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OGH vom 20.04.2010, 11Os2/10v

OGH vom 20.04.2010, 11Os2/10v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Spreitzer als Schriftführer, im Verfahren wegen Unterbringung des Christian Z***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB, AZ 16 Hv 21/09z des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Beschwerde des Sachverständigen ao. Univ.-Prof. Dr. Peter H***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom , AZ 10 Bs 348/09s, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, in seinem ein Mehrbegehren in Höhe von 58,10 Euro (zuzüglich USt) abweisenden Teil aufgehoben und dem Sachverständigen ao. Univ. Prof. Dr. Peter H***** ein weiterer Betrag für Mühewaltung in diesem Ausmaß zuerkannt.

Im Übrigen wird der Beschwerde nicht Folge gegeben.

Die Anweisung der zusätzlichen Gebühren hat das Oberlandesgericht Graz zu veranlassen.

Text

G r ü n d e :

Im Berufungsverfahren betreffend Christian Z*****, AZ 10 Bs 348/09s des Oberlandesgerichts Graz, aktualisierte der zum Sachverständigen bestellte Beschwerdeführer zunächst seinen Befund und in der Berufungsverhandlung auch sein Gutachten in Bezug auf die Gefährlichkeit und auf zu prognostizierende Taten des Betroffenen. Weiters nahm er zur Frage Stellung, ob im Rahmen der vorläufigen Unterbringung bereits ein Behandlungserfolg erzielt wurde, der die Gefährlichkeit auf ein Maß zu reduzieren vermochte, dass die bloße Androhung der Unterbringung (allenfalls in Verbindung mit einer Behandlung außerhalb der Anstalt und allfälligen begleitenden Maßnahmen) ausreichend sei, um die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, hintanzuhalten.

Nach Erstattung des Gutachtens machte ao. Univ. Prof. Dr. Peter H***** Gebühren in Höhe von 595,60 Euro geltend, wobei er für Befund und Gutachten nach „§ 43 Abs 1 Z a-e inklusive Gefährlichkeit akt.“ undifferenziert einen Betrag von 308,60 Euro netto ansprach.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Oberlandesgericht Graz die Gebühren des Beschwerdeführers mit 434,40 Euro. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 43 Abs 1 Z 1 lit e GebAG wurden die Gebühren für Mühewaltung nach dem Tarifansatz des § 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG zuerkannt. Nach der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts wären wegen der Fragestellung zwar zwei Gutachten zu honorieren, mit Blick auf die weitgehend gleiche Befundaufnahme sei jedoch nur für eine Untersuchung Mühewaltungsgebühr zuzusprechen. In analoger Anwendung des § 49 Abs 3 Z 2 GebAG ( Krammer/Schmidt, § 43 GebAG 3 E 69) stünden demnach einmal die volle Gebühr von 116,20 Euro nach § 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG und für das „bloße Gutachten“ die Hälfte dieser für Befund und Gutachten festgesetzten Gesamtgebühr, demnach 58,10 Euro, insgesamt daher für Mühewaltung 174,30 Euro netto zu.

Rechtliche Beurteilung

Die zulässige (§ 41 Abs 1 GebAG) und rechtzeitige Beschwerde begehrt die Zuerkennung der Gebühr für Mühewaltung nach dem Tarifansatz des § 43 Abs 1 Z 1 lit e GebAG bzw in der vom Sachverständigen „beantragten Höhe“ und zielt demnach noch hinreichend deutlich auf den beim Oberlandesgericht geltend gemachten Betrag von 308,60 Euro, sohin auf den Zuspruch eines Mehrbetrags von 134,30 Euro zzgl USt ab.

Das Beschwerdeargument einer zeitaufwändigen psychiatrischen Untersuchung geht bereits mit Blick auf den diese Leistung auch umfassenden Gebührenansatz des § 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG fehl.

Die in der Beschwerde relevierte intensive Erörterung der möglichen Substitution beschreibt lediglich den Gutachtensauftrag, aus dem für die Abgrenzung einer Gebührenbemessung nach § 43 Abs 1 Z 1 lit d oder lit e GebAG nichts zu gewinnen ist.

Soweit der Beschwerdeführer aus dem „mit derartigen Expertisen verknüpften Gefahrenpotential“ zwingend auch ausführliche und außergewöhnliche Kenntnisse auf seinem Fachgebiet behauptet, scheitert das Vorbringen an einer aus den in Betracht kommenden Tarifansätzen denklogischen Ableitung. Weitere über das Fachgebiet hinausgehende außergewöhnliche Kenntnisse wurden weder in der Beschwerde dargetan noch sind diese aus der Expertise selbst ersichtlich.

Der Einwand, wonach ein völlig unhaltbarer Zustand der Ungleichbehandlung mit Psychologen bestehe und eine Vergebührung nach tatsächlichem Zeitaufwand begehrt werde, kritisiert das Gesetz und entzieht sich damit einer sachlichen Erwiderung. Eine Anhebung der Tarife kann nicht durch Auslegung seitens der Rechtsprechung vorgenommen werden (vgl Krammer/Schmidt , § 43 GebAG 3 E 71).

Die Gebührenansätze der lit d und lit e des § 43 Abs 1 Z 1 GebAG unterscheiden sich ausschließlich in der Begründungsqualität.

Ein Zuspruch nach § 43 Abs 1 Z 1 lit e GebAG setzt eine besonders eingehende Begründung voraus, die vorliegt, wenn sich der Sachverständige entweder mit widersprüchlichen Ergebnissen von Befundaufnahmen ausführlich auseinandersetzt oder wenn die Begründung ausführliche und außergewöhnliche Kenntnisse auf dem Fachgebiet des Sachverständigen verlangt.

Das in der Berufungsverhandlung unter Einbeziehung der Krankengeschichte erstattete Gutachten knüpft zunächst an die ursprüngliche und weiterhin aufrecht erhaltene Diagnose des Sachverständigen an und legt eingehend die Veränderung der Prognose durch die pharmakologische Behandlung dar; weiters, weshalb der Betroffene nunmehr nach Ansicht des Sachverständigen durch ambulante Maßnahmen und entsprechende Auflagen in anderer Weise als durch Unterbringung in einer Anstalt behandelt und betreut werden kann, wobei es der Beschwerdeführer nach seinen Ausführungen in der Berufungsverhandlung nicht für erforderlich erachtete, „das Gericht mit der weiterhin von einer Persönlichkeitsstörung ausgehenden Argumentation der Ärztin F***** zu behelligen“ (Protokoll über die Berufungsverhandlung S 3). Der Sachverständige setzte sich zwar mit der von ihm auftragsgemäß beigeschafften Krankengeschichte sowie der ärztlichen Stellungnahme und seinem Vorgutachten, nicht aber mit widersprüchlichen Ergebnissen von Befundaufnahmen ausführlich auseinander, sodass die Heranziehung des Tarifansatzes des § 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG der Gesetzeslage entspricht.

Im Ergebnis kommt der Beschwerde aber teilweise Berechtigung zu.

Mit dem BRÄG 2008, BGBl I 2007/111, erfuhr die Bestimmung des § 43 Abs 1 Z 1 lit d und lit e GebAG mit Blick auf § 22 Abs 1 UBG dahingehend eine Neuregelung, dass die Beurteilung, ob eine psychisch kranke Person ohne Gefahr in anderer Weise als durch Unterbringung in einer Anstalt behandelt oder betreut werden kann, neben besonders zeitaufwändigen körperlichen, neurologischen, psychiatrischen Untersuchungen in der Aufzählung Berücksichtigung fand. Maßgeblich war hiefür, dass sich der Sachverständige bei der Begutachtung des Erfordernisses einer Anstaltseinweisung in einem solchen Fall nicht auf die psychiatrische oder neurologische Untersuchung alleine beschränken kann, sondern dieser auch andere Interessen zu ermitteln hat, weshalb es als gerechtfertigt erachtet wurde, Prognosegutachten als eine weitere zur neurologischen oder psychiatrischen Begutachtung hinzutretende Untersuchung zu honorieren (EBRV 303 BlgNR 23. GP 50). Die auf weitgehend identische Befundaufnahme abstellende Argumentation des Oberlandesgerichts Graz greift demnach nicht.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kumulierung der Gebührenansätze des § 43 Abs 1 GebAG sind diese Ansätze dem Sachverständigen auch mehrfach zuzusprechen ( Krammer/Schmidt , § 43 GebAG 3 E 67, 68).

Die analoge Heranziehung des § 49 Abs 3 GebAG kommt deshalb nicht in Betracht, weil diese Bestimmung ausdrücklich auf Befund und Gutachten von verschiedenen Sachverständigen abstellt.

Da fallaktuell die zweifache Gebühr nach § 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG (232,40 Euro) zuzüglich USt zusteht, war in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur (§ 24 StPO), teils entgegen der Äußerung des Beschwerdeführers hiezu in teilweiser Stattgebung der Beschwerde dem Sachverständigen ao. Univ. Prof. Dr. Peter H***** für Mühewaltung ein weiterer Betrag in Höhe von 58,10 Euro zuzüglich USt zuzusprechen.