OGH vom 24.07.2019, 8ObA30/19y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Stefula und die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller und Mag. Herbert Böhm als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der O***** GmbH,
vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden Dipl.-Ing. E***** S*****, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 11/19z-12, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 20 Cga 35/18i-8, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird mit der Maßgabe bestätigt, dass das Urteil lautet: „Die beklagte Partei ist verpflichtet, eine Betriebsratsumlage in Höhe von monatlich 0,1 % des jeweiligen Bruttogehaltes einzuheben und an den Betriebsratsfonds abzuführen.“
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist der bei der Beklagten eingerichtete Angestelltenbetriebsrat. Die Hauptniederlassung der Beklagten befindet sich in Wien, wo rund 180 der insgesamt rund 260 Mitarbeiter der Beklagten tätig sind. Weitere Standorte der Beklagten sind S*****, L***** und A*****. Zwecks Einführung einer Betriebsratsumlage entschied sich der Kläger dazu, eine Betriebsversammlung in Form von Teilversammlungen an jedem Standort durchzuführen. Die Beschlussfassung über den Antrag des Klägers auf Einführung einer Betriebsratsumlage erfolgte durch eine geheime Abstimmung mittels Stimmzettels in jeder Teilversammlung. Nach dem veröffentlichten Gesamtergebnis wurden 140 Stimmen abgegeben. 101 Arbeitnehmer stimmten für, 38 gegen die Einführung. Eine Stimme war ungültig. Die Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer wurde mit 259 angegeben.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage festzustellen, dass die Beklagte „aufgrund der Erfüllung der in den Teilbetriebsversammlungen, am in S*****, am in A***** und L***** sowie am in Wien, durchgeführten geheimen Abstimmungen erforderlichen, gesetzlichen Mehrheitserfordernisse und aufgrund des sohin rechtswirksam gefassten Beschlusses zur Einhebung einer Betriebsratsumlage verpflichtet [ist], eine Betriebsratsumlage in Höhe von monatlich 0,1 % des jeweiligen Bruttogehaltes, einzuheben und an den somit errichteten Betriebsratsfonds abzuführen“.
Die Durchführung der Abstimmung durch geheime Wahl unter Verwendung von Stimmzetteln, Wahlurnen und Wahlkabinen habe ein höheres Maß an demokratischer Legitimation bezweckt und sei durch § 5 Abs 4 BRGO gedeckt. Die Anwesenheit der abstimmenden Mitarbeiter sei durch Unterschriften in einer eigens hierfür erstellten Wählerliste dokumentiert worden. Es sei eine Anwesenheit von 54 % der Belegschaft festgestellt worden. Insgesamt hätten 72 % der abstimmenden Mitarbeiter für die Einhebung einer Betriebsratsumlage gestimmt. Die erforderlichen Mehrheiten seien damit erreicht. Hinsichtlich des Konsensquorums sei lediglich die Gesamtheit der in den einzelnen Teilversammlungen abgegebenen Stimmen maßgebend. Eine gleichzeitige Anwesenheit der Abstimmenden sei nicht erforderlich gewesen und hätte bei einer geheimen Abstimmung auch keinen Sinn. Die Beschlussfassung habe allen rechtlichen Erfordernissen entsprochen; ein allfälliges Fehlerkalkül sei keinesfalls derart überschritten, dass eine untolerierbare Verzerrung der Wahlergebnisse insgesamt vorgelegen wäre, welche zu einer ungültigen Beschlussfassung geführt hätte. Wollte ein Mitarbeiter gegen den Abzug der Betriebsratsumlage von seinem Gehalt vorgehen, hätte er nicht die Beklagte, sondern den durch die Einhebung der Umlage entstandenen Betriebsratsfonds in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte habe durch die Abführung der Umlage daher keinerlei Kosten- oder Haftungsrisiko. Zudem habe die Beklagte keine Kompetenz, die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung der Betriebsversammlung zu überprüfen und die Einhebung der beschlossenen Betriebsratsumlage zu verweigern.
Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und beantragte die Abweisung der Klage.
Die Zulässigkeit einer geheimen Abstimmung werde von der Beklagten nicht bestritten. Die geheime Beschlussfassung entbinde aber nicht von der Pflicht, die Betriebsversammlung ordnungsgemäß abzuhalten, die Anwesenheit am Beginn der Versammlung festzustellen (Erfüllung des Präsenzquorums), die Tagesordnung einzuhalten und den Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, vor der Abstimmung den Antrag zu besprechen und allfällig Fragen zu stellen. Bei der Betriebsversammlung seien zwingende materielle Grundsätze des Betriebsversammlungsrechts verletzt und daher kein gültiger Beschluss gefasst worden. Statt einer ordnungsgemäßen Betriebsversammlung, bei der die Mitarbeiter die Möglichkeit gehabt hätten, Fragen zu stellen, sich zu beraten, ihre Meinung zu äußern und letztlich eine informierte Entscheidung zu treffen, sei gesetzwidrig eine Wahl durch ständiges Kommen und Gehen durchgeführt worden. Nach dem Gesetz müsse zur Gültigkeit des Beschlusses über die Betriebsratsumlage zumindest die Hälfte aller Arbeitnehmer in der Betriebsversammlung anwesend sein; auch für die Teilversammlungen gelte dieses Erfordernis. Um ihm Genüge zu tun, müsse am Beginn der Betriebsversammlung bzw der jeweiligen Teilversammlung die Anzahl der stimmberechtigten Arbeitnehmer gezählt und festgestellt werden. Dies sei nicht geschehen. Die gleichzeitige Anwesenheit von zumindest der Hälfte der Mitarbeiter sei aber auch tatsächlich zu keiner Zeit gegeben gewesen. Das Präsenzquorum sei nicht erfüllt. Die Mitarbeiter seien zu unterschiedlichen Zeiten gekommen. Sie hätten Stimmzettel zum Ausfüllen erhalten, diese in die Wahlurne geworfen und zum großen Teil unmittelbar nach der Stimmabgabe wieder den Versammlungsraum verlassen; all dies sogar teilweise vor dem anberaumten Beginn der Versammlung und teilweise auch erst nach dem Erreichen der anberaumten Versammlungszeit. Ohne gültige Beschlussfassung in der Betriebsversammlung sei die Einhebung einer Betriebsratsumlage rechtsunwirksam. An den Betriebsratsfonds trotz Fehlens eines gültigen Beschlusses der Betriebsversammlung geleistete Beiträge könnte jeder einzelne Arbeitnehmer von der beklagten Arbeitgeberin nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zurückverlangen. Derartige, gesetzlich nicht gedeckte Beiträge dürfe die Beklagte nicht vom Lohn einbehalten.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging von dem eingangs wiedergegebenen sowie im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus (§ 510 Abs 3 Satz 1 ZPO):
An die Arbeitnehmer der jeweiligen Standorte wurden Einladungen zur Betriebsversammlung versendet. In der Einladung war als Tagesordnung angeführt:
„- Begrüßung
- Präsentation des Antrages zur Einführung eines Betriebsratsfonds
- Wortmeldungen zum Antrag
- Allfälliges“
Die Teilversammlung in S***** fand am , in A***** und L***** am und in Wien am statt. Es wurden Stimmzettel ausgegeben, die wie folgt lauteten:
„Der Betriebsrat stellt folgenden Antrag an die Betriebsversammlung
1
2
3
4[Beklagten; Anm]
O JA, ich stimme für den Antrag
O NEIN, ich stimme gegen den Antrag“
Bei keiner der Teilversammlungen wurde am Beginn oder zu einem späteren Zeitpunkt die Anwesenheit der erschienenen Arbeitnehmer festgehalten. Es lagen von der Klägerin vorbereitete Mitarbeiterlisten des jeweiligen Standorts auf, in die sich jene Mitarbeiter, welche mittels Stimmzettels abgestimmt hatten, eintrugen. Jeder Mitarbeiter, der einen ausgefüllten Stimmzettel hatte, konnte sich in die Mitarbeiterliste eintragen, der Stimmzettel wurde dann in die Wahlurne gesteckt.
Insbesondere die Betriebsversammlung in Wien war von dem Umstand geprägt, dass viele Mitarbeiter in Eile waren und rasch ihre Stimmen abgeben wollten. So erschienen bereits fünf Minuten vor dem bekanntgegebenen Beginn um 13:30 Uhr Mitarbeiter, die abstimmen wollten. Aufgrund dieses Umstands konnten der vom Betriebsratsvorsitzenden beabsichtigte Verlauf der Versammlung und seine Präsentation nicht aufrecht erhalten werden, es herrschte ein „Kommen und Gehen“. Also präsentierte der Betriebsratsvorsitzende den zunächst Erschienen die leere Wahlurne, erklärte, dass es Stimmzettel und Wahlkabinen gab, und erläuterte die Stimmabgabe. Während der Betriebsversammlung waren gleichzeitig maximal zwischen 15 und 35 Personen anwesend. Als die Mitarbeiterin der Personalabteilung in Wien, E***** H*****, um 13:30 Uhr zur Betriebsversammlung in den bekanntgegebenen Saal ging, kamen ihr bereits Mitarbeiter wieder entgegen, welche ihre Stimme bereits abgegeben hatten. Als einziger war H***** E***** die gesamten 60 Minuten der Betriebsversammlung vor Ort an der Wahlurne anwesend. Er kontrollierte die Urne und die Mitarbeiterlisten. Eine Identitätskontrolle der Abstimmenden wurde nicht durchgeführt. Aufgrund Befürchtungen der Klägerin, das erforderliche Quorum nicht zu erreichen, wurden im Lauf der Abstimmung, also zwischen 13:30 Uhr und 14:30 Uhr, durch Betriebsratsmitarbeiter noch (hauptsächlich in der Cafeteria) Dienstnehmer aufgesucht, um diese zur Stimmabgabe zu bewegen.
Unmittelbar nach dem Ende der jeweiligen Teilversammlungen erfolgte die Auszählung der Stimmen.
In Wien wurde dies wiederum von H***** E***** durchgeführt, der zunächst überprüfte, ob die Anzahl der Unterschriften in den Mitarbeiterlisten mit der Anzahl der Stimmzettel übereinstimmte, in weiterer Folge die Kuverts öffnete, die Stimmzettel entnahm und sortierte. Dann wurden wiederum die Ergebnisse gezählt, rückgezählt und wiederum kontrolliert, ob dies zahlenmäßig übereinstimmt. Am Ende wurden die Stimmzettel einkuvertiert und versiegelt.
An den anderen Standorten wurde die Auszählung vom Betriebsratsvorsitzenden und einem weiteren Betriebsratsmitglied genauso durchgeführt.
Am Schluss wurde für sämtliche vier Standorte ein [gemeinsames; Anm] Auszählungsprotokoll verfasst. Als insgesamt Stimmberechtigte waren [richtig] 259 Personen angeführt, nämlich 182 in Wien, 44 in S 22 in A***** und 11 in L*****. Als abgegebene Stimmen wurden entsprechend der Reihenfolge der oben angeführten Standorte 86, 28, 16 und 10 festgehalten, davon wiederum entsprechend den Standorten an Ja-Stimmen 68, 20, 10 und 3.
Die vier – abgesehen von den unterschiedlichen Zeitangaben inhaltsgleichen – Niederschriften der vier Teilversammlungen lauteten:
„Tagesordnung:
- Begrüßung durch E
- Präsentation des Antrages zur Einführung eines Betriebsratsfonds
- E
1) Einführung eines Betriebsratsfonds gem. § 73 ff Arbeitsverfassungsgesetz
2
3
4) Im Falle der Auflösung des Betriebsratsfonds wird sein Vermögen zu gleichen Teilen an die Mitarbeiter/Innen der [Beklagten; Anm]
- Wortmeldungen zum Antrag
Es gibt einige Fragen aus dem Publikum, die durch die anwesenden Mitglieder des Betriebsrats beantwortet werden.
- Abstimmung über den Antrag
Es wird mit Stimmzetteln geheim abgestimmt.
- Allfälliges (keine Wortmeldungen zu TOP
Unmittelbar nach dem Ende der Betriebsversammlung erfolgt die Auszählung der Stimmen. Die Auszählung erfolgt öffentlich, alle Kolleginnen und Kollegen sind eingeladen, bei der Auszählung anwesend zu sein.“
Eine Mitarbeiterin in Wien erhob innerhalb der Wochenfrist Einspruch gegen die Niederschrift über die abgeführte Teilversammlung.
Es kann nicht festgestellt werden, welche Mitarbeiter der Beklagten sich am jeweiligen Standort an der Abstimmung beteiligt haben.
Rechtlich begründete das Erstgericht die Klagsabweisung damit, dass die Feststellung der Beschlussfähigkeit zu Beginn der Betriebsversammlung eine Gültigkeitsvoraussetzung für rechtmäßige Beschlüsse bilde. Sie habe coram publico zu erfolgen, um jedenfalls sicherzustellen, dass zu diesem Zeitpunkt jedenfalls die erforderliche Mehrheit gemeinsam anwesend ist. Dies sei bei der Teilversammlung in Wien zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen. Dem gesetzlichen Erfordernis der Feststellung des Präsenzquorums sei nicht Rechnung getragen worden. Ohne näher darauf einzugehen, inwiefern die Beklagte hier allenfalls zur Bekämpfung des gefassten Beschlusses legitimiert ist, sei bereits aufgrund des Vorbringens des Klägers selbst die Beklagte nicht verpflichtet, die Betriebsratsumlage einzuheben.
Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Klägers das Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. Die Tatsachenrüge des Klägers wurde verworfen. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dass entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts die Feststellung der Beschlussfähigkeit zu Beginn einer Teilbetriebsversammlung keine zwingende Voraussetzung für rechtmäßige Beschlüsse bilde. Für die Ermittlung der Mehrheits- und Anwesenheitserfordernisse sei lediglich die Gesamtheit der in den einzelnen Teilversammlungen abgegebenen Stimmen maßgebend. Die Beklagte sei zur Einhebung der Betriebsratsumlage verpflichtet, zumal keine zwingenden Grundsätze verletzt worden seien und jedenfalls auch der Wille der Belegschaft eindeutig zum Ausdruck gekommen sei. Der Betriebsinhaber habe kein Recht, die in § 73 Abs 3 ArbVG normierte Verpflichtung der Einbehaltung und Abführung der Betriebsratsumlage aus welchen Gründen auch immer zu verweigern. Das Recht auf Einhebung von Betriebsratsumlagen sowie das Recht auf deren Verwendung nach den § 73 und 85 ArbVG sei ein Alleinbestimmungsrecht der Belegschaft, das ihr die autonome Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten sichern solle. Dass die Beklagte die ihr auferlegte Verpflichtung zur Einhebung und Abführung der Betriebsratsumlage mit Hinweis auf einen nicht rechtswirksam zustandegekommenen Beschluss verweigern könne, bedeutete einen im Arbeitsverfassungsrecht nicht normierten unzulässigen Eingriff in das selbstständige Alleinbestimmungsrecht der Belegschaft. Daraus, dass Beiträge an den Betriebsrat oder an den Betriebsratsfonds, die trotz Fehlens eines gültigen Beschlusses der Betriebsversammlung geleistet wurden, von jedem einzelnen Arbeitnehmer nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zurückverlangt werden könnten und anders als bei einer gültigen Betriebsratsumlage (§ 73 Abs 3 ArbVG) der Arbeitgeber derartige, gesetzlich nicht gedeckte Beiträge nicht vom Lohn einbehalten dürfe, lasse sich nicht ableiten, dass der Beklagten als Arbeitgeberin das Recht zukomme, in den autonomen Befugnisbereich der Belegschaft einzugreifen.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob der Betriebsinhaber in zulässiger Weise die Einhebung und Abführung der Betriebsratsumlage unter Hinweis auf einen nicht rechtswirksam zustandegekommenen Beschluss im Sinne des § 73 ArbVG verweigern dürfe, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen das Berufungsurteil richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit einem auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Zur Verfahrensrüge:
Die Beklagte releviert einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen. Sie legt aber nicht dar, welches (Tatsachen-)Vorbringen sie erstattet hätte, wäre der betreffende Aspekt erörtert worden
. Im Falle der Behauptung der Verletzung der § 182, 182a ZPO muss der Rechtsmittelwerber darlegen, was er im Falle einer ordnungsgemäßen Erörterung zusätzlich oder anders (in tatsächlicher Hinsicht) vorgebracht hätte, weil nur auf dieser Grundlage die Wesentlichkeit des behaupteten Mangels beurteilt werden kann (Rassi in Fasching/Konecny3 II/3 § 182, 182a ZPO Rz 94 mzwN). Bloße Rechtsausführungen – wie sie hier die Beklagte unter Verweis auf ihre Rechtsrüge tätigt – sind kein solches Vorbringen. Die Verfahrensrüge kann daher keinen Erfolg haben.
Zur Rechtsrüge:
In ihrer Rechtsrüge hält die Beklagte ihren Standpunkt aufrecht, dass aus mehreren Gründen wegen Verletzung elementarster Grundsätze des Betriebsversammlungsrechts kein rechtsgültiger Beschluss auf Einführung einer Betriebsratsumlage vorliege (keine ausreichende Information und keine Diskursmöglichkeit in der Betriebsversammlung; Nichteinhaltung des Präsenzquorums von 50 %; unzulässige Durchführung einer „Wahl“; unterlassene Feststellung der Beschlussfähigkeit durch den Vorsitzführenden gemäß § 5 Abs 1 BRGO). Mangels Identitätskontrolle bei Eintragung in die Mitgliederliste sei auch, wie vom Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung richtig festgehalten, eine mehrfache Stimmabgabe nicht ausgeschlossen gewesen. Bei Ungültigkeit des Beschlusses der Betriebsversammlung und dem hier vorliegenden Wissen oder zumindest Wissenmüssen des Arbeitgebers von der Ungültigkeit dürften die gesetzlich nicht gedeckten Beiträge nicht vom Lohn einbehalten werden. Dies bedeute, dass bei mangelnder Gutgläubigkeit des Arbeitgebers der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber den von diesem zu Unrecht unter dem Titel „Betriebsratsumlage“ einbehaltenen Gehaltsbestandteil einfordern könne. Der Arbeitnehmer sei in diesem Fall nicht auf die Leistungskondiktion gegenüber dem Betriebsratsfonds beschränkt. Der Arbeitgeber sei Schuldner des gesamten dem Arbeitnehmer zustehenden Gehalts. Zahle der Arbeitgeber dieses dem Arbeitnehmer zustehende Gehalt wegen Einbehalts der „Betriebsratsumlage“ nicht zur Gänze aus und genieße er in Bezug auf die Unwirksamkeit der Betriebsratsumlage keinen Gutglaubensschutz, so schulde er dem Arbeitnehmer gegenüber die volle Gehaltszahlung ohne Abzug einer unwirksamen Betriebsratsumlage. Der Arbeitgeber müsste daher in diesem Fall dem klagenden Arbeitnehmer den fehlenden Gehaltsteil nachzahlen. Führe man diesen Gedanken unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Betriebsratsumlage vom Arbeitgeber jedenfalls abzuführen sei, zu Ende, komme man zum völlig unsachgemäßen Ergebnis, dass im Wissen um die fehlende Rechtsgrundlage der Arbeitgeber die Betriebsratsumlage abführen müsste, nur um dann Nachzahlungsansprüche der Arbeitnehmer gewärtigen zu müssen. Fraglich wäre in weiterer Folge, ob der Arbeitgeber mangels Gutgläubigkeit überhaupt einen Regressanspruch hätte und gegen wen dieser zu richten wäre, nämlich den Betriebsrat oder den Betriebsratsfonds, der jedoch möglicherweise mangels Rechtsgrundlage gar keine Partei-/Prozessrechtsfähigkeit hätte. In Anbetracht dieses Ergebnisses könne es nicht angehen, dass der Arbeitgeber kein Recht bzw keine Pflicht haben sollte, Einbehalt und Abführung der Betriebsratsumlage bei fehlender bzw ungültiger Rechtsgrundlage zu verweigern.
1. Zur Deckung der Kosten der Geschäftsführung des Betriebsrats und der Konzernvertretung sowie zur Errichtung und Erhaltung von Wohlfahrtseinrichtungen und zur Durchführung von Wohlfahrtsmaßnahmen zugunsten der Arbeitnehmerschaft und der ehemaligen Arbeitnehmer des Betriebs kann zufolge § 73 Abs 1 ArbVG von den Arbeitnehmern eine Betriebsratsumlage eingehoben werden, die höchstens ein halbes Prozent des Bruttoarbeitsentgelts betragen darf. Die Einhebung und Höhe der Betriebsratsumlage beschließt auf Antrag des Betriebsrats die Betriebs-(Gruppen-)Versammlung; zur Beschlussfassung ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der stimmberechtigten Arbeitnehmer erforderlich (§ 73 Abs 2 ArbVG). Die Umlagen sind vom Arbeitgeber vom Arbeitsentgelt einzubehalten und bei jeder Lohn-(Gehalts-)Auszahlung an den Betriebsratsfonds abzuführen (§ 73 Abs 3 ArbVG).
2. Die Einhaltung des im Gesetz vorgegebenen Präsenzquorums wird allgemein als Gültigkeitsvoraussetzung eines Beschlusses der Betriebsversammlung auf Einhebung einer Betriebsratsumlage angesehen (Kietaibl, Arbeitsrecht I10 111; Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 10/354; Radner/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5§ 73 ArbVG Rz 28; Gerhartl, Betriebsratsumlage und Betriebsratsfonds – Zwei Seiten einer Medaille, ASoK 2019, 23 [25]; vgl allgemein auch Kallab in Neumayr/Reissner, ZellKomm3§ 49 ArbVG Rz 5; Löschnigg in Jabornegg/Resch, ArbVG § 49 Rz 15; Schneller in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5§ 49 ArbVG Rz 4, 8).
3. Unterschiedlich werden die Folgen eines rechtsungültigen Beschlusses der Betriebsversammlung auf Einhebung einer Betriebsratsumlage beurteilt:
3.1. Löschnigg (in Jabornegg/Resch, ArbVG § 42 Rz 21) lehrt, dass die Ungültigkeit des Beschlusses über die Betriebsratsumlage dazu führe, dass für den einzelnen Arbeitnehmer keine Verpflichtung zur Leistung der Umlage entstehe. Würden dennoch Zahlungen erbracht, sei zu prüfen, ob der Arbeitnehmer auch ohne gültigen Beschluss diese Leistungen zur Unterstützung des Betriebsratsfonds bzw der Gesamtbelegschaft erbracht hätte. Im Übrigen kämen die allgemeinen Grundsätze über zivilrechtliche Leistungskondiktionen (§§ 1431 ff ABGB) zur Anwendung. Mangels eines rechtswirksamen Beschlusses dürfte auch der Arbeitgeber die Betriebsratsumlage nicht vom Entgelt in Abzug bringen. Da ihm aber die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses nicht möglich sei, könne er sich nur auf die Mitteilung des Belegschaftsorgans stützen. Eine Rückforderung von aufgrund fehlerhafter Beschlüsse der Belegschaftsversammlung ungerechtfertigt eingehobener Betriebsratsumlagen könne sich daher nicht gegen den Betriebsinhaber richten.
3.2. Priewasser (Der Betriebsratsfonds6 [2018] 54 f) wirft die Frage auf, ob der Betriebsinhaber im Falle von groben Verfahrensverstößen die Einhebung der Betriebsratsumlage verweigern kann. Da die entsprechenden Erklärungen über die Einhebung der Betriebsratsumlage vom jeweiligen Betriebsratsvorsitzenden stammten, könne auf die Rechtsprechung zur Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden im Zusammenhang mit der Stellungnahme zur Kündigung verwiesen werden. Demnach genieße der Betriebsinhaber, an den sich die Erklärung richte, vollen Vertrauensschutz. Die mangelnde Willensbildung innerhalb der Belegschaft könne an der Gültigkeit der Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden nur etwas ändern, wenn dem Betriebsinhaber bekannt sein musste, dass die nötige Willensbildung der Belegschaft nicht stattgefunden hat. Er sei aber weder berechtigt noch verpflichtet, Nachforschungen darüber anzustellen, ob ein Beschluss der Betriebs-(Gruppen-)Versammlung ordnungsgemäß zustandegekommen ist. Der Betriebsinhaber werde daher in offensichtlichen Fällen die Einhebung der Betriebsratsumlage ablehnen können, wenn zum Beispiel der Beschluss auf Einhebung nicht auf der Betriebsversammlung, sondern in einer Betriebsratssitzung gefasst wurde.
3.3. Nach Radner/Preiss (in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5§ 73 ArbVG Rz 5, 26) sind Leistungsklagen zur Rückforderung der Betriebsratsumlage nicht möglich, wenn die Umlage ordnungsgemäß beschlossen worden ist. Die Einhebung der Umlage setze einen gültigen Beschluss der Betriebsversammlung voraus.
3.4. Schneller (in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5§ 42 ArbVG Rz 17) vertritt die Ansicht, dass der Arbeitgeber anders als bei einer gültigen Betriebsratsumlage (§ 73 Abs 3 ArbVG) gesetzlich nicht gedeckte Beiträge nicht vom Lohn einbehalten dürfe. Beiträge an den Betriebsrat oder an den Betriebsratsfonds, die trotz Fehlens eines gültigen Beschlusses der Betriebsversammlung geleistet wurden, könnten von jedem einzelnen Arbeitnehmer nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zurückverlangt werden (Leistungskondiktion gemäß § 1431 ABGB).
Der Oberste Gerichtshof hat hierzu erwogen:
4.1. Die Betriebs-(Betriebshaupt-)Versammlung besteht aus der Gesamtheit der Arbeitnehmer des Betriebs (§ 41 Abs 1 ArbVG). Sie ist damit das „Basisorgan der Arbeitnehmerschaft im Betrieb“ (Kallab in Neumayr/Reissner, ZellKomm3§ 42 Rz 3). Weil ihr gemäß § 42 Abs 1 ArbVG unter anderem die Wahl des Wahlvorstands für die Betriebsratswahl (Z 2),
die
Beschlussfassung über dessen Enthebung (Z 5), die Beschlussfassung über die Enthebung des Betriebsrats (Z 4) und – hier von Relevanz – die Beschlussfassung über die Einhebung und die Höhe einer Betriebsratsumlage sowie über die Art und Weise der Auflösung des Betriebsratsfonds (Z 3) obliegt, kommt ihr für die Bildung des Vertretungsorgans gegenüber dem Betriebsinhaber (Betriebsrat) und von eigenständigen Finanzmitteln (Betriebsratsumlage, Betriebsratsfonds) entscheidende Bedeutung zu (Kallab aaO).
4.2. Bei all dem handelt es sich um strategische Entscheidungen der Gesamtheit der Arbeitnehmer des Betriebs. Es handelt sich – auch beim Recht auf Einhebung einer Betriebsratsumlage – um Alleinbestimmungsrechte (Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 11/025; Strasser/Jabornegg, Arbeitsrecht II4 345), die der Belegschaft die autonome Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten sichern (Löschnigg in Jabornegg/Resch, ArbVG § 42 Rz 2). Hierin liegt auch begründet, dass der Betriebsinhaber oder sein Vertreter im Betrieb nur auf Einladung der Einberufer an der Betriebsversammlung teilnehmen kann (§ 48 Satz 3 ArbVG).
4.3. Das ArbVG enthält keine Regelungen über eine Anfechtung von Entscheidungen der Betriebsversammlung. Ähnlich der Willensbildung des Betriebsrats (dazu RIS-Justiz RS0051490; Mosler in Tomandl, ArbVG § 71 Rz 13 uva) ist der Arbeitgeber weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die innere Willensbildung der Betriebsversammlung durchzuführen.
Ferner ist aus § 59, 60 ArbVG im Zusammenhang mit der Willensbildung der Belegschaft bei der Betriebsratswahl die grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers ersichtlich, dass der Betriebsinhaber nur ausnahmsweise zur Bekämpfung des Ergebnisses berechtigt ist. Einerseits kann er sich gegen die Existenz eines Betriebsrats stellen, dessen Wahl mit massivsten Mängeln, die zur Verletzung elementarster Grundsätze führen, belastet ist (§ 60 ArbVG; vgl zum „Zerrbild“ einer Wahl RS0051176; RS0051171). Andererseits kann er die Wahl des Betriebsrats nach § 59 Abs 2 ArbVG anfechten, wenn sie ihrer Art oder ihrem Umfang nach oder mangels Vorliegens eines Betriebs nicht durchzuführen gewesen wäre, was ja regelmäßig auch die Interessen des Betriebsinhabers berührt. Bei der bloßen Anfechtung einer Wahl nach § 59 ArbVG kann sich der Betriebsinhaber aber nicht auf Verletzungen von wesentlichen Bestimmungen des Wahlverfahrens oder leitenden Grundsätzen des Wahlrechts berufen.
Elementarste Grundsätze einer Wahl (8 ObA 2303/96a = DRdA 1998/5 [Marhold-Weinmeier] = ZAS 1998/7 [Jabornegg]) werden etwa dann verletzt, wenn nicht einmal die Merkmale einer Wahl erkennbar sind und die Wahl nur mehr als das Zerrbild einer Wahl bezeichnet werden kann (9 ObA 74/93 mwN).
Jedenfalls bei Beschlussfassungen der Belegschaft, die nicht unmittelbar die Interessen des Betriebsinhabers berühren (vgl aber auch insoweit 8 ObA 2303/96a = DRdA 1998/5 [Marhold-Weinmeier] = ZAS 1998/7 [Jabornegg]), besteht eine strikte Trennung zwischen Betriebsinhaber und Belegschaftsvertretung (vgl Gerhartl, Zu den Mitwirkungs- und Duldungspflichten des Betriebsinhabers im Vorfeld einer BR-Wahl, DRdA 2007, 202 [205]). Folge dieser Trennung ist, dass sich der Betriebsinhaber (bzw Arbeitgeber) nicht auf weniger gewichtige, im Rahmen der Entscheidungsfindung der Betriebsversammlung allfällig unterlaufene Rechtsverstöße berufen und hieraus für sich die Ungültigkeit eines Beschlusses der Betriebsversammlung ableiten kann.
4.4. Eine unmittelbare Interessenbeeinträchtigung des Betriebsinhabers durch die Beschlussfassung ist nicht ersichtlich. Die bloße administrative Abwicklung vermag diese nicht darzustellen. Von besonders massiven Verstößen im Sinne eines „Zerrbildes“ einer Betriebsversammlung kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein:
4.4.1. Die Stimmabgabe in der Betriebsversammlung hat gemäß § 5 Abs 4 Satz 1 Betriebsrats-Geschäftsordnung 1974 (BRGO, BGBl 1974/355 idgF) zwar grundsätzlich durch Handerheben zu erfolgen. Der Vorsitzführende kann aber stets, sofern es ihm zweckmäßig erscheint, die geheime Abstimmung mittels Stimmzettels vornehmen lassen (Satz 4 leg cit). Von dieser Möglichkeit wurde hier Gebrauch gemacht. Insofern liegt gar kein Verstoß vor.
4.4.2. Dass die bekanntgegebenen Beginn- und Endzeiten der Betriebsversammlung nicht strikt eingehalten und bereits offenbar ein paar Minuten verfrüht oder verspätet Stimmabgaben erfolgten, stellt jedenfalls keinen Verstoß gegen elementarste Grundsätze einer Wahl (bzw Abstimmung) dar, sodass sich der beklagte Arbeitgeber auf diesen Umstand nicht berufen kann.
4.4.3. § 67 Nationalrats-Wahlordnung sieht vor, dass der Wähler beim Wahlvorgang der Wahlbehörde eine Urkunde oder eine sonstige amtliche Bescheinigung vorzulegen hat, aus der seine Identität einwandfrei ersichtlich ist, etwa und insbesondere einen amtlichen Lichtbildausweis. Bei Nichtbesitz eines solchen Dokuments ist er nur dann zur Abstimmung zuzulassen, wenn er der Mehrheit der Mitglieder der Wahlbehörde persönlich bekannt ist und kein Einspruch erhoben wird. Eine derartige Vorschrift ist für Betriebsversammlungen nicht vorgesehen. Es ist grundsätzlich von einer beabsichtigten Lücke auszugehen (vgl 8 ObA 61/17d Pkt 8.1 = DRdA 2018/38 [Schneller] = ZAS 2018/51 [Hörmann]); sind doch die Arbeitnehmer dem Wahlvorstand häufig ohnehin persönlich bekannt. Aber auch bei anderer Beurteilung stellte der Umstand, dass im vorliegenden Fall keine Identitätsüberprüfung bei Einwurf des Stimmzettels in die Wahlurne durchgeführt wurde, sondern sich die Abstimmenden selbst in die aufliegende Mitarbeiterliste eintrugen, jedenfalls keine so massive Verletzung elementarster Grundsätze des Betriebsversammlungsrechts dar, welche von der beklagten Arbeitgeberin geltend gemacht werden könnte.
4.4.4. Gemäß § 73 Abs 2 2. Halbsatz ArbVG ist zur Beschlussfassung über die Einhebung und Höhe der Betriebsratsumlage die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der stimmberechtigten Arbeitnehmer erforderlich. Gemäß § 5 Abs 1 Satz 4 BRGO hat der Vorsitzführende bei Beginn der Betriebs-(Gruppen-, Betriebshaupt-)Versammlung, in der Beschlüsse gefasst werden sollen, die Beschlussfähigkeit festzustellen. Im vorliegenden Fall wurde § 5 Abs 1 Satz 4 BRGO zwar nicht entsprochen, es nahmen aber mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer der Beklagten an der geheimen Abstimmung teil. Ob – wie vom Kläger vertreten – § 5 Abs 1 Satz 4 BRGO bei Durchführung einer geheimen Abstimmung iSd § 5 Abs 4 BRGO, an der mehr als die Hälfte der Mitarbeiter teilnimmt, keine Bedeutung mehr besitzt, kann unbeantwortet bleiben. Selbst wenn man dies verneint und eine Verletzung von § 5 Abs 1 Satz 4 BRGO annimmt, so handelt es sich keinesfalls um eine Verletzung elementarster Grundsätze des Betriebsversammlungsrechts, welche von der beklagten Arbeitgeberin geltend gemacht werden könnte.
4.4.5. Dem Hinweis der Beklagten darauf, dass die feststehende gleichzeitige Anwesenheit von (deutlich) weniger als 50 % der Belegschaft dem Charakter einer Betriebsversammlung widerstreitet, zumal es hierdurch gerade nicht möglich ist, dass ein Mitarbeiter vor zumindest 50 % der Belegschaft seine Meinung kundtun und allenfalls hierdurch auch das Ergebnis der Betriebsversammlung beeinflussen kann, ist zutreffend. Letztlich ist damit aber bloß der Diskurs innerhalb der Belegschaft angesprochen. Es widerspräche der Belegschaftsautonomie, könnte sich der Arbeitgeber auf inhaltliche Mängel wie eine unzureichende Informationsbasis oder einen (mehr oder weniger) beeinträchtigten Diskurs bei der Entscheidungsfindung der Belegschaft berufen. Anderenfalls könnte der Arbeitgeber etwa auch bei Anwesenheit der gesamten Belegschaft aus dem Umstand, dass einem Mitarbeiter vom Vorsitzführenden eine Wortmeldung verweigert wurde und dieser Mitarbeiter hierdurch womöglich nicht das Ergebnis der Betriebsversammlung maßgeblich beeinflussen konnte, die Ungültigkeit des von der Betriebsversammlung gefassten Beschlusses ableiten. Dass die feststehende gleichzeitige Anwesenheit von (deutlich) weniger als 50 % der Belegschaft hier zu einer untolerierbaren Verzerrung des Ergebnisses geführt hat, ist im Übrigen nicht ersichtlich.
4.5. In entsprechender Anwendung der sich aus § 59, 60 ArbVG ergebenden Wertung kann sich die beklagte Arbeitgeberin daher – wie bereits vom Berufungsgericht erkannt – nicht auf einen allfällig vorliegenden, jedenfalls aber nicht als massive Verletzung elementarster Grundsätze des Betriebsversammlungsrechts zu wertenden Rechtsverstoß im Zuge der Beschlussfassung der Betriebsversammlung über die Einhebung einer Betriebsratsumlage berufen.
5. Gegen dieses Ergebnis, dass sie sich nicht auf die allenfalls vorliegende Rechtsungültigkeit der Beschlussfassung berufen kann, wendet die Beklagte ein, dass sie dann verpflichtet wäre, die Betriebsratsumlage an den Betriebsratsfonds abzuführen, aber die – zumindest ihrem Standpunkt nach – vorliegende Rechtsungültigkeit der Beschlussfassung dazu führte, dass Arbeitnehmer gegen sie Ansprüche auf Zahlung des restlichen Arbeitsentgelts (in Höhe von einer Promille) erheben könnten, sodass es ihr letztlich droht, doppelt in Anspruch genommen zu werden.
Der Oberste Gerichtshof hat hierzu erwogen:
5.1. Sollte die Beschlussfassung über die Einhebung der Betriebsratsumlage nicht rechtsgültig sein, ermöglicht dies – wie bereits in der Literatur ausgeführt (Löschnigg in Jabornegg/Resch, ArbVG § 42 Rz 21; Schneller in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5§ 42 ArbVG Rz 17; im Ansatz auch Radner/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5§ 73 ArbVG Rz 5) – nach den allgemeinen Grundsätzen über zivilrechtliche Leistungskondiktionen (§§ 1431 ff ABGB) eine Klage auf Rückforderung der Betriebsratsumlage.
5.2. Materiell-rechtlicher Schuldner der Betriebsratsumlage ist der einzelne Arbeitnehmer, der Betriebsratsfonds ist der Gläubiger der einzelnen umlagepflichtigen Arbeitnehmer (Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG § 73 Anm 5 [aE]; Strasser/Jabornegg, ArbVG3§ 73 Anm 11 und 14; dies, Arbeitsrecht II4 346; Neumayr in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 73 Rz 20).
5.3. Der Betriebsratsfonds ist gemäß § 74 Abs 1 ArbVG mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet. Er entsteht von Gesetzes wegen durch die Zuwendung von Vermögen zu dem in § 73 ArbVG bezeichneten Zweck (8 ObA 182/00y = DRdA 2002/1 [Holzer]; 8 ObA 13/05b = DRdA 2006/24 [Resch] mwH). Die Rechtspersönlichkeit des Betriebsratsfonds hängt damit nicht von der Gültigkeit des Beschlusses der Betriebsversammlung auf Einhebung einer Betriebsratsumlage ab, sondern nur davon, dass ihm tatsächlich zweckgewidmetes Vermögen zugekommen ist (Neumayr in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 74 Rz 1 mwH). Der Betriebsratsfonds ist – anders als zufolge § 53 Abs 1 ASGG die Betriebsversammlung – auch parteifähig (Neumayr in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 74 Rz 5; Kallab in Neumayr/Reissner, ZellKomm3§ 74 Rz 4; Gerhartl, ASoK 2019, 26).
5.4. Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt. Wenn § 73 Abs 3 ArbVG den Arbeitgeber verpflichtet, die Umlagen vom Arbeitsentgelt einzubehalten und bei jeder Lohn-(Gehalts-)Auszahlung an den Betriebsratsfonds abzuführen, so stellt dies materiell-rechtlich eine besondere gesetzliche Anweisung auf Schuld dar. Die Besonderheit liegt darin, dass das Gesetz selbst die Anweisung vornimmt. Das Gesetz substituiert die Anweisung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber, vom Arbeitsentgelt dem Betriebsratsfonds die Umlage auszuzahlen. Dass es keiner persönlichen Anweisung des einzelnen Arbeitnehmers bedarf liegt darin begründet, dass der Abzug der Betriebsratsumlage von seinem Arbeitsentgelt zugunsten des Betriebsratsfonds auch gegen seinen Willen erfolgen kann (vgl Radner/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5§ 73 ArbVG Rz 2). Das Recht zur Einhebung der Betriebsratsumlage ist ein solches der Belegschaft. Da § 73 Abs 3 ArbVG die persönliche Anweisung des Arbeitnehmers substituiert ist der Arbeitnehmer insoweit als Anweisender anzusehen.
5.5. Indem der Arbeitgeber der besonderen gesetzlichen Anweisung des § 73 Abs 3 ArbVG entspricht, erfüllt er seine Pflicht zur Auszahlung des betreffenden Teils des Arbeitsentgelts an den Arbeitnehmer und gleichzeitig der Arbeitnehmer seine Umlagepflicht gegenüber dem Betriebsratsfonds (vgl Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 Rz 716, 720).
5.6. Die Beschlussfassung über die Einhebung einer Betriebsratsumlage ist in dieser besonderen gesetzlichen Anweisungskonstruktion auf Schuld das Valutaverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer als Anweisenden (und materiell-rechtlich betrachtet Gläubiger des Arbeitsentgelts und gleichzeitig Schuldner der Betriebsratsumlage) und dem Betriebsratsfonds als Anweisungsempfänger (und materiell-rechtlich betrachtet Gläubiger der Betriebsratsumlagepflicht des einzelnen Arbeitnehmers). Bei Rechtsunwirksamkeit des Valutaverhältnisses hat nach allgemeinem Zivilrecht die Rückabwicklung zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger zu erfolgen (Koziol/Spitzer in KBB5 Vor § 1431–1437 Rz 5; Kerschner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3§ 1431 Rz 22). Damit müsste im Fall der Rechtsungültigkeit des Beschlusses der Betriebsversammlung auf Einhebung einer Betriebsratsumlage ein Arbeitnehmer gegen den Betriebsratsfonds die Kondiktionsklage auf Rückzahlung der rechtsgrundlos geleisteten Betriebsratsumlage erheben (vgl 8 ObA 11/18b: Klage einer Arbeitnehmerin gegen einen Betriebsratsfonds unter Geltendmachung der Unwirksamkeit des Einhebungsbeschlusses). Inwieweit die Möglichkeit einer allgemein wirksamen Klärung für alle Arbeitnehmer besteht, bedarf hier keiner Erörterung.
Auch aus einer kondiktionsrechtlichen Betrachtung lässt sich damit keine Begründung dafür ableiten, warum ein Arbeitgeber – abseits von Verstößen gegen elementarste Grundsätze des Betriebsversammlungsrechts – entgegen der Ausgestaltung der Einhebung einer Betriebsratsumlage als Alleinbestimmungsrecht der Belegschaft die Ungültigkeit des Beschlusses der Betriebsversammlung auf Einhebung einer Betriebsratsumlage dem Begehren nach § 73 Abs 3 ArbVG auf Einbehaltung und Abführen der Betriebsratsumlage an den Betriebsratsfonds entgegenhalten können sollte.
6. Das Klagebegehren ist als Feststellungsbegehren zu qualifizieren. Bloße rechtliche
Qualifikationen, Eigenschaften oder Vorfragen eines Rechts sind nicht feststellungsfähig (RS0038902 [T3]). Feststellungsfähig ist, dass die Beklagte verpflichtet ist, eine Betriebsratsumlage in Höhe von monatlich 0,1 % des jeweiligen Bruttogehalts, einzuheben und an den Betriebsratsfonds abzuführen. Dass diese Verpflichtung „aufgrund der Erfüllung der in den Teilbetriebsversammlungen, am in S*****, am in A***** und L***** sowie am in Wien, durchgeführten geheimen Abstimmungen erforderlichen, gesetzlichen Mehrheitserfordernisse und aufgrund des sohin rechtswirksam gefassten Beschlusses zur Einhebung einer Betriebsratsumlage“ besteht und dass der Betriebsratsfonds „somit errichtet“ ist, betrifft Vorfragen des feststellungsfähigen Rechts.
Die angefochtene Entscheidung war daher mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die betreffenden Teile des Feststellungsbegehrens aus dem klagsstattgebenden Urteilsspruch auszuscheiden sind.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 2, 58 Abs 1 ASGG iVm § 41 und 50 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBA00030.19Y.0724.000 |
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