OGH vom 21.09.2017, 12Os83/17y (12Os84/17w)
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wukovits, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christoph G***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB aF und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 6 Hv 43/12s des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über den Antrag des Verurteilten Richard P***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem am in Rechtskraft erwachsenen (ON 246), auch Schuld- und Freisprüche von sieben anderen Angeklagten enthaltenden Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom , GZ 6 Hv 43/12s-199, wurde Richard P***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB aF und mehrerer Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB aF schuldig erkannt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
Die vom Genannten (und vier weiteren Verurteilten zu ungeteilter Hand) zu ersetzenden, vom Privatbeteiligten Mag. Andreas R***** geltend gemachten Kosten (ON 265) wurden mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom mit 15.727,20 Euro bestimmt (ON 300).
Der dagegen gerichteten – die Einschränkung der Haftung nach § 389 Abs 3 letzter Satz StPO begehrenden und die Bestimmung einzelner Kostenpunkte kritisierenden – Beschwerde (unter anderem) des Verurteilten Richard P***** (ON 311) gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom , AZ 10 Bs 23/16g (ON 367), nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Sowohl gegen den erstinstanzlichen Beschluss als auch gegen jenen des Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht wendet sich der Antrag des Richard P***** auf Erneuerung des Strafverfahrens. In diesem macht der Genannte eine Verletzung des Art 1 1. ZPMRK geltend, weil „ungebührlich in das Grundrecht des Antragstellers auf Unverletzlichkeit des Eigentums eingegriffen“ worden sei, und behauptet „auf Grund der Überspannung des freien Ermessens“ im Sinn von Willkür einen Verstoß gegen Art 6 EMRK.
Für – wie hier – nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützte Erneuerungsanträge (RIS-Justiz RS0122228) gelten alle gegenüber diesem normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen (Art 34 und 35 EMRK) sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737). Damit kann auch der Oberste Gerichtshof erst nach Ausschöpfung des Instanzenzugs (Art 35 Abs 1 EMRK) angerufen werden. Diesem Erfordernis wird nur entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung; RIS-Justiz RS0122737 [T13]). Da somit Erneuerungsanträge gegen Entscheidungen, die der Erneuerungswerber im Instanzenzug anfechten kann, unzulässig sind, war der (ausdrücklich auch) gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom , GZ 6 Hv 43/12s-300, gerichtete Antrag schon deshalb zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0122737 [T40, T 41], RS0124739 [T2]).
Opfereigenschaft nach Art 34 EMRK ist nur anzunehmen, wenn der Beschwerdeführer substanziiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK6§ 13 Rz 16). Deshalb hat ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat sich der Erneuerungswerber mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen und – soweit er (auf Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe) nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag – seine Argumentation auf der Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS-Justiz RS0124359, RS0125393 [T1]).
Diesen Erfordernissen wird das gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz gerichtete, eine Verletzung des Art 1 1. ZPMRK behauptende – inhaltlich im Wesentlichen jedoch bloß die Beschwerde wiederholende – Vorbringen nicht gerecht. Denn der Erneuerungswerber orientiert sich nicht an den Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts (BS 6 ff), sondern stellt diesen bloß seinen eigenen Prozessstandpunkt gegenüber, ohne – auch unter dem Blickwinkel des ebenfalls als verletzt erachteten Art 6 Abs 1 EMRK – relevante Begründungsmängel im Sinne willkürlicher oder grob unvernünftiger („arbitrary or manifestly unreasonabel“; vgl EGMR Oao Neftyanaya Kompaniya Yukos gg. Russland, Nr 14902/04 Rz 589; EGMR Khodorkovskiy und Lebedev gg. Russland; Nr 11082/06 und 13772/05 Rz 803; jeweils mwN) Urteilsannahmen aufzuzeigen (vgl RIS-Justiz RS0129981).
Im Übrigen berühren die hier in Rede stehenden, unter Erörterung des Rechtsstandpunkts des Erneuerungswerbers vom Oberlandesgericht Graz geprüften Fragen des Kostenrechts weder die Anwendung oder die Auslegung der EMRK noch einen grundlegenden Bereich des gesetzlichen Eingriffstatbestands (Art 1 des 1. ZPMRK). Ein in seinem Aufgabenbereich auch im Strafverfahren auf wichtige Fälle konzentriertes Höchstgericht (vgl die vom Gesetzgeber in § 528 Abs 2 Z 3 ZPO normierte Beschränkung für das Zivilverfahren) ist mit reinen Kostenfragen aber nur im Ausnahmefall zu befassen (RIS-Justiz RS0130263 [T2]).
Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00083.17Y.0921.000 |
Schlagworte: | Strafrecht |
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