OGH vom 27.02.2019, 9ObA16/19x

OGH vom 27.02.2019, 9ObA16/19x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar und ADir. Gabriele Svirak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*****verein *****, vertreten durch Mag. Stefan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Mag. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen 139.355,44 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 42/18g-45, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft und liegt nicht vor.

2. Nach § 6 DHG erlöschen auf einem minderen Grad des Versehens beruhende Schadenersatz- oder Rückgriffsansprüche zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer, wenn sie nicht binnen sechs Monaten nach Ablauf des Tages, an dem sie erhoben werden können, gerichtlich geltend gemacht werden. Dass diese Frist nicht eingehalten wurde, bestreitet auch der Kläger nicht. Eine Haftung des Beklagten käme daher nur bei grober Fahrlässigkeit in Betracht.

3. Als grobe Fahrlässigkeit ist nur eine besonders auffällige, über die alltäglichen Fahrlässigkeitshandlungen erheblich hinausgehende Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt zu verstehen (vgl RIS-Justiz RS0080275 [T13]). Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RIS-Justiz RS0030272 uva).

Die Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit stellt eine Frage des Einzelfalls dar, die nur im Falle grober Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (RIS-Justiz RS0026555 [T5]).

4. Die Revision geht davon aus, dass die Vorinstanzen zu Unrecht eine Zahlungsunfähigkeit der Klägerin im Zeitpunkt, zu dem der Beklagte einen Konkursantrag gestellt hat, angenommen haben. Dabei übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, ob der Kläger tatsächlich insolvent war, sondern darauf, ob der Beklagte dies mit Grund annehmen durfte bzw ihm aus seiner unrichtigen Einschätzung oder der Antragstellung der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gemacht werden kann. Insofern kommt es auf eine Bindungswirkung des Beschlusses, mit dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewiesen wurde, nicht an.

5. Liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, nach § 66 Abs 1 IO die Zahlungsunfähigkeit bzw nach § 67 Abs 1 IO die Überschuldung, vor, ist diese ohne schuldhaftes Zögern zu beantragen.

Der Kläger war im Wesentlichen zur Abhaltung von Lehrveranstaltungen gegründet worden. Der Lehrbetrieb war jedoch aufgrund der gleichzeitigen Kündigung der wichtigsten Trainer nicht gesichert. Es waren daher Kursbeiträge zurückzuzahlen bzw stand im Raum, dass dies für alle Kurse notwendig werden würde, dies bei Weiterlaufen der Fixkosten und fehlenden Einnahmen. Der Beklagte versuchte mit dem Obmann des Klägers zu klären, wie der Weiterbetrieb möglich sein könne. Dieser war jedoch zu näheren Auskünften nicht bereit.

Wenn die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund davon ausgingen, dass dem Beklagten grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf die Antragstellung auf Insolvenzeröffnung gestützt auf die Annahme einer bilanziellen Überschuldung und einer negativen Fortbestandsprognose nicht vorzuwerfen ist, halten sich diese Entscheidungen im Rahmen des gesetzlichen Ermessensspielraums.

6. Daran ändert auch nichts die in der Revision betonte Interessenwahrungspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Der Beklagte hat die bestehende Situation dem Obmann des Klägers gegenüber offen dargestellt und auch auf die aus seiner Sicht gegebene Notwendigkeit, einen Insolvenzantrag zu stellen (mit Übermittlung des Antragsentwurfs und Fristsetzung für Lösungsvorschläge), hingewiesen, diesen daher sowohl über die Situation als auch über die geplanten Schritte informiert.

Eine Fortführung des Lehrbetriebs war nur möglich, weil der Obmann des Klägers nach Stellung des Konkursantrags andere Kursleiter rekrutieren konnte und eine Fortführungskaution erlegt wurde. Dies konnte der Beklagte mangels Information nicht vorhersehen. Vielmehr musste er von einem nicht gesicherten Kursbetrieb ausgehen, weshalb ihm auch aus der Absage der Kurse, für die nach seinem Kenntnisstand keine Trainer zur Verfügung standen, kein Vorwurf zu machen ist. Dass die Kaution letztlich zurückgezahlt werden konnte, ändert nichts daran, dass der Fortbetrieb nur aufgrund der Kaution möglich war.

7. Soweit die Revision von einer vorsätzlichen Verletzung der Treuepflicht und einer Schädigungsabsicht des Beklagten ausgeht, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt.

8. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00016.19X.0227.000

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