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OGH vom 15.02.2001, 8ObA30/01x

OGH vom 15.02.2001, 8ObA30/01x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Ing. Hugo Jandl und Dr. Helmut Szongott als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Michael R*****, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Heimo H*****, Rechtsanwalt, ***** als Masseverwalter in den Konkursen über die Vermögen der 1. Johann R***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, und der 2.) Johann R***** Gesellschaft mbH, *****, wegen Feststellung (Streitwert S 784.896,--), über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse S 660.299,94) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 192/00k-53, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 31 Cga 1/98b-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 23.488,-- (darin enthalten S 3.948,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der seit 1978 bei der ersten Gemeinschuldnerin, der Johann R***** GmH & Co KG, als Orthopädietechniker mit einem Bruttogehalt von zuletzt S 47.989,-- beschäftigte Kläger schloss mit dieser im Jahr 1994 eine schriftliche Vereinbarung, in der neben einer 2 %igen Umsatzbeteiligung und der Beistellung eines Dienst-PKW ua auch ein Verzicht des Arbeitgebers auf Kündigung vorgesehen war.

An der KG waren als Kommanditisten mit einer Vermögenseinlage von je S 28.000,-- Christa H*****, Anneliese W***** und Dr. Walter R***** sowie mit einer Vermögenseinlage von S 114.000,-- Johann R***** beteiligt. Komplementärin war die Johann R***** Gesellschaft mbH. Johann R***** ist der Halbbruder des Klägers. Er war nicht nur Prokurist der KG, sondern auch Geschäftsführer der Komplementär GmbH.

Im September 1996 wollte eine vom Kläger schon seit vielen Jahren betreute 80-jährige Kundin eine Oberschenkelprothese nicht auf Kosten der Sozialversicherungsanstalt, sondern auf eigene Kosten neu anfertigen lassen. Dazu teilte der Kläger ihr mit, dass sie die Prothese billiger bekäme, wenn sie keine Rechnung benötige. Darauf meinte die Kundin, dass sie die Prothese "schwarz" bezahlen werde. Der Kläger erörterte dann mit dem Geschäftsführer die Vorgangsweise, der meinte, dass die Kundin das Geld auf das Konto des Klägers überweisen sollte und nicht auf das Geschäftskonto. Die Kundin bezahlte dann, obwohl die Sozialversicherungsanstalt dafür aufgekommen wäre, die Prothese "schwarz". Dabei zahlte sie 30 % weniger als im Falle einer Rechnungslegung. Sie überwies S 47.500,-- auf das Konto des Klägers. Der Kläger, der das Geld als Schwarzgeld für den Geschäftsführer, seinen Halbbruder, ansah behob den gesamten Geldbetrag und übergab ihn dem Geschäftsführer. Von diesem erhielt er jedoch 10 % zurück. Der Kläger nahm nicht an, dass der Geschäftsführer einen Anteil auf das Geschäftskonto einzahlen würde; dies war ihm auch egal. Die Prothese wurde während der Dienstzeit des Klägers und auch mit Betriebsmitteln der KG hergestellt. Ähnliches ereignete sich im Jahre 1997 bei einem anderen Kunden, bei dem der Kläger gleich ohne weitere Rücksprache mit dem Geschäftsführer den Betrag auf sein Konto überweisen ließ und sich auch sofort 10 % davon behielt und den Rest dem Geschäftsführer ausfolgte.

Dem Kläger war bekannt, dass der Geschäftsführer nicht allein Gesellschafter der KG ist. Mit den weiteren Gesellschaftern hat er die Abwicklung dieser Geschäfte nicht besprochen. Die Geldbeträge sind auch nicht der KG zugeflossen.

Im November 1997 wurde die KG von der K*****-Gruppe übernommen und ein neuer Geschäftsführer bestellt. Als die KG am von der Sozialversicherungsanstalt befragt wurde, warum die 80-jährige Kundin ihre Prothese selbst zahlen musste, ergaben Erhebungen, dass die Überweisung auf das Konto des Klägers erfolgte. Dieser wurde dann bereits am Vormittag dieses Tages entlassen. Es wurde jedoch dann in weiterer Folge auch die Möglichkeit einer Wiedereinstellung mit bestimmten ungünstigeren Bedingungen angeboten. Voraussetzung war jedoch, dass der Kläger seine Einstellung hinsichtlich der Durchführung von Schwarzgeschäften geändert hätte. Dieser zeigte jedoch keine Einsicht. Bei den Gesprächen bestritt der Kläger auch trotz mehrmaligen Befragens das Vorliegen gleichgelagerter Fälle. Der zweite "Schwarzgeldfall" kam nur dadurch auf, dass der die Überweisung betreffende Beleg am Tag nach der Entlassung im Papierkübel des Klägers gefunden wurde.

Nach seiner Entlassung begann der Kläger bei einer anderen Orthopädiegesellschaft, an der er auch beteiligt ist, zu einem Bruttogehalt von S 44.000,-- zu arbeiten.

Der Kläger begehrte zuletzt die Feststellung einer Forderung von S 784.896,-- als Konkursforderung im Konkursverfahren der beiden Gemeinschuldnerinnen. Er machte damit im Wesentlichen seine Ansprüche auf Prämien und Entgelt für Dezember 1997 im Umfang von S 61.824,--; seine Ansprüche aus der Differenz zwischen seinem Gehalt bei der Gemeinschuldnerin und dem neuen Arbeitgeber von Mai 1998 bis April 2000 im Ausmaß von S 555.072,-- und einen restlichen Provisionsanspruch für Oktober 1995 bis Dezember 1996 in Höhe von S 168.000,-- geltend. Die ungeachtet des wirksam vereinbarten Kündigungsverzichtes ausgesprochene Entlassung sei unberechtigt. Dem Kläger stehe es zu, Schadenersatz ausgehend von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu begehren. Die mangelnde Berechtigung der Entlassung ergebe sich daraus, dass der Arbeitgeber selbst die Verrechnung ohne Rechnungslegung angeordnet habe. Dass der Entlassungsgrund nicht bestand, ergebe sich auch daraus, dass dem Kläger unmittelbar nach der Entlassung der Abschluss eines Arbeitsvertrages zu einem deutlich geringeren Entgelt angeboten wurde.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass die Entlassung berechtigt erfolgt sei, da der Kläger zweimal von ihm betreute Kunden veranlasst habe, das Entgelt auf sein Privatkonto einzuzahlen. Auch bei Erörterung der Vorfälle habe er keinerlei Einsicht gezeigt. Der Arbeitgeber des Klägers sei nicht der Geschäftsführer gewesen, sondern die KG. Der Kläger habe jedenfalls zum Nachteil der ihm auch persönlich bekannten anderen Gesellschafter gehandelt. Jedenfalls stünden dem Kläger allfällige Ansprüche auf Kündigungsentschädigung nur ausgehend von einer viermonatigen Kündigungsfrist zu.

Kompensando wandte der beklagte Masseverwalter auch die der Gesellschaft durch die Schwarzgeschäfte entzogenen Beträge von zusammen S 50.182,-- ein.

Der neue Dienstvertrag sei dem Kläger unter anderem mit dem Inhalt vorgelegt worden, dass er es mit sofortiger Wirkung hinkünftig unterlässt, im Geschäftsbetrieb für eigene oder fremde Rechnung Handelsgeschäfte abzuschließen. Eine wesentliche finanzielle Schlechterstellung für den Kläger sei im Dienstvertrag nicht vorgesehen gewesen.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung im Ausmaß von S 124.596,06 an Umsatzbeteiligung für den Zeitraum vom Oktober 1995 bis Dezember 1996, die Prämie von November 1997 und das anteilige Gehalt für Dezember 1997 als von der Entlassung unabhängig zu Recht bestehend fest, ebenso aber die eingewendete Gegenforderung im Ausmaß von S 50.182,--. Es erkannte insgesamt das Klagebegehren mit S 124.596,06 brutto abzüglich S 50.182,-- netto als berechtigt, wies jedoch das Mehrbegehren ab. Es folgerte rechtlich aus den einleitend dargestellten Feststellungen, dass der Kläger im bewussten gemeinsamen Zusammenwirken mit dem Geschäftsführer seinem Arbeitgeber, der KG, einen Schaden zugefügt habe. Dies verwirkliche den Entlassungsgrund der Untreue im Dienst, weshalb die Entlassung berechtigt sei und daher die entlassungsabhängigen Ansprüche des Klägers abzuweisen seien.

Das Berufungsgericht gab der gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Die Entlassung sei berechtigt, da dem Kläger die Unrechtmäßigkeit seiner Vorgangsweise bewusst sein musste. Er habe nicht davon ausgehen können, dass der Vertreter der Arbeitgeberin, der Geschäftsführer zu derartigen für die Arbeitgeberin, die GmbH & Co KG nachteiligen Vereinbarungen befugt gewesen sei. Vielmehr hätte ihm klar sein müssen, dass die Arbeitgeberin, die das Material zahlte und das Werkzeug zur Verfügung stellte, durch das Schwarzinkasso geschädigt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger stützt sich erneut darauf, dass sein Halbbruder als Geschäftsführer und Prokurist der Arbeitgeberin zur deren Vertretung befugt gewesen sei und sein Verhalten dieser zuzurechnen sei. Die mangelnde Zustimmung der Kommanditisten dazu ändere nichts, da die Kommanditisten von der Geschäftsführung der KG ausgeschlossen seien. Der Kläger sei als Arbeitnehmer gutgläubig gewesen. Auch aus dem Versuch der Gemeinschuldnerin, einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen, ergebe sich die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung. Soweit sich der Kläger schließlich noch darauf beruft, dass die Entlassung unwirksam sei, weil sie bedingt ausgesprochen worden sei, entfernt er sich von den getroffenen Feststellungen.

Nach ständiger Judikatur liegt der Entlassungstatbestand der Untreue nach § 27 Z 1 AngG erster Fall dann vor, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich mit einem bewusst pflichtwidrigen Verstoß gegen die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers handelt; soweit der Arbeitnehmer annehmen konnte, dass der Arbeitgeber seine Einwilligung dazu erteilt hätte, schließt dies allerdings die Rechtswidrigkeit und das Verschulden des Arbeitnehmers aus (vgl so RIS-Justiz RS0029375, insb Arb 10.146; WBl 1988, 58 = DRdA 1990, 297 [Mosler] = ZAS 1988/16, 130 [Beck-Mannagetta]; ZAS 1989, 195 [Jabornegg]).

Nach ständiger Judikatur kann nun auch eine Kommanditgesellschaft

Arbeitgeber sein (vgl ARD 4841/37/97 = DRdA 1997/30 mit zust Glosse

von Löschnigg; ebenso ARD 4796/22/96 = ASoK 1997, 29 = ecolex 1997, 179 = DRdA 1997, 50 = SSV-NF 10/89 = WBl 1996, 495 = ZIK 1997, 230 = EvBl 1997/21) und war es auch im vorliegenden Fall. Damit wird maßgeblich, ob der Kläger durch ein bewusst pflichtwidriges Verhalten gegen die Interessen der KG verstoßen hat und inwieweit eine "Genehmigung" durch den Arbeitgeber vorlag.

Dass nun die Veranlassung der Überweisung des Entgeltes für vom Arbeitnehmer im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit geleistete Arbeit an den Arbeitnehmer selbst oder einen Dritten anstatt an den Arbeitgeber einen bewussten Verstoß gegen Interessen des Arbeitgebers darstellt, ist eindeutig (vgl auch Kuderna, Entlassungsrecht, 83). Dies muss auch gelten, wenn der Arbeitgeber eine Gesellschaft ist und es sich bei dem Dritten um einen Gesellschafter handelt, dem Arbeitnehmer aber konkret bewusst ist, dass das Entgelt ausschließlich diesem, nicht aber auch den anderen Gesellschaftern zugute kommt.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann er sich jedoch auch nicht auf eine wirksame Zustimmung des Arbeitgebers berufen. Anders als in den vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidungen des Obersten

Gerichtshofes zu 8 ObA 195/97b (= ) und 9 ObA 237/92 (=

DRdA 1994/7 = RdW 1993, 372) war nun hier zwar der Geschäftsführer

der GmbH - gleichzeitig auch Minderheitsgesellschafter - und damit auch Geschäftführer der GmbH & Co KG in seiner Vertretungsbefugnis grundsätzlich nicht beschränkt. Ganz allgemein wird aber unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauches davon ausgegangen, dass dann wenn ein Vertreter bewusst zum Nachteil des Vertretenen seine Vertretungsbefugnis missbraucht und dem Dritten die Überschreitung der Ermächtigung bekannt war, die rechtsgeschäftliche Erklärung dem Dritten gegenüber, rechtsunwirksam ist (vgl Strasser in Rummel ABGB3 §§ 1016, 1017 Rz 23 ff insb Rz 23b; Krejci in Rummel aaO § 879 Rz 129 jeweils mwN; OGH ARD 5121/25/2000; DRdA 1990/39; DRdA 2000/48 uva).

Genau dies ist aber hier anzunehmen, da dem Kläger bewusst war, dass das Schwarzgeld nicht der KG und deren Gesellschafter zukommt, sondern allein seinem Halbbruder bzw ihm selbst. Ausgehend davon, kann er sich aber auch nicht auf eine wirksame Genehmigung seiner Vorgangsweise berufen, weshalb die Vorinstanzen zutreffend das Vorliegen eines Entlassungsgrundes bejaht haben.

Insgesamt war daher der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.