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OGH vom 16.04.2013, 10ObS22/13b

OGH vom 16.04.2013, 10ObS22/13b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Susanne Jonak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich- Hillegeist Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Witwenpension, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 23 Rs 54/12f 20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am verstorbene Ehemann der Klägerin bezog zuletzt eine Pension in Höhe von 832,21 EUR brutto monatlich (ON 2). Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde der Klägerin ab eine Witwenpension nach ihrem verstorbenen Ehemann in Höhe von 499,33 EUR (nur in der Begründung wurde angeführt, dass sich ein Erhöhungsbetrag von 499,33 EUR ergebe, weil die Summe aus Eigeneinkommen der Witwe und der Witwenpension nicht den im § 264 Abs 6 ASVG festgesetzten Betrag erreiche) zuerkannt. Dabei blieb von der beklagten Partei irrtümlich unberücksichtigt, dass die Klägerin wie sie bereits in ihrem Antrag auf Witwenpension bekanntgegeben hatte ein eigenes Einkommen von damals 2.224,48 EUR monatlich bezog. Im Jänner 2011 erhöhte sich das Monatseinkommen der Klägerin auf 2.263,48 EUR brutto.

Nach Erkennen des Irrtums erließ die beklagte Partei einen Bescheid vom , mit dem sie aussprach, dass die zuletzt mit Bescheid vom festgestellte Witwenpension ab monatlich 0 EUR betrage und der entstandene Überbezug in Höhe von 3.302,49 EUR rückgefordert werde. Mit einem weiteren Bescheid (der kein Datum trägt) wurde erneut ausgesprochen, dass die Witwenpension ab monatlich 0 EUR betrage, wobei nunmehr der entstandene Überbezug mit 2.860,23 EUR bemessen und rückgefordert wurde. Schließlich wurde mit einem (dritten) Bescheid vom wiederum ausgesprochen, dass die mit Bescheid vom festgestellte Witwenpension ab monatlich 0 EUR betrage, wobei nunmehr der Rückforderungsbetrag auf die seit ausbezahlte Pensionsleistung von 1.438,65 EUR reduziert wurde.

Gegen diese drei Bescheide richtet sich die Klage der Klägerin mit dem Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Witwenpension in der mit Bescheid vom festgestellten Höhe weiterhin zu gewähren und festzustellen, dass von jeglicher Rückforderung Abstand zu nehmen sei.

Die Beklagte wendete soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich ein, gemäß § 264 Abs 7a ASVG sei der Erhöhungsbetrag der Witwenpension in Entsprechung der Sachlage auch von Amts wegen (neu) und zwar im Hinblick auf die irrtümliche Nichtberücksichtigung des Einkommens der Klägerin mit 0 EUR festzusetzen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge und erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin die Witwenpension ab auf Basis des zuerkennenden Bescheids vom zu gewähren. Weiters stellte es fest, dass die Klägerin nicht zum Rückersatz der in den angefochtenen Bescheiden rückgeforderten Beträge verpflichtet sei. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, § 264 Abs 7 und 7a ASVG könnte auch bei künftigen Anpassungen keine Grundlage für eine Leistungsänderung im Sinne der von der Beklagten vorgenommenen Korrektur des Berechnungsfehlers bilden. § 264 Abs 7 und 7a ASVG regle, unter welchen Voraussetzungen eine Neufeststellung der Erhöhung erfolge, ermögliche aber nicht einen Eingriff in den rechtskräftigen Pensionsgewährungsbescheid.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Nach ständiger Rechtsprechung zu den § 99 Abs 1 ASVG,§ 67 Abs 1 GSVG und § 9 Abs 4 BPGG rechtfertige die nachträgliche Erkenntnis, die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch seien zur Zeit der Zuerkennung nicht vorhanden gewesen, nicht die Entziehung der Leistung. Vielmehr stehe die Rechtskraft der seinerzeitigen Entscheidung dieser Entziehung entgegen, weil Rechtssicherheit vor Rechtmäßigkeit gereiht werde. Zu der dem § 264 Abs 7 ASVG ähnlichen Bestimmung des § 145 Abs 7 GSVG sei in der Entscheidung 10 ObS 72/98f, SSV NF 12/49, bereits ausgesprochen worden, dass diese niemals eine Grundlage für eine Korrektur eines seinerzeitigen Berechnungsfehlers abgeben könne, dies auch nicht für künftige Anpassungen.

In ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten außerordentlichen Revision beantragt die beklagte Partei, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die ab gebührende Witwenpension mit dem Betrag von Null neu berechnet werde. Der Irrtum sei nicht (wie bei dem der Entscheidung 10 ObS 72/98f zu Grunde liegenden Sachverhalt) bei Errechnung des Basisprozentsatzes, sondern bei Errechnung des variablen Hundertsatzes (Erhöhungsbetrags) unterlaufen. Die ab erfolgte Einkommenserhöhung rechtfertige die Neufeststellung des Erhöhungsprozentsatzes, ohne dass eine Bindung an die Grundlagen früherer Entscheidungen gegeben wäre. Der Rechtsstandpunkt, es bestehe ein rückforderbarer Überbezug, werde nicht mehr aufrecht erhalten.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei erhobene Revision ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Die Höhe der Witwen (Witwer )Pension beträgt seit dem Stichtag zwischen 0 % und 60 % der (fiktiven) Pension des/der Verstorbenen ( Milisits/Wolf/Hollarek 2 , Handbuch zur gesetzlichen Pensionsversicherung in Österreich, 145). Maßgebend für die Höhe des Prozentsatzes ist die Relation der Einkommen des verstorbenen und des überlebenden Ehepartners in den letzten zwei Kalenderjahren vor dem Zeitpunkt des Todes des (der) Versicherten ( Teschner/Widlar/Pöltner , ASVG, 110 Erg. Lfg. § 264 Rz 2). Dabei ist für die Berechnungsgrundlage der sogenannte Hundertsatz („Basisprozentsatz“) entsprechend der Pensionsberechnungsformel nach § 264 Abs 2 ASVG zu ermitteln.

2. Für Hinterbliebene mit geringem (Eigen )Einkommen besteht eine untere Schutzgrenze. § 264 Abs 6 ASVG regelt die Erhöhung des Hundertsatzes, wenn sich ergibt, dass die Summe aus eigenem Einkommen der Witwe und der nach Abs 2 ermittelten Witwenpension niedriger als 1.696,27 EUR (Wert für 2010 gemäß BGBl II 2009/450) bzw niedriger als 1.716,63 EUR (Wert für 2011 gemäß BGBl II 2010/403) ist. In diesem Fall wird die Leistung auf 60 % erhöht, höchstens aber soweit, bis das Gesamteinkommen diesen Grenzbetrag erreicht. 60 % dürfen daher keinesfalls überschritten werden ( Sonntag , ASVG 3 § 264 Rz 22).

3. Die nach § 264 Abs 2 ASVG ermittelte Basispension bleibt abgesehen von inflationsbedingten Anpassungen unverändert. Es ändert sich nur der Erhöhungsbetrag, wobei § 264 Abs 7 und 7a ASVG nähere Ausführungsbestimmungen hinsichtlich des Beginns und der Dauer der Erhöhung bzw Verminderung enthalten.

4. Unbestritten ist, dass im vorliegenden Fall infolge der Höhe des Einkommens der Klägerin der Hundertsatz richtigerweise 0 % betragen würde. Weiters ist unbestritten, dass die Voraussetzungen für die Errechnung eines Erhöhungsbetrags nach § 264 Abs 6 ASVG (im Jahr 2010) nicht vorlagen, übersteigt doch das Eigeneinkommen der Klägerin den Betrag von 1.696,27 EUR bei weitem. Dennoch hat die beklagte Partei fälschlicherweise die Pension nicht mit Null bemessen, sondern mit 499,33 EUR, was darauf zurückzuführen ist, dass irrtümlich ein „Erhöhungsbetrag“ ohne Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin errechnet wurde. An diesen rechtskräftigen, wenngleich fehlerhaften (gesetzwidrigen) Bescheid der Verwaltungsbehörde sind die Gerichte gebunden (RIS Justiz RS0036981).

5.1. Ob die irrtümliche Nichtberücksichtigung des Einkommens bereits bei Ermittlung des Hundertsatzes („Basisprozentsatzes“) nach Abs 2 unterlief oder wie sich aus der Bescheidbegründung ergibt zwar der Hundertsatz noch richtig mit Null ermittelt und das eigene Einkommen der Klägerin fälschlicherweise erst bei Ermittlung des Erhöhungsbetrags nach § 264 Abs 6 ASVG außer Acht gelassen wurde, ist nicht maßgeblich. Tatsächlich lagen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 264 Abs 6 ASVG für den Erhöhungsbetrag nicht vor, weil das eigene Einkommen der Witwe den dort genannten Betrag überstieg. Die bescheidmäßig festgesetzten 499,33 EUR können daher schon begrifflich keinen „Erhöhungsbetrag“ im Sinne dieser Gesetzesbestimmung darstellen, mag die Revisionswerberin diese Bezeichnung (in konsequenter Verfolgung des unterlaufenen Irrtums) auch noch in ihrem Rechtsmittel verwenden. Richtigerweise handelt es sich bei den bescheidmäßig festgesetzten 499,33 EUR um das wenngleich unzutreffende Ergebnis der Festsetzung einer Witwenpension nach dem verstorbenen Ehemann. Diesem Ergebnis steht auch die Rechtskraft des Bescheids vom nicht entgegen, weil nur der Spruch des Bescheids der Verwaltungsbehörde, also das, was die Verwaltungsbehörde verfügt hat, für die Gerichte verbindlich ist, nicht aber die Bescheidbegründung (RIS Justiz RS0036948).

5.2. In der Entscheidung 10 ObS 72/98f, SSV NF 12/49, wurde zu dem (gleichgelagerten) § 145 GSVG aber bereits ausgesprochen, dass dann, wenn die Pensionshöhe das Ergebnis einer Festsetzung der Pension nach § 145 Abs 2 GSVG sei, § 145 Abs 7 GSVG niemals eine Grundlage für eine Korrektur eines seinerzeitigen Berechnungsfehlers abgeben könne, dies auch nicht für künftige Anpassungen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, auch im vorliegenden Fall rechtfertige § 264 Abs 7 bzw 7a ASVG nicht die im angefochtenen Bescheid zwecks Korrektur des seinerzeitigen Berechnungsfehlers vorgenommene Herabsetzung der Pension auf 0 EUR, weicht von dieser Entscheidung nicht ab.

Diese Erwägungen führen zur Zurückweisung der Revision als unzulässig.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00022.13B.0416.000