VfGH vom 27.11.1995, B314/95
Sammlungsnummer
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Leitsatz
Quasi-Anlaßfall; Anlaßfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des zweiten Satzes des § 1 Abs 1 Vlbg AnzeigenabgabeG mit E v , G293/94.
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Vorarlberg ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Das Landesabgabenamt für Vorarlberg schrieb dem Österreichischen Rundfunk mit Bescheid vom für die Monate Jänner 1989 bis Dezember 1991 und Februar 1992 bis Dezember 1993 für die Verbreitung von Anzeigen durch den Rundfunk unter Berufung auf Bestimmungen des AnzeigenabgabeG, Vorarlberger LGBl. 30/1990, darunter dessen § 1, Anzeigenabgabe in betragsmäßig bestimmter Höhe vor. Mit Bescheid vom wies die Vorarlberger Landesregierung die dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Abgabenbescheid.
Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher insbesondere die Verletzung in Rechten infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht wird; es wird - unter Bezugnahme auf das (zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung noch anhängige) Gesetzesprüfungsverfahren G293/94 - (u.a.) vorgebracht, daß das Vorarlberger AnzeigenabgabeG zum Recht der Gemeinden auf Ausschreibung einer Gemeindeabgabe für Ankündigungen gemäß § 14 Abs 3 und § 15 Abs 3 Z 4 FAG 1989 in Widerspruch stehe.
2. Auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofes leitete der Verfassungsgerichtshof nach Art 140 Abs 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung des zweiten Satzes im § 1 Abs 1 des AnzeigenabgabeG, Vorarlberger LGBl. Nr. 30/1990, (idF vor der Novelle LGBl. 46/1994) ein und sprach mit Erkenntnis G293/94 vom aus, daß diese Gesetzesbestimmung verfassungswidrig war.
3. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Grundsätzlich das Gleiche gilt, wenn der Gerichtshof nach Abs 4 dieses Artikels ausgesprochen hat, daß ein Gesetz verfassungswidrig war.
Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg.10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im erwähnten Verfahren G293/94 zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes im § 1 Abs 1 des AnzeigenabgabeG, Vorarlberger LGBl. Nr. 30/1990, begann am . Die vorliegende Beschwerde langte beim Verfassungsgerichtshof am 6. Feber 1995 ein, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig festgestellte Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
II. Die Kostenentscheidung
gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000 S enthalten.
III. Von der Durchführung einer
mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VerfGG abgesehen.
Fundstelle(n):
DAAAD-95572