz 11; Pirker , Betriebsübergang und Kündigung, RZ 2004, 146, 162 f) sind hier nicht zu prüfen.
Die Klägerin meint zu einem Feststellungsinteresse weiter, als Nachwirkungen aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber der Beklagten die erhebliche Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Situation behauptet zu haben. Dieses Vorbringen hat sich aber nicht auf das hilfsweise gestellte Feststellungsbegehren, sondern auf ihre (nicht revisionsgegenständliche) Anfechtungsklage und das korrespondierende Hauptbegehren auf Unwirksamerklärung der Kündigung nach § 105 ArbVG bezogen.
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, inwieweit ein Regressverhältnis zwischen der Beklagten und der Erwerberin weitere Belange der Klägerin berühren könnte. Ob die Erwerberin als Nebenintervenientin insoweit an die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils im Vorprozess gebunden ist, als sie im Regressprozess keine rechtsvernichtenden oder hemmenden Einreden erheben dürfte, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses im Widerspruch stehen (RIS Justiz RS0107338), spielt daher im Verhältnis zur Klägerin keine Rolle.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.