OGH vom 23.05.1990, 9ObA132/90
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Adametz und Eduard Giffinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl M***, Angestellter, Wien 18., Czartoryskigasse 62-68/13/2/11, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei H*** & H*** Transport International Gesellschaft mbH, Wien 4., Wohllebengasse 8, vertreten durch Dr. Raimund Gehart, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 254.932 brutto sA (im Revisionsverfahren S 66.896,40 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 33 Ra 133/89-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 10 Cga 2187/87-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird zum Teil Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes, das hinsichtlich der Abweisung eines Mehrbegehrens von S 54.000 sA bestätigt wird, wird im Rahmen der Abweisung eines Mehrbegehrens von S 12.896,40 sA durch das Erstgericht aufgehoben und dem Berufungsgericht in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten seit als Angestellter, zuletzt als Abteilungsleiter beschäftigt. Er bezog ein Gehalt von S 24.000 brutto, 14mal jährlich. Mit Schreiben vom wurde er von der Beklagten zum gekündigt. Er focht diese Kündigung gemäß § 105 ArbVG beim Einigungsamt Wien an. Am schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das Dienstverhältnis des Klägers zufolge ordnungsgemäßer Kündigung am beendet ist. Die Beklagte verpflichtete sich, dem Kläger eine Abfertigung in Höhe von 12 Monatsgehältern, berechnet vom Durchschnitt der Bezüge von April 1986 bis März 1987, und eine Urlaubsentschädigung im Ausmaß von 36 Werktagen in Höhe von S 42.000 brutto zu zahlen. Schließlich hielten die Parteien fest, daß durch diesen Vergleich sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien und zwar aus welcher Art und aus welchem Grunde immer bereinigt und verglichen seien. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Betrag von S 254.932 brutto sA. Er habe neben seinem Gehalt ein Überstundenpauschale von S 9.000 brutto bezogen. Darüber hinaus habe er in den Jahren 1983 bis 1986 1.444 Überstunden geleistet, die nicht verrechnet worden seien. Die Beklagte habe die Zahlung des Überstundenpauschales ab Oktober 1986 einseitig eingestellt. Es stehe ihm daher für die Zeit vom bis noch ein Betrag von S 54.000 brutto zu.
Laut Vergleich vom vor dem Einigungsamt Wien sei ihm zwar ein Betrag von S 42.000 als Urlaubsentschädigung zuerkannt worden, doch sei dies nur aus steuertechnischen Gründen erfolgt. Tatsächlich sei damit die Abgeltung eines Teils der offenen unbeglichenen Überstunden vereinbart worden. Hinsichtlich des noch offenen Urlaubs sei ein Verbrauch während der Kündigungsfrist vorgesehen gewesen. Da der Kläger jedoch in dieser Zeit krank geworden sei, habe er den Urlaub nicht mehr konsumieren können. Die Urlaubsentschädigung für 111 Werktage betrage S 157.961. Bei richtiger Berechnung hätte ihm die Beklagte an gesetzlicher Abfertigung S 444.000 brutto zahlen müssen. Tatsächlich habe er nur S 401.029 erhalten, so daß er die Differenz von S 42.971 begehre. Die im Vergleich enthaltene Generalklausel könne einer ordnungsgemäßen Endabrechnung keineswegs im Wege stehen. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete - für das Revisionsverfahren noch wesentlich - ein, daß mit dem Kläger kein Überstundenpauschale vereinbart gewesen sei. Der Kläger habe vereinbarungsgemäß nicht mehr als höchstens 40 Überstunden verrichten dürfen. Habe er darüber hinaus noch mehr Leistungen erbracht, seien ihm dennoch nur 40 Überstunden abgegolten worden; sei seine Überstundenleistung unter 40 Stunden gelegen, habe er nur die tatsächlichen Überstunden bezahlt erhalten. Im übrigen seien sämtliche strittigen Überstunden durch den als "Urlaubsentschädigung" bezeichneten Betrag von S 42.000 verglichen und abgegolten worden. Abgesehen davon habe es der Kläger verabsäumt, die Überstunden im Sinne des § 7 des geltenden Kollektivvertrags rechtzeitig geltend zu machen. Ob sich der Kläger tatsächlich ab im Krankenstand befunden habe, sei nicht überprüfbar, da der Kläger seiner Meldepflicht nach § 5 Abs. 3 UrlG nicht nachgekommen sei. Die Höhe der Abfertigung sei nach dem letzten durchschnittlichen Monatsentgelt richtig ermittelt worden. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Teilurteil in Höhe von S 145.064,60 brutto sA (Urlaubsentschädigung) statt und wies das Begehren auf Zahlung von S 54.000 sA (Überstundenpauschale) ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:
Bis wurden die Überstunden des Klägers nach der tatsächlichen Leistung in Arbeitszeitlisten festgehalten und abgerechnet. Ab dieser Zeit schränkte der damalige Geschäftsführer der Beklagten die Anzahl der Überstunden auf höchstens 40 pro Monat ein. Die Abrechnung erfolgte weiterhin nach den tatsächlich geleisteten Überstunden. Obwohl der Kläger mehr Überstunden leistete, verzeichnete er jeweils nur die höchstzulässige Anzahl. Hätte er weniger Überstunden erbracht, wäre ihm ein Überstundenentgelt nur für die tatsächlich geleisteten Überstunden zugestanden. Ein Überstundenpauschale wurde mit dem Kläger nicht vereinbart.
Für die Zeit von Dezember 1985 bis Februar 1986 bezog er für jeweils 40 Überstunden je S 8.448,80 brutto pro Monat; von März 1986 bis Juni 1986 erhielt er jeweils für 40 Überstunden je S 9.000 pro Monat. Für Juli 1986 wurden ihm für 19 Überstunden S 4.275 brutto, für August 1986 für 18 Überstunden S 4.050 brutto und für September 1986 für 24,5 Überstunden S 5.512,50 brutto bezahlt. Ab Oktober 1986 verfügte der Geschäftsführer der Beklagten im Zuge von Sparmaßnahmen eine Arbeitszeitumschichtung. Dem Kläger wurde erklärt, daß zur Erledigung des Arbeitsanfalls keine Überstunden mehr erforderlich wären; Überstunden seien ab nunmehr verboten. Obwohl der Kläger auch weiterhin Überstunden leistete, verzeichnete er diese nicht und es wurde ihm auch kein Überstundenentgelt mehr ausgezahlt. Bei den Vergleichsgesprächen vor dem Einigungsamt Wien behauptete der Kläger, daß ihm für die Zeit vom bis noch ein Überstundenentgelt für 1.444 Überstunden zustehe. Die Parteien einigten sich, daß die Beklagte zu den bereits bezahlten Überstunden noch einen Betrag von S 42.000 brutto entrichte. Damit sollten alle Überstunden seit abgegolten, bereinigt und verglichen sein.
Der Kläger hatte mit dem Prokuristen der Beklagten, K***, für die Zeit vom 9.Dezember bis Arbeitssuchtage und ab den Verbrauch seines Urlaubs vereinbart. Er befand sich vom bis auf Urlaub. Am erkrankte er an einer Arthrose im linken Schultergelenk. Noch Ende Dezember 1986 verständigte er einen mit Personalstandsmeldungen befaßten Arbeitnehmer der Beklagten davon, daß er sich ab im Krankenstand befinde. Dieser Krankenstand dauerte bis über das Ende seines Dienstverhältnisses. Dadurch verblieb ihm ein Urlaubsrest von 111 Werktagen. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Urlaub des Klägers durch seinen Krankenstand unterbrochen worden sei. Dem Kläger stehe eine Urlaubsentschädigung für 111 Werktage zu. Unter Berücksichtigung des monatlichen Bruttoentgelts, der Sonderzahlungen, des von April 1986 bis März 1987 ausgezahlten Überstundenentgelts, der auf 47,5 Monate umgelegten Vergleichssumme von S 42.000 und eines Urlaubsentgeltes zuzüglich des Durchschnittes von Überstundenentgelt aus den letzten 13 Wochen vor den jeweiligen Urlauben ergebe sich eine Urlaubsentschädigung von S 145.064,60. Ein Überstundenpauschale als Gehaltsbestandteil, das auch dann gezahlt werden müßte, wenn der Kläger weniger als 40 Überstunden pro Monat geleistet hätte, sei nicht bewiesen worden.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß Gegenstand des Berufungsverfahrens nur das abgewiesene Begehren auf Überstundenpauschale sein könne, nicht jedoch der restliche Anspruch auf Urlaubsentschädigung in Höhe von S 12.896,40 sA, da das Erstgericht darüber noch nicht abgesprochen habe. Die Ausführungen des Klägers in seiner Berufung über geleistete und verrechnete Überstunden könnten daher ebenso auf sich beruhen wie der Einwand, bei der Berechnung der Urlaubsentschädigung seien die Zeiten des Urlaubs, Krankenstandes und der Postensuche zu berücksichtigen. Ein Überstundenpauschale sei nach den Feststellungen nicht vereinbart worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zum Teil berechtigt.
Wie der Revisionswerber zutreffend ausführt, hat das Erstgericht in der Begründung seiner Entscheidung über die begehrte Urlaubsentschädigung zur Gänze abgesprochen ("..... ergibt sich somit die Urlaubsentschädigung in Höhe von S 145.064,60"), hat aber die Abweisung des diesbezüglichen Teilbegehrens von S 12.896,40 sA auch in den Spruch der Entscheidung aufzunehmen unterlassen. Gegenstand des weiteren Verfahrens ist nach den Ausführungen des Erstgerichtes nur mehr die Berechnungsdifferenz hinsichtlich der Höhe der Abfertigung. Da der Inhalt der Entscheidung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes sohin objektiv feststellbar ist, handelt es sich bei der versehentlichen Auslassung der Abweisung des Mehrbegehrens um einen auch vom Rechtsmittelgericht wahrzunehmenden berichtigungsfähigen Entscheidungsfehler im Sinne des § 419 ZPO, der die sachliche Erledigung der Berufung nicht hindert (vgl. Fasching Lehrbuch2 Rz 1567). Das Berufungsgericht hat daher auch auf die vom Kläger erhobenen Einwände tatsächlicher und rechtlicher Natur betreffend die Bemessung der Urlaubsentschädigung einzugehen. Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches auf ein Überstundenpauschale (vgl. Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 315; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 192 f; Grillberger, AZG § 10 Erl. 4.3; Arb. 10.638) in Höhe von S 9.000 pro Monat ist davon auszugehen, daß die Parteien am , sohin bereits nach der einseitigen Kürzung des Überstundenentgelts für Juli 1986 und nach dem Überstundenverbot ab Oktober 1986, einen Vergleich vor dem Einigungsamt geschlossen haben, durch den unbestritten (S 112) sämtliche strittigen Überstunden abgegolten und verglichen sein sollten. Der Vergleich enthält auch eine sogenannte Generalbereinigungsklausel, daß durch den Vergleich sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien und zwar aus welcher Art und aus welchem Grunde immer bereinigt und verglichen seien. Die Bereinigungswirkung eines anläßlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses abgeschlossenen Vergleichs - ein Verzicht ist nicht Gegenstand des Verfahrens - bezieht sich schon im Zweifel auf alle aus diesem Rechtsverhältnis entspringenden oder damit zusammenhängenden gegenseitigen Forderungen. Die Bereinigungswirkung umfaßt, wie ein Umkehrschluß aus dem zweiten Satz des § 1389 ABGB ergibt, insbesondere auch solche Ansprüche, an die die Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zwar nicht gedacht haben, an die sie aber denken konnten (Wolff in Klang2 VI 284; Ertl in Rummel, ABGB § 1389 Rz 1; Arb. 9.209; RZ 1977/14; MietSlg. 33.242 mwH; EFSlg. 43.554 mwH; 9 Ob A 48/87; 9 Ob A 237/89 ua). Da dem bei diesem Vergleich anwesenden (qualifizierten) Vertreter des Klägers die Existenz eines "Überstundenpauschales" sogar bewußt gewesen ist (S. 21), worauf auch das Erstgericht hinweist, hätte dieses aus dem Regelungskomplex ausdrücklich ausgenommen werden müssen, um später gesondert geltend gemacht werden zu können, zumal es sich bei dem behaupteten "Überstundenpauschale" nach den Feststellungen ohnehin nur um eine unzulässige einseitige und lineare Kürzung des Entgelts für tatsächlich jeweils mehr geleistete Überstunden handelte. Insoweit kann sich der Kläger nicht darauf berufen, sein Überstundenentgelt sei mangels Erbringung tatsächlicher Überstunden bereits schlüssig Entgeltbestandteil schlechthin geworden.
Soweit die Parteien in ihrem vor dem Einigungsamt Wien geschlossenen Vergleich festhielten, daß damit alle wie immer gearteten wechselseitigen Ansprüche zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin bereinigt und verglichen seien, haben sie den Zweck verfolgt, alle aus der Auflösung des Arbeitsverhältnisses resultierenden noch offenen Ansprüche vergleichsweise zu regeln. Lediglich die Frage der Urlaubsentschädigung konnte noch nicht mitverglichen sein und bedurfte auch keines eigenen Vorbehalts, da zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch die Vereinbarung galt, daß der Kläger seinen offenen Urlaubsanspruch während der Kündigungsfrist verbrauche. Eine Änderung der diesbezüglichen Voraussetzungen ist aber erst nach Vergleichsabschluß eingetreten. Der Kläger hat aber nicht einmal behauptet, daß ihm seine (weitergehenden) Ansprüche auf Überstundenentgelt von der Beklagten geflissentlich verheimlicht worden seien oder daß er beim Vergleichsabschluß an diese Ansprüche nicht habe denken können. Darauf, ob die Frage eines Überstundenpauschales beim Vergleichsabschluß erörtert wurde, kommt es nicht an (Koziol-Welser Grundriß8 I 273; EvBl. 1977/266; 9 Ob A 48/87 ua).
Wurde aber der Streitpunkt Überstundenentschädigung zur Gänze vergleichsweise bereinigt, kann dem Revisionswerber nicht darin beigepflichett werden, daß die strittig gewesenen Überstunden für die Bemessung der Urlaubsentschädigung dennoch festzustellen und in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen seien (hinsichtlich der Berücksichtigung verfallener Ansprüche zur Ermittlung der Abfertigung 9 Ob A 186/88). Nach den bisherigen Feststellungen behauptete der Kläger vor dem Einigungsamt das Vorliegen von 1.444 unbezahlten Überstunden aus der Zeit vom bis . Durch den Betrag von S 42.000 zur Abgeltung dieser Überstunden wurde daher nicht nur das Überstundenentgelt der Höhe nach, sondern auch im vorgegebenen zeitlichen Ausmaß verglichen, so daß keine weiteren Ansprüche in zeitlicher oder betragsmäßiger Hinsicht mehr bestehen. Ab dem erbrachte der Kläger unbestritten keine Überstunden.
Die Kostenentscheidung ist in § 52 Abs. 1 und 2 ZPO begründet.