OGH vom 21.01.2004, 9ObA19/03i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Eveline Umgeher und Mag.Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wolfgang S*****, Musiker, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Strommer ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 21.801,85), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 261/02x-93, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 23 Cga 249/98z-86, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.189,44 (darin enthalten EUR 198,24USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am geborene Kläger, ein begünstigter Behinderter iSd Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), war ab 1973 als zweiter Posaunist Mitglied des Wiener Staatsopernorchesters. Er wurde von seinem Dienstgeber gemäß § 2 Abs 2 Bundestheaterpensionsgesetz (BThPG) mit in den zeitlichen Ruhestand versetzt (siehe zur Weitergeltung des BThPG trotz Neuorganisation der Bundestheater insbesondere die §§ 18, 21 Bundestheaterorganisationsgesetz). Nach § 2 Abs 2 BThPG kann der Bundestheaterbedienstete vom Dienstgeber – ungeachtet eines noch nicht abgelaufenen Dienstvertrages – in den zeitlichen Ruhestand versetzt werden, wenn er dauernd unfähig ist, seinen Dienstposten ordnungsgemäß zu versehen, das 60. Lebensjahr aber noch nicht vollendet hat. Diese Voraussetzungen waren hier gegeben. Der Kläger befand sich im 55. Lebensjahr; nach den Feststellungen der Vorinstanzen hätte er ab seinen Beruf zufolge einer Herzerkrankung nur mehr unter Lebensgefahr ausüben können.
Im Revisionsverfahren sind die materiellen Voraussetzungen der Versetzung des Klägers in den zeitlichen Ruhestand nach dem BThPG nicht mehr fraglich. Strittig ist nur, ob die Ruhestandsversetzung nach diesem Gesetz im Fall eines begünstigten Behinderten – ebenso wie die Kündigung (§ 8 BEinstG) – der Zustimmung des Behindertenausschusses bedarf. Diese Frage wurde vom Berufungsgericht zutreffend verneint, sodass auf dessen Begründung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers Folgendes entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
Richtig ist, dass die Kündigung eines begünstigten Behinderten von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden darf, wenn der Behindertenausschuss zugestimmt hat. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt (§ 8 Abs 1 BEinstG; Ernst/Haller, BEinstG § 8 Erl 2, 36). Hinsichtlich der Versetzung in den Ruhestand fehlt – ebenso wie hinsichtlich der Entlassung – eine Regelung im BEinstG.
Die in einem Kollektivvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Einzelvertrag festgelegte einseitige Ruhestandsversetzung wird nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre in der Regel einer Kündigung gleichgesetzt, denn beide Maßnahmen beenden das Arbeitsverhältnis (Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Komm 626; Grillberger in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 375; Marhold in RdW 1986, 275; 9 ObA 94/01s; RIS-Justiz RS0030344 ua). Wie der Oberste Gerichtshof allerdings bereits zu 8ObA290/94 mwN erkannte, gilt dies nicht für den Übertritt und die Versetzung in den Ruhestand nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz (BDG) 1979. Dies ergibt sich aus dem Wesen des grundsätzlich auf Lebenszeit begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund, welches durch den Übertritt oder die Versetzung in den Ruhestand zwar inhaltlich umgestaltet, jedoch nicht beendet wird (EB zur RV 11 BlgNR 15. GP 1979 zu § 13 BDG 1979, abgedruckt in Fellner, BDG 1979, 53; vgl VwSlg 8215 [A]).
Ist sohin das Dienstrecht eines Dienstgebers weitgehend an das der Bundesbediensteten auch hinsichtlich der Pensionierung angeglichen, ist die Versetzung eines Bediensteten in den Ruhestand nicht als eine nach dem BEinstG zustimmungspflichtige Kündigung zu werten (Ernst/Haller aaO § 8 Erl 10; 8 ObA 290/94). Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung des Revisionswerbers auch nicht aus § 8a BEinstG, der die Beendigung eines Dienstverhältnisses kraft Gesetzes regelt.
Auch bei den Bundestheaterbediensteten ist davon auszugehen, dass ihr Dienstverhältnis nicht, wie es sonst die Regel ist, durch die einseitige Versetzung in den Ruhestand gelöst wird (14 ObA 9/87). Trotz der durch diese Maßnahme zweifelsohne gegebenen Zäsur besteht es vielmehr in anderer Qualität fort. In diesem Sinn normiert § 2b Abs 2 BThPG in der bei der Ruhestandsversetzung des Klägers geltenden Fassung (nunmehr § 2c Abs 2 BThPG idF Deregulierungsgesetz – Öffentlicher Dienst 2002, BGBl I 2002/119), dass mit der Versetzung (oder dem Übertritt) in den Ruhestand aus dem Dienstverhältnis ein Ruhestandsverhältnis wird. Der infolge Dienstunfähigkeit in den zeitlichen Ruhestand versetzte Bundestheaterbedienstete ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Dienstgebers einer Untersuchung zur Prüfung des Fortbestandes seiner Dienstunfähigkeit zu unterwerfen. Außerdem hat er jede erwerbsmäßige Tätigkeit vor ihrer Aufnahme vom Dienstgeber genehmigen zu lassen (§ 2 Abs 5 BThPG). Erlangt der in den zeitlichen Ruhestand versetzte Bundestheaterbedienstete die Dienstfähigkeit wieder, so hat er auf Aufforderung des Dienstgebers den zuletzt bekleideten Dienstposten wieder anzutreten (§ 2 Abs 6 BThPG). Den Bundestheaterbediensteten gebührt, wenn sie in den Ruhestand treten oder in den Ruhestand versetzt werden, ein monatlicher Ruhegenuss unter der Voraussetzung, dass sie – wie im Fall des Klägers – im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand anrechenbare Dienstzeiten von insgesamt mindestens 15 Jahren aufweisen (§ 3 Abs 1 BThPG; zur Berechnung siehe § 6 BThPG).
Die für Bedienstete im Ruhestand weiterbestehenden Rechte und Pflichten dokumentieren, dass bei Bundestheaterbediensteten wie bei Beamten die Versetzung in den Ruhestand keine Kündigung oder ihr auch nur angenäherte Maßnahme ist, sodass § 8 BEinstG im Fall der Ruhestandsversetzung nicht zur Anwendung gelangt (vgl 8 ObA 290/94). Dass das BThPG zwischen Versetzung in den Ruhestand und Kündigung unterscheidet, wird unter anderem auch dadurch unterstrichen, dass § 2b Abs 1 BThPG aF (nunmehr § 2c Abs 1 BThPG) ausdrücklich anordnet, dass das Recht des Dienstgebers, den Dienstvertrag zu kündigen oder nicht zu verlängern, durch sein Recht, den Bundestheaterbediensteten in den Ruhestand zu versetzen, nicht berührt wird. Der gesetzlich gewährleistete Anspruch des Dienstnehmers auf Versetzung in den zeitlichen Ruhestand (§ 2 Abs 1 BThPG) schließt aber eine Dienstgeberkündigung aus. Der Normzweck liegt nämlich gerade darin, dem dienstunfähig gewordenen Dienstnehmer den Ruhegenuss zu sichern (4 Ob 40/81 = Arb 10.029). Nach der Lage des Falles braucht auf die weitere vom Berufungsgericht angeschnittene Frage, ob hier zufolge Vorliegens eines befristeten Dienstverhältnisses (§ 29 Abs 3 SchauspG; §§ 10 f Bundestheater-Orchesterkollektivvertrag) überhaupt eine Kündigung – und damit eine Gleichstellung der Ruhestandsversetzung mit einer Kündigung – möglich ist, nicht eingegangen werden.
Davon, dass die Ruhestandsversetzung des Klägers mangels Zustimmung des Behindertenausschusses nach § 8 BEinstG jeglicher Kontrolle entzogen wäre, kann keine Rede sein (vgl schon 4 Ob 66/74 = Arb 9.310). Es wird nicht verkannt, dass von einem Dienstgeber unter Umständen versucht werden könnte, den erweiterten Kündigungsschutz nach dem BEinstG durch eine unbegründete Ruhestandsversetzung zu umgehen. Größere Bedeutung hat diese Frage in der Praxis bisher vor allem hinsichtlich der Entlassung eines begünstigten Behinderten erlangt. Die insoweit vom Berufungsgericht gezogene Parallele scheint der Revisionswerber aber misszuverstehen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die Berechtigung der Entlassung eines begünstigten Behinderten zwar nach den allgemeinen Bestimmungen des Entlassungsrechtes zu beurteilen ist; um aber eine Umgehung des Kündigungsschutzes zu verhindern, wird durch die unberechtigte Entlassung – anders als nach dem allgemeinen Entlassungsrecht, in dessen Bereich die unbegründete Entlassung das Arbeitsverhältnis beendet und lediglich Schadenersatzansprüche des unberechtigt Entlassenen auslöst – das Arbeitsverhältnis eines begünstigten Behinderten nicht beendet (Ernst/Haller aaO § 8 Erl 103; 8 ObA 79/02d mwN; RIS-Justiz RS0052630). Es ist naheliegend, diesen Ansatz auf die unbegründete Ruhestandsversetzung zu übertragen. Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten würde demzufolge bei einer unbegründeten Ruhestandsversetzung nicht in ein Ruhestandsverhältnis übergehen, sondern wäre unverändert aufrecht. Diese Frage braucht hier aber ebenfalls nicht abschließend beantwortet zu werden, weil die Versetzung des Klägers in den zeitlichen Ruhestand ohnedies begründet war.
Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit der Ruhestandsversetzung des Klägers haben sich nicht ergeben. Insbesondere kann nicht allein schon aus einem betraglichen Zurückbleiben des Ruhegenusses hinter dem Aktivbezug auf ein sittenwidriges Vorgehen des Dienstgebers geschlossen werden; vor allem können dabei auch nicht entgangene Einkünfte des Klägers aus einer Vereinsmitgliedschaft bei einem anderen Orchester berücksichtigt werden. Feststellungsmängel liegen insoweit nicht vor.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.