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OGH vom 16.09.1971, 8Ob194/71

OGH vom 16.09.1971, 8Ob194/71

Norm

ABGB § 1497;

Handelsgesetzbuch § 128;

Handelsgesetzbuch § 129;

Handelsgesetzbuch § 159;

Kopf

SZ 44/142

Spruch

Die Klage gegen die offene Gesellschaft unterbricht die Verjährung gegen den nicht mitgeklagten Gesellschafter nicht

(OLG Wien 9 R 29/71; LGZ Wien 24 Cg 159/70)

Text

Die klagende Partei hat mit rechtskräftigem Urteil des LGZ Wien vom gegen Josef W und die Fa W & Co auf Grund der Bestimmungen des § 332 ASVG einen vollstreckbaren Exekutionstitel erwirkt, wonach beide zur ungeteilten Hand schuldig erkannt wurden, ihr den Pflichtleistungsaufwand zu ersetzen, den sie an die Hinterbliebenen des bei ihr versichert gewesenen Josef T zu erbringen hat, der durch das Verschulden eines Arbeiters der Fa W & Co am ums Leben gekommen war. In der nunmehr seit anhängigen Klage begehrte die Klägerin mit der Behauptung, daß auf obige Judikatsschuld bisher nichts bezahlt wurde und daß die beiden Beklagten in der Zeit vom bis offene Gesellschafter der Fa W & Co waren, die Bezahlung des Rückstandes der Rentenleistungen für die Zeit vom bis sowie den Ersatz der Prozeßkosten obigen Verfahrens, ferner für die Zeit vom bis den Ersatz der zu erbringenden Rentenleistungen. Die Haftung der Beklagten stützt die Klägerin auf die §§ 128 und 159 HGB.

Die Beklagten gaben zu, daß auf die Judikatsschuld bisher keine Leistungen erfolgt sind, wendeten aber Verjährung ein.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt, wobei er von der Tatsache ausging, daß die gegenständliche Klage am bei Gericht überreicht und das frühere Verfahren hingegen am anhängig gemacht wurde, die beiden Beklagten in der Zeit vom bis offene Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft Josef W & Co gewesen und am aus dieser Gesellschaft ausgeschieden sind. Schließlich stellte er fest, daß weiterer Gesellschafter Josef W ist.

Rechtlich beurteilte der Erstrichter den so festgestellten Sachverhalt dahin, daß nach § 128 HGB die Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern gegenüber als Gesamtschuldner haften. Gemäß § 159 HGB verjähren die Ansprüche gegenüber den Gesellschaftern aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren nach dem Ausscheiden des Gesellschafters, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährungszeit unterliegt. Die Verjährung beginne aber mit dem Tage, an welchem die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen werde. Zufolge des § 160 HGB wirke die Unterbrechung der Verjährung gegenüber der aufgelösten Gesellschaft auch gegenüber den Gesellschaftern, welche zur Zeit der Auflösung der Gesellschaft angehört haben. Nach der Lehre zu diesen Gesetzesstellen sei daher durch die Klage gegenüber der Gesellschaft die Verjährung auch gegenüber den nunmehr beklagten Gesellschaftern unterbrochen worden, sodaß die gegenständliche Forderung noch nicht verjährt sei, weshalb der Klage stattzugeben war.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beiden Beklagten Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sei davon auszugehen, daß es sich im vorliegenden Falle um eine Schadenersatzforderung handle, die zufolge der Vorschrift des § 1489 ABGB in drei Jahren verjähre. Des weiteren handle es sich gegenständlich nicht um ein Problem der §§ 159, 160 HGB, sondern um ein solches der §§ 128, 129 HGB. Der Erstrichter habe zu Unrecht die Bestimmung des § 160 HGB herangezogen, weil sich diese Gesetzesstelle auf eine aufgelöste Gesellschaft und die ihr zur Zeit der Auflösung angehörenden Gesellschafter beziehe, während § 159 HGB die beiden Fälle des Ausscheidens eines Gesellschafters und der Auflösung der Gesellschaft im Auge habe. Da die frühere Klage zu einer Zeit eingebracht worden sei, zu der die Gesellschaft noch bestanden habe, sei nicht § 160 HGB, sondern § 128 HGB heranzuziehen.

Gemäß § 129 Abs 1 HGB könne ein Gesellschafter, werde er wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft in Anspruch genommen, Einwendungen, die nicht in seiner Person begrundet sind, nur insoweit geltend machen, als sie von der Gesellschaft erhoben werden können. Allerdings finde gemäß § 129 Abs 4 HGB aus einem gegen die Gesellschaft gerichteten vollstreckbaren Schuldtitel die Zwangsvollstreckung gegen einen Gesellschafter nicht statt. Unter Heranziehung der Rechtsprechung hat das Berufungsgericht hieraus den Schluß gezogen, daß zu den in der Person des Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft grundeten Einwendungen gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auch die Einrede der nur seine Haftung ausschließenden Verjährung oder Präklusion gehöre. Mit Rücksicht auf die Selbständigkeit der Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen die Gesellschaft und gegen die Gesellschafter könne ein gegen die Gesellschaft ergangenes Urteil gegen die Gesellschafter nicht in Vollzug gesetzt werden. Diese Selbständigkeit der Ansprüche habe zur Folge, daß der beklagte Gesellschafter im Prozeß gegen ihn nach § 129 Abs 1 HGB Einwendungen, die ihm und der Gesellschaft gemeinsam sind, nur insoweit geltend machen könne, als sie auch von der Gesellschaft erhoben werden könnten; Einwendungen aber, die nur in seiner Person begrundet seien, also seine selbständige Haftung im besonderen betreffen, könnten von ihm unbeschränkt geltend gemacht werden. Dazu gehöre auch die Einrede der nur seine Haftung ausschließenden Verjährung oder Präklusion. Gehe man von dieser Rechtsansicht aus, dann sei der vorliegende Anspruch zur Zeit der Klagserhebung gegen die Beklagten verjährt gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist davon auszugehen, daß die Beklagten im Zeitpunkt der Einbringung der Klage gegen die offene Handelsgesellschaft und deren Gesellschafter Josef W () noch Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft waren. Sie sind jedoch am aus ihr ausgeschieden und haben ihr, als in dem erwähnten Verfahren am das Urteil erging und der Entschädigungsanspruch gegen die Gesellschaft (und den Gesellschafter Josef W) in eine Judikatschuld umgewandelt wurde, also nicht mehr angehört. Dieser vollstreckbare Schuldtitel, der gemäß § 129 Abs 4 HGB nicht zu einer Exekutionsführung gegen die übrigen nicht mitgeklagten Gesellschafter (die beiden Beklagten) herangezogen werden konnte, obwohl die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern gegenüber gemäß § 128 HGB an und für sich als Gesamtschuldner persönlich haften, nützte sohin der Klägerin gegenüber den nunmehr belangten Beklagten nichts. Um die beiden Beklagten persönlich noch haftbar zu machen, würde es der Schaffung eines eigenen, selbständigen Titels bedürfen.

Es kann nun der Ansicht der Klägerin, daß die durch Einbringung der Klage gegen die Gesellschaft eingetretene Unterbrechung der Verjährung (§ 1497 ABGB) auch gegenüber den beiden Beklagten gewirkt habe, nicht gefolgt werden.

Wenngleich die Anmerkungen im Kurzkomm zum HGB von Baumbach - Duden (13. und 19. Aufl) zu § 129 in Anm 1 A - die 17. Aufl dieses Komm 400 Anm 1 A enthält allerdings nichts, was sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes anführen ließe - für den Standpunkt der Klägerin sprächen, vertritt Fischer im Großkomm zum HGB[3] II/1 312 f unter Anm 59 zu § 128 die Auffassung, es sei bei Geldansprüchen zufolge einer hier nötigen Interessenabwägung ebenso vorzugehen, wie bei einem echten Gesamtschuldverhältnis, dh es sei § 425 BGB anzuwenden. Im Abs 2 des § 425 BGB ist aber normiert, daß die Unterbrechung der Verjährung nur gegen jenen Gesamtschuldner wirkt, in dessen Person sie eintritt. Es sei in diesem Zusammenhang vor allem aber auch auf die Ausführungen von Schilling im selben Großkomm II/2 112 Anm 2 zu § 160 verwiesen, wonach dann, wenn ein Gesellschafter vor Auflösung der Gesellschaft ausgeschieden ist, eine gegen die Gesellschaft vor (oder nach) seinem Ausscheiden eingetretene Unterbrechung der Verjährung nicht verjährungsunterbrechend gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter wirkt, soweit er mit seinem Privatvermögen für die Gesellschaft eintreten soll. Der Oberste Gerichtshof findet unter Heranziehung dieser neuesten Lehrmeinungen daher keinen Grund, von den vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Entscheidungen SZ 32/95 und 7 Ob 188/67 = HS 6147/26 abzugehen, in denen ausgesprochen wurde, daß sich das Schicksal der Verbindlichkeit, obwohl der Entstehungsgrund identisch ist, verschieden gestalten kann; so insbesondere, daß die für die Verjährung entscheidenden Gegebenheiten im Falle der Gesellschaft andere sein können, als im Falle der Gesellschafter. So kann es vorkommen, daß die Gesellschaft - wie hier - noch innerhalb der Verjährungszeit geklagt wird, die Gesellschafter aber erst nach deren Ablauf. Eine solche Verspätung der Klagsführung betrifft also nur die Gesellschafter, nicht aber die Gesellschaft. Sie bildet daher die Grundlage für eine in der Person der Gesellschafter gelegene rechtswirksame Einwendung (s auch hiezu 7 Ob 188/67 = HS 6147/26).

Mit dem Argument, daß die Bestimmungen der §§ 159 und 160 HGB als eine Einheit aufzufassen seien, kann die Klägerin nichts Wesentliches gewinnen. Während der Gesetzgeber im § 159 HGB festlegt, wann Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Falle der Auflösung derselben oder nach dem Ausscheiden des Gesellschafters verjähren, bezieht sich die Anordnung des § 160 HGB, daß die Unterbrechung der Verjährung gegenüber der aufgelösten Gesellschaft auch gegenüber jenen Gesellschaftern wirkt, welche ihr zur Zeit der Auflösung angehört haben, unzweideutig nur auf Fälle, in denen es zu einer Auflösung der offenen Handelsgesellschaft gekommen ist. Voraussetzung für ihre Anwendung ist zudem, daß bei Eintritt der Unterbrechungshandlung die gegen den Gesellschafter nach § 159 HGB laufende Verjährung noch nicht vollendet war; "Unterbrechung" setzt begrifflich immer eine noch im Gang befindliche Verjährung voraus (vgl auch hiezu Schilling aaO, 112 f, Anm 3 und 5). Ein solcher Fall liegt diesmal aber nicht vor.

Für die Zeit nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters will das Gesetz dessen persönliche Haftung - soweit eine solche besteht - zeitlich begrenzen, es setzt deshalb im § 159 Abs 1 HGB eine Höchstgrenze für die Verjährungsfrist fest. Unterliegt die Gesellschaftsschuld zB als Darlehensschuld der 30jährigen Verjährungsfrist, läuft diese aber bei Beginn der fünfjährigen Frist des § 159 HGB nur noch zwei Jahre, so kann sich der Gesellschafter schon nach Ablauf der zwei Jahre auf den Eintritt der Verjährung zu seinen Gunsten berufen. Bis zum Ausscheiden eines Gesellschafters richtet sich die Verjährung gegen die Gesellschaft und die Gesellschafter nach den gleichen Vorschriften. Dies gilt auch für die Dauer der Verjährungsfrist und ihren Beginn (siehe auch hiezu Schilling in aaO 107, Anm 17 zu § 159). Ist schon vor dem Ausscheiden des Gesellschafters Verjährung eingetreten, kommt die Bestimmung des § 159 Abs 1 HGB überhaupt nicht mehr zum Tragen. Daher kann sich der Gläubiger gegen den Einwand der Verjährung in dem gegen den Gesellschafter angestrengten Prozeß nur schützen, wenn er diesen - sei es nun gemeinsam mit der Gesellschaft, sei es gesondert - innerhalb der jeweils in Betracht kommenden Verjährungsfrist klagt, da ja - wie dargelegt - die Klage gegen die Gesellschaft allein die Verjährung gegen den Gesellschafter nicht unterbricht. Diesfalls wurden die Beklagten aber erst nach Ablauf der für den gegenständlichen Entschädigungsanspruch unbestrittenermaßen Platz greifenden dreijährigen Verjährungsfrist (§ 1489 ABGB) geklagt, denn das schädigende Ereignis ist bereits am eingetreten, der Anspruch war daher den beiden Beklagten gegenüber am , zu einer Zeit, da sie der Gesellschaft noch angehörten, verjährt. Daß die der Klägerin gegenüber der Gesellschaft zustehende Judikatschuld aus dem Urteil vom erst in 30 Jahren verjährt, ist hier ohne Belang.

Wenn das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, daß der geltend gemachte Anspruch gegenüber den beiden Beklagten verjährt ist, kann darin sohin keine Fehlbeurteilung erblickt werden.