OGH vom 16.02.2011, 14Os13/11k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bergmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Tomislav A***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 063 Hv 117/10a des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten vom nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Der in diesem Verfahren seit dem in Untersuchungshaft befindliche (ON 20) Angeklagte Tomislav A***** wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, die Staatsanwaltschaft erhob dagegen Berufung. Über diese Rechtsmittel wurde bislang nicht entschieden.
Mit seiner selbst verfassten, nicht von einem Verteidiger unterfertigten „Grundrechtsbeschwerde“ vom , die am direkt beim Obersten Gerichtshof eingebracht und mit (am beim Obersten Gerichtshof eingelangtem) Schreiben vom „erweitert“ wurde, erachtet sich der Angeklagte (unter anderem) in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nach Art 5 MRK im Wesentlichen mit der Begründung verletzt, dass sein Antrag auf Akteneinsicht und Herstellung von Aktenkopien in der Justizanstalt mit Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom unter Hinweis auf § 52 Abs 1 letzter Halbsatz, § 57 Abs 2 StPO abgewiesen und zudem eine Ausfertigung des oben angesprochenen Urteils trotz rechtzeitig dagegen angemeldeter Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist an ihn persönlich, sondern nach dem Inhalt des genannten Beschlusses nur an seinen Verteidiger zugestellt wurde, wobei „hieseits … selbst das bezweifelt“ werde.
Diese Beschwerde war (ohne Mängelbehebung hinsichtlich der fehlenden Verteidigerunterschrift [§ 3 Abs 2 GRBG]) sofort als unzulässig zurückzuweisen, weil sie sich nicht gegen eine genau zu bezeichnende (§ 3 Abs 1 GRBG) mit Grundrechtsbeschwerde anfechtbare strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung nach Ausschöpfung des Instanzenzugs (§ 1 Abs 1 GRBG) richtet.
Soweit sie sich wenngleich weitgehend ohne diesbezügliche inhaltliche Argumentation neben dem Grundrecht des Art 5 MRK auch auf jene der Art 6, 7, 13, 14, 17 und 18 MRK stützt, sei der Vollständigkeit halber festgehalten:
Verfahren, innerhalb derer Maßnahmen im Rahmen eines Strafprozesses wie etwa die Verhängung oder die Fortsetzung der Untersuchungshaft überprüft werden, fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art 6 MRK, weil sich dieser nur auf die Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage selbst, also über Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten bezieht ( Grabenwarter EMRK³ § 24 Rz 26).
Inwieweit die Garantien der Art 7 (der im Übrigen in sachlicher Hinsicht ebenso auf Verurteilungen und die Verhängung von Strafen beschränkt ist [ Grabenwarter EMRK³ § 24 Rz 129]), 13, 14, 17 oder 18 MRK gegenständlich tangiert sein sollen, bleibt im Dunkeln.
Gegen die angeblich verzögerte Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Verteidiger steht im Übrigen ein Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG offen; Anfechtung des Urteils hat im Rahmen der ohnehin bereits angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zu erfolgen.
Soweit sich die Beschwerde ausdrücklich gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom richtet, wird darüber das Oberlandesgericht Wien zu befinden haben (§ 33 Abs 1 Z 1 StPO; vgl dazu Tipold , WK StPO § 85 Rz 5 ff).