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VfGH vom 23.02.1999, B3203/96

VfGH vom 23.02.1999, B3203/96

Sammlungsnummer

15406

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde der ersteinschreitenden Arbeitsgemeinschaft.

Der aus den zweit- und drittbeschwerdeführenden Unternehmen bestehenden Arbeitsgemeinschaft kommt für sich keine Rechtspersönlichkeit zu, und es findet sich in der Beschwerde auch keine Begründung für eine solche Annahme; auch ist es nicht berechtigt, die Beschwerde der Arbeitsgemeinschaft als Beschwerde der in dieser zusammengeschlossenen Gesellschaften zu deuten, da diese Gesellschaften selbst Beschwerde erhoben haben.

Aufhebung des Bescheides im Anlaßfall.

Im E v , G120/98, wurde festgestellt, daß § 44 Abs 4 Oö VergabeG, der anordnete, daß die Rechtsschutzbestimmungen für Vergaben im sogenannten Sektorenbereich keine Anwendung zu finden haben, verfassungswidrig war. Auf Basis der so bereinigten Rechtslage hätte daher der UVS eine Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache gehabt. Indem er diese Zuständigkeit in Anwendung der als verfassungswidrig erkannten Gesetzesbestimmung nicht wahrnahm, verletzte er die zweit- und drittbeschwerdeführenden Gesellschaften in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Spruch

I. Die Beschwerde der ersteinschreitenden Arbeitsgemeinschaft wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die zweit- und drittbeschwerdeführenden Gesellschaften sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, den beschwerdeführenden Gesellschaften zuhanden eines ihrer Rechtsvertreter die mit insgesamt S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Die Oberösterreichische Kraftwerke AG (künftig: OKA) hatte im Jahre 1995 die bauliche Errichtung (Hoch-, Tief- und Spezialtiefbau) eines Wasserkraftwerkes an der Traun (Kraftwerk Lambach/Oberösterreich) im nicht offenen Verfahren ausgeschrieben. Um den Auftrag hatten sich mehrere Bieter, darunter in einer Arbeitsgemeinschaft auch die beschwerdeführenden Gesellschaften, beworben. Deren Anbot wurde jedoch ausgeschieden und der Zuschlag einem Mitbieter erteilt.

b) Mit Schriftsatz vom stellten die Beschwerdeführer bei der Oberösterreichischen Landesregierung den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom wurde der Antrag gemäß § 60 des Landesgesetzes vom über die Vergabe öffentlicher Aufträge, in der Stammfassung LGBl. für Oberösterreich Nr. 59/1994 (künftig: OöVergG), mit der Begründung, daß der Zuschlag zwischenzeitig bereits erteilt worden sei, zurückgewiesen.

Der gleichzeitig mit dem Antrag auf einstweilige Verfügung gestellte und mit Schriftsatz vom neuerlich eingebrachte Nachprüfungsantrag wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom abgewiesen. Es wurde "festgestellt, daß im Zuge des Vergabeverfahrens keine Rechtsverletzung im Sinne des § 61 Abs 1 O.ö. Vergabegesetz begangen wurde, derentwegen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde".

Mit Schriftsatz vom erhoben die Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung an den UVS des Landes Oberösterreich. Mit Bescheid vom wies der UVS die Berufung gemäß § 66 Abs 4 AVG wegen Unzuständigkeit als unzulässig zurück, da es sich um einen Antrag handle, für den nach § 44 Abs 1 und 4 OöVergG eine nachprüfende Kontrolle nach den Bestimmungen des den Rechtsschutz betreffenden 4. Teiles dieses Gesetzes nicht vorgesehen sei.

2. a) Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der mit weitwendigen Ausführungen die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

b) Der UVS des Landes Oberösterreich legte die Verwaltungsakten vor, rechtfertigte in einer Gegenschrift seinen Zurückweisungsbeschluß und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Bei Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 44 Abs 4 OöVergG, LGBl. 59/1994, das ist die für die Beurteilung der Beschwerde maßgebliche, vor der Novelle LGBl. 34/1997 geltende (Stamm-)Fassung des Gesetzes, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher beschlossen, ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung einzuleiten.

Mit Erkenntnis vom , G120/98, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß die in Prüfung genommene Bestimmung verfassungswidrig war.

III. Nicht geklärt hat der Gerichtshof zu G120/98 im Zuge der Erörterung der Prozeßvoraussetzungen, ob die Beschwerde der ersteinschreitenden Arbeitsgemeinschaft zulässig ist. Der aus den zweit- und drittbeschwerdeführenden Unternehmen bestehenden Arbeitsgemeinschaft kommt jedoch für sich keine Rechtspersönlichkeit zu, und es findet sich in der Beschwerde auch keine Begründung für eine solche Annahme; auch ist es nicht berechtigt, die Beschwerde der Arbeitsgemeinschaft als Beschwerde der in dieser zusammengeschlossenen Gesellschaften zu deuten, da diese Gesellschaften selbst Beschwerde erhoben haben. Mangels Parteifähigkeit muß daher die Beschwerde der Arbeitsgemeinschaft zurückgewiesen werden (§19 Abs 3 Z 2 lite VerfGG).

Hinsichtlich der zweit- und dritteinschreitenden Gesellschaften ist die Beschwerde, da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig (s. ).

IV. 1. Der angefochtene Bescheid ist nunmehr aufgrund der durch die Entscheidung im Gesetzesprüfungsverfahren bereinigten Rechtslage zu beurteilen.

Diese stellt sich wie folgt dar:

Im Land Oberösterreich unterliegt die Vergabe von Aufträgen durch bestimmte öffentliche Auftraggeber, zu denen gemäß § 2 Abs 1 Z 6 OöVergG auch die OKA zählt, einer gesetzlichen Regelung. Hinsichtlich des Geltungsbereiches des Gesetzes im Bereich der Wasserversorgung verweist § 4 Abs 2 des Gesetzes auf die Bestimmungen des III. Hauptstückes des 3. Teiles; in der für die Beurteilung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung vor der Novelle LGBl. 34/1997 lautete diese Bestimmung folgendermaßen:

"Im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung gilt dieses Landesgesetz nur insoweit, als sich dies aus den Bestimmungen des III. Hauptstückes des 3. Teiles ergibt."

Das III. Hauptstück des 3. Teiles des Gesetzes enthält inhaltliche Vorschriften über die Auftragsvergabe im sogenannten Sektorenbereich, und zwar im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung (sowie seit der Novelle LGBl. 34/1997 auch im Telekommunikationssektor); § 44 Abs 1 leg.cit., der sich in diesem Hauptstück findet, bestimmte idF vor der zitierten Novelle (die aber in der Sache an der Regelung nichts geändert hat):

"(1) Dieses Hauptstück gilt für die Vergabe von Leistungen durch Auftraggeber, die die nachstehend angeführten Tätigkeiten besorgen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
Die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Erzeugung oder der Verteilung von
-
Trinkwasser oder
-
Strom oder
-
Gas oder
-
Wärme
oder die Versorgung dieser Netze mit Trinkwasser, Strom, Gas oder Wärme;


Tabelle in neuem Fenster öffnen
..."

Sodann hieß es in § 44 Abs 4 OöVergG (idF vor der genannten Novelle):

"(4) Die übrigen Bestimmungen dieses Landesgesetzes sind auf alle Auftraggeber gemäß § 2 Abs 1, soweit sie eine Tätigkeit nach Abs 1 ausüben - unbeschadet des 1. und des 5. Teiles -, nicht anzuwenden."

Damit wurde u.a. die Anwendung des 4. Teiles des Gesetzes, der Bestimmungen über den Rechtsschutz enthält, für Vergaben im sogenannten Sektorenbereich ausgeschlossen (dies wurde durch Z 84 der mehrfach zitierten Novelle LGBl. 34/1997 geändert).

2. Durch die in Pkt. II. zitierte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wurde festgestellt, daß die eben genannte Bestimmung, die anordnete, daß die Rechtsschutzbestimmungen für Vergaben im sogenannten Sektorenbereich keine Anwendung zu finden haben, verfassungswidrig war. Auf Basis der so bereinigten Rechtslage hätte daher der UVS eine Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache gehabt. Indem er diese Zuständigkeit in Anwendung der als verfassungswidrig erkannten Gesetzesbestimmung nicht wahrnahm, verletzte er die beschwerdeführenden Gesellschaften in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Der Bescheid war daher aufzuheben, was gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,-- enthalten.