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VfGH vom 22.06.2009, B315/09

VfGH vom 22.06.2009, B315/09

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung einer Berufung gegen die Ernennung einer Mitbewerberin zur Volksschuldirektorin

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Niederösterreich (Niederösterreichische Landesregierung) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht als Lehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Seine Dienststelle ist die Hauptschule 2 in Bruck an der Leitha. Der Beschwerdeführer bewarb sich - mit drei weiteren Personen - um die im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Niederösterreich vom ausgeschriebene schulfeste Leiterstelle an der genannten Schule.

Im Verfahren zur Besetzung dieser Leiterstelle wurde der Beschwerdeführer im Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Bezirksschulrates Bruck an der Leitha vom und im Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Landesschulrates für Niederösterreich vom jeweils an dritter Stelle gereiht, die letztlich ernannte Mitbewerberin (im Folgenden: Mitbewerberin) jeweils an erster Stelle.

Mit Bescheid vom verlieh die Niederösterreichische Landeslehrerkommission für allgemein bildende Pflichtschulen die schulfeste Leiterstelle an die Mitbewerberin und wies die Bewerbung des Beschwerdeführers ab. Begründend wird u.a. Folgendes ausgeführt:

"Die NÖ Landeslehrerkommission für [allgemein bildende] Pflichtschulen hat ... die Vorschläge der Kollegien des Bezirksschulrates und des Landesschulrates geprüft und ist zur Ansicht gekommen, dass bei der Erstellung der Vorschläge die ... gesetzlichen Vorschriften eingehalten worden sind.

Für die Verleihung an [die Mitbewerberin] sind insbesondere folgende Gründe maßgebend:

Die Kollegien des Bezirksschulrates und des Landesschulrates haben die Ernannte übereinstimmend erstgereiht.

Auf Grund der vorliegenden Unterlagen und des durchgeführten Anhörungsverfahrens wurde festgestellt, dass die Ernannte dem Anforderungsprofil für Schulleiter entspricht.

Sie hat bereits Erfahrung als betraute Schulleiterin seit an der HS I Hainburg/Donau.

Der Vorrückungsstichtag der Ernannten ist um 4 Jahre weiter zurückliegend als Ihrer.

Die NÖ Landeslehrerkommission kommt daher unter Abwägung aller vorliegenden Begründungen der Kollegien des Bezirksschulrates und des Landesschulrates sowie der übrigen vorliegenden Unterlagen zur Ansicht, dass die [Mitbewerberin] für die Leitung der genannten Schule besser geeignet ist.

Es war daher aus den angeführten Gründen spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung

Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Berufung einzulegen. ..."

Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem die Bestellung zum Leiter einer unter § 1 Abs 1 LDG 1984 fallenden Schule in Niederösterreich betreffenden Beschluss vom , Zl. 2003/12/0013, ausführlich dargelegt, dass einem Bewerber um die Verleihung einer schulfesten Leiterstelle mangels rechtlicher Verdichtung Parteienstellung auf Grund eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses im Sinne des § 8 AVG nicht zukommt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschluss ebenfalls ausgeführt hat, kommt zwar einem in den Dreiervorschlag aufgenommenen Bewerber im Licht des Art 81b B-VG eine andere Rechtsposition zu als allfälligen sonstigen, nicht im Vorschlag berücksichtigten Bewerbern, das daraus ableitbare Recht des aufgenommenen Bewerbers erschöpft sich aber darin, dass nur ein in den Dreiervorschlag aufgenommener Bewerber ernannt wird.

Angesichts dieser Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes steht dem Berufungswerber kein rechtliches Interesse nach § 8 AVG zu, das mit Berufung gegen den erstinstanzlichen Verleihungsbescheid verfolgt werden könnte."

2. Gegen diesen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Im Wesentlichen bringt der Beschwerdeführer dazu Folgendes vor:

"Die belangte Behörde hat ihre Zurückweisungsentscheidung damit begründet, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Berufung der gegenständlichen Art grundsätzlich unzulässig ist. Es trifft zu, dass es diese Judikatur gibt. Sie wird vom Verwaltungsgerichtshof (sinngemä[ß]) darauf gestützt, dass durch eine Bewerbung um eine schulfeste Leiterstelle iSd §§26 ff LDG 1984 keine[r]lei Rechtsanspruch begründet wird, auch keine Parteistellung und kein rechtliches Interesse. Diese Judikatur widerspricht derjenigen des Hohen Verfassungsgerichtshofes, wonach in den Dreiervorschlag eines Kollegiums aufgenommene Bewerber um eine solche Leiterstelle Parteistellung haben (siehe VwSlg 14839 A, VfSlg 15696 u.v.a.). Eine Besonderheit besteht im Niederösterreichischen Landesschulbereich insoweit, als das NÖ Landeslehrer-Diensthoheitsgesetz 1976 (NÖ-LDHG) einen Instanzenzug von der in 1. Instanz zuständigen Landeslehrerkommission (§3 Absl litb) an die Landesregierung ausdrücklich vorsieht (§7). Das ändert jedoch nach dem Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofes nichts, er steht auf dem Standpunkt, dass eine derartige Berufung mangels Parteistellung zurückzuweisen ist - lediglich im Falle einer dasselbe Bewerbungsverfahren betreffenden voraus gegangenen Entscheidung des Hohen Verfassungsgerichtshofes mit Bejahung der Parteistellung und des Beschwerderechtes wird vom Verwaltungsgerichtshof wegen der diesbezüglichen Bindungswirkung konform entschieden (Zl. 2006/12/0084).

In diesem Sinne entspricht die beschwerdegegenständliche Entscheidung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Verletzung verfassungsgesetzlich geschützter Rechte ist jedoch nicht beim Verwaltungsgerichtshof, sondern beim Hohen Verfassungsgerichtshof gelegen und es nimmt [demgemäß] eine Behörde, die auf eine solche Weise entscheidet, einen Verfassungsversto[ß] in Kauf. Dieser Versto[ß] besteht im Sinne der ständigen Judikatur des Hohen Verfassungsgerichtshofes in einer Verletzung des verfassungsgesetzlich geschützten (subjektiven) Rechtes auf den gesetzlichen Richter iSd Art 83 Abs 2 B-VG. Diese Rechtsverletzung ist mir durch den angefochtenen Bescheid zugefügt worden ... ."

Die Niederösterreichische Landesregierung als die im verfassungsgerichtlichen Verfahren belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt und im Wesentlichen Folgendes vorbringt:

"Wie der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an den Hohen Verfassungsgerichtshof darauf hinweist, hat sich die belangte Behörde aufgrund der unterschiedlichen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in der Frage der Parteistellung von Bewerbern um eine Schulleiterstelle vorerst veranlasst gesehen, der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes folgend die Berufung infolge fehlender Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. dann verletzt, wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

2. Gemäß § 3 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 - DVG, BGBl. 29 (WV) idF BGBl. 362/1991, sind im Verfahren in Dienstrechtsangelegenheiten die Personen Parteien, deren öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis Gegenstand des Verfahrens ist.

Wie der Verfassungsgerichtshof erstmals im Erkenntnis VfSlg. 6151/1970 und in der Folge in zahlreichen weiteren Erkenntnissen (zB VfSlg. 9923/1984, 12.102/1989, 12.476/1990, 12.477/1990, 12.556/1990, 13.703/1994, 15.926/2000) ausgesprochen hat, kommt den Bewerbern im Verfahren zur Verleihung einer schulfesten Leiterstelle Parteistellung iSd § 3 DVG zu, wenn sie in einen - gemäß § 26 Abs 8 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz - LDG 1984, BGBl. 302 idF BGBl. I 53/2007, verbindlichen - Besetzungsvorschlag aufgenommen wurden. Die Aufnahme in einen solchen Besetzungsvorschlag berührt das Dienstverhältnis des Bewerbers und verleiht ihm Parteistellung. Die in einen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber bilden, wie der Verfassungsgerichtshof gleichfalls wiederholt dargelegt hat, eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft (s. etwa VfSlg. 12.868/1991, 15.832/2000, 15.926/2000); sie haben ein Recht auf Teilnahme an dem durch den Besetzungsvorschlag konkretisierten Verwaltungsverfahren. Aus rechtsstaatlicher Sicht kann die Verwaltungsbehörde nicht als befugt angesehen werden, durch einen der Rechtskontrolle nicht unterworfenen Verleihungsakt unter den in den gesetzlich vorgesehenen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbern eine Auswahl zu treffen (vgl. zB VfSlg. 12.782/1991).

Der Beschwerdeführer war in den (verbindlichen) Besetzungsvorschlag sowohl des Bezirksschulrates als auch des Landesschulrates aufgenommen. Daher kam ihm im Verfahren zur Verleihung der Schulleiterstelle Parteistellung zu.

3. Da die Niederösterreichische Landesregierung mit dem bekämpften Bescheid die Parteistellung des Beschwerdeführers verneinte und seine Berufung als unzulässig zurückwies, verweigerte die Behörde dem Beschwerdeführer gegenüber somit zu Unrecht eine Sachentscheidung (vgl. auch schon VfSlg. 18.095/2007). Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

4. Der Kostenausspruch gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Fundstelle(n):
VAAAD-95579