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OGH vom 17.12.2008, 16Ok12/08

OGH vom 17.12.2008, 16Ok12/08

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Kartellobergericht durch die Präsidentin des Obersten Gerichthofs Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Univ.-Prof. Dr. Kodek und die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Bauer und Dr. Haas als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragsteller 1. E***** AG, *****, 2. E***** GmbH, *****, beide vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH, über den Rekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom , GZ 24 Kt 50/07-9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

An der R***** AG (kurz „RAG") waren und sind die R*****-AG (kurz „RBG") zu 75 % und die E***** GmbH (kurz „EPH") zu 25 % beteiligt. Die EPH war eine hundertprozentige Beteiligungsgesellschaft der S*****-Gruppe. An der RBG waren und sind zu 50,05 % die E***** AG (auch „Erstantragstellerin" oder kurz „EVN"), zu 29,95 % die E***** GmbH (auch „Zweitantragstellerin" oder kurz „ER") sowie zu je 10 % die S***** AG ***** (kurz „SAG") und die St***** GmbH (kurz „STGW") beteiligt. Sowohl bei der EPH als auch bei der RBG handelt es sich um reine Beteiligungsgesellschaften, deren Zweck es ist, die jeweiligen Anteile an der RAG zu halten und die Stimmrechte der Eigentümer auszuüben, wobei die RBG mittels Syndikatsvertrags gemeinsam durch die EVN und die ER kontrolliert wird.

Da sich die S*****-Gruppe von ihrer Beteiligung an der EPH trennen wollte, hat sie sämtliche Geschäftsanteile an der EPH (aus strukturinternen Gründen nicht jene an der RAG) zum Verkauf angeboten.

Die EESU ***** GmbH (kurz „EESU") wurde durch die Antragstellerinnen sowie durch die SAG und die STGW zu dem Zweck gegründet, die Anteile an der EPH zu erwerben und zu verwalten. Die EESU soll die Stimmrechte in der EPH nur ausüben, soweit dies notwendig ist, um den vollen Wert der Investition zu erhalten. An der EESU sind die EVN zu 49,95 %, die ER zu 30,05 % sowie die SAG und die STGW zu je 10 % beteiligt, wobei ein Syndikatsvertrag nicht besteht.

Nach Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs (der EPH-Anteile) soll auch der Syndikatsvertrag zwischen EVN und ER aufgehoben und die Satzung der RAG insofern geändert werden, dass künftig eine einfache Mehrheit zur Beschlussfassung in der Hauptversammlung ausreicht.

Die Umsatzerlösschwellen des § 9 Abs 1 KartG 2005 waren bei diesem Vorhaben jedenfalls erreicht.

Die Europäische Kommission erklärte sich im gegenständlichen Fall für unzuständig.

Die EESU hat das Vorhaben („rein vorsorglich") bei der Bundeswettbewerbsbehörde als Zusammenschluss angemeldet. Die Amtspartei beantragte die Prüfung des Zusammenschlusses nach § 11 iVm § 12 Abs 1 KartG 2005. Im Prüfungsverfahren (24 Kt 58/07) verpflichteten sich EVN und ER, Auflagen im Zusammenhang mit dem zu Grunde liegenden Beteiligungserwerb einzuhalten. Diese Zusagen sollen jedoch außer Kraft treten, wenn Kartellgericht oder Kartellobergericht rechtskräftig das Nichtvorliegen eines Zusammenschlusses gemäß § 7 KartG feststellen (Beil ./B in 24 Kt 58/07). In weiterer Folge zog die Bundeswettbewerbsbehörde ihren Antrag auf Prüfung des Zusammenschlusses im Hinblick auf die von den Anmelderinnen abgegebenen Zusagen iSd § 17 Abs 2 letzter Satz KartG 2005 zurück.

Die Antragstellerinnen begehren die Feststellung, dass der Erwerb der EPH durch die EESU nicht den Bestimmungen der §§ 7 ff KartG unterliege. Es liege kein Zusammenschluss im Sinne des § 7 Abs 1 Z 3 KartG vor, weil es sich bei der aus Beteiligungserwerbs- und Verwaltungsgründen gegründeten EESU um kein Unternehmen im Sinne des Kartellgesetzes handle, sondern um eine reine Beteiligungsverwaltungsgesellschaft, zumal sie am Markt nicht in Erscheinung treten werde. Außerdem sei der Ausnahmetatbestand des § 19 Abs 1 Z 3 KartG verwirklicht. Das Tatbestandsmerkmal der mittelbaren Beteiligung gemäß § 7 Abs 1 Z 3 KartG sei mangels eines beherrschenden Einflusses auf jeder der der unmittelbaren Beteiligung anschließenden Stufen nicht erfüllt. Dazu sei üblicherweise eine Beteiligung von mindestens 50 % notwendig. Bei wirtschaftlicher Betrachtung gemäß § 20 KartG scheide mit S***** bloß einer von drei kontrollierenden Gesellschaftern der RAG aus. Es liege daher kein Zusammenschluss vor.

Die Bundeswettbewerbsbehörde vertrat die Auffassung, aufgrund der Anmeldung des gegenständlichen Vorhabens bei der Bundeswettbewerbsbehörde sei der Feststellungsantrag obsolet. Weitere Verfügungen seien im Rahmen des Zusammenschlusskontrollverfahrens zu treffen.

Das Erstgericht wies den Feststellungsantrag ab. Es bestehe ein rechtliches Interesse der Antragstellerinnen an der beantragten Feststellung, weil davon einerseits die Wirksamkeit der von den Antragstellerinnen gegenüber der Bundeswettbewerbsbehörde abgegebenen Verpflichtungszusagen und andererseits die auf diesen Verpflichtungszusagen aufbauende Rücknahme des Antrags auf Prüfung eines Zusammenschlusses durch die Bundeswettbewerbsbehörde abhingen.

Die EESU könne bereits durch die Ausübung der Stimmrechte wirtschaftlich lenkend Einfluss auf die RAG nehmen. Die bloße Möglichkeit einer solchen Leitungsmacht, welche für die Annahme der Unternehmenseigenschaft ausreiche, könne derzeit jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Unter Bedachtnahme auf das Ausmaß der jeweiligen Beteiligungen sowie aufgrund des damit zusammenhängenden Organisationsaufwands und der Beteiligungsverwaltung müsse man jedenfalls davon ausgehen, dass es sich bei den Gesellschaften um Unternehmen handle. In der Literatur werde für die Annahme der Unternehmenseigenschaft der beteiligten Gesellschaft sogar auf eine bloß mehr als 25%ige Beteiligung abgestellt, ohne dass dafür der Betrieb eines Unternehmens notwendig wäre. Außerdem seien nach § 2 UGB Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung Unternehmer kraft Rechtsform.

Der Ausnahmetatbestand des § 19 Abs 1 Z 3 KartG beziehe sich nur auf die Tätigkeit im Rahmen von Beteiligungsfonds- und Kapitalfinanzierungsgeschäften im Sinne des § 1 Abs 1 Z 14 und 15 BWG oder ähnlich gelagerten Geschäften.

Der Einwand der Antragstellerinnen, das Tatbestandsmerkmal der mittelbaren Beteiligung im Sinne des § 7 Abs 1 Z 3 KartG sei beim gegenständlichen Vorhaben vorweg auszuschließen, sei nicht überzeugend. Einerseits sei auch der mittelbare Anteilserwerb im Rahmen des Zusammenschlusstatbestands als „abstrakter Gefährdungstatbestand" zu verstehen. Dieser Tatbestand stelle nicht bloß auf starre Beteiligungsverhältnisse ab.Vielmehr werde auf die Einflussmöglichkeiten unter Berücksichtigung der gesamten Beteiligungsverhältnisse Bedacht zu nehmen sein. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs als Kartellobergericht vom , 16 Ok 16/98, beziehe sich bloß auf die Auslegung der Zusammenrechnungsregelung des § 2a iVm § 41 KartG 1988 bei einer mittelbaren Beteiligung und nicht auf die grundsätzliche Erfassung durch § 41 Abs 1 Z 3 KartG 1988 (nunmehr § 7 Abs 1 Z 3 KartG 2005) zur Erfüllung des Zusammenschlusstatbestands. Der Begriff der „mittelbaren Beteiligung" werde in dieser Entscheidung nicht definiert. Ein solches Erfordernis wäre nur im Zusammenhang mit § 2a KartG 1988 zur Berechnung des Umsatzerlöses erwägenswert und nicht für die Verwirklichung des Zusammenschlusstatbestands per se. Ausdrücklich habe der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hingegen in seiner Entscheidung vom , 16 Ok 20/02, klargestellt, dass für die Verwirklichung des Zusammenschlusstatbestands der Beteiligung (§ 41 Abs 1 Z 3 KartG 1988) über 25 % nicht auch noch der Nachweis eines beherrschenden Einflusses notwendig sei. Wie groß die tatsächliche Einflussmöglichkeit sei, sei erst im zweiten Prüfungsschritt im Rahmen des Prüfungsverfahrens zu untersuchen.

Weil das gegenständliche Vorhaben unter § 7 Abs 1 Z 3 KartG falle, erübrige sich eine Prüfung, ob § 7 Abs 1 Z 5 KartG erfüllt sei. Bei dieser Bestimmung handle es sich um eine Generalklausel bzw einen Auffangtatbestand.

Insgesamt bestehe somit kein Grund festzustellen, dass der gegenständliche Erwerb nicht den Vorschriften der §§ 7 ff KartG 2005 unterliege. Vielmehr lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Z 3 KartG 2005 vor, weil sich durch das gegenständliche Vorhaben der durchgerechnete Anteil der EVN an der RAG auf 50 % und jener der ER auf über 25 % erhöhe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Antragstellerinnen ist nicht berechtigt.

1.1. Entgegen der Rechtsansicht der Bundeswettbewerbsbehörde sind die Antragstellerinnen durch die angefochtene Entscheidung beschwert. Beschwer ist das in höherer Instanz vorausgesetzte Rechtsschutzbedürfnis des Rechtsmittelwerbers (Fasching in Fasching/Konecny2 IV/1 Einleitung Rz 88). Dabei ist im zweiseitigen Verfahren grundsätzlich zunächst von der formellen Beschwer auszugehen. Formell beschwert ist ein Rechtsmittelwerber, der durch die angefochtene Entscheidung nicht alles erhalten hat, was er begehrt hat (Fasching aaO Rz 102). In diesem Sinne ist die Beschwer der Rekurswerberinnen zweifellos zu bejahen.

1.2. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof in Zusammenschlussfällen einen Wegfall der Beschwer angenommen, wenn das Verfahren durch nachfolgende Verfahrensschritte beendet wurde (16 Ok 6/06, 16 Ok 7, 8/06; ebenso schon 16 Ok 10/95; Solé in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 49 Rz 9). Im vorliegenden Fall hat die Bundeswettbewerbsbehörde zwar ihren Antrag auf Prüfung des Zusammenschlusses zurückgezogen. Dieser Umstand führte aber nicht zum Wegfall der Beschwer, weil - worauf schon das Erstgericht zutreffend hinwies - die von den Antragstellerinnen gegenüber der Bundeswettbewerbsbehörde abgegebenen Zusagen außer Kraft treten, wenn das Kartellgericht oder Kartellobergericht rechtskräftig das Nichtvorliegen eines Zusammenschlusses gemäß § 7 KartG feststellt. Damit kommt den Rekurswerberinnen weiter ein rechtliches Interesse an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung zu.

2. Soweit die Bundeswettbewerbsbehörde in ihrer Rekursbeantwortung auf frühere Schriftsätze verweist, ist dies nach ständiger Rechtsprechung unbeachtlich (RIS-Justiz RS0043579, RS0043616, RS0007029; Kodek in Fasching/Konecny² §§ 84, 85 ZPO Rz 185 mwN).

3.1. Die Bestimmungen über die Zusammenschlusskontrolle gelten nur für Unternehmen. Das Erstgericht hat die Unternehmenseigenschaft der EESU (auch) damit begründet, dass nach § 2 UGB Kapitalgesellschaften stets Unternehmer seien. Dem Kartellrecht liegt aber - schon aufgrund der nach § 20 KartG gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung - ein eigenständiger Unternehmensbegriff zugrunde. Die Rechtsprechung geht hier in Anlehnung an vom EuGH entwickelte Kriterien von einem funktionalen Unternehmensbegriff aus (16 Ok 5/04; Petsche/ Urlesberger/Vartian, KartG 2005 § 1 Rz 6), wonach der Begriff des Unternehmens funktional aus dem Sinn und Zweck der Wettbewerbsregeln und somit weit auszulegen ist (EuGH Rs C-364/92, Euro-Control, Slg 1994, I-43, 60 ff; Rs C-55/96, Shopcenter, Slg 1997, I-7119). Der Begriff des Unternehmens im kartellrechtlichen Sinn erfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (EuGH Rs C-41/90 HöfnerundElser/MacrotonGmbH, Slg 1991, I-1979; Rs C-264/01, AOK Bundesverband, Slg 2004, I-2493). Entscheidend ist die wirtschaftliche Betätigung (Okt 10/94 = ÖBl 1995, 176; Okt 11/94; Okt 12/94).

3.2. Auch Gesellschafter von Kapitalgesellschaften oder sonstige am Unternehmen beteiligte Personen können Unternehmer im Sinne des KartG sein, wenn sie über die bloße Verwaltung der Beteiligung hinaus wirtschaftlich planend oder lenkend Einfluss auf die Leitung des Unternehmens nehmen (16 Ok 2/97; Wessely, Fusionskontrolle 37 f und 97 f; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht³ 254 f; Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 7 Rz 4). Es kommt darauf an, dass sich das an einem Zusammenschluss beteiligende Rechtssubjekt unternehmerisch betätigt, dh wirtschaftliche Leitungsmacht ausübt und insbesondere die für die Marktstellung wesentlichen Entscheidungen trifft oder zumindest jederzeit treffen könnte. Dies ist bei einem Mehrheitsgesellschafter regelmäßig der Fall. Im Einzelfall können ausnahmsweise auch Minderheitsgesellschafter als Unternehmer zu qualifizieren sein, wenn sie die relevanten unternehmerischen Entscheidungen in einer Gesellschaft beeinflussen oder beeinflussen könnten, zB wenn sie durch entsprechende Satzungsgestaltung oder aus anderen Gründen dazu in die Lage versetzt werden (16 Ok 2/97 - Filmproduktionsunternehmen I).

3.3. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich daraus, dass auch EPH und EESU Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne sind. Wenngleich die EESU nach den Feststellungen des Erstgerichts die Stimmrechte in der EPH nur insoweit ausüben soll, als dies erforderlich ist, um den Wert der Investition zu erhalten, würde dies nur dann die Unternehmereigenschaft ausschließen, wenn die Ausübung des Stimmrechts keine unternehmerischen Entscheidungen einschlösse. Der Wert der Beteiligung hängt jedoch maßgeblich vom Erfolg der RAG ab, an der die EPH mit 25 % beteiligt ist. Aufgrund der derzeitigen Satzungsgestaltung kann die EPH alle wesentlichen Entscheidungen der RAG mitbestimmen, weil die erforderliche Vier-Fünftel-Mehrheit eine Entscheidung gegen ihre Stimme ausschließt.

3.4. Sowohl der EESU als auch der EPH kommt daher Unternehmenseigenschaft zu. In der Literatur wird bereits eine bloß mehr als 25%ige Beteiligung für die Annahme der Unternehmenseigenschaft der beteiligten Gesellschaft als ausreichend angesehen (Reich-Rohrwig/Zehetner, Kartellrecht I 271 mwN). Im Gegensatz zum in der Entscheidung 16 Ok 2/97 beurteilten Sachverhalt handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um Einzelpersonen, die erst mit dem Beteiligungserwerb Unternehmereigenschaft erlangen, sondern um juristische Personen, die schon bei ihrer Gründung den festgestellten wirtschaftlichen Zwecken dienen sollten. Im Übrigen genügt für die Unternehmereigenschaft eine bloß potenzielle unternehmerische Tätigkeit (Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht², 35, 113).

3.5. Der Ausnahmetatbestand des § 19 Abs 1 Z 3 KartG kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Nach dieser - plastisch als „Private Equity-Ausnahme" bezeichneten (Urlesberger aaO § 19 KartG Rz 22) - Ausnahmebestimmung wird kein Zusammenschluss gemäß § 19 Abs 1 Z 3 KartG verwirklicht, wenn Anteile an einem Unternehmen in Ausübung des Beteiligungsfonds- oder des Kapitalfinanzierungsgeschäfts (§ 1 Abs 1 Z 14 und Z 15 BWG) oder sonst durch eine Gesellschaft erworben werden, deren einziger Zweck darin besteht, Beteiligungen an anderen Unternehmen zu erwerben, sowie die Verwaltung und Verwertung dieser Beteiligungen wahrzunehmen. Die sachliche Rechtfertigung dieser Ausnahme beruht auf der Annahme, dass die erfassten Beteiligungsgesellschaften nicht in die operative Geschäftsführung der Zielgesellschaft eingreifen, sondern ihre Beteiligungen als reine Finanzanlagen betrachten (Urlesberger aaO § 19 KartG Rz 25). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch angesichts der Identität der Gesellschafter von EESU und RBG offenkundig nicht erfüllt.

3.6. Der Erwerb der Anteile an der EPH fällt hingegen nicht unter § 7 Abs 2 KartG. Nach dieser - eng an Art 3 Abs 4 FKV angelehnten - Bestimmung verwirklicht auch die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt, einen Zusammenschluss. Dieser Tatbestand erfasst jedoch nur originäre Neugründungen (Urlesberger aaO § 7 KartG Rz 95 ff). Der Erwerb von gemeinsamer Kontrolle durch zwei Unternehmer an einem bereits operativ tätigen Zielunternehmen verwirklicht daher nach innerstaatlichem Recht nicht den Zusammenschlusstatbestand des § 7 Abs 2 KartG, sondern jenen nach § 7 Abs 1 Z 3 KartG oder jenen nach § 7 Abs 1 Z 5 KartG (Urlesberger aaO § 7 KartG Rz 97).

4.1. Der gegenständliche Vorgang könnte als mittelbarer Anteilserwerb im Sinne von § 7 Abs 1 Z 3 KartG von ER und EVN - über EESU und EPH - an RAG qualifiziert werden. Nach § 7 Abs 1 Z 3 KartG gilt als Zusammenschluss ua der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer ist, durch einen anderen Unternehmer sowohl dann, wenn dadurch ein Beteiligungsgrad von 25 %, als auch dann, wenn dadurch ein solcher von 50 % erreicht oder überschritten wird. Diese Bestimmung entspricht der früheren Regelung des § 41 Z 3 KartG 1988. Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich dabei um einen abstrakten Gefährdungstatbestand. Beim Erwerb bloßer Minderheitsbeteiligungen von zumindest 25 % ist keine konkrete Beherrschungsmöglichkeit erforderlich, um eine Anmeldebedürftigkeit auszulösen (16 Ok 9/01 - WoltersKluwer/Linde). Wie groß die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten sind und wie weit nach dem Zusammenschluss tatsächlich mit einem abgestimmten Verhalten zu rechnen ist, ist erst in einem zweiten Prüfungsschritt zu berücksichtigen. Dabei geht es um die Frage, ob durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird (16 Ok 20/02 - Bahnbus/Postbus).

4.2. Als Erwerb gilt auch der bloß mittelbare Erwerb von Anteilen durch einen Unternehmer etwa über eine Holding, eine Tochtergesellschaft oder eine Stiftung (Urlesberger aaO § 7 KartG Rz 42).

4.3. Bei einer bloß mittelbaren Beteiligung über mehrere Stufen genügt es nicht, wenn die nach § 7 Abs 1 Z 3 KartG maßgeblichen Beteiligungsschwellen von 25 bzw 50 % nur dadurch erreicht werden, dass „durchgerechnet" wird. Bei einer „Durchrechnung" würden die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten nicht ausreichend berücksichtigt (KG 25 Kt 413/96; Urlesberger aaO § 7 KartG Rz 52). Nach überwiegender Auffassung muss vielmehr bei einem mittelbaren Erwerb über mehrere Stufen zumindest jener Einfluss vorliegen, der mit einer unmittelbaren Beteiligung von 25 % oder mehr verbunden ist (Urlesberger aaO; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht3 § 13 Rz 28a).

4.4. Dieser Ansicht folgte das Kartellobergericht in seiner Entscheidung vom (16 Ok 9/01 - Wolters Kluwer/Linde) im Zusammenhang mit der Frage der Umsatzzurechnung nach § 22 KartG. Weil § 22 KartG auf § 7 KartG verweist, kann diese Entscheidung auch für die Auslegung des § 7 Abs 1 Z 3 KartG unmittelbar herangezogen werden. Daher liegt ein tatbestandsmäßiger mittelbarer Beteiligungserwerb nur dann vor, wenn das beteiligte Unternehmen auch seine die relevanten Beteiligungsschwellen vermittelnden Tochter- oder Enkelunternehmen beherrscht (vgl Koppensteiner, Wettbewerbsrecht3 § 13 Rz 28a).

Dabei ist jedoch darauf zu verweisen, dass eine derartige Beherrschung zwar im Regelfall nur bei Vorliegen einer Anteilsmehrheit in den Tochter- bzw Enkelgesellschaften vorliegen wird. Da es jedoch auf die tatsächliche Beherrschung ankommt, kann aufgrund besonderer Konstellationen im Einzelfall auch bei einer niedrigeren Beteiligung an die Beteiligungsstellung nach § 7 Abs 1 Z 3 KartG vermittelnden Gesellschaften eine Beherrschung vorliegen.

4.5. Weder die Erstantragstellerin noch die Zweitantragstellerin beherrschen die EESU und die EPH in einer Weise, dass einer einzelnen von ihnen die von der EPH gehaltenen Anteile an der RAG zugerechnet werden könnten. Damit sind im vorliegenden Fall die Beteiligungsschwellen nach § 7 Abs 1 Z 3 KartG maßgebend, die keine der beiden Antragstellerinnen erreicht.

5.1. Nach § 7 Abs 1 Z 5 KartG gilt als Zusammenschluss auch jede sonstige Verbindung von Unternehmen, aufgrund derer ein Unternehmer unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben kann. Dabei handelt es sich um einen Auffangtatbestand (Urlesberger aaO § 7 KartG Rz 61), der nur dann zum Tragen kommt, wenn die Tatbestände des § 7 Abs 1 Z 1 bis 4 KartG nicht erfüllt sind (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht3 § 13 Rz 38; aA Urlesberger aaO § 7 KartG Rz 61). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 7 Abs 1 Z 5 KartG (arg. „jede sonstige Verbindung von Unternehmen").

5.2. Für das Vorliegen beherrschenden Einflusses ist entscheidend, ob ein Unternehmen bei den für die Markt- und Wettbewerbsstellung ausschlaggebenden Entscheidungen seine eigenen wettbewerblichen Interessen in einem anderen Unternehmen durchsetzen kann. Dies ist der Fall, wenn es wesentliche Markt- und Wettbewerbsstrategien des Zielunternehmens bestimmen kann (16 Ok 16/04 - Brauerei Schladming). Entscheidende Materien sind hier die Entscheidung über die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung, Entscheidungen über das jährliche Budget, Entscheidungen über den jährlichen Business-Plan und Entscheidungen über strategisch wichtige Investitionen, wobei jedoch bereits die Kontrolle über einzelne dieser Angelegenheiten ausreichen kann (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 7 Rz 69 f; ausführlich 16 Ok 7/07).

5.3. Der kartellrechtliche Beherrschungsbegriff ist weiter als derjenige des Gesellschaftsrechts (16 Ok 16/04 - Brauerei Schladming). Ein beherrschender Einfluss im Sinne von § 7 Abs 1 Z 5 KartG ist daher jedenfalls anzunehmen, wenn die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen eines Konzerns (vgl § 15 AktG,§ 115 GmbHG) erfüllt sind. Auch wenn diese nicht erfüllt sind, liegt aber ein Zusammenschluss vor, wenn eine Beherrschung bloß möglich ist, nicht aber tatsächlich ausgeübt wird (Reidlinger/Hartung, Kartellrecht 150; Urlesberger aaO § 7 KartG Rz 64; 16 Ok 9/01 - Wolters Kluwer/Linde, 16 Ok 4/05 - Spar). Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung des § 7 Abs 1 Z 5 KartG, wonach darauf abzustellen ist, ob ein beherrschender Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausgeübt werden „kann" (16 Ok 9/01- WoltersKluwer/Linde; 16 Ok 4/05 - Spar).

5.4. § 7 Abs 1 Z 5 KartG spricht von „beherrschendem Einfluss", verlangt aber keine alleinige Kontrolle. Vielmehr reicht grundsätzlich gemeinsame Kontrolle aus, bei der zwei oder mehrere Unternehmen einen beherrschenden Einfluss auf das Gemeinschaftsunternehmen ausüben können (Urlesberger aaO § 7 KartG Rz 81). Gleiches gilt für wesentliche Änderungen der Art der Kontrolle (Urlesberger aaO § 7 KartG Rz 82).

5.5. Auch ein Wechsel zwischen den Beherrschungsarten kann einen Zusammenschluss im Sinne des § 7 Abs 1 Z 5 KartG begründen. Dies wurde etwa bei Aufstockung einer bestehenden 50 %-Beteiligung angenommen, wenn dadurch alleinige Kontrolle erreicht wurde (KG 1 Kt 1318/94). Hingegen wird in der Regel kein Zusammenschluss vorliegen, wenn sich die Anzahl der gemeinsam kontrollierenden Gesellschafter reduziert (Urlesberger aaO § 7 KartG Rz 83) und das Gemeinschaftsunternehmen nach Ausscheiden eines gemeinsam kontrollierenden Gesellschafters weiterhin unter der gemeinsamen Kontrolle der verbleibenden Gesellschafter steht. Allerdings räumt Urlesberger (aaO) ein, dass in einem derartigen Fall ein fusionskontrollrechtlich relevanter Vorgang allenfalls dann vorliegen könnte, wenn die Stellung der verbleibenden gemeinsam kontrollierenden Gesellschafter wesentlich aufgewertet wird und eine tatsächliche Veränderung in der Qualität der Kontrolle eintritt (vgl auch Riesenkampff/Lehr in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht II § 37 GWB Rz 17). Dies sei bei einer Reduktion von drei auf zwei kontrollierende Gesellschafter denkbar (Urlesberger aaO § 7 KartG Rz 83). Auch die Europäische Kommission hat in Fällen, in denen sich die Kontrolle durch die bloße Reduzierung der die gemeinsame Kontrolle ausübenden Unternehmen von drei auf zwei Unternehmen geändert hat, einen Zusammenschlusstatbestand bejaht (vgl Schulte, Handbuch der Fusionskontrolle Rz 1020).

5.6. Im vorliegenden Fall liegt eine derartige Sonderkonstellation vor: Die Antragstellerinnen haben zwar bereits bisher über eine gemeinsame Tochtergesellschaft mittelbar 75 % der RAG gehalten. Allerdings war nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerinnen (Punkt 1.6 des Antrags; vgl Punkt XVIII der Satzung) bisher für eine Beschlussfassung in der RAG eine Mehrheit von vier Fünftel erforderlich, die die Antragstellerinnen allein nicht erreichen konnten. Nunmehr erlangen die Antragstellerinnen durch den - mittelbaren - Erwerb der Anteile an der EPH über die EESU gemeinsam die Kontrolle über weitere 25 %, sohin im Ergebnis über alle Anteile an der RAG. Zwar reicht für die Annahme gemeinsamer Kontrolle nicht aus, dass nebeneinander Beteiligungsrechte mehrerer Unternehmen bestehen, deren Summe den Einflussmöglichkeiten eines allein kontrollierenden Unternehmens entspricht (Riesenkampff/Lehr in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht II § 37 GWB Rz 16). Erforderlich ist vielmehr, dass die gemeinsam kontrollierenden Unternehmen aufgrund einer gemeinsamen Unternehmenspolitik die eigenen Wettbewerbsinteressen im Verhältnis zueinander und gegenüber dem abhängigen Unternehmen abstimmen und durchsetzen können (Riesenkampff/Lehr aaO). Ein möglicher Anhaltspunkt dafür, dass zwischen den Antragstellerinnen in Ansehung der RAG eine gemeinsame Geschäftspolitik betrieben wird, könnte im bisher bestehenden Syndikatsvertrag liegen. Außerdem wird es als Indiz für eine gemeinsame Geschäftspolitik angesehen, wenn die Gesellschafter durch die sonst bestehende Pattsituation stets dazu gezwungen sind, Übereinstimmung zu erzielen (Riesenkampff/Lehr aaO).

5 .7. Aufgrund der im Kartellrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung sind bei der Beurteilung eines Kontrollwechsels nicht nur die derzeit bestehenden Einflussmöglichkeiten, sondern auch bereits absehbare Änderungen der Gestaltung der Satzung zu berücksichtigen. Nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerinnen soll unmittelbar nach Wirksamwerden des gegenständlichen Erwerbs die Satzung der RAG dahin geändert werden, dass in Hinkunft einfache Mehrheit für die Beschlussfassung ausreicht. Damit käme der Erstantragstellerin in Verbindung mit der gleichfalls beabsichtigten Aufhebung des Syndikatsvertrags zwischen den Antragstellerinnen erstmals ein alleiniger beherrschender Einfluss auf die RAG zu. Entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerinnen kann der gegenständliche Zusammenschluss daher nicht als „dekonzentrativer Vorgang" gedeutet werden.