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OGH vom 19.09.2000, 10ObS214/00v

OGH vom 19.09.2000, 10ObS214/00v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Schenk und MR Mag. Heinrich Lahounik (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz E*****, Kraftfahrer, *****, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 99/00h-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 6 Cgs 283/98f-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am geborene Kläger erlitt am einen Arbeitsunfall, als dessen Folge Taubheit und Vestibularisausfall links bestehen. Die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit beträgt ab 30 vH. Der zum Unfallszeitpunkt siebzehnjährige Kläger war damals als Landwirtschaftslehrling im Betrieb seines Vaters beschäftigt. Er legte im Jahr 1976 die landwirtschaftliche Facharbeiterprüfung ab.

Mit Bescheid vom stellte die beklagte Partei die zuletzt mit 20 vH der Vollrente festgestellte Versehrtenrente des Klägers aufgrund des Arbeitsunfalls vom neu fest und sprach dem Kläger bei einer festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH eine Versehrtenrente von monatlich S 912,-- ab zu.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger fristgerecht Klage mit dem Begehren auf Gewährung einer Versehrtenrente von 50 vH der Vollrente ab im gesetzlichen Ausmaß. Die Höhe der Bemessungsgrundlage sei nach der Bestimmung des § 180 Abs 1 ASVG zu ermitteln.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage lediglich 30 vH. Die Bemessungsgrundlage für den im Zeitpunkt des Arbeitsunfalles als Lehrling im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb gemäß § 3 BSVG pflichtversichert gewesenen Kläger berechne sich nach der Bestimmung des § 181 Abs 2 Z 2 ASVG.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab eine Versehrtenrente von 30 vH als Vollrente in Höhe von monatlich S 912,-- und ab von monatlich S 925,60 zu bezahlen. Das Mehrbegehren wies es ab.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass bei einem Versicherten, der sich zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls noch in Berufs- oder Schulausbildung befunden habe, von dem Zeitpunkt an, in dem die begonnene Ausbildung voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre, die Bemessungsgrundlage gemäß § 180 Abs 1 ASVG jeweils nach der Beitragsgrundlage errechnet werde, die für Personen gleicher Ausbildung durch Kollektivvertrag festgesetzt sei, oder sonst von ihnen in der Regel erreicht werde, wobei solche Erhöhungen der Beitragsgrundlage nicht zu berücksichtigen seien, die der Versicherte erst nach Vollendung des 30. Lebensjahres erreicht hätte. Diese Bestimmung sei eine Ausnahme zu dem im § 179 ASVG enthaltenen Grundsatz, dass bei der Errechnung der Bemessungsgrundlage die Verdienstverhältnisse vor dem Unfall maßgeblich blieben und insofern die Berücksichtigung zukünftiger Erwerbsmöglichkeiten ausgeschlossen werde. Grund für diese Ausnahme sei die Vermeidung einer Unterversorgung junger Unfallsopfer gewesen, weshalb vom Gesetzgeber diese besondere Bemessungsgrundlage zur Verfügung gestellt worden sei. Da § 180 ASVG eine Ausnahmeregelung von § 179 ASVG darstelle, sei sie nur auf Verfahren anzuwenden, die prinzipiell dem § 179 ASVG unterlägen. Anders als bei der Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung der Beitragsgrundlagen nach § 179 ASVG werde beim § 181 ASVG (Bemessungsgrundlage nach festen Beträgen) für verschiedene Bereiche der Versicherung keine vom Einkommen abhängige Bemessungsgrundlage herangezogen, sondern eine pauschale Bemessungsgrundlage, die unabhängig vom wirklichen Einkommen und Alter sei. Aufgrund des unstrittigen Umstandes, dass der Kläger gemäß § 3 BSVG versichert (gewesen) sei, falle er unter die Bestimmung des § 181 ASVG. Dadurch sei aber eine Valorisierung der Bemessungsgrundlage gemäß § 179 ASVG iVm § 180 ASVG wie sie der Kläger begehre, ausgeschlossen. Die von der beklagten Partei im angefochtenen Bescheid gemäß § 181 ASVG errechnete Bemessungsgrundlage sei somit richtig, sodass sich ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH die Richtigkeit des angefochtenen Bescheides ergebe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil unter Hinweis auf die zutreffenden Rechtsausführungen des Erstgerichtes und verwies noch darauf, dass die besondere Bemessungsgrundlage des § 180 ASVG den Zweck habe, die Unterversorgung jüngerer Unfallopfer zu vermeiden. Treffe der Unfall nämlich einen Versicherten in jungen Jahren, werde er nur eine niedrige Beitragsgrundlage haben, die sich bis an sein Lebensende nicht verändern könnte. Es solle daher eine fiktive Bemessungsgrundlage gebildet werden, der der kollektivvertragliche oder tatsächlich regelmäßig erzielbare Lohn zugrundezulegen sei, den Personen mit gleicher Ausbildung bis zum 30. Lebensjahr erzielen könnten. Auf diese Weise solle jugendlichen Versehrten eine einigermaßen akzeptable Rentenhöhe gewährleistet werden. Der dargelegte Zweck des § 180 ASVG zeige, dass diese Bestimmung auf Versicherte mit einer Bemessungsgrundlage nach festen Beträgen gemäß § 181 ASVG nicht anzuwenden sei, weil die darin festgelegten pauschalen Bemessungsgrundlagen unabhängig vom wirklichen Einkommen und vom Alter des Betroffenen seien. Dass der Kläger zum Unfallszeitpunkt zu den gemäß § 3 BSVG genannten Teilversicherten gehört habe, sei unstrittig. Für diese Personen gelte gemäß § 181 Abs 2 ASVG die dort angeführte pauschale Bemessungsgrundlage. Würde man die Bemessungsgrundlage des Klägers nach § 180 ASVG heranziehen und wäre die so errechnete Bemessungsgrundlage - wie dies der Kläger behaupte - wesentlich höher als die pauschale Bemessungsgrundlage nach § 181 ASVG, hätte dies zur Folge, dass der Kläger, der zum Unfallszeitpunkt ein siebzehnjähriger landwirtschaftlicher Lehrling im väterlichen Betrieb gewesen sei, eine höhere Versehrtenrente bekäme als ein von einem Arbeitsunfall betroffener, erwachsener, selbständiger landwirtschaftlicher Betriebsführer. Dieses Ergebnis der vom Kläger gewünschten Bildung der Bemessungsgrundlage für seine Versehrtenrente könne nicht als Absicht des Gesetzgebers unterstellt werden. Die Sonderbestimmung der Bildung der Bemessungsgrundlage für Personen unter 30 Jahren komme daher bei jenen Versicherten, bei denen eine Bemessungsgrundlage nach festen Beträgen vorgesehen sei (§ 181 ASVG) nicht in Betracht (vgl Teschner/Widlar, MGA, ASVG 63. ErgLfg Anm 4 zu § 180).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens (Berechnung der Bemessungsgrundlage nach § 180 ASVG) abzuändern.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend. Den Revisionsausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Anders als in der Kranken- und Pensionsversicherung ist in der Unfallversicherung die Bemessungsgrundlage für Geldleistungen auf das Jahreseinkommen vor dem Unfall abgestellt. Der Gesetzgeber stellt dafür im Hinblick auf die verschiedenartigen versicherten Personenkreise (Unselbständige, Selbständige, Schüler und Studenten), die Problematik des Lebensalters zum Unfallszeitpunkt und die Schwierigkeit, den Schaden bei nicht versicherten Leistungsberechtigten festzustellen, alternativ verschiedene Bemessungsgrundlagen zur Verfügung. Die allgemeine Bemessungsgrundlage für unselbständig Versicherte (§ 179 ASVG) beträgt die Summe der allgemeinen Beitragsgrundlagen zuzüglich der beitragspflichtigen Sonderzahlungen des letzten Jahres vor dem Eintritt des Versicherungsfalles. Trifft der Unfall einen Versicherten in jungen Jahren, wird der Verunfallte nur eine niedrige Beitragsgrundlage haben, die sich bis an sein Lebensende nicht verändern könnte. Um die Unterversorgung junger Unfallopfer zu vermeiden, stellte der Gesetzgeber für sie im § 180 ASVG eine besondere Bemessungsgrundlage zur Verfügung. Erfolgte der Unfall während der Dauer der Berufs- oder Schulausbildung, sind (nach Abs 1) Geldleistungen bis zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Beendigung der begonnenen Ausbildung nach den allgemeinen Vorschriften zu bemessen; ab der fiktiven Beendigung der Ausbildung ist hingegen das jeweilige kollektivvertragliche Einkommen für Personen mit gleicher Ausbildung und gleichem Alter heranzuziehen. An altersbedingten Erhöhungen der Aktiveinkommen nimmt der Verunfallte bis zur Vollendung seines 30. Lebensjahres teil. Fehlt es an Kollektivvertragslöhnen für vergleichbare Tätigkeiten, ist der regelmäßig erreichbare effektive Verdienst heranzuziehen. Diese Regeln gelten (nach Abs 2) sinngemäß auch für andere Versicherte - ausgenommen Schüler und Studenten -, die vor der Vollendung ihres 30. Lebensjahres verunfallt sind, sofern dies für sie günstiger ist (SSV-NF 12/59 mwN ua).

Da die Pflichtversicherung der Selbständigen in der Unfallversicherung im Unterschied zu jener der unselbständig Versicherten nicht einkommensproportional ausgestaltet ist, bedurfte es für sie einer besonderen Bemessungsgrundlage. Der Gesetzgeber hat dafür im § 181 ASVG feste Pauschalbeträge als Bemessungsgrundlagen vorgesehen, denen auch ein fixer, am Einheitswert orientierter Beitrag gegenübersteht. Feste Bemessungsgrundlagen berücksichtigen nicht die individuelle Einkommenssituation aus der selbständigen Erwerbstätigkeit, saisonale oder mehrjährige Einkommensschwankungen - wie sie etwa bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben üblich sind - und auch nicht die Höhe oder die Rechtzeitigkeit von Beitragszahlungen. Für BSVG-Unfallversicherte ist die Bemessungsgrundlage gleichfalls unabhängig von der Stellung des Versicherten im Betrieb. Unabhängig davon, ob es sich beim Verletzten um den Betriebsführer, die mittätige Ehegattin, mittätige Kinder, Enkel oder mittätige Eltern oder Großeltern handelt, kommen für eine Rentenbemessung jeweils nur die vorgesehenen festen Bemessungsgrundlagen zur Anwendung (vgl SSV-NF 11/87 mwN), wobei solche festen Bemessungsgrundlagen für Selbständige in der Landwirtschaft und deren mittätige Angehörige schon seit Beginn der bäuerlichen Unfallversicherung bestanden haben und auch nach der Neuregelung der bäuerlichen Unfallversicherung durch die 22. BSVG-Novelle (BGBl I/1998/140) weiterhin bestehen.

Die bäuerliche Unfallversicherung ist somit als Betriebsversicherung für den nunmehr in § 3 BSVG genannten Personenkreis konzipiert. Vom Kläger wird nicht bestritten, dass er im Zeitpunkt des Arbeitsunfalles den von dieser Betriebsversicherung umfassten Personenkreis angehörte. Während nämlich Lehrlinge gemäß § 4 Abs 1 Z 2 ASVG grundsätzlich der Vollversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegen, sind ua die Kinder eines selbständigen Landwirtes iSd § 2 Abs 1 Z 1 BSVG gemäß § 5 Abs 1 Z 1 ASVG davon jedoch ausgenommen, wenn sie hauptberuflich in dessen land-(forst-)wirtschaftlichen Betrieb beschäftigt sind. Unter dieser Voraussetzung sind somit Kinder eines selbständigen Landwirtes auch dann von der Vollversicherung nach dem ASVG ausgenommen, wenn sie im Rahmen eines Lehrverhältnisses beschäftigt werden. Sie genießen durch ihre Einbeziehung in die Kranken- und Pensionsversicherung (§ 2 Abs 1 Z 1 BSVG) sowie in die Unfallversicherung (§ 3 Abs 1 Z 2 BSVG) einen vollständigen sozialversicherungs- rechtlichen Schutz nach dem BSVG. Diese Rechtslage bestand auch bereits im Zeitpunkt des Arbeitsunfalles des Klägers (vgl Teschner/Widlar aaO 46. ErgLfg Anm 1b und 2 zu § 5).

Daraus folgt aber, dass von den Vorinstanzen im vorliegenden Fall zutreffend die Bemessungsgrundlage nach § 181 Abs 2 Z 2 ASVG angewendet wurde. Gegen die ziffernmäßige Berechnung der Bemessungsgrundlage nach dieser Gesetzesstelle im Sinne des angefochtenen Bescheides aber auch des Urteils des ersten Instanz wurden keine Einwendungen erhoben.

Der erkennende Senat teilt auch nicht die in der Revision im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgetragenen Bedenken. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsge- richtshofes sind die einzelnen Sozialversicherungssysteme (ASVG, GSVG, BSVG) wegen ihrer unterschiedlichen Gestaltungen des Beitrags- und Leistungsrechtes nicht miteinander vergleichbar, sodass zufolge der bestehenden prinzipiellen Unterschiedlichkeit der einzelnen Sozialversicherungssysteme der Gleichheitsgrundsatz für eine einheitliche Regelung derselben nicht ins Treffen geführt werden kann. Damit bestehen aber gegen den Umstand, dass die Bemessungsgrundlagen für Versicherte dieser drei Sozialversicherungsgesetze unterschiedlich festgestellt werden, keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl SSV-NF 11/87). Der Umstand, dass ein im elterlichen land-(forst-)wirtschaftlichen Betrieb beschäftigter landwirtschaftlicher Lehrling in der Unfallversicherung im Rahmen der bäuerlichen Betriebsversicherung, wie bereits dargelegt, als mittätiger Familienangehöriger gemäß § 3 Abs 1 Z 2 BSVG - ohne gesonderte Beitragszahlung (§ 30 Abs 1 BSVG) - mitversichert ist, während für einen landwirtschaftlichen Lehrling in einem fremden Betrieb gesonderte Beiträge zur Unfallversicherung zu entrichten sind (Unfallversicherung nach dem ASVG), rechtfertigt nach Ansicht des erkennenden Senates auch eine unterschiedliche Behandlung im Leistungsrecht.

Der Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.