OGH vom 30.07.2001, 10ObS216/01i

OGH vom 30.07.2001, 10ObS216/01i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Fritz Miklau (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Heinz Abel (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef G*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter 1092 Wien, Rossauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 60/01x-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 18 Cgs 60/00w-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter lehnte mit Bescheid vom den Antrag des Klägers vom auf Zuerkennung der Invaliditätspension mit der Begründung ab, dass Invalidität nicht vorliege.

Das Erstgericht wies ein dagegen erhobenes Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger ab eine Invaliditätspension in der gesetzlichen Höhe zu gewähren, ab. Nach seinen wesentlichen Feststellungen war der am geborene Kläger von bis als Angestellter des (Zentral-)K***** Österreich und vom (nach dem Inhalt des Pensionsaktes richtig: 1992) bis als Arbeiter ("angelernter Druckereihelfer") bei der P***** Druck GesmbH beschäftigt. Aufgrund der vom Erstgericht im Einzelnen näher festgestellten Leidenszustände ist der Kläger weiterhin in der Lage, mittelschwere Arbeiten und zu zwei Drittel der Normalarbeitszeit auch schwere Arbeiten zu verrichten. Unzumutbar sind lediglich Arbeiten mit dem Erfordernis überdurchschnittlichen Zeitdrucks sowie überdurchschnittlich hoher Umstellungsfähigkeit und persönlicher Flexibilität im persönlichen Kontakt nach Art eines Verkäufers oder Vertreters. Der Kläger ist anlernbar und unterweisbar. Auch bezüglich des Arbeitsweges besteht keine Einschränkung.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, das der Kläger keinen Berufsschutz genieße und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch die beispielshaft angeführten Verweisungstätigkeiten eines Reinigungsarbeiters in Werkstätten, Magazinen und Lagern, eines Saaldieners in der Metall-, Kunststoff- und Textilindustrie, eines Lager- und Magazinarbeiters sowie eines Portiers, deren Anforderungen gerichtsbekannt seien, verrichten könne. Der Kläger sei daher nicht invalid.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens und hielt die Tatsachen- und Beweisrüge sowie die Rechtsrüge für nicht berechtigt. Die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Druckereihelfer begründe keinen Berufsschutz als erlernte oder angelernte Tätigkeit im Sinn des § 255 Abs 1 und 2 ASVG. Es liege auch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass der Kläger bei dem festgestellten medizinischen Leistungskalkül seine früher ausgeübte Tätigkeit als Angestellter nicht mehr verrichten könne. Der Kläger sei daher auch nicht berufsunfähig im Sinn des § 273 Abs 1 ASVG.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor; diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner Begründung. Soweit der Revisionswerber rügt, das Berufungsgericht habe seine Tatsachen- und Beweisrüge betreffend sein medizinisches Leistungskalkül nicht ausreichend behandelt, ist ihm zu entgegnen, dass eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nur dann vorläge, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht oder so mangelhaft befasst hätte, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 503 mwN ua). Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Das Berufungsgericht hat vielmehr ausdrücklich darauf verwiesen, das für die in der Berufung angestrebten Feststellungen über weitergehende medizinische Einschränkungen im Leistungskalkül des Klägers keine Beweisergebnisse angeführt werden könnten, weshalb die Berufungsausführungen nicht geeignet seien, Bedenken an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung zu erwecken. Im Übrigen macht der Revisionswerber in seiner Mängelrüge inhaltlich sekundäre Feststellungsmängel geltend, welche der Rechtsrüge zuzuordnen sind. In seinen Rechtsausführungen vertritt der Revisionswerber den Standpunkt, dass ihm sowohl im Hinblick auf seine Tätigkeit als Lagerangestellter als auch im Hinblick auf seine weitere Tätigkeit als Druckereihelfer Berufsschutz zukomme, sodass eine Verweisung auf die vom Erstgericht genannten Verweisungstätigkeiten nicht zulässig sei.

Unabhängig von der Frage, ob der Kläger die von ihm ausgeübten Berufstätigkeiten als Lagerangestellter und Druckereihelfer im Rahmen seines medizinisch nicht sehr eingeschränkten Leistungskalküls nicht ohnedies weiter verrichten könnte, sodass schon aus diesem Grunde weder Invalidität (§ 255 ASVG) noch Berufsunfähigkeit (§ 273 ASVG) vorliegen könnte (SSV-NF 1/68 ua), kommt den Ausführungen in der Revision auch aufgrund folgender Erwägungen keine Berechtigung zu:

Nach den Feststellungen und auch nach dem Inhalt des Pensionsaktes ist davon auszugehen, dass der Kläger Versicherungszeiten zunächst in der Pensionsversicherung der Angestellten und sodann in der Pensionsversicherung der Arbeiter erworben hat, wobei er unbestritten zur beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter gemäß § 245 Abs 3 ASVG leistungszugehörig und die beklagte Partei daher gemäß § 246 ASVG leistungszuständig ist. Aus dem Pensionsakt ergibt sich hiezu, dass der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag () 85 Versicherungsmonate in der Pensionsversicherung der Angestellten und 95 Versicherungsmonate in der Pensionsversicherung der Arbeiter erworben hat.

Hat der Versicherte Versicherungsmonate in mehreren Zweigen der Pensionsversicherung erworben, so kommen für ihn gemäß § 245 Abs 1 ASVG die Leistungen des Zweiges in Betracht, dem er leistungszugehörig ist. Im vorliegenden Fall steht die Leistungszugehörigkeit des Klägers zur Pensionsversicherung der Arbeiter unbestritten fest. Aus dem Versicherungsfall geminderter Arbeitsfähigkeit ist aus der Pensionsversicherung der Arbeiter die Invaliditätspension zu leisten (§ 222 Abs 1 Z 2 lit a ASVG). Die besonderen Leistungsvoraussetzungen für die Invaliditätspension finden ihre Regelung in § 255 ASVG. Nur wenn im Hinblick auf die vom Versicherten tatsächlich ausgeübte Tätigkeit - weil dieser etwa tatsächlich ausschließlich Angestelltentätigkeiten verrichtete - diese auf Arbeitertätigkeiten abgestellten Bestimmungen unanwendbar wären, wäre die Frage zu erörtern, ob auf eine analoge Anwendung des § 273 ASVG zurückzugreifen ist. Dies trifft aber im vorliegenden Fall nicht zu, weil der Kläger in seinem Berufsleben in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag zum größten Teil Arbeitertätigkeiten verrichtet hat, was ja auch zur Begründung der Leistungszuständigkeit der beklagten Partei führte. Die Frage, ob ein Pensionsanspruch wegen geminderter Arbeitsfähigkeit besteht, ist daher ausgehend von § 255 ASVG zu prüfen (SSV-NF 2/57, 3/2, 3/123, 10 ObS 79/01t ua; RIS-Justiz RS0084378). Die Tätigkeit des Klägers als Lagerangestellter muss daher außer Betracht bleiben.

Als Druckereihelfer verrichtete der Kläger weder erlernte noch angelernte Tätigkeiten (SSV 19/31; SVSlg 29.630, 33.176, 33.225 ua), sodass die Invalidität - der Kläger hat das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet - nach § 255 Abs 3 ASVG zu prüfen ist. Danach gilt ein Versicherter, der nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig war, als invalid, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande ist, durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet wird und die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden kann, wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Es wird auch vom Kläger nicht bestritten, dass er aufgrund seines nur wenig eingeschränkten medizinischen Leistungskalküls verschiedene Hilfsarbeitertätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wie beispielsweise die vom Erstgericht genannten Tätigkeiten als Reinigungsarbeiter in Werkstätten, Magazinen und Lagern, Saaldiener in der Metall-, Kunststoff- und Textilindustrie, Lager- und Magazinarbeiter sowie als Portier noch verrichten kann. Damit sind aber die Voraussetzungen für die begehrte Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG nicht gegeben. Auch die vom Kläger im Hinblick auf den Inhalt seiner bisherigen Tätigkeit geltend gemachten Feststellungsmängel liegen somit nicht vor.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Umstände, die einen Kostenzuspruch auf Billigkeit rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht.