VfGH vom 23.09.2003, b319/03
Sammlungsnummer
16953
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versetzung von Lehrern von einer Internatsschule an eine allgemein bildende höhere Schule mit Schülerheim in Folge einer Änderung der Verwaltungsorganisation
Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehenden Beschwerdeführer waren bis zum Ablauf des Schuljahres 2001/2002 an der Höheren Internatsschule des Bundes Graz-Liebenau als Lehrer tätig.
Auf Grund eines an den Landesschulrat für Steiermark gerichteten Schreibens der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom wird diese Schule seit Beginn des Schuljahres 2002/2003 als allgemein bildende höhere Schule mit der Bezeichnung "Bundesgymnasium und Bundes-Oberstufenrealgymnasium unter besonderer Berücksichtigung der sportlichen Ausbildung (Höhere Internatsschule des Bundes Graz-Liebenau)" mit einem der Schule angeschlossenen Bundesschülerheim geführt.
In der Folge wurden die Beschwerdeführer mit Bescheiden der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur jeweils vom gemäß § 38 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 [BDG] (Tatbestand der Änderung der Verwaltungsorganisation) mit Wirkung vom von Amts wegen an die zuletzt genannte Schule versetzt.
1.2. Den dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufungen gab die Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport (nunmehr: beim Bundeskanzleramt) mit Bescheiden jeweils vom nicht Folge; soweit in den Berufungen die Aufhebung des genannten Erlasses vom begehrt wurde, erfolgte eine Zurückweisung des Rechtsmittels als unzulässig.
1.3.1. Gegen diese Bescheide der Berufungskommission wendet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte und in einem Schriftsatz ausgeführte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und - der Sache nach - eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt wird.
1.3.2. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor; sie verzichtete hingegen "im Hinblick auf die Aktenlage" auf die Erstattung einer Gegenschrift.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
2.1. § 38 BDG lautet in seinen hier maßgeblichen Absätzen 1, 2, 3 und 6 wie folgt:
"Versetzung
§ 38 (1) Eine Versetzung liegt vor, wenn der Beamte einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird.
(2) Die Versetzung ist von Amts wegen zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht. Während des provisorischen Dienstverhältnisses ist eine Versetzung auch ohne wichtiges dienstliches Interesse zulässig.
(3) Ein wichtiges dienstliches Interesse liegt insbesondere vor
1. bei Änderungen der Verwaltungsorganisation einschließlich der Auflassung von Arbeitsplätzen oder
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(6) Ist die Versetzung des Beamten von Amts wegen in Aussicht genommen, so ist er hievon schriftlich unter Bekanntgabe seiner neuen Dienststelle und seiner neuen Verwendung mit dem Beifügen zu verständigen, daß es ihm freisteht, gegen die beabsichtigte Maßnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung Einwendungen vorzubringen. Werden innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht, so gilt dies als Zustimmung zur Versetzung."
2.2.1. In sämtlichen der angefochtenen Bescheide der Berufungskommission wird zu der von den Beschwerdeführern beantragten Aufhebung des oben genannten "Erlasses" der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom ausgeführt, dass die solcher Art erlassene schulorganisatorische Maßnahme von der Behörde nicht überprüft werden könne, sondern nur die im Gefolge des Erlasses getroffene dienstrechtliche Maßnahme der Versetzung. Die Berufungskommission stützt in einzelnen Bescheiden die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Versetzungen auf den Umstand, dass mangels Erhebung von Einwendungen seitens der betroffenen Beschwerdeführer ohnedies von deren Zustimmung zu ihrer Versetzung (iSd § 38 Abs 6 BDG) auszugehen sei. In anderen Bescheiden wird die Rechtmäßigkeit der Versetzung damit begründet, dass ein Anwendungsfall des § 38 Abs 3 Z 1 BDG (Zulässigkeit einer amtswegigen Versetzung; wichtiges dienstliches Interesse; Änderung der Verwaltungsorganisation) vorliege. Über die Frage der Zweckmäßigkeit der Organisationsänderung habe die Behörde nicht zu befinden. Die Organisationsänderung könne nur dann eine Versetzung nicht rechtfertigen, wenn damit ausschließlich der Zweck verfolgt würde, die betreffende Personalmaßnahme aus unsachlichen Gründen zu setzen. Dies treffe in den hier maßgeblichen Fällen nicht zu und werde auch von den betreffenden Beschwerdeführern nicht geltend gemacht. In einzelnen Bescheiden wiederum wurde zusätzlich zur zuletzt genannten Bescheidbegründung zum behaupteten Verlust schulfester Stellen ausgeführt, dass nach § 205 Z 4 BDG der Inhaber einer schulfesten Stelle unter Bedachtnahme auf § 38 BDG im Fall der Auflassung der Planstelle versetzt werden könne. Wenn - wie in den einschlägigen Fällen - die Schule, an der die schulfeste Stelle eingerichtet sei, aufgelassen und der Planstellenbereich übertragen werde, so sei dies der Auflassung der Planstelle gleichzuhalten und die Zulässigkeit der Versetzung daher zu bejahen.
In der in einem Schriftsatz ausgeführten Beschwerde stehen die von der Versetzung betroffenen Einschreiter im Wesentlichen auf dem Standpunkt, dass der "Erlass" der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom als Verordnung zu qualifizieren und aus näher angeführten Gründen gesetzwidrig sei. Des Weiteren wird in der Beschwerde behauptet, dass die Versetzung jener Beschwerdeführer, die schulfeste Stellen gehabt hätten, "auch nach den Bestimmungen des BDG rechtswidrig" sei. Diese Beschwerdeführer verlören nämlich durch die Versetzung ihre schulfeste Stelle. Sowohl auf Beschwerdeführer mit schulfester als auch auf solche ohne schulfeste Stelle treffe im Übrigen zu, dass es für die in Rede stehenden Versetzungen keine sachlich gerechtfertigte Grundlage gebe, weshalb es sich um eine gleichheitswidrige Vorgangsweise der Behörde handle. Schließlich würden - so die Beschwerde - die Beschwerdeführer mit schulfesten Stellen ohne objektivierbare Gründe gegenüber anderen Lehrern mit schulfesten Stellen an anderen Schulen schlechter gestellt, "zumal diese nur bei Vorliegen von wichtigen dienstlichen Interessen versetzt werden dürfen."
2.2.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür übte.
Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die die angefochtenen Bescheide tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken (zur Unbedenklichkeit des § 38 Abs 2 und 3 BDG s. VfSlg. 14.573/1996). Das oben wiedergegebene Schreiben der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom hätte der Verfassungsgerichtshof, selbst wenn man es, wie die Beschwerdeführer meinen, als Verordnung qualifizierte, in der bei ihm anhängigen Rechtssache nicht anzuwenden, weshalb dieses auch nicht präjudiziell in der Bedeutung des Art 139 Abs 1 erster Satz B-VG ist. Insofern erübrigt es sich auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen weiter einzugehen.
Da die Bescheidbegründung auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme liefert, dass die Berufungskommission dem BDG einen verfassungswidrigen Inhalt beigemessen hätte, könnten die Beschwerdeführer durch die bekämpften Bescheide im genannten Grundrecht nur verletzt worden sein, wenn der Berufungskommission Willkür zum Vorwurf zu machen wäre.
Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980, 14.573/1996 uva.).
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtspr.; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfSlg. 9561/1992, 14.814/1997).
Keiner dieser Mängel liegt hier vor. Insbesondere kann die Auffassung der belangten Behörde, dass sie über die Frage der Zweckmäßigkeit der in Rede stehenden Organisationsänderung nicht zu befinden habe und eine Versetzung nur dann unzulässig wäre, wenn mit der Organisationsänderung ausschließlich der Zweck verfolgt würde, die in Rede stehenden Personalmaßnahmen aus unsachlichen Gründen zu setzen, nicht als schlechterdings unvertretbar qualifiziert werden. Desgleichen liegt auch in der behördlichen Auseinandersetzung mit der Frage der Versetzbarkeit von Inhabern schulfester Stellen (§205 BDG) sowie in der Beurteilung der (gesetzlichen) Folgen der Nichterhebung von Einwendungen gegen eine in Aussicht genommene Versetzung (Zustimmung zur Versetzung; § 38 Abs 6 BDG) keine denkunmögliche Gesetzesanwendung. Ob der bekämpften Entscheidung eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zu Grunde liegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in dem - hier vorliegenden - Fall, dass eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 14.658/1996 uvam.).
Die Beschwerdeführer wurden daher durch die angefochtenen Bescheide nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz oder in ihren Rechten infolge Anwendung einer gesetzwidrigen Rechtsvorschrift verletzt.
2.3. Angesichts des Umstandes, dass schließlich die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes - substanziiert - nicht behauptet wurde und im verfassungsgerichtlichen Verfahren auch nicht hervorgekommen ist, musste die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.