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OGH vom 05.12.1989, 10ObS222/89

OGH vom 05.12.1989, 10ObS222/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Richard Bauer und Mag.Dkfm.Reinhard Keibl in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Engelbert H***, Pensionist, 4061 Pasching,

Fichtenstraße 7, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei S*** DER B***,

1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr. Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 48/89-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 14 Cgs 1099/87-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger ab die Erwerbsunfähigkeitspension unter Berücksichtigung von vier Versicherungsmonaten aus der Zeit vom 1. März bis und aufgrund einer monatlichen Beitragsgrundlage von 11.956 S für die Zeit vom 1. Jänner bis zu bezahlen. Das Klagemehrbegehren auf Bezahlung der Pension aufgrund einer höheren Beitragsgrundlage für den angeführten Zeitraum wird abgewiesen."

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem Bescheid vom gewährte die beklagte Partei dem Kläger ab gemäß den §§ 123 f BSVG die Erwerbsunfähigkeitspension in der Höhe von 7.252 S monatlich zuzüglich des Kinderzuschusses für ein Kind. Dabei wurde bei der Ermittlung des Versicherungswertes, nach dem sich gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 4 lit. a BSVG die für die Bemessungsgrundlage der Pension maßgebende Beitragsgrundlage richtet, für die Zeit vom 1. Jänner bis ein Einheitswert von 153.000 S statt des vom Finanzamt festgestellten Einheitswertes von 218.400 S angenommen. Der Kläger begehrte zuletzt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm ab die Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ohne Kürzung der Bemessungsgrundlage aufgrund des Ausgleichsverfahrens und unter Anrechnung der Zeiten vom 1. März bis zu bezahlen.

Die Beklagte gestand als richtig zu, daß die im Klagebegehren angeführten Versicherungsmonate aufgrund der 11. BSVGNov. zu berücksichtigen seien. Zur Bemessungsgrundlage brachte sie vor, daß der Kläger aufgrund eines gerichtlichen Ausgleichs für die strittige Zeit nur 80 % der Beiträge bezahlt habe; es sei daher der Einheitswert entsprechend zu kürzen.

Außer Streit steht, daß der Kläger aufgrund des Ausgleichs nur 80 % der für die Zeit vom 1. Jänner bis zur Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung zu entrichtenden Beiträge bezahlt hat.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Kürzung des Einheitswertes finde weder im BSVG noch in der AO Deckung. Die beklagte Partei wäre hiedurch überdies gegenüber anderen Gläubigern begünstigt, weil sich die von ihr zu erbringende Leistung verringere. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der beklagten Partei, soweit darin eine Nichtigkeit geltend gemacht wurde, und gab ihr im übrigen nicht Folge. Gemäß § 53 Abs. 1 AO, der hier gemäß § 37 Abs. 1 BSVG maßgebend sei, werde dem Ausgleichsschuldner durch die rechtskräftige Bestätigung des Ausgleichs der die Ausgleichsquote übersteigende Teil der Forderung erlassen. Die strittigen Versicherungsbeiträge seien daher nicht bloß teilweise hereingebracht worden. Der Ausgleichsgläubiger sei nicht befugt, nur einen der Ausgleichsquote entsprechenden Teil der Gegenleistung zu erbringen. Die von der beklagten Partei vorgenommene Kürzung der Pensionsbemessungsgrundlage würde daher den Sozialversicherungsträger im Verhältnis zu anderen Gläubigern begünstigen.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Verfahren als nichtig aufzuheben und ein Verfahren im Sinn des § 74 Abs. 1 ASGG vor dem Versicherungsträger einzuleiten oder allenfalls das angefochtene Urteil im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Der Kläger erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Ein Nichtigkeitsgrund liegt allerdings nicht vor. Die beklagte Partei erblickt ihn darin, daß das Verfahren nicht gemäß § 74 Abs. 1 ASGG unterbrochen wurde, obwohl die maßgebende Beitragsgrundlage strittig sei. Selbst wenn die Verpflichtung zur Unterbrechung bestanden hätte, würde dies aber eine Nichtigkeit nicht bewirken. Der Oberste Gerichtshof hat seine gegenteilige Ansicht, die er in einer Entscheidung (SSV-NF 1/26) vertrat, in der Folge nicht aufrecht erhalten und vertritt nunmehr in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Unterlassung der Anordnung der Unterbrechung nicht die Nichtigkeit des Verfahrens zur Folge hat, sondern daß die Unterbrechung im Rechtsmittelverfahren anzuordnen ist (SSV-NF 2/22; jüngst etwa 10 Ob S 213/89).

Hier sieht sich der Oberste Gerichtshof jedoch zur Unterbrechung des Verfahrens nicht veranlaßt. Strittig ist nämlich nicht, welche Beitragsgrundlage maßgebend ist, weil weder über die Höhe des nach § 23 BSVG heranzuziehenden Einheitswertes noch über die Art der Berechnung der Beitragsgrundlage ein Streit besteht. Zu entscheiden ist vielmehr die Frage, ob bei der gemäß § 118 BSVG vorzunehmenden Ermittlung der für die Erwerbsunfähigkeitspension des Klägers maßgebenden Bemessungsgrundlage die auf die strittige Zeit entfallende, unbestrittene Beitragsgrundlage zur Gänze oder nur in einem der Ausgleichsquote entsprechenden Ausmaß zu berücksichtigen ist. Strittig ist daher die Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Dieser Fall ist aber im § 74 Abs. 1 ASGG nicht angeführt und erfordert daher nicht die Unterbrechung des Verfahrens, sondern kann von den Gerichten entschieden werden.

In der Sache hat das Berufungsgericht § 37 Abs. 1 BSVG mißverstanden, weil diese Bestimmung nur die Behandlung der Beiträge im Ausgleichs- und Konkursverfahren zum Gegenstand hat. Hier ist aber nicht in einem solchen Verfahren, sondern in einer Sozialrechtssache zu entscheiden. Dies ändert aber nichts daran, daß dabei auch die Bestimmungen der AO zu beachten sind, weil die Gerichte auf alle in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen haben.

Gemäß § 53 Abs. 1 AO wird der Schuldner durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen. Der Ausgleich bewirkt also zwar, daß der Gläubiger den Teil der Forderung, auf den er verzichtet hat, nicht mehr geltend machen kann (Bartsch-Heil, Grundriß4 Rz 154), diese Wirkung ist aber nicht jener der (vollständigen) Tilgung der Schuld durch Zahlung gleichzustellen. Die vom Kläger für die strittige Zeit geschuldeten Beiträge können daher nicht als zur Gänze, sondern nur als teilweise wirksam entrichtet angesehen werden.

Im BSVG ist zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, daß die Höhe der Pension von der Höhe der entrichteten Beiträge abhängt, es ergibt sich dies jedoch aus den einzelnen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang. Gemäß § 118 BSVG ist nämlich die Bemessungsgrundlage für die Pension aus den durchschnittlichen monatlichen Beitragsgrundlagen der Versicherungsmonate, welche die Bemessungszeit bilden (§ 113 Abs. 3 und 4 und § 114 Abs. 2 Z 2 BSVG), zu ermitteln. Für die Bemessungszeit werden, von einer Ausnahme abgesehen, nur Beitragsmonate berücksichtigt. Ein Beitragsmonat liegt aber gemäß § 106 Abs. 1 Z 1 - 4 BSVG nur vor, wenn die Beiträge vollständig und wirksam (vgl. § 109 BSVG) entrichtet wurden. Auf den im Grundsätzlichen nicht anders gelagerten, im § 106 Abs. 1 Z 5 BSVG geregelten Fall von Zeiten, für die Überweisungsbeiträge oder erstattete Beiträge zurückgezahlt wurden, muß nicht näher eingegangen werden. Eine echte Ausnahme besteht nur für die Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung vor dem Wirksamkeitsbeginn des BSVG, bei denen es sich gemäß § 107 Abs. 1 Z 1 BSVG um Ersatzzeiten handelt und die gemäß § 113 Abs. 3 BSVG für die Bestimmung der Bemessungszeit heranzuziehen sind, obwohl hiefür keine Beiträge entrichtet wurden. Da diese Regelung aber nur den Verhältnissen Rechnung trägt, die vor der Einführung der Pflichtversicherung für die in der Land- oder Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen bestanden, kann daraus für den hier zu entscheidenden Fall nichts gewonnen werden. Grundsätzlich sind also bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage Beitragsgrundlagen nur zu berücksichtigen, wenn die hierauf beruhenden Beiträge vollständig und wirksam entrichtet wurden. Es ist anzunehmen, daß der Gesetzgeber an den hier zu entscheidenden Fall, in dem die Beiträge zwar nicht vollständig entrichtet wurden, in dem die Beitragsschuld aber durch den gerichtlichen Ausgleich erloschen ist, nicht gedacht hat. Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung hiefür bildet somit eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, die durch Analogie zu schließen ist (SZ 57/194 ua). Da für diese Analogie ein einzelner gesetzlicher Tatbestand nicht in Betracht kommt, muß im Weg der Rechtsanalogie auf die aus dem BSVG hervorgehenden allgemeinen Rechtsgrundsätze Bedacht genommen werden (Koziol-Welser8 I 26; Bydlinski in Rummel, ABGB Rz 5 zu § 7). Hiezu gehört aber der dargestellte Grundsatz, daß die Höhe der Pension von der Höhe der entrichteten Beiträge abhängt. Die analoge Anwendung dieses Grundsatzes auf den Fall des gerichtlichen Ausgleichs führt dazu, daß die Bemessungsgrundlage für die nach dem BSVG gebührende Pension ermittelt werden muß, als ob Beiträge in der Höhe zu entrichten gewesen wären, wie sie aufgrund des Ausgleichs entrichtet wurden, daß also nur der der Ausgleichsquote entsprechende Teil der Beitragsgrundlagen für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage herangezogen wird. Ob etwas anderes gilt, wenn es für den Versicherten günstiger ist, daß die vom Ausgleich betroffenen Monate bei der Ermittlung der Pension überhaupt nicht berücksichtigt werden, ist hier nicht zu prüfen, weil dies nicht hervorgekommen ist. Die Meinung der Vorinstanzen, daß der Versicherungsträger durch die Herabsetzung seiner Leistungspflicht gegenüber anderen Gläubigern des Ausgleichsschuldners begünstigt werde, weil diese ihre Gegenleistung vollständig zu erbringen hätten, trifft zwar zu. Sie ist aber nicht zielführend, weil die Begünstigung des Versicherungsträgers im BSVG ihre Grundlage hat.

Geht man von dem für den strittigen Zeitraum außer Streit stehenden Einheitswert des Betriebes des Klägers von 218.400 S aus, so beträgt der gemäß § 23 Abs. 2 BSVG in der hier maßgebenden Fassung der 6. BSVGNov. BGBl. 1982/649 und der V BGBl. 1985/9 errechnete Versicherungswert, der gemäß § 118 Abs. 4 Z 1 lit. a BSVG für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist, 14.945,50 S. 80 % hievon sind gerundet 11.956 S. Dieser Betrag ist also die monatliche Beitragsgrundlage, aus der gemäß § 118 Abs. 1 BSVG die Bemessungsgrundlage für die Pension des Klägers zu ermitteln ist. Soweit das Klagebegehren die Bezahlung der Pension aufgrund dieser Bemessungsgrundlage einschließt, war ihm daher stattzugeben. Außerdem war gemäß dem Klagebegehren noch auszusprechen, daß die Versicherungsmonate aus der Zeit vom 1. März bis zu berücksichtigen sind. Die beklagte Partei hat dies im Verfahren erster Instanz zwar zugestanden, in ihren Rechtsmitteln aber formell auch den entsprechenden Teil der Entscheidungen der Vorinstanzen bekämpft. Soweit das Klagebegehren auf Bezahlung der Pension aufgrund einer höheren Bemessungsgrundlage gerichtet ist, mußte es hingegen infolge der Revision der beklagten Partei abgewiesen werden.