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OGH vom 23.07.2019, 9ObA17/19v

OGH vom 23.07.2019, 9ObA17/19v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Bernhard Kirchl und Herbert Bauer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** R*****, vertreten durch Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5.854,30 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Ra 30/18m-16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist seit 1998 bei der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin als Copilot und seit 2002 als Kapitän beschäftigt. Der Dienstort (Homebase) des Klägers ist Wien (VIE), sein Wunschdienstort (Wunsch-Homebase) ist seit 2007 Bregenz/ACH (Altenrhein). Seit April 2013 wird der Flughafen Altenrhein von der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten nicht mehr angeflogen. Seither wurden dem Kläger Pendlertickets zwischen Innsbruck und Wien ausgestellt, die er auch benutzte. In Zürich wurde von der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin nie eine Homebase unterhalten. Der Kläger benutzte auch diese Strecke, wofür er zwischen und 5.854,30 EUR für Flugtickets zahlte.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren des Klägers auf Erstattung dieser Kosten und auf Feststellung, dass er Anspruch auf Pendlertickets für die Hin- und Rückflugstrecke zwischen der Homebase (VIE) und der Wunsch-Homebase Bregenz/ACH, eventualiter im eigenen Streckennetz der Beklagten zwischen Homebase (VIE) und Zürich (ZRH) habe, ab. In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Die geltend gemachte Nichtigkeit wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor. Die Entscheidung, ob eine Berufungsverhandlung im Einzelfall erforderlich ist, steht seit der Änderung des § 480 Abs 1 ZPO und dem Außerkrafttreten des § 492 ZPO durch das Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52, generell im Ermessen des Berufungsgerichts (RS0127242). Eine Verpflichtung zur Beweiswiederholung oder -ergänzung besteht nicht (RS0126298 [T1, T 5]). Das Unterbleiben der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung begründet daher keine Nichtigkeit (9 ObA 158/15y; 7 ObA 205/14v). Ist die abschließende Sacherledigung ohne Berufungsverhandlung möglich, begründet es auch keinen Verfahrensmangel, wenn die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung erledigt wird (RS0125957).

2. Das Berufungsgericht nahm von der Prüfung einer kollektivvertraglichen Anspruchsgrundlage nach Maßgabe des Kollektivvertrags der Tyrolean Airways Tiroler Luftfahrt GmbH (VO KV Bord) bzw des Kollektivvertrags für das Bordpersonal der A***** Group (KV Bord 2015) Abstand, weil der Kläger in der Berufung darauf nicht zurückgekommen sei (Berufungsurteil S 27). Das wird vom Kläger im Revisionsverfahren nicht in Frage gestellt (vgl dazu RS0043603 [T9]). Nach ständiger Rechtsprechung können aber, wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden, jedenfalls wenn es um mehrere selbstständig zu beurteilende Rechtsfragen geht (RS0043338 [T13]).

3. Der Klagsanspruch ließe sich aus den maßgeblichen Kollektivvertragsnormen aber ohnedies nicht ableiten:

§ 19 des VO KV-Bord definierte den Wunschdienstort als „die vom Dienstnehmer als Homebase angestrebte Crew-Base des Unternehmens“. Punkt 11.17 des KV Bord 2015 sieht vor:

11.17 Homebase (Dienstort): Der vertraglich vereinbarte Ort, an dem ein Dienstnehmer stationiert und an dem der Dienstgeber grundsätzlich nicht für seine Unterkunft verantwortlich ist. Der Dienstgeber ist im Rahmen dienstlicher Einsätze für den Transport ab diesem Dienstort verantwortlich. Der Katalog möglicher Homebases wird vom Unternehmen festgelegt. Vor Neueröffnung oder Schließung einer Homebase ist dem Betriebsrat die Möglichkeit zur Beratung zu geben.

11.17.1 Wunsch-Homebase (Wunschdienstort): Die vom Dienstnehmer angestrebte Homebase. Regelungen über die Berücksichtigung der Wunsch-Homebase können mittels Betriebsvereinbarung getroffen werden.

Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen kommt als Wunsch-Dienstort daher von vornherein nur eine „Crew-Base des Unternehmens“ (VO KV Bord) bzw ein vom Unternehmen als Homebase festgelegter Ort (KV Bord 2015) in Betracht. Eine solche war in Zürich aber nie gegeben. Es ist auch keine kollektivvertragliche Bestimmung ersichtlich, aus der der Kläger einen Anspruch auf Pendlertickets von und nach Bregenz/ACH ableiten könnte, muss die Beklagte nach Punkt 37.2. KV Bord 2015 doch nur Tickets auf Stand-By-Basis für Flüge im eigenen Streckennetz zur Verfügung stellen. In diesem gibt es aber keine Flüge zwischen Altenrhein und Wien mehr. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte Teile der Cockpitbesatzung noch der Basis ACH zuordnen mag (E-Mail Beil ./4), lässt sich kein kollektivvertraglicher Anspruch auf entsprechende Pendlertickets ableiten. Auf die vermeintlichen Aktenwidrigkeiten kommt es danach nicht an.

4. Anders als die Vorinstanzen sieht der Kläger in einer E-Mail der administrativen Leiterin der Rechtsvorgängerin der Beklagten auch eine individuelle Zusage von Pendlertickets von/nach Zürich.

Wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen, insbesondere auch, ob eine Erklärung ein Anerkenntnis darstellt, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0042555, RS0044468, RS0017965). Das ist auch hier nicht der Fall. Schon aus der Erklärung selbst („ich kopiere alle zuständigen Stellen ein, die für das Thema Pendlertix zuständig sind. Damit sollte das 'umschreiben' erledigt sein, wenn es noch Fragen gibt, werden sich die Damen bei euch melden“) ergibt sich nicht zwangsläufig ein rechtsverbindliches Anerkenntnis dahin, dass der Kläger in Zukunft Anspruch auf Ausstellung von Pendlertickets von/ab Zürich hätte. Das kann hier umso mehr gelten, als auch der Kläger lediglich von einer „administrativen Umschreibung“ der Tickets in Form einer „administrativen Umsetzung“ ohne dienstvertragliche Änderung ausgeht. Auf die Frage, ob die Leiterin für eine solche Zusage tatsächlich oder nach den Grundsätzen einer Anscheinsvollmacht vertretungsbefugt gewesen wäre, sowie auf Fragen im Zusammenhang mit einem Formerfordernis kommt es danach nicht an.

5. Auch die Berufung des Klägers auf
den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
(s RS0060204) stützt den Klagsanspruch nicht, weil jene Mitarbeiter, mit denen sich der Kläger vergleicht, in Bregenz/ACH keinen Wunschdienstort haben.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00017.19V.0723.000

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