OGH vom 30.01.2018, 9ObA131/17f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.
Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Dehn und den Hofrat Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Herbert Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. ***** D*****, vertreten durch Mag. Martin Meier Rechtsanwalts GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Kuhn Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.813 EUR brutto sA, über die Rekurse der klagenden und beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 21/17p19, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 38 Cga 59/16p15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht, jenem der klagenden Partei wird, Folge gegeben.
Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von 2.813 EUR brutto samt 9,08 % Zinsen seit zu zahlen sowie die mit 2.220,81 EUR (darin 342,97 EUR USt und 163 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 880,67 EUR (darin 101,61 EUR USt und 271 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.194,56 EUR (darin 139,60 EUR USt und 357 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist seit bei der Beklagten als Ärztin beschäftigt und seit der R***** Gesellschaft mbH überlassen. Auf das Dienstverhältnis ist die Dienstordnung B für die Ärzte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs DO.B anzuwenden.
Die – unstrittig – für das Dienstverhältnis der Klägerin geltende Betriebsvereinbarung vom (Blg ./F; ./1 Pkt II) enthält ua nachstehende Bestimmungen:
„III. Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Vereinbarung ist
(1)
(2)
Dienstag 07:00 Uhr bis 15:00 Uhr
Mittwoch 07:00 Uhr bis 16:00 Uhr
Donnerstag 07:00 Uhr bis 15:00 Uhr
Freitag 07:00 Uhr bis 13:00 Uhr
(3)
(4)
IV. Diensteinteilung
Die Einteilung der Dienste des ärztlichen Personals, jede
V. Verlängerte Dienste
(1) Zur Sicherstellung einer kontinuierlichen ärztlichen Betreuung werden gemäß § 4 Abs 1 KA-AZG und § 9b DO.B verlängerte Dienste zugelassen.
(2) Die durchgehende Arbeitszeit eines verlängerten
(3) Verlängerte Dienste, die an einem Samstag Vormittag beginnen, dürfen höchstens 49 Stunden dauern. Sa 12:00-Mo 13:00
VI. Wöchentliche Arbeitszeit
Es wird vereinbart, dass innerhalb des Durchrechnungszeitraumes, der mit 8 Wochen festgelegt wird, die Wochenarbeitszeit 60 Stunden betragen darf; in einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes darf eine Wochenarbeitszeit von 72 Stunden nicht überschritten werden.
VIII. Arbeitsbereitschaft
Zeiten im Rahmen einer Diensteinteilung von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr gelten als Zeiten der Arbeitsbereitschaft. Diese Zeiten werden mit der gesonderten Abgeltung gemäß § 50 Abs 1 DO.B entlohnt. (Anmerkung des Senats: Unstrittig war dieser Zeitraum zuletzt auf 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr verkürzt worden)
IX. Überstunden
Überstundenarbeit liegt dann vor, wenn unter Beachtung der Bestimmung des § 9a DO.B und unter Berücksichtigung einer allfälligen Pauschalabgeltung regelmäßiger Mehrarbeit gemäß § 9d Abs 2 DO.B die in der bestehenden Diensteinteilung festgelegten Arbeitszeiten überschritten werden.
XI. Diensteinteilung
Die Diensteinteilung wird in Form von Dienstplänen, die für einen Kalendermonat ausgelegt werden, festgehalten. Die Dienstpläne werden der Direktion vorgelegt. Für die Erstellung der Dienstpläne ist der ärztliche Leiter verantwortlich.“
Die Arbeitsverpflichtung der Klägerin beträgt 46 Wochenstunden. Mit dem Grundgehalt der Klägerin wird eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden abgegolten. Zur Abgeltung der festgesetzten regelmäßigen Mehrarbeitszeit von sechs Stunden durchschnittlich pro Woche gewährt die Beklagte der Klägerin anstelle einer Überstundenentschädigung eine Pauschalabgeltung gemäß § 45 DO.B. Bei dieser Pauschalabgeltung ist ein Überstundenzuschlag von rund 50 % berücksichtigt. Für eine pauschal abgegoltene Überstunde erhält die Klägerin rund 65 EUR brutto.
Die Normalarbeitszeit der Klägerin betrug von September 2015 bis Februar 2016 insgesamt 1176 Stunden. Tatsächlich verrichtete die Klägerin in diesem Zeitraum 1062,5 Arbeitsstunden am Tag und 140 Arbeitsbereitschafts-stunden in der Nacht. Als Vergütung für die geleisteten Arbeitsbereitschaftsstunden erhielt die Klägerin für 4,5 Stunden im September 2015 111,29 EUR brutto, für 12,1 Stunden im Jänner 2016 300,46 EUR brutto und für zehn Stunden im Februar 2016 250,40 EUR brutto. Die weiteren von der Klägerin im Zeitraum September 2015 bis Februar 2016 geleisteten 113,5 (richtig wohl 113,4, aber nicht bekämpft) Arbeitsbereitschaftsstunden wurden von der Beklagten nicht mit der Arbeitsbereitschaftsvergütung nach § 50 Abs 1 DO.B entlohnt.
Die Klägerin leistete alle Dienste, die für sie im Dienstplan vorgesehen waren. Seit , nach dem Auslaufen des befristeten „OptOut“, durfte die Klägerin nicht mehr durchschnittlich 60 Stunden, sondern nur mehr durchschnittlich 48 Stunden pro Woche beschäftigt werden. In der Folge kam weder eine neue Betriebsvereinbarung noch eine einzelvertragliche Vereinbarung zustande, wonach von der Klägerin geleistete Arbeitsbereitschaftsstunden in ihre Wochenarbeitszeit eingerechnet werden dürfen.
Die Klägerin begehrt 2.813 EUR brutto sA an gesonderter Abgeltung gemäß § 50 Abs 1 DO.B für von ihr im Zeitraum September 2015 bis Februar 2016 geleisteten, aber von der Beklagten nicht bezahlten 113,5 Nachtarbeitsbereitschaftsstunden.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde nach, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass sie alle von der Klägerin geleisteten Arbeitsstunden bezahlt habe. Dadurch, dass sie der Klägerin Arbeitsbereitschaftsstunden, die gemäß DO.B geringer zu entlohnen seien, teilweise als Arbeitszeit bezahlt habe, also Arbeitsbereitschaftsstunden teilweise zur Auffüllung der von der Klägerin nicht geleisteten Arbeitszeit verwendet habe, könne sich die Klägerin nicht beschwert erachten. Es stehe der Beklagten frei, Nachtarbeitsbereitschaft wie Arbeitszeit zu bezahlen und auf die bezahlte Arbeitszeit anzurechnen, sohin die Klägerin besser zu stellen, als es ihr vertraglich zustehe. Es wäre der Beklagten jederzeit möglich, die Klägerin nur mehr zu einem Nachtdienst pro Monat einzuteilen, sodass die Klägerin 46 Stunden arbeiten könnte und die Nachtarbeitsbereitschaft in den restlichen 2 Stunden Deckung finden würde. Nur aus Rücksicht gegenüber der Klägerin und den anderen Ärzten habe die Beklagte bisher davon Abstand genommen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe im streitgegenständlichen Zeitraum 140 Arbeitsbereitschaftsstunden geleistet, von denen 26,6 Stunden durch Zahlungen sowie die klagsgegenständlichen 113,5 Stunden mit der Pauschalabgeltung gemäß § 45 DO.B abgegolten worden seien. Letzteres deshalb, weil die Klägerin in diesem Zeitraum an Tagesarbeitszeit um diese 113,5 Stunden weniger geleistet habe, sodass diese zur Auffüllung der Nachtarbeitszeit verwendet worden seien. Die Klägerin könne sich durch diese Vorgangsweise nicht beschwert erachten, weil die Überstundenabgeltung in Höhe von 65 EUR brutto jedenfalls über die vorgesehene Vergütung für eine Arbeitsbereitschaftsstunde von 24,73 EUR brutto im Jahr 2015 und von 25,04 EUR brutto im Jahr 2016 liege.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil der Frage der Zulässigkeit der Abgeltung von (geringer zu honorierenden) Nachtarbeits-bereitschaftszeiten mit der Pauschalabgeltung regelmäßiger Mehrarbeit eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Das Berufungsgericht vertrat zusammengefasst die Auffassung, dass sich dem Wortlaut des § 50 Abs 1 DO.B nicht entnehmen lasse, dass die Abgeltung von Arbeitszeit in jedem Fall gebühre, und zwar auch dann, wenn eine nicht ausgeschöpfte Überstundenpauschale für die Abgeltung dieser Zeiten zur Verfügung stehe. Eine einseitige Verlegung der Tagesarbeitszeit in die Nachtstunden durch die Dienstgeberin zur Abdeckung der Nachtarbeitsbereitschaft sei zwar nicht zulässig, der Dienstgeberin stehe es aber frei, die durch die Überstundenpauschale abgegoltenen sechs Stunden pro Woche zur Abdeckung dann nicht mehr gesondert zu entlohnender Arbeitsbereitschaftsstunden heranzuziehen. Dies setze aber voraus, dass solche Mehrleistungsstunden noch zur Verfügung stünden und nicht bereits zur Abgeltung der Tagesarbeitszeit herangezogen worden seien. Es seien noch detailliertere Feststellungen dazu erforderlich, ob für die Honorierung der Nachtarbeitsbereitschaft im streitgegenständlichen Zeitraum noch (ausreichend) durch die Pauschalabgeltung regelmäßiger Mehrarbeit bezahlte Stunden zur Verfügung gestanden seien, oder ob diese bereits dadurch konsumiert worden seien, dass im Zusammenhang mit der Verrichtung verlängerter Dienste eine 13 Stunden übersteigende Arbeitszeit (außerhalb der Bereitschaftszeiten) angefallen sei.
Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richten sich die Rekurse beider Parteien. Die Klägerin beantragt in ihrem Rekurs, dem Klagebegehren stattzugeben, die Beklagte die Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils.
Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben. Die Beklagte hat keine Rekursbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind zulässig, der Rekurs der Klägerin ist auch berechtigt.
Die Beklagte hält in ihrem Rekurs den Standpunkt aufrecht, dass durch die laufende Zahlung des Entgelts durch die Beklagte an die Klägerin sowohl die Normalarbeitszeit von durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich als auch eine Überstundenleistung von durchschnittlich 6 Stunden wöchentlich abgegolten sei. Ab sei es ihr nicht mehr möglich gewesen, die Klägerin im Durchschnitt zu 46 Stunden Tagesarbeit und zusätzlich zu verlängerten Diensten einzuteilen. Die dafür zur Verfügung gestandene Arbeitszeit von durchschnittlich 2 Stunden wöchentlich habe nicht einmal für einen einzigen verlängerten Dienst pro Woche gereicht. Da bei verlängerten Diensten eine Normalarbeitszeit von mehr als 13 Stunden anfallen könne, sei ihre Vorgangsweise der Gesamtberechnung, wie sie auch das Erstgericht für rechtsrichtig erachtet habe, nicht zu beanstanden.
Der Rekurs der Klägerin argumentiert primär mit der wörtlichen Auslegung des § 50 DO.B. Diese Regelung sei aber auch vernünftig, zweckentsprechend und praktisch durchführbar, weil durch die gesonderte Entlohnung von Nachtarbeitsbereitschaft ein Anreiz zur Leistung von nächtlichen Bereitschaftsstunden geschaffen worden sei und diese Art der gesonderten Entlohnung auch wesentlich leichter handhabbar sei, als die Aufrechnung mit allfälligen nicht geleisteten, von der Mehrarbeitspauschale abgedeckten Stunden. Letztlich würde aber auch die die einseitige Heranziehung der durch die Überstundenpauschale abgegoltenen sechs Stunden zur Abdeckung der geleisteten Nachtarbeitsbereitschaftsstunden eine einseitige und damit unzulässige Verlegung der Tagesarbeitszeit in die Nachtstunden darstellen.
Der Senat hat dazu erwogen:
1. Die Dienstordnung B für die Ärzte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs ist ein Kollektivvertrag (RIS-Justiz RS0054394 [T8]).
2. Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass die Wochenarbeitszeit der Klägerin seit – mangels ihrer Zustimmung (§ 4 Abs 4b iVm § 11b Abs 1 KA-AZG) – im Rahmen der nach § 4 KA-AZG iVm § 9b DO.B und Punkt V der Betriebsvereinbarung zugelassenen verlängerten Dienste innerhalb eines Durchrechnungszeitraums von 8 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden nicht überschreiten darf.
Gemäß § 9a Abs 1 Z 2 DO.B beträgt die wöchentliche Normalarbeitszeit für die dem KA-AZG unterliegende Klägerin 40 Stunden, wobei die Tagesarbeitszeit 13 und die Wochenarbeitszeit in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraums von 17 Wochen bzw vier Monaten 60 Stunden nicht überschreiten darf. Durch Betriebsvereinbarung kann der Durchrechnungszeitraum auf bis zu sechs Monate verlängert werden. Die betriebliche (generelle) Arbeitszeiteinteilung und -verteilung wird durch eine Betriebsvereinbarung festgesetzt (§ 9a Abs 3 DO.B).
§ 9b Abs 1 DO.B erlaubt nach Maßgabe des § 4 KA-AZG für die in Krankenanstalten gemäß § 1 Abs 6 Z 1 und 2 beschäftigten Ärzte – wie hier die Klägerin – die Zulassung verlängerter Dienste durch eine Betriebsvereinbarung.
Nach § 9d Abs 2 DO.B kann für die in Krankenanstalten gemäß § 1 Abs 6 beschäftigten Ärzte im Rahmen des zulässigen Überstundenausmaßes eine regelmäßige Mehrarbeitszeit von bis zu acht Stunden im Durchschnitt des gemäß § 9 Abs 1 Z 2, § 9a Abs 1 oder § 9b Abs 1 geltenden bzw vereinbarten Durchrechnungszeitraums festgesetzt werden. Zur Abgeltung der gemäß § 9d Abs 2 DO.B festgesetzten regelmäßigen Mehrarbeitszeit gebührt gemäß § 45 DO.B anstelle einer Überstundenentschädigung eine Pauschalabgeltung; diese beträgt pro Stunde der regelmäßigen Mehrarbeit 0,9 % der jeweiligen ständigen Bezüge gemäß § 35 Abs 2 Z 1 und 9 DO.B.
§ 50 DO.B bestimmt die Abgeltung der Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme des Arztes, also im Falle einer (bloßen) Arbeitsbereitschaft. Nach dessen Abs 1 gebührt den in Krankenanstalten (§ 1 Abs 6) beschäftigten Ärzten für eine außerhalb der Normalarbeitszeit gelegene Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme als Überstundenentschädigung eine besondereAbgeltung. Diese beträgt für jede Stunde bei Nacht (20:00 Uhr bis 6:00 Uhr), je nach der Tätigkeit des Arztes in einer bestimmten Krankenanstalt zwischen 0,70 % und 0,30 % der Zulagenbemessungsgrundlage (Z 1) und für jede Stunde der Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme bei Tag 50 % des nach Z 1 jeweils in Betracht kommenden Prozentsatzes (Z 2). Die verbindlichen (vgl RIS-Justiz RS0054448) Erläuterungen zur DO.B (einvernehmliche Auslegungen durch die Kollektivvertragspartner) sprechen in diesem Zusammenhang ebenso wie die Betriebsvereinbarungsparteien (Punkt VIII der BV) von einer „gesonderten“ Abgeltung.
3. Nach Rechtsprechung und Lehresteht dem Dienstnehmer eine Überstundenpauschale auch dann zu, wenn die Zahl der tatsächlich geleisteten Überstunden in einzelnen Verrechnungsperioden geringer ist oder er in einzelnen Verrechnungsperioden gar keine Überstundenleistung erbringt (9 ObA 30/15z; vgl RIS-Justiz RS0051648; Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II10 [2017] 185). Die Überstundenpauschale soll nämlich allenfalls zu leistende Überstundenarbeit unabhängig von deren Menge abgelten. Leistet der Arbeitnehmer daher weniger Überstunden, als rechnerisch durch die Überstundenpauschale abgegolten werden könnte, ändert das nichts an dem dem Arbeitnehmer zugesagten Entgeltanspruch (Klein in Heilegger/Klein, AZG4§ 10 Rz 17; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht3 115). Sein Anspruch auf die Überstundenpauschale bleibt dennoch in voller Höhe aufrecht.
Die Vorgangsweise der Beklagten, die von der Klägerin geleisteten, aber entgegen § 50 Abs 1 DO.B nicht gesondert entlohnten Arbeitsbereitschaftsstunden teilweise zur Auffüllung der gegenüber der Klägerin nicht vollständig abgerufenen Arbeitsverpflichtung von 46 Wochenstunden zu verwenden, ist daher schon im Ansatz verfehlt.
4. Im Übrigenspricht auch der Wortlaut (RIS-Justiz RS0010088; RS0010089) des § 50 Abs 1 DO.B für die Rechtsauffassung der Klägerin, also den Anspruch auf Abgeltung der von ihr geleisteten Arbeitsbereitschaftsstunden unabhängig davon, ob sie von der Beklagten im Vergleichszeitraum nur für eine geringere als die vereinbarte Arbeitszeit von 46 Stunden zum Dienst eingeteilt wurde. Auch die Unterscheidung der Dienstbezüge in § 35 DO.B stützt dieses vom Wortlaut getragene Verständnis. Während ua das monatliche Gehalt nach dem Gehaltsschema B (§ 35 Abs 2 Z 1 lit b DO.B) und die Pauschalabgeltung regelmäßiger Mehrarbeit iSd § 45 DO.B (§ 35 Abs 2 Z 7 DO.B) als ständige Bezüge gelten, gilt neben verschiedenen Zulagen ua auch die Abgeltung der Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme iSd § 50 DO.B als nicht ständiger Bezug. Diese getrennt voneinander zu behandelnden Bezüge werden vom Dienstgeber auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausbezahlt, und zwar die ständigen Bezüge (mit Ausnahme der Sonderzahlungen) im Voraus am Ersten eines jeden Monats und die nicht ständigen Bezüge (an unbefristete angestellte Ärzte) spätestens am Ersten des zweitfolgenden Kalendermonats (§ 54 Abs 1 DO.B).
5. Das insbesondere durch die Novellierung des KA-AZG, BGBl 2014/76, seit bestehende und durch die mangelnde Zustimmung der Klägerin zu einer längeren Dienstzeit („Opt-out“-Regelung des § 4 Abs 4b KA-AZG) seit verschärfte Problem die Klägerin im Rahmen ihrer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von höchstens 48 Stunden neben ihrer regelmäßigen Tagesarbeitszeit von 46 Stunden auch für (Nacht-)Arbeitsbereitschaftsstunden im Dienstplan einzuteilen, wird nicht verkannt. Weder im Gesetz noch im Kollektivvertrag oder in der Betriebsvereinbarung findet sich aber eine Anspruchsgrundlage, die es der Beklagten ermöglichen würde, das der Klägerin gemäß § 50 Abs 1 DO.B gebührende gesonderte Entgelt für die von ihr geleisteten Nachtarbeitsbereitschaftsstunden mit einem anderen Teil des der Klägerin jedenfalls zustehenden Gehalts oder der gemäß § 45 DO.B jedenfalls auszuzahlenden Pauschalabgeltung regelmäßiger Mehrarbeit gegenzuverrechnen. Sowohl das Monatsgehalt für die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden als auch die Pauschalabgeltung für die vereinbarte Mehrarbeit (Überstundenarbeit) von 6 Stunden wöchentlich gebühren der Klägerin unabhängig davon, ob sie von der Beklagten in diesem Ausmaß im Dienstplan auch zur Arbeitsleistung eingeteilt und verpflichtet wird.
Dem Argument der Beklagten, beim verlängerten Dienst handle es sich um eine (bloße) Verlängerung der Normalarbeitszeit, widerspricht schon der Wortlaut des § 50 Abs 1 DO.B, wonach die besondere Abgeltung für eine „außerhalb der Normalarbeitszeit gelegene Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme“ gebührt (vgl Erl zu § 50 DO.B).
Dem Rekurs der Klägerin war daher Folge zu geben, der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluss aufzuheben und zufolge Spruchreife in der Sache selbst im Sinne einer Klagsstattgabe zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Verhandlung am (ON 7) dauerte nur eine Stunde. Für den erst nach der vorbereitenden Tagsatzung vom eingebrachten und damit gemäß § 257 Abs 3 ZPO unzulässigen Schriftsatz vom (ON 14) hat die Klägerin keinen Ersatzanspruch (vgl 2 Ob 173/12y). Die verzeichneten Gebühren von zweimal 0,20 EUR für „TLDZ“ betreffen offenbar die Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant via „TrustNetz“ und sind daher vom Einheitssatz (§ 23 Abs 3 RATG) umfasst.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00131.17F.0130.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.