OGH vom 23.12.2016, 9ObA134/15v

OGH vom 23.12.2016, 9ObA134/15v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn und Dr. Weixelbraun-Mohr in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. G***** W*****, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 5.253,23 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert: 2.200 EUR), über die Revision und den Rekurs der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 2.200 EUR; Rekursinteresse: 2.838,89 EUR sA) und den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse: 5.038,89 EUR), gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 59/15b 20, mit denen der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 3 Cga 124/13w 15, Folge gegeben und das Begehren teilweise abgewiesen und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren 9 ObA 134/15v wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am zu 9 ObA 141/15y gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

Text

Begründung:

Der am *****. 6. 1974 geborene Kläger war von bis bei J***** und von bis sowie von bis bei J***** GmbH tätig. Seit steht er in einem dem VBG unterliegenden Dienstverhältnis zur Beklagten. Die Beklagte stufte ihn in die Entlohnungsstufe v1 ein und setzte seinen Vorrückungsstichtag (§ 26 VBG aF) zum Anstellungstag mit fest. Mit Schreiben vom beantragte der Kläger eine rückwirkende Anrechnung seiner Vordienstzeiten und die Auszahlung allenfalls daraus resultierender Differenzbeträge.

Mit seiner am eingebrachten Klage begehrte der Kläger den Zuspruch von 5.253,23 EUR brutto sA und die Feststellung, dass die Beklagte ihm ab auch künftig seinen Gehalt davon ausgehend zu zahlen habe, dass drei Jahre an Vordienstzeiten, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres angefallen seien, berücksichtigt würden, wobei von einer Vorrückung in die zweite Entlohnungsstufe bereits nach zwei (statt fünf) Jahren auszugehen sei. Bei unionsrechtskonformer Anrechnung der Zeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres würde sich seine erste Vorrückung von auf vorverlegen, woraus die geltend gemachte Gehaltsdifferenz resultiere.

Die Beklagte bestritt und brachte vor, der Vorrückungsstichtag des Klägers würde sich zwar nach § 26 VBG idF BGBl I 82/2010 auf den verbessern. Dadurch habe sich aber die besoldungsrechtliche Stellung des Klägers nicht verändert, weil die Vorrückungsdauer von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe jeder Verwendungs- bzw Entlohnungsgruppe gemäß § 19 VBG idF BGBl I 82/2010 um drei Jahre verlängert worden sei. Vor dem entstandene Entgeltansprüche seien überdies verjährt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 2.838,89 EUR brutto sA und der begehrten Feststellung statt und wies das Mehrbegehren von 2.414,34 EUR sA ab. Im Sinne der Entscheidung des Hütter, sei die ursprüngliche Festsetzung des Vorrückungsstichtags nicht unionskonform gewesen. Die zum rückwirkende Neuregelung des § 26 Abs 1 VBG idF BGBl I 82/2010 bei gleichzeitiger Verlängerung der ersten Gehaltsstufe habe weiterhin eine mittelbare Diskriminierung jener Personen, die ihre Berufserfahrung, wenn auch teilweise, vor Vollendung des 18. Lebensjahres erworben haben, zur Folge. Das Klagebegehren sei daher mit Ausnahme jener Ansprüche, die länger als drei Jahre vor ihrer Geltendmachung lägen und daher verjährt seien, berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es auch das Feststellungsbegehren bezüglich der Gehaltsansprüche des Klägers ab abwies. Hinsichtlich des Zuspruchs von 2.838,89 EUR brutto sA und des Feststellungsmehrbegehrens (Gehaltsansprüche von bis ) hob es das Ersturteil auf und wies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Mit BGBl I 32/2015 sei das Besoldungsrecht des Bundes neu geregelt worden. Nach § 100 Abs 70 VBG nF entfielen der §§ 18b, 82 und 82a (Z 2) und die §§ 19 und 26 (Z 3) samt Überschrift mit dem der Kundmachung folgenden Tag; diese Bestimmungen seien in allen früheren Fassungen im laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden. Die Kundmachung des Bundesgesetzes sei am erfolgt. Mit dem darauf folgenden Tag seien auch die Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag außer Kraft getreten. Auf diese Änderung der Rechtslage sei Bedacht zu nehmen. Infolge mehrerer Entscheidungen des EuGH habe der österreichische Gesetzgeber mit dem weiteren Sanierungsversuch durch das BGBl I 32/2015 die deutsche Besoldungsreform kopiert, die der EuGH mit Entscheidung vom , C 501/12, Specht , als EU rechtskonform qualifiziert habe. Auch in der Entscheidung des , Hennigs , könne eine Bestärkung dieses Weges gesehen werden. Es sei daher davon auszugehen, dass für die Zukunft ein in diesem Punkt diskriminierungsfreies Dienstrecht geschaffen worden sei. Für Ansprüche aus der Vergangenheit sei in der neuen Besoldungsreform jedoch keine Regelung getroffen worden. Die diskriminierten Personen könnten daher immer noch im Rahmen des Verjährungszeitraums bzw im Geltungsbereich eines Verjährungsverzichts Differenzansprüche, die sich aus einer diskriminierungsfreien Einstufung nach dem Besoldungsrecht alt ergäben, geltend machen. Die Beklagte habe einen Verjährungseinwand erhoben, der insbesondere für den Leistungsanspruch für das erste Halbjahr 2008 relevant sei. Gemäß § 18a Abs 4 VBG unterbreche die schriftliche Geltendmachung eines noch nicht verjährten Anspruchs durch den Vertragsbediensteten die Verjährung, wobei § 82 Abs 12 VBG idF BGBl I 82/2010 die verpflichtende Verwendung eines vom Bundeskanzler mit Verordnung festzulegenden Formulars vorsehe und andere, nicht verbesserte Anträge ex lege als zurückgezogen gälten. Dem Schreiben vom komme nur dann verjährungshemmende Wirkung zu, wenn es zur Verbesserung zurückgestellt und fristgerecht in Formularform verbessert worden sei (§ 13 Abs 3 AVG). Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung sei das Ersturteil insoweit aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht sah auch noch anderen Erörterungsbedarf. Die Revision bzw der Rekurs sei mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob die Besoldungsreform des BGBl I 32/2015 als EU rechtskonform zu qualifizieren sei und diskriminierte Personen auch ausgehend von einer erfolgreichen Sanierung des Dienstrechts immer noch im Rahmen des Verjährungszeitraums bzw im Geltungsbereich eines Verjährungsverzichts Differenzansprüche aus einer diskriminierungsfreien Einstufung nach dem Besoldungsrecht alt im Rechtsweg geltend machen könnten, zulässig.

In seiner dagegen gerichteten Revision und dem gegen den Aufhebungsbeschluss gerichteten Rekurs beantragt der Kläger, die Entscheidung im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben, dem Rekurs jedoch insoweit Folge zu geben, als der angefochtene Beschluss im Sinne einer Abweisung auch des weiteren Klagebegehrens von 2.838,89 EUR brutto sA abgeändert werde.

Dieses Begehren ist auch Gegenstand des gegen den Aufhebungsbeschluss gerichteten Rekurses der Beklagten, zu dem der Kläger keine Rekursbeantwortung erstattet hat.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittel sind zulässig .

Über ihre Berechtigung wird nach dem Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache des Obersten Gerichtshofs 9 ObA 141/15y zu entscheiden sein:

1. Auf eine Änderung der Rechtslage hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Es ist daher grundsätzlich nach den Übergangsbestimmungen zu beurteilen, ob eine Gesetzesänderung für ein laufendes Verfahren zu beachten ist (RIS Justiz RS0031419; s auch 8 ObA 70/15z; 8 ObA 72/15v).

2. Gemäß § 100 Abs 70 Z 3 VBG 1948 idF BGBl I 32/2015 treten die mit der Besoldungsreform 2015, BGBl I 32/2015, novellierten Bestimmungen der §§ 19 und 26 VBG, mit denen für die Einstufung und Vorrückung eines Vertragsbediensteten der Vorrückungsstichtag durch das Besoldungsdienstalter ersetzt wurde, mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft; „diese Bestimmungen sind in allen früheren Fassungen in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden“ .

Infolge der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2015/12/0025-3, wurde mit dem Besoldungsrechtsanpassungsgesetz, BGBl I 104/2016, folgende – gemäß § 94a VBG 1948 auch für Vertragsbedienstete geltende – Bestimmung des Gehaltsgesetzes erlassen:

„§ 169c (2a) Als Überleitungsbetrag wird der Gehaltsansatz für jene Gehaltsstufe herangezogen, die für die ausbezahlten Bezüge für den Überleitungsmonat tatsächlich maßgebend war (Einstufung laut Bezugszettel). Eine Beurteilung der Gebührlichkeit der Bezüge hat dabei sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu unterbleiben. Eine nachträgliche Berichtigung der ausbezahlten Bezüge ist nur insoweit bei der Bemessung des Überleitungsbetrags zu berücksichtigen, als

1. dadurch Fehler tatsächlicher Natur berichtigt werden, welche bei der Eingabe in ein automatisches Datenverarbeitungssystem unterlaufen sind, und

2. die fehlerhafte Eingabe offenkundig von der beabsichtigten Eingabe abweicht, wie sie durch im Zeitpunkt der Eingabe bereits bestehende Urkunden belegt ist.

(2b) Wenn die tatsächliche Einstufung laut Bezugszettel betragsmäßig geringer ist als die gesetzlich geschützte Einstufung, so wird, wenn nicht wegen Vorliegens einer bloß vorläufigen Einstufung nach § 169d Abs 5 vorzugehen ist, auf Antrag der Beamtin oder des Beamten die gesetzlich geschützte Einstufung für die Bemessung des Überleitungsbetrags herangezogen. Die gesetzlich geschützte Einstufung ist jene Gehaltsstufe, die sich nach Maßgabe des Stichtags ergibt. Der Stichtag ist jener Tag, der sich bei Voranstellung folgender Zeiten vor den ersten Tag des Überleitungsmonats ergibt. Voranzustellen sind:

1. die bis zum Zeitpunkt des Beginns des Überleitungsmonats als Vordienstzeiten rechtskräftig angerechneten Zeiten, soweit sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden und soweit sie für die Vorrückung wirksam geworden sind, sowie

2. die seit dem Tag der Anstellung zurückgelegten Zeiten, soweit sie für die Vorrückung wirksam geworden sind.

Die Voranstellung weiterer Zeiten ist ausgeschlossen. Für jeweils zwei seit dem Stichtag vergangene Jahre gilt die jeweils nächsthöhere Gehaltsstufe als gesetzlich geschützte Einstufung. …“

Für das Inkrafttreten dieser Regelung sieht § 100 Abs 70 Z 3 VBG idF BGBl Nr 104/2016 vor:

„...

3. die §§ 19 und 26 samt Überschrift mit dem ; diese Bestimmungen sind in allen vor kundgemachten Fassungen in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden,

...“

Diese jüngste Novelle wurde am kundgemacht. Die gesetzliche Anordnung zielt zweifelsfrei auf die Anwendung der neuen Rechtslage auf laufende Verfahren wie das vorliegende ab.

3. Gegenstand des Vorlagebeschlusses des Obersten Gerichtshofs vom , 9 ObA 141/15y, ist die Frage der Unionsrechtskonformität des mit der Besoldungsreform BGBl I 32/2015 und BGBl I 104/2016 geschaffenen neuen Besoldungsregimes einschließlich der am ausbezahlten Grundgehalt für Februar 2015 anknüpfenden Überleitungsregelung, der auf das Inkrafttreten der Stammfassung des VBG bezogenen Rückwirkung und der Anordnung der Unanwendbarkeit der Vorläuferbestimmungen (§§ 19, 26 VBG aF) auf laufende und künftige Verfahren.

Die in diesem Ersuchen gestellten Rechtsfragen sind auch für das hier gegenständliche Verfahren präjudiziell.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00134.15V.1223.000