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OGH vom 15.12.1998, 16Ok13/98

OGH vom 15.12.1998, 16Ok13/98

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Birgit Langer als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer, Dkfm. Joachim Lamel, Dkfm. Alfred Reiter und Dr. Thomas Lachs als weitere Richter in der Nahversorgungs- und Kartellrechtssache des Antragstellers P***** Buchhandlung, *****, vertreten durch Dr. Christian J. Winder und Dr. Klemens Stefan Zelger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die Antragsgegnerin M***** Gesellschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Verpflichtung zum Vertragsabschluß (§ 4 Abs 1 NahVG), infolge Rekurses des Antragsstellers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom , GZ 27 NaV 3, 4/97, 27 Kt 234/97-17, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist eine Einzelfirma, die durch Umwandlung gemäß §§ 1 ff UmwG aus einer GmbH hervorgegangen ist. Sie betreibt in I***** am Standort Umsteige-Terminal I***** einen Zeitschriften-Kiosk. Das Umsteige-Terminal wurde im Juni 1996 seiner Bestimmung übergeben.

Die Antragsgegnerin ist die gemäß § 13 Tabakmonopolgesetz 1996 (TabMG 1996) gegründete und im Firmenbuch eingetragene GmbH.

Mit Schreiben vom stellte die damals noch in Form einer GmbH betriebene Buchhandlung bei der damals die Agenden der Monopolverwaltung besorgenden Monopolverwaltungsstelle der A***** AG den Antrag auf Errichtung einer Tabaktrafik am Standort "Bus- und Straßenbahnterminal I*****". Die A***** AG befaßte das zuständige Landesgremium der Tabakverschleißer mit dem Ansuchen. Dieses teilte der Monopolverwaltungsstelle mit Brief vom mit, der beabsichtigte Neuerrichtungsstandort liege in unmittelbarer Nähe eines anderen Tabakfachgeschäftes, deren Trafik den bestehenden Bedarf der Kunden zur Gänze abdecke. Das Landesgremium sprach sich mit allem Nachdruck gegen die beantragte Neuerrichtung aus, weil es einerseits keinen dringenden Bedarf gebe und andererseits mit einer erheblichen Ertragsschmälerung des in unmittelbarer Nähe befindlichen Tabakfachgeschäftes gerechnet werden müsse. Die Monopolverwaltungsstelle verständigte daraufhin die Buchhandlung GmbH, dem Ansuchen um Neuerrichtung einer Tabakverkaufsstelle am Gelände des neuerrichteten Bus- und Straßenbahnterminals in I*****, werde nicht entsprochen.

Mit einem weiteren Schreiben vom beantragte die Buchhandlung GmbH abermals die Neuerrichtung einer Tabaktrafik (Tabakverkaufsstelle). Die Antragsgegnerin, auf die zwischenzeitig durch die erwähnte Gesetzesänderung die diesbezüglichen Agenden übergegangen waren, erwiderte mit Brief vom , eine positive Erledigung des neuerlichen Antrages auf Neuerrichtung einer Tabakverkaufsstelle sei nicht möglich.

Mit am eingebrachten Antrag begehrt das nunmehr in Form einer Einzelfirma betriebene Unternehmen, die Antragsgegnerin schuldig zu erkennen, mit dem Antragsteller eine den Bestimmungen des Tabakmonopolgesetzes 1996 entsprechende Vereinbarung über die "Neuerrichtung und Bestellung einer Tabakverkaufsstelle" am genannten Standort abzuschließen. Es stützte sein Begehren auf § 4 NahVG sowie auf "kartellrechtliche Bestimmungen" und verband hiemit einen auf § 7 Abs 4 NahVG gestützten Antrag auf Erlassung einer vorläufigen Anordnung.

Mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom (ON 13) wurden das Begehren des Antragstellers, soweit es auf kartellrechtliche Bestimmungen gestützt wurde, und der gemäß § 7 Abs 4 NahVG gestellte Antrag auf Erlassung einer vorläufigen Anordnung abgewiesen.

Strittig ist nunmehr nur das auf § 4 Abs 1 NahVG gestützte Hauptbegehren, welches das Erstgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß vom (ON 17) ebenfalls abwies.

§ 4 Abs 1 NahVG gestatte es, einen Unternehmer, der üblicherweise an Letztverkäufer liefere, zum Vertragsabschluß mit dem Letztverkäufer zu verpflichten, wenn durch die Nichtbelieferung eines Letztverkäufers die Nahversorgung gefährdet oder die Wettbewerbsfähigkeit des Letztverkäufers bei derjenigen Warengattung, zu der die nicht gelieferte Ware gehöre, wesentlich beeinträchtigt werde. Der Antragsgegner handle nicht mit Tabakerzeugnissen. Er liefere daher auch nicht üblicherweise Tabakerzeugnisse an Letztverkäufer. Nach dem klaren Wortlaut des § 4 Abs 1 NahVG falle daher der Antragsgegner nicht unter die darin genannten Unternehmer, weshalb das auf § 4 NahVG gestützte Begehren des Antragstellers abzuweisen sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im antragstattgebenden Sinn.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurswerber bringt vor, der Verkauf von Tabakwaren gehöre üblicherweise zu jenen Waren, die auch Zeitschriftenhändler an Verbraucher abgeben, sofern die Antragsgegnerin als einzig mögliche Vertragspartnerin in Österreich einen Bestellungsvertrag abschließe. Der Antragsteller sei daher als grundsätzlich jenem Unternehmerkreis zugehörig anzusehen, der Verbraucher mit Tabakwaren versorge, er habe dies jedoch bisher nicht vornehmen können, weil die Antragsgegnerin den Abschluß eines Bestellungsvertrages aus sachlich nicht gerechtfertigten Gründen verweigere. Die Verweigerung der Erstbelieferung mit Waren sei als ein Sonderfall der Nichtweiterbelieferung mit Waren zu betrachten. Da nach den Bestimmungen des TabMG der Handel mit Tabakwaren ausschließlich auf der Grundlage eines Bestellungsvertrages mit der Antragsgegnerin zulässig sei, sei die Antragsgegnerin der alleinige und ausschließliche Unternehmer, der in Österreich Letztverkäufer beliefere, weshalb seinem Antrag stattgegeben hätte werden müssen.

Diesen Ausführungen ist vorweg entgegenzuhalten, daß § 4 Abs 1 NahVG nicht darauf abstellt, welche Waren ein Letztverkäufer üblicherweise verkauft, sondern darauf, daß ein Unternehmer, dem gegenüber eine Lieferverpflichtung ausgesprochen werden soll, üblicherweise an Letztverkäufer liefert (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 631). Genau diese Tätigkeit - nämlich der Handel mit Tabakwaren - ist der Antragsgegnerin nach § 14 Abs 5 TabMG jedoch gesetzlich untersagt und wird diese Tätigkeit von der Antragsgegnerin auch nicht ausgeübt.

Eine solche Belieferung begehrt der Antragsteller auch nicht. Er will vielmehr unter Berufung auf die Sonderbestimmungen des TabMG, nach denen der Kleinhandel mit Tabakwaren ausschließlich auf der Grundlage eines Bestellungsvertrages mit der Antragsgegnerin zulässig ist (§ 5 Abs 2 TabMG), weshalb der mangels Bestellungsvertrag nicht erstbelieferte Letztverkäufer dem nicht weiterbelieferten Letztverkäufern gleichzusetzen sei, nach § 4 Abs 1 NahVG den Antragsgegner zum Abschluß einer den Bestimmungen des TabMG entsprechenden Vereinbarung über die Neuerrichtung einer Tabakverkaufsstelle (§ 24 TabMG) und seiner Bestellung als Trafikant dieser Tabakverkaufsstelle (§ 34 TabMG) erzwingen.

Eine solche Interpretation des § 4 Abs 1 NahVG widerspricht nicht nur dessen klaren Wortlaut; sie muß schon deshalb versagen, weil die Voraussetzungen zur Neuerrichtung einer Tabakverkaufsstelle und der Bestellung zum Tabaktrafikanten in den §§ 24 ff TabMG 1996 klar und ausführlich geregelt und keineswegs der Willkür der Antragsgegnerin überlassen ist. Auch dort wird ausdrücklich auf den Bedarf der Bevölkerung zur ausreichenden Nahversorgung Bedacht genommen (§ 24 Abs 1 TabMG). Eine Neuerrichtung darf nur nach Einholung eines Gutachtens des Landesgremiums der Tabaktrafikanten und bei dessen abschlägiger Stellungnahme nur nach Einholung eines Gutachtens des Neuerrichtungsbeirats (§ 24 Abs 3 TabMG) bewilligt werden, wenn ein dringender Bedarf besteht und eine nicht zumutbare Ertragsschmälerung benachbarter Tabaktrafikanten ausgeschlossen erscheint. Selbst wenn sich die Antragsgegnerin zur Neuerrichtung einer Tabakverkaufsstelle am beantragten Standort entschließen würde, hat der Antragsteller keinen Anspruch darauf, daß gerade mit ihm ein Bestellungsvertrag abgeschlossen wird, nur weil er am gewünschten Standort einen Zeitschriftenkiosk betreibt (vgl §§ 25 ff, insb 30 TabMG hinsichtlich der Auswahl unter mehreren Bewerbern).

Das mit dem NahVG im Stufenbau der Rechtsordnung auf gleicher Stufe stehende TabMG, welches die Nahversorgung mit einschlägigen Tabakwaren sicherzustellen hat, verdrängt daher im streitgegenständlichen Bereich (Neuerrichtung einer Tabakverkaufsstelle und Vereinbarung über die Bestellung zum Trafikanten) als die jüngere und speziellere Norm die Bestimmungen des NahVG. Die Errichtung einer Tabaktrafik und die Bestellung zum Tabaktrafikanten kann nur mit den im TabMG vorgesehenen Mitteln verfolgt werden. Die Frage einer allfälligen Lieferverweigerung durch die - nunmehr von der Antragsgegnerin verschiedene - A***** AG an einen von der Antragsgegnerin bestellten Tabaktrafikanten steht nicht zur Diskussion.

Der Anregung der Rekurswerberin, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes gemäß Art 177 EGV einzuholen, kann nicht nähergetreten werden, weil der Europäische Gerichtshof diese Frage bereits dahingehend beantwortet hat, daß ein System von staatlich zugelassenen Vertriebshändlern mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (, Banchero, Slg 1995 I-4663, WBl 1996, 110). Das "rechtliche Umfeld" in Italien ist keineswegs so "gänzlich anders" wie in Österreich, zumal sich die Republik Österreich anläßlich des Beitritts zur EG nach Art 71 der Beitrittsakte iSd Art 37 Abs 1 EGV zum schrittweisen Abbau des ausschließlichen Einfuhrrechts binnen drei Jahren verpflichten mußte. Für eine nochmalige Befassung des Europäischen Gerichtshofes besteht daher kein Anlaß.

Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, gelten gemäß § 7 Abs 1 NahVG für das Verfahren in Nahversorgungssachen vor dem Kartellgericht die allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes einschließlich des Grundsatzes, daß kein Kostenersatz stattfindet, sodaß schon deshalb für den ohnedies erfolglosen Rekurs kein Kostenersatz zugesprochen werden kann.