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OGH vom 12.04.2016, 14Os129/15z

OGH vom 12.04.2016, 14Os129/15z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fritsche als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anna-Maria B***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB idF vor BGBl I 2015/112 über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Anna-Maria B***** und Peter Z***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom , GZ 11 Hv 108/14g 55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen verfehlten Freispruch der Angeklagten von (einer die Subsumtion nicht berührenden Teilsumme, demnach von) einem bloßen Strafzumessungsaspekt (US 4 und 15; RIS Justiz RS0115553 [T8, T 9], RS0120128) enthält, wurden Anna-Maria B***** (zu I/1 und II/2) und Peter Z***** (zu I/2 und II/1) des Verbrechens des Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB idF vor BGBl I 2015/112, Erstgenannte (zu II/2) auch nach § 12 zweiter Fall StGB, schuldig erkannt.

Danach haben sie in H***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

(I) von „ bis “ Verfügungsberechtigte des Sozialhilfeverbands M ***** durch die wahrheitswidrige Behauptung, Johanna E ***** verfüge über kein Sparvermögen und sei solcherart sozialhilfeberechtigt, zur Auszahlung von Sozialhilfe in Höhe von insgesamt 52.534,02 Euro an die Genannte, wodurch der Sozialhilfeverband M ***** in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde, indem Anna-Maria B***** und Peter Z***** gemeinsam mit der inzwischen verstorbenen Johanna E***** die dafür zu leistende eidesstattliche Erklärung vom wahrheitswidrig „unter Verschweigen des Sparbuchs mit einem Einlagenstand von 78.078,60 Euro“ ausfüllten (1/a und 2/b), Anna-Maria B***** zudem „ihren Bürosafe zur Verfügung stellte, um das Sparbuch […] darin zu verwahren und […] zu verheimlichen“ (1/b) sowie Peter Z***** „dazu veranlasste, Geldbeträge vom Sparbuch […] zu beheben und in ihrem Safe aufzubewahren, um dadurch das Vermögen der Johanna E ***** zu verschleiern und […] zu verheimlichen“ (1/c und 2/c) und Peter Z***** „Johanna E ***** überdies dazu anstiftete, ihr Sparguthaben […] zu verheimlichen“ (2/a);

(II) von bis Angestellte der R***** durch die Vorgabe, von Johanna E ***** zur Behebung von Geldbeträgen vom zu I genannten Sparbuch beauftragt worden zu sein, zur Auszahlung von 37.800 Euro, wodurch Johanna E ***** einen Vermögensschaden in Höhe von 14.333,45 Euro „(Sparbuchbehebungen von insgesamt 37.800 Euro abzüglich des im Safe verwahrten Bargeldes von 23.466,55 Euro)“ erlitt, indem

1. Peter Z***** die Behebungen in vier Angriffen vornahm und

2. Anna-Maria B***** ihn mit zwei (US 8) dieser Behebungen beauftragte.

Rechtliche Beurteilung

Den dagegen aus den Gründen der Z 3, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Die gegen den Schuldspruch I gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a [nominell auch Z 5 erster Fall und Z 10]) zeigt im Ergebnis zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen

zu einer für die irrtumsbedingte selbstschädigende Auszahlung von Sozialhilfe durch den Sozialhilfeverband M *****

kausalen Täuschung deren Verfügungsberechtigter durch Abgabe einer wahrheitswidrigen Erklärung auf.

Nach den insoweit wesentlichen Urteilsannahmen wussten die Angeklagten schon im August 2010, dass Johanna E ***** seit dem Tod ihres Lebensgefährten Werner R ***** im „faktischen Besitz“ eines auf dessen Namen lautenden Sparbuchs mit einem Einlagestand von 78.078,60 Euro war. Dieses Sparbuch wurde „unter derzeit nicht geklärten Umständen … im Rahmen einer Schad- und Klagloshaltung“ (erst) am auf die Genannte „umidentifiziert“.

Dennoch gaben sie (auf Initiative des Angeklagten Peter Z***** ) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Johanna E ***** in einer eidesstattlichen Erklärung vom , die dem in der Folge bei der Gemeinde F ***** eingereichten Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe obligatorisch anzuschließen war, „wahrheitswidrig“ an, die Antragstellerin verfüge über keine Spareinlagen. Solcherart täuschten sie Verfügungsberechtigten des Sozialhilfeverbands M ***** das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Sozialhilfe (aktiv; RIS-Justiz RS0120597; Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 20 ff) vor. Die irrtumsbedingte Auszahlung von Sozialhilfe im Ausmaß von 52.534,02 Euro wäre unterblieben, wenn „der Sozialhilfeverband von den Ersparnissen auf diesem Sparbuch gewusst hätte“ (US 6 f).

Nach § 4 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz (StSHG) besteht soweit hier wesentlich für Personen, die den Lebensbedarf für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften beschaffen können, nach Maßgabe der Bestimmungen des 2. Abschnitts StSHG ein Rechtsanspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs. Diese Hilfe ist nur so weit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern (§ 5 Abs 1 StSHG; vgl auch ON 2 S 65).

Ob Johanna E ***** , der als Lebensgefährtin des Werner R ***** kein gesetzliches Erbrecht zukommt, zufolge dessen (allenfalls testamentarischer) Disposition berechtigt war oder auch nur die faktische Möglichkeit hatte, über die in der inkriminierten Urkunde verbriefte Forderung zu verfügen (§§ 31 Abs 1 und 3, 32 Abs 4 Z 2 BWG; vgl RIS Justiz RS0122157, RS0122364; Laurer in Laurer/Borns/Strobl/M. Schütz/O. Schütz, BWG 3 §§ 31-32 BWG Rz 6 zu Auszahlungen bei auf Namen identifizierter Kunden lautenden Sparurkunden sowie Rz 3 zu Inhaber- bzw Überbringersparbüchern nach altem Recht [vor BGBl I 2000/33]; vgl auch RIS-Justiz RS0065949), lässt sich den Urteilsannahmen nicht entnehmen (vgl hingegen ON 2 S 3 sowie ON 13 S 19 und 35). Diese erschöpfen sich nämlich in der oben zitierten Feststellung eines (zumindest bis ) bloß „faktischen Besitzes“ des auf Werner R ***** identifizierten (§ 40 Abs 1 BWG) „Sparbuchs“ ohne Aussagen zu dessen Art oder einer allfälligen Vinkulierung zu treffen, womit offen bleibt, ob Johanna E ***** entgegen den Angaben in der eidesstattlichen Erklärung über (nach den Feststellungen nur aus dem Sparguthaben bestehendes) ausreichendes verwertbares Vermögen zur Sicherung ihres Lebensbedarfs im Sinn der oben zitierten Bestimmungen des StSHG verfügte.

Dass der Genannten allenfalls durch die erst am erfolgte „Umidentifizierung“ des Sparbuchs auf ihren Namen zumindest die faktische Verfügungsmöglichkeit über das Guthaben eingeräumt wurde (vgl dazu die Annahme der Tatrichter, dass das Sparguthaben dem Nachlass nach Werner R ***** entzogen werden sollte; US 11), ändert nichts am Fehlen einer tragfähigen

Sachverhaltsgrundlage für eine Subsumtion des dem Schuldspruch I zugrunde liegenden Täterverhaltens nach §§ 146 f StGB, weil Betrugsstrafbarkeit durch Täuschung über die (weitere) Vermögenslosigkeit nur unter den Voraussetzungen des § 2 StGB in Betracht kommt. Konstatierungen insbesondere zur Garantenstellung der Angeklagten (etwa als [bestellte] Vertreter der Sozialhilfeempfängerin [vgl § 32 Abs 1 StSHG, RIS-Justiz RS0094297; Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 23 ff]) sowie zur subjektiven Tatseite (RIS-Justiz RS0089546; vgl Hilf in WK 2 StGB § 2 Rz 135 ff) sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Auch die den Angeklagten angelasteten weiteren Beitragshandlungen zum Betrug, nämlich die faktische Verwahrung des („umidentifizierten“) Sparbuchs und davon behobener Geldbeträge können nur unter diesem Aspekt von rechtlicher Relevanz sein.

Gleichfalls im Recht ist die Beschwerde (nominell Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) mit ihrem Einwand fehlender Feststellungen zum Schuldspruch II. Sie zeigt zutreffend auf, dass eine abschließende rechtliche Beurteilung der davon umfassten ohne Auftrag der Johanna E ***** erfolgten - Behebungen von dem in Rede stehenden Sparbuch nicht möglich ist, weil das Urteil wie dargelegt keine Feststellungen zur Art der Sparurkunde und deren allfälliger Vinkulierung enthält.

Anders als bei nicht vinkulierten Sparbüchern (mit frei behebbarer, nicht durch Losungswort gesicherter Einlage), die selbständige Wertträger sind ( Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 63), ist bei vinkulierten Sparbüchern nämlich nach folgenden Kriterien zu unterscheiden:

Irrtumslose Übergabe des Sparbuchs in den Alleingewahrsam im Bewusstsein, dass dem Übernehmer das Losungswort bekannt ist oder bekannt sein könnte, bedeutet ein Anvertrauen der Spareinlage. Die Zueignung dieses Giralgeldes durch eine Verfügung des Übernehmers (wie hier: Abheben) ist Veruntreuung nach § 133 StGB. Wird aber ein Sparbuch nicht ausschließlich zur Verwahrung oder zu einer bestimmten Verwendung übergeben, sondern dem Übernehmer eine Dispositionsbefugnis über die Einlage eingeräumt, kommt nicht Veruntreuung, sondern Untreue (§ 153 StGB) in Betracht. Bei Täuschung von Bankbeamten stellt nur das nach den Feststellungen nicht in Rede stehende Abheben von herausgelockten oder entfremdeten vinkulierten Sparbüchern Betrug dar, bei dolosem Zusammenwirken des unredlichen Sparbuchinhabers mit Bankangestellten aber Untreue, die gemäß § 14 Abs 1 StGB alle Beteiligten erfasst (zum Ganzen: Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 140 ff; RIS-Justiz RS0094579; vgl auch RS0093543).

Konstatierungen dazu, ob und in welcher Form Johanna E ***** den Beschwerdeführern die Spareinlage anvertraut oder Dispositionsbefugnis darüber eingeräumt hat, fehlen im Urteil ebenso wie demzufolge auch Urteilsannahmen zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen der je nach Sachverhaltsgrundlage in Betracht kommenden strafbaren Handlungen nach §§ 133 oder 153 StGB.

Die aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen

machen die Aufhebung des Urteils bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) samt Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht erforderlich. Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt sich daher.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Bleibt anzumerken, dass der nach dem oben Gesagten verfehlte Freispruch von einem bloßen Strafzumessungsaspekt prozessual unbeachtlich ist und damit im zweiten Rechtsgang keine Bindungswirkung entfaltet (vgl erneut RIS Justiz RS0115553; zu sogenannten „Qualifikationsfreisprüchen“ vgl auch Ratz , WK StPO § 293 Rz 15). Das (nur) die Sanktion betreffende Verschlechterungsverbot (§ 293 Abs 3 StPO) steht hier zufolge der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufung nicht in Rede.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00129.15Z.0412.000