VfGH vom 27.09.1995, B316/94
Sammlungsnummer
14255
Leitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung einer Berufung gegen die Abweisung eines Habilitationsansuchens wegen negativer Beurteilung einer im zweiten Abschnitt des Habilitationsverfahrens zu prüfenden Leistung infolge Verkennung der Rechtslage
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters die mit 18.000.- S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Verfassungsgerichtshof verweist, um Wiederholungen zu vermeiden, hinsichtlich des für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde maßgeblichen Sachverhaltes und der für seine rechtliche Beurteilung aus der Sicht des Beschwerdefalles maßgeblichen Rechtslage auf die Ausführungen in der Begründung des Beschlusses vom , G1248/95, mit dem das aus Anlaß dieser Beschwerde von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren im Hinblick darauf eingestellt wurde, daß im Verfahren der Mangel der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Vorschriften hervorgekommen war.
2. Zusammenfassend bleibt festzuhalten:
Es wäre Aufgabe der Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - des Universitätskollegiums - gewesen, aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers gegen den im zweiten Abschnitt des Habilitationsverfahrens ergangenen, sein Habilitationsansuchen abweisenden Bescheid der Habilitationskommission diesen Bescheid aufzuheben, um auf diese Weise den Weg für die Neudurchführung dieses Abschnittes des Habilitationsverfahrens durch die besondere Habilitationskommission frei zu machen.
Das Universitätskollegium hat jedoch in Verkennung der Rechtslage die Berufung abgewiesen. Es hat damit einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen, der an die Stelle des (erstinstanzlichen) Bescheides der Habilitationskommission getreten ist (s. etwa VfSlg. 11196/1986 mit Hinweisen auf Vorjudikatur). Der erstinstanzliche Bescheid ist somit seit dem Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides rechtlich nicht mehr existent. Der dem Universitätskollegium zuzurechnende Bescheid vom ist, da er ausschließlich auf die Aufhebung des (erstinstanzlichen) Bescheides der Habilitationskommission gerichtet war, auf den rechtlichen Bestand des angefochtenen (Berufungs-)Bescheides ohne Einfluß geblieben.
2. a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde, der sich - wie dies im Beschwerdefall zutrifft - auf ein mit dem Gleichheitsgebot im Einklang stehendes Gesetz stützt, dem die Behörde auch nicht fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, dann verletzt, wenn die Behörde Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten ist nicht nur bei absichtlichem Zufügen von Unrecht (zB VfSlg. 8614/1979, 9147/1981), sondern auch dann gegeben, wenn sich die Behörde, die Rechtslage verkennend, im Ergebnis über das Gesetz geradezu hinweggesetzt hat (zB VfSlg. 4480/1963, 6240/1970, 8772/1980).
b) Ein solcher Fall ist hier gegeben, da die Behörde widersprüchlich vorging: Obgleich sie einerseits, dem Gesetz entsprechend, eine besondere Habilitationskommission einsetzte, versäumte sie es andererseits, den Weg für eine Entscheidung der besonderen Habilitationskommission durch Aufhebung des erstinstanzlichen (das Habilitationsansuchen des Beschwerdeführers abweisenden) Bescheides freizumachen. Sie hat somit verkannt, daß sie, wenn sie eine besondere Habilitationskommission einsetzt, den Bescheid der Habilitationskommission jedenfalls aufheben muß. Damit hat sie iS der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Willkür geübt.
Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden. Der Bescheid war darum aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG. Von dem zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 3.000.- S auf die Umsatzsteuer.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.