OGH vom 23.01.2003, 8ObA3/03d

OGH vom 23.01.2003, 8ObA3/03d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Mutz und Robert Maggale als weitere Richter, in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Notburga S*****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz/Senoner/Celar, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. NI.***** GmbH Nfg KG, *****, 2. Hünter W*****, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 718,93 brutto sA (Revisionsinteresse EUR 390,61 sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 319/02h-16, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 29 Cga 239/01f-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 199,87 Euro (darin enthalten 33,31 Euro an USt.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ist zutreffend für das Rumpfurlaubsjahr 1998 von einem vollen Urlaubsanspruch der Klägerin ausgegangen, sodass es grundsätzlich ausreicht, auf dessen Begründung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerber entgegen zu halten:

Die Klägerin war bei den Beklagten vom bis als Mehlspeisenverkäuferin beschäftigt. Sie vereinbarte im Dienstzettel vom , dass zur Bemessung des Jahresurlaubes das Kalenderjahr herangezogen wird, jedoch für das Jahr 1998 eine Aliquotierung des Urlaubsanspruches eintreten soll. Sie hat während ihres ganzen Arbeitsverhältnisses nur 56 Arbeitstage an Urlaub verbraucht. Ihr Bruttolohn betrug - einschließlich eines Überstundenpauschales - S 15.800 14 mal jährlich. Das Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung. Die Klägerin erhielt bei der Endabrechnung S 13.545 ausbezahlt und begehrt mit ihrer Klage weitere S 9.892,69 (718,93 Euro) an Urlaubsentschädigung bzw -ersatzleistung.

Ausgehend von einem Anspruch auf Urlaubsentschädigung bzw Urlaubseersatzleistung von S 837,87 pro abzugeltendem Urlaubstag (S 15.800 x 14 : 12 : 22) ergibt sich, dass dem Klagebegehren der Klägerin insgesamt nur 28 abzugeltende Arbeitstage zugrunde liegen müssen (S 13.545 zuzüglich S 9.892,69 = S 23.437,69 : 837,87 = 27,97).

§ 2 Urlaubsgesetz lautet wie folgt:

(1) Dem Arbeitnehmer gebührt für jedes Arbeitsjahr ein ununterbrochener bezahlter Urlaub. Das Urlaubsausmaß beträgt bei einer Dienstzeit von weniger als 25 Jahren 30 Werktage und erhöht sich nach Vollendung des 25. Jahres auf 36 Werktage.

(2) Der Anspruch auf Urlaub entsteht in den ersten sechs Monaten des ersten Arbeitsjahres im Verhältnis zu der im Arbeitsjahr zurückgelegten Dienstzeit, nach sechs Monaten in voller Höhe. Ab dem zweiten Arbeitsjahr entsteht der gesamte Urlaubsanspruch mit Beginn des Arbeitsjahres. Der Urlaubsanspruch wird durch Zeiten, in denen kein Anspruch auf Entgelt besteht, nicht verkürzt, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt wird. .......

(4) Durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung kann anstelle des Arbeitsjahres das Kalenderjahr oder ein anderer Jahreszeitraum als Urlaubsjahr vereinbart werden. Solche Vereinbarungen können abweichend von § 12 vorsehen, dass

1. Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag im laufenden Urlaubsjahr begründet wurde und welche die Wartezeit zu Beginn des neuen Urlaubsjahres noch nicht erfüllt haben, für jeden begonnenen Monat ein Zwölftel des Jahresurlaubes erhalten; ist die Wartezeit erfüllt, gebührt der volle Urlaub;

2. ein höheres Urlaubsausmaß erstmals in jenem Kalenderjahr (Jahreszeitraum) gebührt, in das (in den) der überwiegende Teil des Arbeitsjahres fällt;

3. die Ansprüche der zu Beginn des neuen Urlaubsjahres mindestens ein Jahr beim selben Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer für den Umstellungszeitraum gesondert berechnet werden. Umstellungszeitraum ist der Zeitraum vom Beginn des Arbeitsjahres bis zum Ende des folgenden Kalenderjahres oder des sonstigen vereinbarten Jahreszeitraumes. Jedenfalls muss für den Umstellungszeitraum dem Arbeitnehmer ein voller Urlaubsanspruch und ein zusätzlicher aliquoter Anspruch für den Zeitraum vom Beginn des Arbeitsjahres bis zum Beginn des neuen Urlaubsjahres zustehen. Auf den Urlaubsanspruch im Umstellungszeitraum ist ein für das Arbeitsjahr vor der Umstellung gebührender und bereits verbrauchter Urlaub anzurechnen."

§ 12 UrlG sieht ua vor, dass die Rechte der Arbeitnehmer aufgrund der §§ 2 - 10 UrlG durch den Arbeitsvertrag nicht eingeschränkt werden können.

In ständiger Rechtsprechung geht nun der Oberste Gerichtshof davon aus, dass nur dann, wenn durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung anstelle des Arbeitsjahres das Kalenderjahr als Urlaubsjahr vereinbart wird, eine Aliquotierung für das Rumpfjahr zulässig ist, nicht aber durch Einzelarbeitsverträge (vgl RIS-Justiz RS0077310 mwN; DRdA 1990/21 [Klein]). Dies entspricht auch der überwiegenden Lehrmeinung (vgl offensichtlich in diesem Sinne Schrammel in Tomand/Schrammel Arbeitsrecht24 , 143 FN 12 - Verweis auf Arb 5102; Florette/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht I4 , 306; Kuderna Urlaubsrecht2 , 70; Cerny Urlaubsrecht8 , 70).

Weder § 2 Abs 4 noch § 12 UrlG wurden geändert. Daraus, dass § 2 Abs 2 UrlG mit der Beschäftigungssicherungsnovelle BGBl 502/1993 dahin geändert wurde, dass nunmehr der Urlaubsanspruch in den ersten sechs Monaten des ersten Arbeitsjahres ("Wartezeit") bereits aliquot entsteht, während früher in diesem Zeitraum noch überhaupt kein Urlaubsanspruch vorhanden war, kann insoweit wohl keine Verschlechterung der Rechtsposition des Arbeitnehmers abgeleitet werden. Vielmehr sollten die sonstigen Grundsätze des Urlaubsrechts unberührt bleiben (vgl auch RV 1194 BlgNR 18.GP).

Zuletzt hat nur Schima im Rahmen einer umfassenden Aufarbeitung der Judikatur und Lehre die Ansicht vertreten, dass bei einzelvertraglichen Umstellungsvereinbarungen mit Aliquotierung des Urlaubes im Rumpfjahr jedenfalls dann von der Wirksamkeit solcher Aliquotierungen auszugehen wäre, wenn es sich um einen im zweiten Halbjahr eingetretenen Arbeitnehmer handelt und zusätzlich auf die Wartezeit verzichtet wird (vgl Schima Die einzelvertragliche Umstellung des Urlaubsjahres auf das Kalenderjahr JBl 2000, 16). Diese Ansicht stützt sich einerseits darauf, dass entsprechend § 12 UrlG nur eine gleich günstige Gestaltung gewählt werden müsse und dass bei Arbeitnehmern, die in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres eintreten, sich die getroffenen Vereinbarung zwar je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses unterschiedlich auswirke, weil ja der Urlaubsanspruch in den folgenden Urlaubsjahren jeweils mit dem ersten Tag des Urlaubsjahres (Kalenderjahr) entstehe, jedoch in den überwiegenden Zeiträumen ohnehin die getroffene Vereinbarung für den Arbeitnehmer günstiger sei als die gesetzliche Regelung.

Diese Ausführungen bieten jedoch hier keinen Anlass von der Zulässigkeit eine Urlaubsaliquotierung auszugehen.

Dazu ist vorweg festzuhalten, dass die Neuregelung des Urlaubsgesetzes durch die Novelle BGBl I 44/2000, mit der etwa auch bei Arbeitgeberkündigungen (unberechtigten Entlassungen etc) nur noch eine aliquote Urlaubsersatzleistung vorgesehen würde, im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung auch noch nicht gegolten hat und mangels einer solchen Vereinbarung bis zuletzt nicht auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden gewesen wäre. Wäre doch ohne diese Vereinbarung der letzte Urlaubsanspruch für das Arbeitsjahr bis , sohin für ein Urlaubsjahr, das vor dem begonnen hat, zugestanden (vgl die Übergangsbestimmung § 19 Abs 5 und 6 UrlG). Wesentlicher Vergleichsmaßstab ist also das Urlaubsgesetz in der Fassung vor dieser Novelle.

Weiters wurde ein Verzicht auf die "Wartezeit", wie er von Schima zugrundegelegt wurde, hier weder behauptet noch festgestellt.

Weiters ist auch allgemein zu bemerken, dass es problematisch erscheint, auf das zeitliche "Überwiegen" der Günstigkeit abzustellen, da die Fortdauer der Arbeitsverhältnisse ja nicht alleine vom Arbeitnehmer bestimmt werden kann. Er kann daher Vorweg gar nicht überblicken, ob die getroffenen Vereinbarung für ihn günstiger ist. Wesentlich ist aber vor allem, dass der Gesetzgeber in den Novellen der letzten Jahre trotz der seit Jahrzehnten insoferne unveränderten Judikatur des Obersten Gerichtshofes und des Umstandes, dass er im Zusammenhang mit dem Entstehen und der Beendigung verstärkt - hier allerdings teilweise im Zeitpunkt der Vereinbarung noch nicht anwendbare - Aliquotierungsregelungen getroffen hat, zu der vorliegenden Fragestellung keine Neuregelung erlassen hat. Dies erscheint insbesondere deshalb relevant, da dieses Thema je im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Umstellung des Urlaubsjahres vom Dienstjahr auf das Kalenderjahr durch einen Kollektivvertrag oder eine Betriebsvereinbarung ausdrücklich geregelt ist. Insoweit wurde insbesondere für größere Betriebe, in denen die einheitliche Festlegung des Urlaubsjahres mit dem Kalenderjahr eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung bedeuten mag, ohnehin ein Regelungsmechanismus zur Verfügung gestellt.

Insgesamt war der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG sowie §§ 50 und 41 ZPO.