VfGH vom 15.10.1992, B313/91
Sammlungsnummer
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Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Rechtsanwaltskammer Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien vom wurde der beschwerdeführende Rechtsanwalt der Verletzung der Berufspflichten für schuldig erkannt, weil er seit Eintragung der zu HRB 2635 des Landes- als Handelsgericht Graz protokollierten Firma, nämlich seit Dezember 1986, die Stellung des einzigen Geschäftsführers dieser GesmbH innegehabt habe, wobei der Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft die Verwaltung von Ärztevermögen umfasse; dieser Unternehmensgegenstand zähle auch zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes. Er wurde hiefür zu einer Geldbuße von S 5.000,-- und zur Tragung der Verfahrenskosten verurteilt.
1.2. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom , Zl. Bkd 54/89, zugestellt am , wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, daß der Beschuldigte gegen § 5 RL-BA 1977, zweiter Satz, verstoßen habe, indem er als Geschäftsführer in einem Unternehmen tätig sei, dessen Gegenstand auch Tätigkeiten umfasse, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen. Dieser Verstoß begründe das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Erwerbsfreiheit behauptet, die Gesetzwidrigkeit des § 5 RL-BA 1977 geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.
4. Aus Anlaß dieses Beschwerdefalles hat der Verfassungsgerichtshof die Gesetzmäßigkeit des Wortes "Geschäftsführer," im zweiten Absatz des § 5 RL-BA 1977 von Amts wegen geprüft.
Mit Erkenntnis vom , V27/92, hat der Verfassungsgerichtshof das Wort "Geschäftsführer," im zweiten Satz des § 5 RL-BA 1977 als gesetzwidrig aufgehoben.
5. Die belangte Behörde hat eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10303/1984, 10515/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
6. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-- enthalten.
Fundstelle(n):
ZAAAD-95517