OGH vom 29.05.2012, 9ObA17/12h

OGH vom 29.05.2012, 9ObA17/12h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Kutis und Ing. Thomas Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei T***** P*****, vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wider die beklagte Partei DI Dr. R***** B*****, vertreten durch Dr. Ragossnig Partner Rechtsanwalts GmbH in Graz, wegen 16.099,99 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Ra 55/11x-21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu der Beurteilung der Vorinstanzen, das am im Anschluss an ein früheres Dienstverhältnis abgeschlossene neue Dienstverhältnis der Klägerin unterliege ex lege dem System der „Abfertigung neu“ zeigt die Revision der Klägerin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Liegt, wie hier, keine Umstiegsvereinbarung iSd § 47 Abs 1 BMSVG vor, sieht § 46 Abs 3 BMSVG für Arbeitsverhältnisse, deren vertraglich vereinbarter Beginn nach dem liegt, in drei Fällen den Verbleib von Arbeitnehmern, die den bisherigen Abfertigungsregelungen unterlegen sind, im alten Abfertigungssystem vor (Wiedereinstellungszusagen oder -vereinbarungen; Wechsel im Konzern; Kollektivvertragliche Anrechnung von Vordienstzeiten bei unterbrochenen Arbeitsverhältnissen).

2. Die Klägerin bestreitet nicht, keinen dieser Tatbestände zu erfüllen, ist aber der Ansicht, am kein „neues“ Dienstverhältnis begründet zu haben, weshalb das Übergangsrecht des § 46 BMSVG für sie nicht maßgeblich sei. Ihre Beschäftigung sei vielmehr iSd § 23 Abs 1 S 3 AngG als ununterbrochen anzusehen.

3. In der Literatur wird kontroversiell diskutiert, in welchem Ausmaß die „Unterbrechungsjudikatur“ zu § 23 Abs 1 S 3 AngG bei unmittelbar aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen auch unter der Geltung des § 46 Abs 1 Z 3 BMSVG weiter Anwendung findet (s etwa Höfle , Abfertigung neu [BMVG] Lösung arbeits- und leistungsrechtlicher Fragen, ASoK 2002, 409, 413; B. Gruber , Welche Arbeitsverhältnisse unterliegen dem neuen Abfertigungsrecht? ZAS 2003, 4, 8; Schrank , Verbleib in der Abfertigung „Alt“ bei neuem Arbeitsverhältnis/neuem Arbeitgeber? ecolex 2004, 122; Kristen/Pinggera/Schön , Abfertigung Neu BMVG [2004] 229; Neubauer/Rath/Hof-bauer/Choholka , Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz [2008] § 46 Rz 5; K. Mayr in ZellKomm 2 , BMSVG § 46 Rz 3).

4. Einer Auseinandersetzung damit bedarf es jedoch schon deshalb nicht, weil auch im Fall der von der Klägerin angestrebten Anwendung des § 23 Abs 1 S 3 AngG nicht von einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis auszugehen ist:

Nach der Rechtsprechung bedeutet § 23 Abs 1 S 3 AngG, dass bei der Ermittlung der für das Entstehen und die Höhe des Abfertigungsanspruchs nach § 23 Abs 1 AngG maßgebenden „ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses“ alle in unmittelbar aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber also über den engeren Wortlaut des Gesetzes hinaus auch in mehreren aufeinanderfolgenden Angestelltenverhältnissen erworbenen Anwartschaften zusammenzurechnen sind (s RIS-Justiz RS0028390). Auch eine verhältnismäßig kurze Frist zwischen dem Ende des einen und dem Beginn des nächsten Arbeitsverhältnisses schadet nicht, wenn die Umstände auf eine sachliche Zusammengehörigkeit der beiden Arbeitsverhältnisse deuten (RIS-Justiz RS0028387). Aus welchen Gründen das vorangehende Arbeitsverhältnis beendet wurde, ist unerheblich. Selbst die Beendigung des vorhergehenden Arbeitsverhältnisses durch Entlassung schadet nicht, weil durch den alsbaldigen Neuabschluss in der Regel auch jene Situation bereinigt wird, in der der Gesetzgeber Abfertigungsansprüche versagt (9 ObA 268/00b; 9 ObA 9/02t; 8 ObA 5/11t).

5. Dagegen wurde in dem der Entscheidung 8 ObA 5/11t zugrunde liegenden Sachverhalt (Entlassung eines Arbeitnehmers; fünf Tage später Neueinstellung zu schlechteren Bedingungen und spätere Vereinbarung der Anrechnung der Vordienstzeiten auf den Abfertigungsanspruch) ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis verneint, weil die Streitteile keine Fortsetzung des alten Arbeitsverhältnisses gewollt hatten und eine gesonderte Vereinbarung über die Anrechnung der Vordienstzeiten trafen, weshalb das Fehlen eines inneren Zusammenhangs der Arbeitsverhältnisse für vertretbar erachtet wurde.

Ähnlich stellt Schrank aaO 123, einem Neubeginn jene Fälle gleich, in denen ein Arbeitsverhältnis einvernehmlich endet und hierfür eine Abfertigung ausbezahlt wird, aber schon mit dem (meist) nächsten Tag ausdrücklich ein neues Arbeitsverhältnis mit schlechteren Entgeltbedingungen begründet wird.

Zu bedenken ist auch, dass nach der Rechtsprechung bereits abgefertigte Dienstzeiten beim selben Arbeitgeber nur in dem Ausmaß zu berücksichtigen sind, in dem sie im abgefertigten Arbeitsverhältnis bei der Ermittlung der Abfertigungshöhe nicht zum Tragen gekommen sind (9 ObS 8/91; RIS-Justiz RS0028571; Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer , AngG § 23 Rz 17 mwN).

6. Davon ausgehend kann sich die Klägerin aber nicht erfolgreich auf die Anwendung von § 23 Abs 1 AngG stützen: Ihr Dienstverhältnis wurde im November 2002 gekündigt und abgerechnet; sie erhielt eine Abfertigung ausbezahlt. Der Neuabschluss wurde erst Monate später, wenngleich in der noch laufenden Kündigungsfrist, ausverhandelt und erfolgte nicht im Sinne der erwähnten Judikatur zur Bereinigung einer Situation, in der der Gesetzgeber Abfertigungsansprüche versagt, sondern lag im Interesse der Klägerin an einer Fortführung des Unternehmens. Dass die Streitteile nach ihrer inneren Intention keine Verlängerung des ersten Dienstverhältnisses abschließen wollten, geht auch daraus hervor, dass sie die Anrechnung der Vordienstzeiten der Klägerin sowie ein neu gestaltetes Entlohnungsschema für sie vereinbarten, nach dem sie künftig von einem monatlichen Abzug des Arbeitgebers von 300 EUR abgesehen zur Hälfte am Gewinn beteiligt werden sollte. Wenn die Vorinstanzen nach dem Parteiwillen hier nicht von einem iSd § 23 Abs 1 AngG ununterbrochenen, sondern von einem „neuen“ Dienstverhältnis ab April 2003 ausgingen, so ist dies völlig vertretbar.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.