OGH vom 19.01.2009, 16Ok13/08
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel und Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Bauer und Dr. Haas als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragsteller 1. Verband alternativer Telekom-Netzbetreiber (VAT), *****, und 2. T***** GmbH, *****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die Antragsgegnerin T***** AG, *****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Abstellung (§ 26 KartG) und Feststellung (§ 28 KartG), über die Rekurse der Antragsteller, des Bundeskartellanwalts und der Bundeswettbewerbsbehörde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom , GZ 29 Kt 5, 6/08-10, in nichtöffentlicher Sitzung, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Den Rekursen wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung:
Die Antragsteller (§ 36 Abs 4 Z 4 Fall 1 und 2 KartG) begehren, der Antragsgegnerin aufzutragen, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung in Bezug auf sein Fortdauern auch nach dem Ende der Anmeldungsmöglichkeit für das „KombiPaket" am dadurch abzustellen, dass sie
a) die Preise für die Vorleistungsprodukte auf Bitstream-Ebene und/oder auf Ebene der Entbündelung und/oder auf Mobilfunkebene für die Dauer des Bestands der Verträge der Antragsgegnerin mit den „KombiPaket"-Kunden derart absenkt, dass die Mitglieder des Erstantragstellers und die Zweitantragstellerin das „KombiPaket" technisch und wirtschaftlich (dh kostendeckend inklusive einer angemessenen Marge) nachbilden können; und/oder
b) jeden „KombiPaket"-Kunden binnen 14 Tagen nach Rechtskraft der Entscheidung in diesem Verfahren kostenlos auf das/die Telekommunikationsprodukt(e) der Antragsgegnerin und/oder der Mitglieder des Erstantragstellers und/oder der Zweitantragstellerin rückumstellt, das/die der „KombiPaket"-Kunde vor der Umstellung auf das „KombiPaket" genutzt hat und ihn innerhalb der genannten Frist auf mit den Antragstellern einvernehmlich zu gestaltende und geeignete Weise über diese Umstellung und deren Grund informiert; und/oder
c) in Bezug auf all jene „KombiPaket"-Kunden, die vorher kein Telekommunikationsprodukt genutzt haben, die weitere Vertragsbeziehung, in eventu auf Grundlage der Konditionen des „KombiPakets", binnen 14 Tagen nach Rechtskraft der Entscheidung in diesem Verfahren mit sofortiger Wirkung beendet;
in eventu der Antragsgegnerin aufzutragen, den oben beschriebenen Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung dadurch abzustellen, dass sie die spezifisch das „KombiPaket" betreffenden Verträge mit allen „KombiPaket"-Kunden zum ehestmöglichen Zeitpunkt nachweislich beendet.
Hilfsweise begehren die Antragsteller die Feststellung, dass die Antragsgegnerin ihre marktbeherrschende Stellung dadurch missbraucht habe, dass sie
a) das Bündelprodukt „KombiPaket" im Zeitraum vom 15. bis zu einem Preis von 16,58 EUR netto (für Neu- und Bestandskunden) bzw im Zeitraum vom bis zu einem Preis von 16,58 EUR netto (für Neukunden) bzw 21,58 EUR netto (für Bestandskunden) angeboten und auf Basis der jeweils gültigen Leistungsbeschreibung für das „KombiPaket" und der jeweils gültigen Entgeltbestimmungen für das „KombiPaket" Verträge mit Kunden (idF „KombiPaket"-Kunden) abgeschlossen hat, wobei
aa) das „KombiPaket" von den Mitgliedern des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin mangels entsprechender Vorleistungsprodukte auf Bitstream-Ebene und/oder auf Ebene der Entbündelung und/oder auf Mobiltelefonieebene in diesem Zeitraum weder technisch noch wirtschaftlich (dh margin-squeeze-frei) nachgebildet werden konnte und/oder
ab) dieser Preis nicht ausgereicht hat, um die Gesamtkosten der Antragsgegnerin bezogen auf das „KombiPaket" zu decken und sie dabei im Rahmen einer Strategie zur Vereinnahmung der Endkundenmärkte für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten und/oder für Breitband-Internetzugänge und/oder für Mobilfunk zu Lasten der Mitglieder des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin gehandelt hat und/oder
ac) dieser Preis nicht ausgereicht hat, um die variablen Kosten der Antragsgegnerin (einschließlich jener der mobilkom Austria AG) bezogen auf das „KombiPaket" zu decken; und/oder
ad) der durch Abzug des wahren wirtschaftlichen Werts der Komponenten Internet und Mobiltelefonie vom Gesamtpreis des „KombiPakets" errechnete Tarif für die Anschlussleitung (TikTak Privat) unter dem von der Antragsgegnerin angebotenen, von der Telekom-Control-Kommission genehmigten reinen Grundgebührentarif TikTak Privat (mit dem also keine derartigen Leistungen verbunden sind) von ca 13,30 EUR netto (15,98 EUR brutto) liegt
b) das „KombiPaket" am eingeführt hat, ohne den Mitgliedern des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin
ba) das - der Komponente Internet des „KombiPakets" entsprechende - Vorleistungsprodukt auf Bitstream-Ebene (ADSL Residential Profil 2048/384 FLAT) entsprechend dem Implementierungsbedarf, mindestens jedoch 4 Wochen vor dem und/oder vor dem angeboten zu haben und/oder
bb) ein für Zwecke der Nachbildbarkeit des „KombiPakets" auf Ebene der Entbündelung entsprechend reduziertes monatliches Überlassungsentgelt für die Bereitstellung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung der Antragsgegnerin entsprechend dem Implementierungsbedarf, mindestens jedoch 4 Wochen vor dem , angeboten zu haben.
Weiters stellen die Antragsteller ein Veröffentlichungsbegehren und beantragen die Zuerkennung von Kostenersatz.
Die Antragsgegnerin biete alternativen Netzbetreibern (im Folgenden kurz ANB), so auch den Mitgliedern des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin, breitbandige Internetzugangsdienstleistungen im Wholesale (Vorleistungsmarkt) zum Wiederverkauf an. Dabei sei die Antragsgegnerin auch am Endkundenmarkt ein Konkurrent, weil sie ihre Breitband-Internetzugangsdienstleistungen auch direkt gegenüber Endkunden erbringe. Weiters vermiete die Antragsgegnerin auch ihre Teilnehmeranschlussleitung (im Folgenden kurz TASL) an ANB.
Die Antragsgegnerin habe im Zeitraum bis das Bündelprodukt „KombiPaket" angeboten, welches krass kartellrechtswidrig gewesen sei. Nach Schätzungen der ANB seien ca 250.000 Kunden auf dieses Produkt umgestiegen. Diese seien für die ANB für immer verloren, weil laut den Konditionen des „KombiPakets" keine Befristung welcher Art auch immer - abgesehen von einer Mindestbindefrist des Kunden für 12 Monate - bestehe. Eine Kundenrückgewinnung sei infolge der attraktiven Konditionen des „KombiPakets" kostendeckend nicht möglich.
Die Antragsgegnerin habe das als „KombiPaket" bezeichnete Bündelangebot bestehend aus Festnetztelefonanschluss, Breitband-Internet und Mobiltelefonie für ein monatliches Gesamtentgelt von 16,58 EUR netto am auf den Markt gebracht. Das Angebot sei zunächst auf Bestands- und Neukunden ausgerichtet gewesen, ab habe dieses Angebot nur noch für Telekom Austria-Neukunden gegolten. Ausgehend von den von der Antragsgegnerin für andere Produkte, insbesondere ausgehend von den für die relevanten Vorleistungsprodukte verrechneten Preisen, sei es völlig ausgeschlossen gewesen, dass die ANB ein mit dem „KombiPaket" vergleichbares Produkt zum gleichen Preis kostendeckend anbieten hätten können. Bis zum hätte auch keine Möglichkeit bestanden, die Breitband-Internet-Komponente exakt nachzubilden, da ein entsprechendes Vorleistungsangebot der Antragsgegnerin gefehlt habe. Die Antragsgegnerin habe zwar den Vorleistungspreis für das von ihr angebotene reine Flat-Breitband-Internetprodukt im Zuge zweier Aktionsangebote reduziert, selbst auf Grundlage dieser reduzierten Vorleistungskosten sei aber den ANB ein mit der Breitband-Internet-Komponente des „KombiPakets" vergleichbares Angebot nicht möglich gewesen, wenn man die sonstigen Kosten wie Overhead-Netzwerk, Backhaul, aufzuteilende Betriebskosten und Rechnungslegung miteinbeziehe.
Die Antragsgegnerin habe auch gegen die im Bescheid M 1/05-59 der Telekom-Control-Kommission (in der Folge kurz TKK) vom auferlegten Vorabverpflichtungen, den Vorleistungsbeziehern in zeitgerechter Art die gleichen Leistungen zu bieten wie den eigenen Endkundenabteilungen, verstoßen. Im Bereich des Zugangs zur TASL habe die Antragsgegnerin zwar für Neukunden, die im Zeitraum bis akquiriert werden, das Überlassungsentgelt von 10,70 EUR netto auf 6,35 EUR netto gesenkt; selbst auf Basis dieses reduzierten Überlassungsentgelts sei eine kostendeckende Nachbildung des „KombiPakets" aber nicht möglich gewesen.
Nach Einschreiten der TKK habe die Antragsgegnerin ihr „KombiPaket"-Angebot dahin geändert, dass das Entgelt für das „KombiPaket" für Bestandskunden der Antragsgegnerin auf 21,58 EUR netto angehoben worden sei. Weiters sei der Vorleistungspreis für das mit der Breitband-Internet-Komponente des „KombiPakets" vergleichbare Flat-Breitband-Internet-Produkt WS Naked DSL 2048/384 kbit/s FLAT von der Antragsgegnerin am dahin geändert worden, dass die Vorleistungskosten für Neukunden auf 1,25 EUR netto gesenkt worden seien. Selbst auf dieser Grundlage hätten die ANB das „KombiPaket" nicht nachbilden können, da lediglich 2,01 EUR netto verblieben seien, um damit alle zusätzlichen Kosten für eine Nachbildung der Breitband-Internet-Komponente des „KombiPakets" abzudecken.
Weiters habe auf entsprechenden Druck der TKK die mit der Antragsgegnerin im Konzern verbundene mobilkom ab ein der Mobiltelefonie-Komponente des „KombiPakets" ähnliches, aber nicht identes Mobiltelefonieprodukt unter dem Namen „Bob 5er" angeboten. Diesbezüglich sei erst am die Gleichwertigkeit der Mobilprodukte betreffend Konfigurationsmöglichkeiten der Mobilbox, Daten sowie MMS-Dienste - allerdings nicht zur Gänze - hergestellt worden.
In der Folge habe die Antragsgegnerin den ANB mitgeteilt, dass die Aktionen im Bereich der Breitband-Internet-Komponente bis verlängert würden.
Auf Basis der geänderten Vorleistungsangebote der Antragsgegnerin per ergäben sich sowohl auf Basis der entbündelten TASL, als auch auf Basis des Wholesale-Internetangebots (bei vorhandenem PSTN-Anschluss der Antragsgegnerin) und auf Basis des Wholesale-Internetangebots ohne vorhandenen PSTN-Anschluss der Antragsgegnerin jeweils signifikante Preis-Kosten-Scheren.
Nach Schätzungen der Antragsteller seien ca 250.000 Kunden auf das „KombiPaket" gewechselt, und zwar sowohl Bestandskunden der Antragsgegnerin als auch Kunden der Antragsteller. Die Antragsteller seien in eine massive negative Spanne gedrängt worden, um ihren Kundenstock überhaupt halbwegs verteidigen zu können. Dazu komme, dass sie keine Möglichkeit mehr gehabt hätten, ein „Abwehrprodukt" zeitgerecht mit der angemessenen Vorlaufzeit für Werbung etc im Markt einzuführen. Die schädlichen Auswirkungen auf die Mitbewerber der Antragsgegnerin würden noch dadurch verstärkt, dass das Angebot ein „Lifetime"-Angebot sei, und der Kunde daher de facto für die ANB ohne kartellgerichtliche Hilfe endgültig „verloren" wäre.
Es liege eine marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin vor. Die betroffenen sachlichen Märkte seien der Vorleistungsmarkt für breitbandigen Internetzugang, der Markt für breitbandigen Internetzugang auf Endkundenebene, der Markt entbündelter Zugang einschließlich gemeinsamen Zugangs zu Drahtleitungen und Teilabschnitten davon für die Erbringung von Breitband- und Sprachdienstleistungen, die Endkundenmärkte für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten (jeweils beherrscht von der Antragsgegnerin) sowie der Endkundenmarkt Mobilfunk (beherrscht von der mobilkom).
Die Antragsgegnerin habe jedenfalls als Marktbeherrscherin auf den Märkten für die Anschlussleistung und für den Vorleistungsmarkt für breitbandige Internetzugangslösungen sowie auf dem Entbündelungsmarkt mit dem „KombiPaket" gegen die kartellrechtlichen Vorschriften verstoßen. Dieser Missbrauch habe sich auch auf die Endkundenmärkte (breitbandiger Internetzugang und Mobilfunk) übertragen, in Bezug auf welche die Antragsgegnerin bzw die mit ihr verbundene mobilkom zusätzlich eine ex lege vermutete beherrschende Stellung innehabe.
Insgesamt habe die Antragsgegnerin mit ihrer zielgerichteten und bewussten Verletzung des Kartellrechts gegen § 5 KartG 2005 bzw Art 82 EG verstoßen.
Es liege eine missbräuchliche Tarifgestaltung durch die Antragsgegnerin durch missbräuchliche Preisunterbietung sowohl durch Unterdeckung der variablen Kosten als auch Unterschreitung der durchschnittlichen Gesamtkosten und damit jedenfalls ein Marktmissbrauch vor. Weiters habe die Antragsgegnerin die ANB in eine negative Kosten-Preis-Schere gebracht, was per se missbräuchlich sei.
Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin den ANB kein mit der Breitband-Internet-Komponente identes Vorleistungsprodukt angeboten. Dies sei zwar ab möglich gewesen, die Antragsgegnerin habe aber die Frist zur Vorabinformation laut dem Bescheid der TKK M 1/05-59 nicht eingehalten. Jedenfalls bis sei auch die Mobilfunk-Komponente nicht als selbständiges Produkt am Markt verfügbar gewesen.
Die Antragsgegnerin habe offenkundig in Verdrängungsabsicht und Schädigungsabsicht gehandelt. Durch die Bündelung von drei auf den betroffenen Märkten jeweils konkurrenzlosen Leistungen sei eine massive Gefahr für die Marktstruktur eingetreten. Aus diesem Grund sei es unbedingt erforderlich, dass die auf das „KombiPaket" der Antragsgegnerin umgestiegenen Kunden der ANB kostenlos wieder auf ihre Telekommunikationsprodukte vor dem Umstieg auf das „KombiPaket" umgestellt würden. Zumindest müssten die geschlossenen Verträge ehestmöglich wieder aufgelöst werden.
Die Antragsteller hätten ein evidentes Interesse an der Abstellung bzw Feststellung des missbräuchlichen Verhaltens. Das „KombiPaket" sei „for a lifetime" der Kunden ausgelegt, das heißt jeder „KombiPaket"-Kunde (geschätzte 250.000 Kunden) könne von den rechtswidrigen Konditionen über die gesamte Vertragslaufzeit, mindestens aber 12 Monate, profitieren. In diesem Punkt dauere das verbotswidrige Verhalten auch noch nach dem Aktionsende an. Im Lichte der evidenten Verstöße und der gravierenden Marktwirkungen sei ein Abstellungsauftrag in Form einer verpflichtenden Auflösung der geschlossenen Verträge unbedingt erforderlich. Weiters sei es erforderlich, den Antragstellern Vorleistungsprodukte und -preise anzubieten, welche ihnen eine technische und wirtschaftliche Nachbildbarkeit des „KombiPakets" ermöglichten.
Die sich aus dem Angebot selbst ergebende Zuwiderhandlung sei zwar seit beendet, gleichwohl bestehe ein evidentes „berechtigtes Interesse" an der Feststellung der Zuwiderhandlung, welches sich insbesondere daraus ergebe, dass die Wirkungen der Zuwiderhandlung noch fortdauerten, das zu Grunde liegende Verhalten der Antragsgegnerin die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller unmittelbar negativ beeinflusst habe und die Antragsteller ein großes Interesse an einer Klärung der Verpflichtung der Antragsgegnerin aufgrund der vorliegenden Bescheide der TKK hätten, um so einer Wiederholung vorbeugen zu können. Dies betreffe insbesondere die Kostenermittlungsthematik sowie die Frage, welcher Maßstab für das Vorliegen einer missbräuchlichen Preis-Kosten-Schere im Telekom-Bereich angewendet werde. Weiters würden die Antragsteller Schadenersatzansprüche gegen die Antragsgegnerin geltend machen und müssten die Amtsparteien auf Grundlage einer Feststellungsentscheidung einen Geldbußenantrag gegen die Antragsgegnerin einbringen.
Obwohl das „KombiPaket" lediglich im Zeitraum bis angeboten worden sei, sei dessen Verlängerung bzw Wiederaufnahme jederzeit möglich. Es sei symptomatisch für die Antragsgegnerin, durch das Anbieten befristeter Angebote unter anderem die regulatorischen Auflagen zu umgehen, um diese dann (allenfalls mit geringfügigen Änderungen) zu verlängern. Demgemäß habe die Antragsgegnerin am ein weiteres „KombiPaket" (in der Folge „KombiPaket II") auf den Markt gebracht. Dieses koste zwar mit 29,90 EUR brutto mehr als das bisherige „KombiPaket", verfüge jedoch über eine wesentlich schnellere Internetverbindung von 8 mbit/s und einen kostenlosen Wireless LAN-Router. Durch die regelmäßige Verwendung von „KombiPaketen" durch die Antragsgegnerin bestehe Wiederholungsgefahr.
Durch das Verhalten der Antragsgegnerin sei es auch zu spürbaren Auswirkungen am Markt durch Verschiebungen im Kundenstamm in der Größenordnung von zumindest 175.000 Kunden gekommen. Daraus ergebe sich das Fortbestehen des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung. Das missbräuchliche Verhalten dauere jedenfalls an. Von einer endgültigen Beendigung sei in diesem Zusammenhang nicht auszugehen.
Da das Thema Preis-Kosten-Schere in der kartellrechtlichen Rechtsprechung in Österreich noch nicht abschließend geklärt sei, liege auch eine Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung vor.
Die Zweitantragstellerin habe durch das gegenständliche Verhalten der Antragsgegnerin 15.000 Breitband-Kunden verloren. Es stünden ihr daher auch zivilrechtliche Ansprüche zu, sodass sie direkt betroffen sei.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge der Antragsteller zurück-, in eventu abzuweisen. Das „KombiPaket" sei für die ANB nachbildbar gewesen. Der behauptete Missbrauch liege nicht vor. Im Hinblick auf das Feststellungsbegehren mangle es den Antragstellern insbesondere am erforderlichen Interesse. Im Fortbestehen der abgeschlossenen Verträge sei kein andauernder Missbrauch zu sehen.
Die Antragsgegnerin habe die vergünstigten Vorleistungsprodukte freiwillig bis zum verlängert. Spätestens seit hätten selbst weniger effiziente Anbieter von Telekommunikationsleistungen das „KombiPaket" nachbilden können. Tatsächlich hätten Wettbewerber kompetitive Endkundenprodukte als Reaktion auf das „KombiPaket" auf den Markt gebracht.
Die „KombiPaket"-Aktion habe lediglich zwei Monate gedauert. Von einem Machtmissbrauch, price-squeeze oder einem missbräuchlichen Unterkostenverkauf könne keine Rede sein. Ein allfälliger Missbrauch dauere jedenfalls nicht an. Die während des Aktionszeitraums geschlossenen Verträge bestünden naturgemäß; solche Wirkungen seien jedoch vom aktuellen Bestehen eines Missbrauchs zu unterscheiden.
Die Antragsteller suggerierten falsche Vergleichsmaßstäbe und gingen zum Teil von falschen Voraussetzungen aus. Kombiangebote wie das gegenständliche „KombiPaket" seien am Markt üblich. Aufgrund der Wholesale-Angebote der Antragsgegnerin hätten ANB das „KombiPaket" - unabhängig von ihrer „Aufstellung" - jedenfalls und sogar nicht nur effiziente Anbieter nachbilden können. Tatsächlich sei dies auch geschehen.
Die Konditionen des „KombiPakets" seien von der TKK geprüft worden. Der Aufforderung der TKK, die ursprünglichen Konditionen zu ändern, sei die Antragsgegnerin umgehend nachgekommen.
Beim „KombiPaket" habe es sich um ein befristetes Aktionsangebot gehandelt. Schon aufgrund des kurzen Aktionszeitraums seien keine wie immer gearteten foreclosure-Wirkungen zu befürchten. Tatsächlich sei es durch das „KombiPaket" auch zu keinen Marktaustritten gekommen.
Die von den Antragstellern vorgenommenen Berechnungen zur Preis-Kosten-Schere hätten keinerlei Aussagekraft, da der methodische Ansatz falsch und die Berechnungen in sich unschlüssig seien.
Im gegenständlichen Fall sei vor allem der Markt für breitbandiges Internet relevant. Auf diesem Markt gebe es eine Vielzahl von Anbietern. Von einer relevanten marktmächtigen Stellung der Antragsgegnerin könne schon rein faktisch keine Rede sein.
Selbst wenn Verstöße gegen bescheidmäßige Auflagen der TKK vorlägen, begründete dies keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Das Kartellgericht sei nicht berufen, Bescheide der TKK zu überprüfen oder deren Einhaltung zu sanktionieren. Allfällige Verstöße gegen Auflagenbescheide habe die Regulierungsbehörde aufzugreifen.
Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liege nicht vor. Es sei nicht notwendig, jedem Mitbewerber eine 100%ige Nachbildbarkeit zu ermöglichen. Notwendig wäre es lediglich, effizienten alternativen Anbietern jene Vorleistungen anzubieten, die notwendig sind, um während des Aktionszeitraums wettbewerbsfähige Endkundenangebote erstellen zu können. Dabei handle es sich um all jene, welche die Bedürfnisse Sprachtelefonie und Internet decken.
Eine missbräuchliche Preis-Kosten-Schere liege ebenso wenig vor wie ein missbräuchlicher Unterkosten-Verkauf. Das „KombiPaket" sei nicht unter Kosten verkauft worden. Auch die Regulierungsbehörde habe die Deckung zumindest der variablen Kosten und die Nachbildbarkeit über die Wholesale-Angebote der Antragsgegnerin bestätigt.
Eine Marktverdrängungsstrategie machte für die Antragsgegnerin auch wirtschaftlich keinen Sinn, weil es ihr auch nach Ausschaltung des Wettbewerbs aufgrund der sektorspezifischen Regulierung nicht möglich wäre, die Preise zu erhöhen und eine Monopolrente einzufahren.
Die von den Antragstellern behauptete massive Gefahr für die Marktstruktur liege im Hinblick auf die kurzfristige Dauer von nur zwei Monaten keinesfalls vor. Im Übrigen sei das „KombiPaket" jedenfalls aufgrund von Effizienzgewinnen aus Gründen der Konsumentenwohlfahrt gerechtfertigt.
Das „Kombi-Paket II" sei in keiner Weise vergleichbar mit dem ursprünglichen „KombiPaket". Dabei handle es sich um ein Dauerprodukt, das lediglich in einer ersten Phase leicht vergünstigt bezogen werden könne.
Den Antragstellern komme kein rechtliches Interesse am Feststellungsbegehren zu. Der Abstellungsantrag sei nicht zulässig, da eine beendete Zuwiderhandlung nicht abgestellt werden könne. Im Übrigen bedeutete die begehrte Abstellung unzulässige Eingriffe in Rechte Dritter und wäre unverhältnismäßig. Weiters stünden dem Rückumstellungsbegehren auch regulatorische Hindernisse entgegen, weil dafür die Verwendung von Stammdaten iSd § 92 Abs 2 Z 3 TKG 2003 erforderlich wäre, die Voraussetzungen des § 97 Abs 1 TKG 2003 lägen jedoch nicht vor.
Das Erstgericht wies - ohne Durchführung eines Beweisverfahrens - das Hauptbegehren und das Veröffentlichungsbegehren ab und das Eventualbegehren zurück.
Aufgrund der vorgelegten Urkunden und des diesen nicht widersprechenden Parteienvorbringens ging das Erstgericht von folgendem weiteren Sachverhalt aus:
Der Zeitraum, in dem Kunden das gegenständliche „KombiPaket" hätten bestellen können, hat mit geendet. Unbestritten blieb, dass die von der Antragsgegnerin mit ihren Kunden im Aktionszeitraum abgeschlossenen Verträge weiter fortwirken, sowie dass das „KombiPaket" aus einem Festnetzanschluss (POTS), einem ADSL-Internetzugang mit bis zu 2048/384 kbit/s (Download/Upload) Flat (das heißt ohne Beschränkung des Volumens der übertragenen Daten) sowie aus einer Komponente „Mobiltelefonie", mit der bis zu 3 SIM-Karten freigeschaltet werden konnten, bestand, und dass das „KombiPaket" ursprünglich um 19,90 EUR inklusive USt (16,58 EUR netto) angeboten wurde. Ab wurde der Preis für Bestandskunden der Antragsgegnerin auf 25,90 EUR inklusive USt (21,58 EUR netto) angehoben.
Am brachte die Antragsgegnerin neue Bündelprodukte, nämlich das Angebot „aonKombi" sowie das Bündelprodukt „aonSuperKombi" auf den Markt. Beim Bündelprodukt „aonKombi" werden wie beim „KombiPaket" die Leistungen Festnetztelefonie, Breitbandinternet und Mobiltelefonie verbunden. Beim Angebot „aonSuperKombi" kommt dazu eine Kabelfernsehkomponente mit bis zu 86 Sendern und integrierter Videothek mit bis zu 300 Filmen. Das Bündelprodukt „aonKombi" wird von der Antragsgegnerin um 29,90 EUR brutto pro Monat angeboten, das Bündelprodukt „aonSuperKombi" um 34,90 EUR brutto.
Bei der Festnetztelefonie und der Mobiltelefonie bestehen keine entscheidungswesentlichen Unterschiede zum „KombiPaket". Beim Breitbandinternet werden beim Angebot „aonKombi" 20 MB Webspace im Vergleich zu 10 MB Webspace beim „KombiPaket" angeboten, weiters werden an Bandbreite bis zu 8 mbit/s Downstream angeboten, wohingegen beim „KombiPaket" 2048/384 kbit/s angeboten wurden.
In rechtlicher Hinsicht sei Voraussetzung jedes Abstellungsauftrags, dass eine Zuwiderhandlung im Entscheidungszeitpunkt noch vorliege. Ein Abstellungsauftrag müsse sich stets gegen ein konkret als verbotswidrig beschriebenes, zum Zeitpunkt der Entscheidung noch andauerndes kartellrechtswidriges Verhalten richten. Andernfalls mangle es am Tatbestand eines Marktmissbrauchs, der für die Zukunft untersagt werden könne. Das „KombiPaket" sei aber bereits mit ausgelaufen. Die Antragsteller hätten auch keine konkreten, aktuellen bzw noch fortdauernden Verhaltensweisen der Antragsgegnerin ins Treffen führen können, die gegen § 5 KartG oder Art 82 EG verstießen. Inwieweit ein in der Vergangenheit liegendes marktmissbräuchliches Verhalten allenfalls Schadenersatz-, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche betroffener Marktteilnehmer auslösen könne, sei nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften zu beurteilen und nicht Gegenstand eines auf § 26 KartG gestützten Kartellverfahrens. Vorbeugende Unterlassungsaufträge zur Verhinderung von bloß drohenden oder potenziell zu erwartenden Zuwiderhandlungen seien dem österreichischen Kartellrecht fremd.
Auch die Voraussetzungen für eine Feststellung nach § 28 Abs 1 KartG lägen nicht vor, weil die Antragsteller kein rechtliches Interesse dargetan hätten. Die beabsichtigte Verfolgung von Schadenersatzansprüchen vor den ordentlichen Zivilgerichten reiche hierzu nicht aus. Auch das Argument, die Antragsgegnerin verwendete regelmäßig „KombiPakete", um Kunden zu akquirieren oder zu halten, reiche zur Dartuung nicht aus, dass die tatsächliche Gefahr der Wiederholung der konkreten, der Überprüfung zu unterziehenden Zuwiderhandlung bestehe und deshalb eine Klarstellung der Rechtslage geboten erscheine. Im Übrigen sei die Herstellung und Aufrechterhaltung effektiver Wettbewerbsbedingungen bzw eines funktionsfähigen Wettbewerbs im Rahmen der Wettbewerbsregulierung nach dem 5. Abschnitt des TKG 2003 Aufgabe der Regulierungsbehörden. Zwar unterlägen wettbewerbsrelevante Sachverhalte, die für die Auferlegung von ex ante-Verpflichtungen durch die Regulierungsbehörde gemäß § 37 TKG 2003 in Frage kämen, grundsätzlich auch der kartellrechtlichen ex post-Kontrolle durch die Kartellgerichte. Die ex ante-Regulierung des Wettbewerbs, welche wettbewerbsverzerrende Verhaltensweisen vorab hintanhalten solle, sei aber Aufgabe der Regulierungsbehörden.
Soweit die Antragsteller das Feststellungsinteresse damit begründeten, dass das Thema Preis-Kosten-Schere in der kartellrechtlichen Rechtsprechung in Österreich noch nicht abschließend geklärt wäre, so sei die inhaltliche Richtigkeit der der Antragsgegnerin von der TKK bescheidmäßig auferlegten Verpflichtungen im entsprechenden verwaltungsrechtlichen Rechtsmittelverfahren zu prüfen. Ein Zuwiderhandeln gegen diese Bescheide könne Verwaltungsstrafen nach § 109 TKG 2003 nach sich ziehen; im kartellgerichtlichen Verfahren sei nur zu überprüfen, ob ein Verstoß gegen das Kartellgesetz vorliege.
Im Übrigen hänge die Frage, ob ein konkretes Verhalten eine Preis-Kosten-Schere und damit allenfalls einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung begründen könne, vor allem von einzelfallbezogenen Tatsachenfragen ab. Eine im öffentlichen Interesse liegende Klärung von Rechtsfragen allgemeiner Bedeutung sei daher von einer inhaltlichen Entscheidung über das Feststellungsbegehren nicht zu erwarten.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse der Antragsteller, des Bundeskartellanwalts und der Bundeswettbewerbsbehörde sind im Sinne des jeweils eventualiter gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
1. Zum Rekurs des Bundeskartellanwalts
Soweit der Bundeskartellanwalt lediglich erklärt, den Ausführungen der Bundeswettbewerbsbehörde in ihrer Rekursschrift „beizutreten", ist dies nach ständiger Rechtsprechung eine unzulässige und damit unbeachtliche Verweisung (RIS-Justiz RS0007029; Kodek in Fasching/Konecny² §§ 84, 85 Rz 185 mwN).
2. Zur Aktenwidrigkeit
Eine Aktenwidrigkeit erblicken die Antragsteller in der Wiedergabe ihres Vorbringens im angefochtenen Beschluss auf Seite 12. Damit vermögen die Antragsteller jedoch keine Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Beschlusses aufzuzeigen. Die betreffenden Formulierungen sind nämlich nicht Feststellungen des Erstgerichts, sondern geben lediglich das Parteienvorbringen zusammengefasst wieder. Davon, dass die Antragsteller selbst vorgebracht hätten, nicht nur die inkriminierte Tarifaktion, sondern auch die Zuwiderhandlung selbst sei bereits beendet, geht das Erstgericht bei seiner Entscheidung ohnedies nicht aus.
3. Zu den Abstellungsanträgen
a) Allgemeines
3.1. § 35 KartG hat den Zweck, konkrete Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb, die sich negativ auf den Markt auswirken können, zu unterbinden. Missbräuchlich sind sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmers in beherrschender Stellung, die die Strukturen eines Markts beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmers bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen (16 Ok 11/04 - „TikTak-Tarif"; 16 Ok 1/99 - „One"; 16 Ok 11/03 - „Schnurlostelefon"). Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt dann vor, wenn ein den anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich überlegener Unternehmer auf das Marktgeschehen in einer Weise Einfluss nimmt, die geeignet ist, negative Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse zu entfalten (16 Ok 3/01 - Hausbrieffachanlagen; 16 Ok 11/04 - „TikTak-Tarif"); dabei genügt die objektive Eignung des Verhaltens (16 Ok 11/04- „TikTak-Tarif").
b) Erfordernis eines aktuellen Verhaltens
3.2. Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass nur aktuelles, auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung andauerndes kartellrechtswidriges Verhalten Gegenstand eines Untersagungsauftrags gemäß § 25 Abs 1 KartG 2005 sein kann; ist das verbotswidrige Verhalten hingegen bereits endgültig beendet, mangelt es am Tatbestand eines Kartells, das für die Zukunft untersagt werden könnte (16 Ok 8/02 mwN; 16 Ok 8/08; RIS-Justiz RS0116044). Dem österreichischen Kartellrecht ist eine (vorbeugende) Unterlassungsklage zur Verhinderung künftigen missbräuchlichen Verhaltens fremd (16 Ok 7/02, 16 Ok 10/02). Inwieweit ein in der Vergangenheit liegendes marktmissbräuchliches Verhalten allenfalls Schadenersatz-, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche betroffener Marktteilnehmer auslösen kann, ist demnach nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften zu beurteilen.
3.3. Damit ist allerdings für Fälle, in denen die Wettbewerber - wie nach den Behauptungen der Antragsteller im vorliegenden Fall - durch Behinderungsmissbrauch im Wege langfristiger Verträge eines marktbeherrschenden Unternehmens einer Preis-Kosten-Schere ausgesetzt werden, nichts ausgesagt. In der zuletzt ergangenen Entscheidung 16 Ok 8/08 haben die Antragsteller keinen schlüssigen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich das aktuelle Einhalten verbotswidriger Absprachen oder ein sonstiges kartellrechtswidriges Verhalten ergeben hätte. Insoweit geht die Kritik von Hoffer/Innerhofer (OZK 2008, 233 [234]) an dieser Entscheidung ins Leere. Die Frage, inwieweit bei langfristigen, von einem marktbeherrschenden Unternehmen abgeschlossenen Verträgen auch nach Abschluss dieser Verträge (etwa wie im vorliegenden Fall wegen Ablaufs des Aktionszeitraums) noch ein dem Eingreifen des Kartellgerichts zugänglicher aktueller Missbrauch im Sinne des § 5 KartG vorliegt, hat der Oberste Gerichtshof bislang nicht ausdrücklich entschieden.
c) Zivilrechtliche Nichtigkeit
3.4. Art 82 EG enthält im Gegensatz zu Art 81 Abs 2 EG keine Nichtigkeitssanktion. Die zivilrechtlichen Folgen von Zuwiderhandlungen gegen Art 82 EG sind dem nationalen Recht zu entnehmen (16 Ok 46/05 - Styria Media AG).
3.5. Inwieweit eine Nichtigkeitssanktion im Fall Platz greift, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seinen Vertragspartnern besonders günstige Konditionen oder Preise gewährt hat und dadurch den Wettbewerb im Sinne einer Verdrängung, Disziplinierung oder Abschreckung von Mitbewerbern beeinträchtigt, ist umstritten. Teilweise wird vertreten, dass die Nichtigkeitsfolge aus Gründen der Schutzbedürftigkeit der gutgläubigen Vertragspartner bzw aus Gründen des öffentlichen Interesses an der Vermeidung unlösbarer Rückabwicklungsprobleme unangemessen sei (vgl Eilmansberger in MünchKomm, Europäisches und deutsches Wettbewerbsrecht Art 82 EG 604 mwN zum Diskussionsstand). Nach anderen Autoren sei dem Zweck des Missbrauchsverbots mit der Auflösung dieser Verträge am besten gedient (vgl Eilmansberger aaO mwN). Nach Eilmansberger (aaO Rz 605) sei - im Gegensatz zu bereits abgeschlossenen Einzelgeschäften - bei noch geltenden langfristigen Vereinbarungen (Dauerschuldverhältnissen) oder bei allgemeinen Geschäftsbedingungen, die weiterhin Einzelgeschäften zugrunde gelegt werden, die Nichtigkeitssanktion die einzige normzweckadäquate Rechtsfolge. Jedenfalls bei einer Auflösung ex nunc seien weder Rückabwicklungsprobleme zu befürchten, noch würden dadurch die Interessen der Vertragspartner an einer Erhaltung der für sie günstigen und bereits abgewickelten Einzelgeschäfte beeinträchtigt; andererseits werde dadurch dem in diesem Fall auf die Abstellung der Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen und Marktstrukturbeeinflussung gerichteten Normzweck zur Gänze entsprochen.
3.6. Welcher dieser Auffassungen zu folgen ist, kann jedoch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil über das zivilrechtliche Schicksal der nach Art 82 EG oder nach § 5 Abs 1 KartG 2005 verbotenen Rechtsgeschäfte im kartellgerichtlichen Verfahren nicht zu befinden ist. Das Kartellgesetz sieht als kartellrechtliche Sanktion lediglich die Abstellung der Zuwiderhandlung (§ 26 KartG 2005) und gegebenenfalls Geldbußen (§ 29 KartG 2005) vor (16 Ok 46/05 - Styria Media AG). Daher kann das Kartellgericht nicht über die zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen Art 82 EG oder § 5 Abs 1 KartG absprechen. Aus diesem Grund besteht auch für eine Nichtigerklärung der zwischen der Antragsgegnerin und Dritten abgeschlossenen Verträge im Kartellverfahren keine Grundlage (16 Ok 14/04).
d) Einfluss des Lauterkeitsrechts
3.7. In einem „kleinen Exkurs zum Lauterkeitsrecht" vertritt der Bundeskartellanwalt die Auffassung, auf den kartellrechtlichen Abstellungsanspruch sei der im Lauterkeitsrecht entwickelte Grundsatz analog anzuwenden, wonach der Beseitigungsanspruch (als Bestandteil des Unterlassungsanspruchs) der Abwehr bereits erfolgter, noch fortdauernder Störungen diene.
3.8. Dieser Auffassung kann im Hinblick auf die Unterschiede zwischen der Fassung des Unterlassungsbegehrens im Lauterkeitsrecht und im Kartellverfahren (vgl dazu 16 Ok 11/04 - „TikTak-Tarif") und die bereits erörterte grundsätzliche Unzulässigkeit vorbeugender Abstellungsaufträge im Kartellrecht nicht gefolgt werden. Im Übrigen ist auch im Bereich des Lauterkeitsrechts keineswegs eindeutig, dass der Beklagte zur Beendigung von mit Dritten abgeschlossenen Verträgen verpflichtet werden könnte. Hier ist namentlich strittig, ob über § 15 UWG eine Aufhebung von auf wettbewerbswidrige Weise erwirkten Verträgen erreicht werden kann. Hierzu vertritt die herrschende Auffassung, dass die Beseitigung durch eine ordnungsgemäße Beendigung (zB Kündigung oder Rücktritt) zu erfolgen hat, soweit es sich um Verträge mit Dritten handelt (Duursma-Kepplinger in Gumpoldsberger/Baumann, UWG § 15 Rz 148 mwN). Dies gelte allerdings nur dann, wenn diese Maßnahme rechtlich zulässig ist und der alleinigen Verfügung des Verpflichteten unterliegt. Seien solche Verträge zB wegen Sittenwidrigkeit oder Verstoßes gegen ein gesetzliches Gebot (§ 879 ABGB) nichtig, so könne die Beseitigung in der Aufklärung des Vertragspartners über die Nichtigkeit bestehen (Duursma-Kepplinger aaO).
e) Die Rechtsprechung der Gemeinschaftsorgane
3.9. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Frage nach dem (Nicht-)Vorliegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 5 KartG auch unter Heranziehung der Judikatur zu Art 82 EG zu beantworten (16 Ok 14/03; 16 Ok 3/01). Diese Überlegung kann auch für die Zulässigkeit von Abstellungsaufträgen herangezogen werden. Nach der Rechtsprechung der Gemeinschaftsorgane ist aber unabhängig von der Frage der Nichtigkeit der mit Dritten abgeschlossenen Verträge im Kartellverfahren ein Abstellungsauftrag auch bei bereits beendetem Verhalten dann möglich, wenn dieses noch Folgewirkungen zeigt.
3.10. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom , C-119/97 P - „Ufex" = Slg 1999, I-01341, habe sich die Kommission bei Ausübung des ihr zukommenden Aufgreifermessens ein Urteil über die Schwere der geltend gemachten Beeinträchtigungen des Wettbewerbs und deren fortdauernde Wirkungen zu bilden. Diese Verpflichtung sei insbesondere darauf gerichtet, die Dauer und das Gewicht der beanstandeten Zuwiderhandlungen sowie deren Auswirkung auf die Wettbewerbsverhältnisse in der Gemeinschaft zu berücksichtigen. Dauerten wettbewerbswidrige Wirkungen nach der Einstellung der sie verursachenden Praktiken fort, so sei die Kommission weiterhin nach Art 2, 3 Buchstabe g und Art 86 EG weiterhin dafür zuständig, zu ihrer Beseitigung oder Neutralisierung tätig zu werden. Die Kommission dürfe nicht unter Berufung auf die bloße Tatsache, dass angeblich vertragswidrige Praktiken eingestellt worden sind, die Behandlung einer diese Praktiken beanstandenden Beschwerde wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses einstellen, ohne festgestellt zu haben, dass keine wettbewerbswidrigen Wirkungen fortdauern und dass der Beschwerde kein Gemeinschaftsinteresse aufgrund der Schwere der geltend gemachten Beeinträchtigungen des Wettbewerbs oder von deren fortdauernden Wirkungen zukomme.
3.11. Nach der Entscheidung der Europäischen Kommission Astra IV/32.745 ist die Kommission auch zur Erlassung eines Abstellungsauftrags befugt, wenn das rechtswidrige Verhalten als solches zwar beendet ist, die Wirkungen dieses Verhaltens sich aber nach wie vor in der Marktstruktur niederschlagen (vgl Bauer in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht I [2005] Art 7 VO 1/2003 Rz 23). Nach dieser Entscheidung können die behindernden Auswirkungen der bestehenden Verträge nur dadurch abgestellt werden, dass den Kunden das Recht zur Anpassung eingeräumt wird (Rz 33). Allerdings geht es in dieser Entscheidung nur um die Beendigungsmöglichkeit durch die Kunden, nicht um einen Auftrag zur Vertragsbeendigung an das Unternehmen. Gleiches gilt für die Entscheidung der Europäischen Kommission Trans-Atlantic Conference Agreement IV/35.134 (Rz 579).
3.12. Hingegen wurde im Fall Irish Sugar das Unternehmen dazu verpflichtet, innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach der Bekanntgabe der Entscheidung allen Kunden, die gegenwärtig Rabatte erhalten oder denen Rabatte angeboten wurden, mitzuteilen, dass diese Preisnachlässe nicht mehr gelten (Entscheidung der Kommission vom , Alb L 258 vom ; vgl auch Eilmansberger in MünchKomm Wettbewerbsrecht Art 82 EG Rz 605 ae.).
f) Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs
3.13. Die Entscheidung des Kartellobergerichts 16 Ok 7/01 (Landesnervenklinik) betraf die Bildung einer Bietergemeinschaft in einem Ausschreibungsverfahren. Das Kartellobergericht sprach aus, dass das verbotene Verhalten spätestens mit Ablauf der Gewährleistungsfrist nach Lieferung der ausgeschriebenen Geräte abgeschlossen sei. Der vorliegende Fall unterscheidet sich allerdings darin, dass die durch das Preispaket angeworbenen Kunden den angeblich kartellrechtswidrigen Tarif zeitlich unbeschränkt weiter in Anspruch nehmen können.
3.14. Im Verfahren 16 Ok 10/02 (Wintertarif) war das beanstandete Verhalten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Kartellgerichts bereits abgestellt. Die inkriminierte Aktion in diesem Verfahren betraf allerdings nicht einen Dauertarif, sondern lediglich eine Vergünstigung für während des (abgelaufenen) Aktionszeitraums geführte Gespräche.
3.15. Nicht einschlägig ist auch die Entscheidung 16 Ok 11/03 (Schnurlostelefone). In diesem Verfahren wurde der Antragsgegnerin der Vertrieb von Schnurlostelefonen untersagt, die in einer „gesperrten Variante" zu deutlich günstigerem Preis gekauft werden konnten und mit dem - allerdings unrichtigen - Hinweis versehen waren, sie seien nur für Gespräche über das Netz eines bestimmten Unternehmens geeignet. Der Abstellungsauftrag betraf allerdings nur die Veräußerung von Schnurlostelefonen in der Zukunft, die den unrichtigen Anschein erweckten, dass der Verbindungsnetzbetrieb gesperrt sei.
3.16. In der Entscheidung 16 Ok 46/05 (Styria Media AG) bestätigte der Oberste Gerichtshof die Entscheidung des Kartellgerichts, das der Antragsgegnerin aufgetragen hatte, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung abzustellen, der in der Anwendung des Punkts 13.2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Versand von Tages-, Wochen- und Monatszeitungen bestand. Danach waren rückwirkend ab die höheren Entgelte gemäß Punkt 14.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuwenden, wenn die Planmenge um mehr als 10 % unterschritten wird, der Medieninhaber von sich aus die Verträge mit der Antragsgegnerin kündigt oder die Antragsgegnerin ihrerseits den Vertrag mit dem Medieninhaber aus wichtigem Grund kündigt. Die Untersagung der Anwendung der „Strafklauseln" sei geeignet, den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung zu beseitigen. Die durch den angeführten Punkt der Geschäftsbedingungen herbeigeführte Bezugsbindung sei missbräuchlich im Sinne des Art 82 EG und daher vom Kartellgericht auf Antrag abzustellen. Allerdings unterscheidet sich der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt vom vorliegenden Fall dadurch, dass die Entscheidung des Kartellgerichts die Vertragspartner der Antragsgegnerin begünstigte, während eine Stattgebung der Abstellungsanträge im vorliegenden Fall dazu führen würde, dass Kunden der Antragsgegnerin ihren günstigeren Tarif verlieren.
3.17. In der Entscheidung 16 Ok 11/04 - „TikTak-Tarif" hat der Oberste Gerichtshof der Antragsgegnerin aufgetragen, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung abzustellen. Dieser bestand darin, einen bestimmten Tarif anzubieten, anzuwenden oder zu gewähren.
g) Ergebnis
3.18. Zusammenfassend schließt sich der Oberste Gerichtshof der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom , C-119/97 = Slg 1999, I-01341, und der Europäischen Kommission im Fall Irish Sugar an. Eine effektive Bekämpfung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung erfordert ein Eingreifen des Kartellgerichts auch dann, wenn das verbotene Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens zwar bereits beendet ist, dessen Auswirkungen aber aufgrund des langfristigen Charakters der mit den Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens abgeschlossenen Verträge noch andauern (vgl auch Bauer in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht I [2005] Art 7 VO 1/2003 Rz 23). Es sind dies insbesondere Fälle, in denen ein Dauerschuldverhältnis begründet wird, so dass der Wettbewerb in der vom Gesetz verpönten Weise während der gesamten Vertragsdauer nachteilig beeinflusst werden kann. In einem derartigen Fall können die Mitbewerber nicht auf Schadenersatzansprüche verwiesen werden, weil vorrangiges Anliegen der Rechtsordnung die effiziente Wiederherstellung des Wettbewerbs und nicht der - stets nur ein Surrogat bildende - geldwerte Ausgleich von dessen Beeinträchtigung ist. Diese Fortwirkung bereits abgeschlossenen Verhaltens hat freilich im Sinne der vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 16 Ok 8/08 ausgesprochenen Grundsätze der Antragsteller schlüssig zu behaupten.
3.19. Im vorliegenden Fall haben die Antragsteller - im Gegensatz zu den Antragstellern im Verfahren 16 Ok 8/08 - dieser Behauptungspflicht entsprochen. Ob diese Behauptungen zutreffen, kann derzeit nicht beurteilt werden, weil das Erstgericht ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung hierzu noch keine Feststellungen getroffen hat. Insoweit erweist sich das Verfahren daher als ergänzungsbedürftig.
h) Einfluss einer Entscheidung der Regulierungsbehörde
3.20. Bereits jetzt ist darauf hinzuweisen, dass eine allfällige Genehmigung des Tarifs durch die Regulierungsbehörde nicht zwingend auch die kartellrechtliche Zulässigkeit des Vorgehens der Antragsgegnerin bedeutet (vgl auch § 2 Abs 4 TKG). So lag auch im Verfahren 16 Ok 11/04 („TikTak-Tarif") eine Genehmigung der Tarifmaßnahmen durch die TKK vor. Dessen ungeachtet hat aber der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung den inkriminierten Tarif untersagt.
i) Formulierung des Unterlassungsgebots
3.21. Für den Fall, dass sich im fortgesetzten Verfahren der Vorwurf des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die Antragsgegnerin bestätigen sollte, ist bereits jetzt auf Folgendes hinzuweisen: Nach ständiger Rechtsprechung ist im kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren eine enge, am konkreten missbräuchlichen Verhalten orientierte Fassung des Unterlassungsgebots angebracht (16 Ok 11/04 - „TikTak-Tarif"). Dies ergibt sich daraus, dass kartellrechtliche Abstellungsaufträge empfindlich in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingreifen und Verstöße gegen einen Abstellungsauftrag mit hohen Geldbußen geahndet werden können (§ 29 Z 2 KartG). Angesichts der nahezu grenzenlosen Vielfalt der einem Unternehmen offenstehenden Verhaltensweisen ist es ausgeschlossen, jede nur denkbare Variante - sei sie auch noch so geringfügig - eines festgestellten missbräuchlichen Verhaltens in den Spruch eines Abstellungsauftrags aufzunehmen und ihn damit „umgehungsfest" zu fassen. Dem Verpflichteten kann daher nur jenes Verhalten untersagt werden, das er auf dem betroffenen Markt bereits an den Tag gelegt hat. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Gegenstand des Abstellungsauftrags so unbestimmt gefasst wäre, dass der Rechtsstreit in Wahrheit vor die Exekutionsgerichte verlagert wird, die nicht zur Klärung kartellrechtlicher Fragen berufen sind (16 Ok 11/04 - „TikTak-Tarif" mwN; großzügiger 16 Ok 11/03 - „Schnurlostelefone").
3.22. Diesen Anforderungen entspricht das Hauptbegehren der Antragsteller in mehreren Punkten jedoch nicht. Schon das in Punkt 1a des Begehrens enthaltene Kriterium, dass die Mitglieder des Erstantragstellers und die Zweitantragstellerin das „KombiPaket" „technisch und wirtschaftlich nicht nachbilden" könnten, ist in hohem Maße unbestimmt und auslegungsbedürftig. Hier kommt aus rechtlicher Sicht etwa ein Verbot an die Antragsgegnerin, den Mitgliedern des Erstantragstellers bzw der Zweitantragstellerin ungünstigere Kosten zu verrechnen als ihrem eigenen „retail arm" in Betracht. Unbestimmt ist aber auch die in Punkt 1b des Hauptbegehrens enthaltene Forderung der Rückumstellung der Kunden auf andere Tarifmodelle „auf mit den Antragstellern einvernehmlich zu gestaltende und geeignete Weise".
3.23. Diese Erwägungen begründen zwar keine Mangelhaftigkeit des Begehrens, das die Erteilung eines Verbesserungsauftrags erfordern würde. Das Kartellgesetz enthält nämlich keine Bestimmungen über allgemeine Inhaltserfordernisse von Anträgen. Es ist daher auf § 9 AußStrG zurückzugreifen, wonach der Antrag kein bestimmtes Begehren enthalten muss, sondern es ausreicht, wenn dieser hinreichend erkennen lässt, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit angestrebt und aus welchem Sachverhalt dies abgeleitet wird (16 Ok 8/08). Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht dennoch im Sinne des § 182a ZPO (iVm § 14 AußStrG und § 38 KartG) die Fassung des Unterlassungsgebots mit den Parteien zu erörtern haben (vgl 16 Ok 6/00 = SZ 73/153; 16 Ok 14/04 - Styria Media AG; 16 Ok 8/08). Zwar wurde das Begehren der Antragsteller in der Tagsatzung vom erörtert (vgl ON 9 S 5 ff). Dabei standen jedoch andere Erwägungen im Vordergrund; auf die aufgezeigten Mängel hat das Erstgericht nicht hingewiesen.
3.24. Im fortgesetzten Verfahren wird auch die derzeitige Fassung des Punktes b) des Abstellungsbegehrens zu erörtern sein, worin die Antragsgegnerin zur „Rückumstellung" sowohl von „Altkunden" als auch von ehemaligen Kunden der Mitglieder des Erstantragstellers bzw der Zweitantragstellerin verpflichtet werden soll. Nach § 26 KartG hat das Kartellgericht Zuwiderhandlungen gegen die im ersten Hauptstück enthaltenen Verstöße „wirksam abzustellen" und hierzu die „erforderlichen Aufträge" zu erteilen. Hier fehlen zunächst die Grundlagen im Tatsachenbereich, um Ausmaß und Gewicht der Auswirkungen eines allfälligen Missbrauchs marktbeherrschender Stellung auf den Telekommunikationsmarkt beurteilen zu können.
3.25. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass durch das behauptete missbräuchliche Verhalten der Antragsgegnerin die Kunden durch Einräumung besonders vorteilhafter Konditionen begünstigt wurden, sodass Punkt b) des Unterlassungsbegehrens in die Position der Kunden, also der Marktgegenseite, eingreifen würde. Eine derartige Möglichkeit kann bei einem besonders schwerwiegenden Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nicht von vornherein ausgeschlossen werden, wenn diese Maßnahme - abgesehen von (ohnedies stets nur subsidiär zulässigen) noch einschneidenderen strukturellen Maßnahmen wie der Spaltung der Antragsgegnerin und der Übertragung der betroffenen Verträge auf die neue Gesellschaft - die einzige Möglichkeit ist, die Auswirkungen des Missbrauchs auf die Marktstruktur zu beseitigen. Dies lässt sich anhand der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen jedoch nicht beurteilen. Insbesondere ist - trotz der behaupteten großen Zahl abgeworbener Kunden - nicht klar, ob und gegebenenfalls inwieweit die ANB - nach Änderung der ihnen von der Antragsgegnerin in Rechnung gestellten Leitungsentgelte - bei einem bloßen Verbot an die Antragsgegnerin, die missbräuchlich abgeworbenen Kunden weiter zu versorgen, diese in Zukunft etwa durch Gewährung besonders günstiger Konditionen wieder zurückgewinnen können.
3.26. Soweit es lediglich um die Beendigung der Gewährung von missbräuchlichen Konditionen an bestehende Kunden („Altkunden") geht, wäre eine derartige Maßnahme wohl durch die zitierte Entscheidung im Fall Irish Sugar gedeckt. In diesem Sinne erscheint bei Altkunden der Antragsgegnerin eine Umstellung auf frühere Tarife grundsätzlich denkbar. Dies ist nur zwangsläufige Folge der Abstellung der Aufrechterhaltung von missbräuchlichen Konditionen. In einer derartigen Maßnahme läge auch kein ungerechtfertigter Eingriff in die Rechtsposition der Kunden. Bei einem besonders schwerwiegenden Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung, dessen Auswirkungen noch fortwirken, stünde nämlich ein Verbot der Anwendung von die Kunden begünstigenden Tarifen auch im Einklang mit der zivilrechtlichen Rechtslage, weil diese Verträge im Sinne der obigen Ausführungen (vgl 3.5.) wegen der besonders verwerflichen Umstände ihres Zustandekommens, nämlich des Verstoßes gegen tragende Grundsätze des gemeinsamen Markts (vgl 3 Ob 115/95 = SZ 71/26), auch zivilrechtlich nichtig sein können. Dies wäre aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn - was nach dem Gesagten Voraussetzung für einen derartigen Ausspruch des Kartellgerichts wäre - die durch den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung hervorgerufene Marktstörung derart schwerwiegend wäre, dass sie auf keine andere Weise beseitigt werden könnte.
3.27. Problematischer ist jedoch das Begehren auf „Rückumstellung" auch von Neukunden, also von zur Antragsgegnerin gewechselten früheren Kunden alternativer Netzbetreiber. Diese haben das Vertragsverhältnis zum alternativen Netzbetreiber durch Selbstkündigung beendet. Ursache mag der von der Antragsgegnerin angebotene Tarif gewesen sein; in Betracht kommen aber genauso andere Ursachen, etwa eine allfällige Unzufriedenheit mit einem alternativen Betreiber oder andere Gründe. Die Rückumstellung würde hier die - für sich genommen unbedenkliche - Disposition dieser Kunden unterlaufen. Hier käme stattdessen die Beendigung der Geschäftsbeziehung zu den durch die missbräuchliche Tarifaktion abgeworbenen Neukunden in Betracht, wobei der diesbezügliche Auftrag zur Vermeidung von Umgehungen wohl auch für eine bestimmte mehrmonatige Übergangsfrist durch ein Verbot, mit diesen Kunden neuerlich einen Vertrag zu schließen, abzusichern wäre. Andernfalls würde es der Antragsgegnerin ermöglicht, das Vertragsverhältnis gewissermaßen für eine „logische Sekunde" zu beenden und sofort neuerlich einen - allenfalls sogar inhaltsgleichen - Vertrag abzuschließen. Damit wären aber die Auswirkungen des missbräuchlichen Verhaltens perpetuiert. In einem derartigen Sonderfall kann zum Schutz bzw zur Wiederherstellung des Wettbewerbs nicht nur ein Verbot der Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses mit Kunden, die von einem Teilnehmer mit marktbeherrschender Stellung im Wege eines missbräuchlichen Verdrängungswettbewerbs durch extrem günstige Konditionen angelockt wurden, sondern auch ein Verbot von dessen Neubegründung während eines bestimmten Übergangszeitraums erforderlich sein.
3.28. Die genaue Fassung des Unterlassungsbegehrens wird daher im fortgesetzten Verfahren zu erörtern sein, zumal hier auch technische Gegebenheiten zu berücksichtigen sind. Sowohl für Verträge mit Altkunden als auch für Verträge mit Neukunden wird allerdings auch zu erörtern sein, wie - sollte sich überhaupt eine derart einschneidende Maßnahme wie ein Eingriff in mit den Kunden abgeschlossene Verträge als erforderlich erweisen - das gegebenenfalls missbräuchliche Verhalten durch einen möglichst geringen Eingriff in die Position der Kunden abgestellt werden kann (vgl auch Bauer in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht I [2005] Art 7 VO 1/2003 Rz 16 aE mwN aus der Rechtsprechung der Kommission). Insbesondere wird hier eine ausreichend lange Leistungsfrist einzuräumen sein, um eine entsprechende Disposition der Kunden zu ermöglichen, die diesen eine lückenlose Telekommunikationsversorgung und Beibehaltung ihrer Rufnummer gewährleistet.
4. Zum Feststellungsbegehren
4.1. Auch die Abweisung des eventualiter gestellten Feststellungsbegehrens hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand: Die Antragsteller begründen ihr Feststellungsinteresse zusammengefasst damit, dass dafür bereits die Antragslegitimation nach § 36 Abs 4 Z 4 KartG ausreiche. Außerdem bestehe weiter eine Fortwirkung der zwischen bis abgeschlossenen Endkundenverträge. Hinzu komme die Absicht der Zweitantragstellerin, in Zukunft andere (zivilrechtliche) Ansprüche wegen Verstoßes gegen § 5 KartG bzw Art 82 EG geltend zu machen. Weiters berufen sich die Antragsteller auf das Vorliegen von Wiederholungsgefahr und das Vorliegen einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage.
4.2. § 28 Abs 1 KartG 2005 stellt für die Feststellung beendeter Zuwiderhandlungen auf ein berechtigtes Interesse ab, ohne dieses näher zu bestimmen. In seiner Entscheidung 16 Ok 8/08 hat der Oberste Gerichtshof eingehend zur Frage des Feststellungsinteresses Stellung genommen. Demnach unterscheidet sich das in § 28 Abs 1 KartG 2005 für die Feststellung beendeter Zuwiderhandlungen geforderte berechtigte Interesse vom bereits Voraussetzung für die Antragslegitimation eines Unternehmens bildenden Vorliegen eines rechtlichen oder wirtschaftlichen Interesses an der Entscheidung (§ 36 Abs 4 Z 4 KartG 2005).
Zusammengefasst gelangte der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung zur Auffassung, im Hinblick auf zahlreiche systematische Erwägungen und die Folgeprobleme, die eine Verlagerung der Klärung kartellrechtlicher Vorfragen von zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen in das Kartellverfahren mit sich brächte, solle eine derartige Lösung nicht im Wege der Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung entwickelt, sondern im Rahmen einer Gesamtregelung des „Private Enforcement" von Kartellverstößen vom Gesetzgeber getroffen werden. Die bloße Absicht, zivilrechtliche Schadenersatzansprüche zu erheben, rechtfertige die Erhebung eines Feststellungsbegehrens im Kartellverfahren daher nicht. Auch bei einer einschränkenden Auslegung des § 28 Abs 1 KartG werde die Regelung nicht jeglichen Anwendungsbereichs beraubt. Hier sei neben der Feststellung vergangener Kartellverstöße als Vorbereitung eines Bußgeldverfahrens (16 Ok 4/07 = RIS-Justiz RS0122739) auf die Klärung strittiger Rechtsfragen zu verweisen, deren Bedeutung über den Einzelfall hinausreicht.
4.3. Die Kritik an dieser Entscheidung von Hoffer/Innerhofer (OZK 2008, 233) vermag die in der zitierten Entscheidung angestellten Erwägungen nicht zu widerlegen. Insbesondere bleibt bei diesen Autoren völlig offen, wie ein derartiger, abgeschlossene Zuwiderhandlungen betreffender allgemeiner Feststellungsantrag sich systemkonform in das sonstige Verfahrens- und materielle Recht einfügen würde. Das Verhältnis eines derartigen Feststellungsantrags zum Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage ist ebenso unklar wie dessen Auswirkung auf die Verjährung, ist doch außerhalb des Kartellrechts anerkannt, dass nur ziffernmäßig bestimmte Begehren die Verjährung unterbrechen (RIS-Justiz RS0035954). Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, von der zitierten Entscheidung abzugehen.
4.4. Wenngleich daher die Absicht, in Zukunft zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen, für die Begründung des Feststellungsinteresses nicht ausreicht, haben sich die Antragsteller doch auch auf das Vorliegen einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage berufen.
4.5. In seinem Urteil vom im Verfahren Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Rs C-7/82, Slg 1983, 00483, hat der Europäische Gerichtshof in einem Fall, in dem die Beschwerdeführerin ihr missbräuchliches Verhalten gegenüber der Kommission verteidigte, ausgesprochen, die Kommission habe davon ausgehen können, dass tatsächlich die Gefahr einer Wiederaufnahme der missbräuchlichen Praxis bestand und dass deshalb eine Klarstellung der Rechtslage geboten sei (Rz 27 des zitierten Urteils).
4.6. Dies entspricht der heute herrschenden Auffassung im europäischen Wettbewerbsrecht (vgl auch EuGH Rs C-119/97 P, Ufex, Rz 94; Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht4 § 32 Rz 4). Demnach besteht ein berechtigtes Interesse der Kommission zur Feststellung vergangenen Zuwiderhandelns, wenn die ernste Gefahr einer Wiederaufnahme der wettbewerbswidrigen Praxis besteht und deshalb eine Klarstellung der Rechtslage geboten erscheint. Nach Immenga/Mestmäcker (aaO) steht dem der Fall gleich, dass die nachteiligen Wirkungen einer missbräuchlichen Praxis - trotz ihrer zwischenzeitlichen Aufgabe - fortbestehen, sodass auch die Notwendigkeit zu ihrer Beseitigung andauere.
4.7. Im vorliegenden Fall besteht nach dem Vorbringen der Antragsteller die Gefahr, dass die Antragsgegnerin durch vergleichbare Aktionen in der Zukunft ihr wettbewerbwidriges Verhalten wiederholt. Tatsächlich hat auch bereits das Erstgericht eine weitere vergleichbare Aktion der Antragsgegnerin festgestellt. Damit liegt aber zweifellos ein besonderes Bedürfnis an der Klärung der Rechtslage (vgl Solé, Verfahren vor dem Kartellgericht 306) vor.
4.8. Im vorliegenden Fall sind eine Reihe zentraler Rechtsfragen des Wettbewerbsrechts zu klären, zu denen die Parteien unterschiedliche Auffassungen vertreten. So steht die Antragsgegnerin auf dem Standpunkt, Netzkosten seien bei einem margin-squeeze-Vergleich nicht einzubeziehen. Außerdem komme es nicht auf die Gesamt-, sondern auf Grenzkosten an. Schließlich will die Antragsgegnerin nur die Kosten effizienter Mitbewerber als Vergleichsmaßstab berücksichtigen, während die Antragsteller die Auffassung vertreten, es sei auf ein durchschnittlich leistungsfähiges Unternehmen abzustellen. Ein weiterer Unterschied betrifft die Zulässigkeit missbräuchlichen Verhaltens im Einzelfall. Nach der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin könne ein an sich missbräuchliches Verhalten aufgrund von Effizienzgewinnen gerechtfertigt sein. Dem gegenüber stehen die Antragsteller auf dem Standpunkt, eine negative Preis-Kosten-Schere sei schon per se missbräuchlich.
4.9. Der Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass nach den Entscheidungen der Europäischen Kommission bzw des Europäischen Gerichts erster Instanz im Verfahren Deutsche Telekom bei einem margin-squeeze-Vergleich Netzkosten nicht einzubeziehen sind (Kommission vom , COMP/C-1/37.451, 37.578 und 37.579 [Rz 139 und 155]; EuGe I vom , T 271/03 [Rz 193]). Gleiches gilt für den Grundsatz, dass nicht auf die Gesamtkosten abzustellen ist, und dafür, dass die Kosten effizienter Mitbewerber und des vermeintlich missbräuchlich handelnden Unternehmers als Maßstab heranzuziehen sind. Diese Entscheidungen stammen jedoch von der Europäischen Kommission bzw vom Europäischen Gericht erster Instanz; eine entsprechende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs liegt - soweit ersichtlich - nicht vor. Für den innerstaatlichen Rechtsbereich liegt überhaupt noch keine einschlägige Judikatur vor.
4.10. Selbst wenn auch für den innerstaatlichen Rechtsbereich im Hinblick auf die zitierten Entscheidungen der Kommission bzw des Europäischen Gerichtshofs erster Instanz die Rechtsfrage eindeutig wäre, beträfe dies jedoch nur das Meritum des Eventualbegehrens, nicht das Feststellungsinteresse, muss den Antragstellern doch im Sinne der zitierten Judikatur des Europäischen Gerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 16 Ok 8/08 freistehen, die (Un-)Zulässigkeit des angeblich missbräuchlichen und Wiederholungsgefahr begründenden Verhaltens der Antragsgegnerin im Wege eines Feststellungsverfahrens klären zu lassen.
4.11. Gleiches gilt für den Einwand der Antragsgegnerin, ein an sich missbräuchliches Verhalten könne gerechtfertigt sein. Wenngleich der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung im Missbrauchsverfahren eine Abwägung der einander widerstreitenden Interessen vornimmt (16 Ok 11/03 - „Schnurlostelefon"; 16 Ok 1/99 - „One"; 16 Ok 11/04 - „TikTak-Tarif"), ist daraus für die Lösung des konkreten Interessenwiderstreits im vorliegenden Fall nichts abzuleiten. Aus diesem Hinweis auf allgemeine Grundsätze kann daher die Unzulässigkeit des Feststellungsbegehrens gleichfalls nicht abgeleitet werden.
5. Damit erweisen sich die Rekurse aber im Ergebnis als im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt, sodass die angefochtene Entscheidung spruchgemäß aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen war.