OGH vom 26.11.2012, 9ObA131/11x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.
Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon. Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Dr. Helwig Aubauer und Mag. Regina Bauer Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** N*****, vertreten durch Dr. Gunther Leodolter, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Josef Milchram ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen 7.183,64 EUR sA und Feststellung (Streitwert 500 EUR; Gesamtstreitwert 7.683,64 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Ra 43/11g 22, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 43 Cga 4/10b 18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger (geboren am ***** 1962) war ab bei der Beklagten in einem Rehabilitationszentrum beschäftigt, und zwar zunächst als Küchenhilfskraft, dann als Maschinfahrer und schließlich ab bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum als Hausarbeiter bzw fallweise auch als Portier.
Der Kläger fühlte sich über längere Zeit hindurch an seinem Arbeitsplatz von den Kollegen ausgeschlossen und nicht in die Gemeinschaft eingegliedert. Die Ursache sah er darin, dass er keinen Alkohol konsumierte. In den letzten drei Jahren seines Arbeitsverhältnisses nahm der Kläger an keiner gemeinsamen Feier mit den anderen Kollegen, insbesondere aus dem Kreis der Hausarbeiter, teil. Diese wollten auch nicht, dass der Kläger an den Feiern teilnimmt.
Der Kläger hatte immer wieder Kontakt mit dem Betriebsratsvorsitzenden, den er aus der gemeinsamen Schulzeit kannte. Diesem schilderte er bereits in den Jahren 2004/2005, dass er mit einem bestimmten Kollegen Probleme habe. Der Betriebsratsvorsitzende schlug daraufhin vor, diese Probleme dem Vorgesetzten mitzuteilen, was der Kläger jedoch ablehnte und erklärte, er werde die Probleme schon selbst lösen. In den Jahren 2007/2008 sagte der Kläger zum Betriebsratsvorsitzenden, dass ihm die Arbeit zu viel sei und dass er den Arbeitsplatz verlassen wolle. Der Betriebsratsvorsitzende möge versuchen, ihm einen Arbeitsplatz im *****, einer anderen Einrichtung der Beklagten, zu beschaffen.
Der Kläger berichtete dem Verwaltungsleiter des Rehabilitationszentrums zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, dass seine Kollegen während der Arbeitszeit teilweise Alkohol konsumieren. Er sehe dies nicht ein, weil er selbst stets arbeite. Daraufhin veranlasste der Verwaltungsleiter, dass sämtliche Mitarbeiter auf das Alkoholverbot im Betrieb hingewiesen wurden. Bei einer Nachschau im Betriebsgebäude wurde Leergut gefunden. Wer Alkohol konsumierte, konnte nicht festgestellt werden.
Der Werkmeister für den technischen Bereich, der auch für die gesamte Haustechnik inklusive Portiere zuständig war, die Dienstpläne führte und die Arbeiten einteilte, führte mit den Hausarbeitern wöchentliche „Mitarbeitergespräche“. Dabei wurden die Arbeitsabläufe besprochen, Wünsche und Beschwerden erörtert. Im Übrigen führte der Werkmeister auch Einzelgespräche. Dabei berichtete ihm der Kläger, dass er mit bestimmten Kollegen Probleme habe. Er werde von diversen Zusammenkünften ausgeschlossen und könne mit einem bestimmten Kollegen nicht zusammenarbeiten. Der Werkmeister versuchte dies im Rahmen der Dienstpläne zu berücksichtigen. Insgesamt erschienen ihm aber die vom Kläger geschilderten Probleme nicht auffällig, weil es immer wieder vorkam, dass es unter Mitarbeitern Probleme gab.
Im Spätsommer 2008 suchte der Kläger gemeinsam mit seiner Ehegattin den Werkmeister zuhause auf, wobei persönliche Probleme angesprochen wurden. Der Kläger erzählte, dass er persönliche Belastungen empfinde und seine Arbeit nicht ausführen könne. Er könne mit einigen Kollegen nicht gemeinsam arbeiten, könne nicht mehr schlafen und wolle nicht mehr zur Arbeit. Er werde schikaniert und beschimpft. In Reaktion auf dieses Gespräch teilte der Werkmeister den Kläger in der Folge für Arbeiten ein, die er entweder allein oder mit einem bestimmten Kollegen, mit dem der Kläger gerne zusammenarbeitete, durchführen konnte.
Am sandte der Kläger dem Verwaltungsleiter das folgende E Mail:
„ Sehr geehrter Herr Verwaltungsleiter
Bevor sie sich wundern, dass sie von mir ein E Mail bekommen und ich nicht persönlich bei ihnen vorspreche, möchte ich auf diese Weise mein Anliegen oder wie man es auch nennt, zum Ausdruck bringen. Sonst ist es am nächsten Tag wieder vergessen. Dieses Schreiben ist aber doch zum Nachdenken gedacht, wobei auch eine Kopie an folgende Personen gerichtet bzw weitergeleitet wird.
Kanzleileiter: Herr *****
Werkmeister: Herr *****
Werkmeister Stellvertreter: Herr *****, und eine noch nicht genannte Person vom Betriebsrat.
Jetzt zu meinem Schreiben!
Im Juli habe ich das 8. Jahr angefangen, aber es sind keine leichten Jahre für mich gewesen, da ich anders als die anderen bin.
Punkt 1: Ich arbeite gewissenhaft.
Punkt 2: Ich trinke nicht.
Punkt 3: Ich bin seit 21 Jahren glücklich verheiratet.
Für meine Arbeit, was ich genau mache, werde ich sinnlos angemault, wie letzte Woche als ich Reiber war von Herrn *****, aber diese Geschichte kennt der Herr Werkmeister genau, was das Fass dann endgültig zum Überlaufen brachte.
Da ich auch nur ein Mensch bin und doch einiges im Leben mitgemacht habe, ist jetzt der Punkt bei mir angelangt, eine Veränderung hervorzurufen, da ich es psychisch nicht mehr schaffe. Auch die Krankheit meines Sohnes und mein ganzes Vorleben, was aus sechs Pflegeplätzen bestand, die Schussvertäubung - trage zwei Hörgeräte, was auch eine schwere Belastung ist - ohne Geräte starke Kopfschmerzen, schlaflose Nächte, usw. Dazu noch die Firma, das ist einfach zu viel. Jahrelang habe ich alles unterdrückt und mich selbst und andere angelogen, dass alles in Ordnung ist. Ich bitte sie diese Woche eine Änderung für mich zu machen wie es weiter geht, da ich um eine Versetzung eventuell ins ***** bitte oder bei uns in einer anderen Funktion, falls das nicht möglich ist, werde ich noch heuer durchhalten und dann mein Dienstverhältnis lösen - mit beiderseitigem Einverständnis - da ich auf meine Abfertigung nicht verzichten möchte und sie auch begründen kann.
In keinem Betrieb habe ich solche Intrigen hinterhältige Aktionen erlebt. Wenn es um meine Haut geht, wie man sagt, kämpfe ich darum.
Wenn ich ein schlechter Arbeiter wäre, muss ich meinen Mund halten, aber da es das Gegenteil ist, will ich nur meine Rechte.
Bei dieser Aussprache bitte ich um die Anwesenheit der oben genannten Personen. Überdies möchte ich noch betonen, dass ich mit Herrn ***** und Herrn Werkmeister ***** nie Probleme hatte, aber ich diese Dinge nicht zum Ausdruck brachte, damit meine ich, dass meine Arbeitskollegen mich als Verräter abstempeln würden.
Hochachtungsvoll ihr Mitarbeiter
***** “
Nach dem Absenden des E Mails begab sich der Kläger auf Urlaub. Am fand eine Besprechung mit dem Kläger statt, an der der Verwaltungsleiter, dessen Stellvertreter, der Werkmeister und dessen Stellvertreter teilnahmen. Der Kläger beklagte sich darüber, dass er stets arbeite, während die Kollegen Alkohol konsumieren. Er sei beschimpft worden, insbesondere auch am Abend in einem Gasthaus. Er werde beleidigt und man gehe immer auf ihn los. Der Kläger nannte die Namen jener drei Kollegen, die ihn schikanierten. Er wolle nicht mehr für die Beklagte arbeiten, er wünsche eine Versetzung. Der Verwaltungsleiter beteuerte, dass man etwas unternehmen müsse, und bot dem Kläger an, jederzeit mit Problemen zu ihm kommen zu können. Darauf erwiderte der Kläger, dass er nicht immer kommen könne, weil dies die Kollegen mitbekommen würden. Dem Kläger wurde erklärt, dass es für einen Arbeitsplatzwechsel keine Möglichkeit gebe, es würden aber vermehrt Kontrollen durchgeführt und „der Sache“ nachgegangen werden. Der Verwaltungsleiter werde mit den genannten Mitarbeitern sowie mit dem Betriebsrat Gespräche führen.
Nach der Besprechung wurden vermehrt Kontrollen im Hinblick auf Alkohol durchgeführt. Der Kläger wurde mit jenem Kollegen zu Arbeiten eingeteilt, mit dem er gern zusammenarbeitete. Die vom Kläger bezeichneten Mitarbeiter erfuhren im Rahmen eines Betriebsausflugs vom E Mail des Klägers vom und der Besprechung vom . Danach war der Kläger immer stärkeren Angriffen seiner Kollegen ausgesetzt. Er wurde als „Arschloch“, „Schwein“ und „Kameradensau“ beschimpft und als „Verräter“ bezeichnet. Der Kläger zog sich in der Folge nicht mehr gleichzeitig mit den Kollegen um und empfand eine große nervliche Belastung. Da der Verwaltungsleiter im Krankenstand war und einen Urlaub konsumierte, fand die nächste Besprechung erst am statt. An dieser nahmen die gleichen Personen teil wie schon bei der vorhergehenden Besprechung. Dazu kamen noch der Betriebsratsvorsitzende und die drei vom Kläger bezeichneten Kollegen. Im Rahmen dieses Gesprächs wurden wechselseitige Vorwürfe erhoben. Der Verwaltungsleiter erkannte, dass er die Situation zwischen den Hausarbeitern nicht lösen könne, und kündigte an, zur nächsten Besprechung einen Mediator beizuziehen.
Auch nach dieser Besprechung wurde der Kläger weiterhin beschimpft und beleidigt. Kurz vor Weihnachten 2008 nahm der Kläger mit der Betriebsärztin Kontakt auf, mit der er, weil ihr Urlaub bevorstand, einen Termin für die Zeit nach ihrer Rückkehr im neuen Jahr vereinbarte. In den letzten Wochen seiner Arbeitstätigkeit im Jahr 2008 wurde der Kläger als Portier nicht mehr abgelöst, um eine kurze Pause zu machen; dies unter anderem auch nicht zu Silvester, weshalb die Ehegattin des Klägers in den Betrieb kam und ihm die Jause brachte. Der Kläger meldete diesen Vorfall noch am gleichen Tag per E Mail an den Werkmeister, der diese Information an die Verwaltung weiterleitete. Sowohl der Werkmeister als auch der Verwaltungsleiter sprachen mit dem Kollegen, der den Kläger zu Silvester hätte ablösen sollen.
Der Kläger befand sich ab im Krankenstand. Am sandte er dem Verwaltungsleiter eine Nachricht, in der er erklärte, dass er wegen akuter Kreuzschmerzen sowie eines Ausschlags stressbedingt und durch die Medikamente sowie Spritzen im Krankenstand sei. Der Kläger beklagte sich darüber, dass die Schikanen kein Ende hätten, er sitze stets alleine, die Kollegen sprächen nicht mit ihm, es sei keine Zusammenarbeit mehr gegeben und er sei auch nicht mehr in der Lage zu kommunizieren. Es liege schweres Mobbing vor, es habe auch Computermanipulationen und perverse Äußerungen gegeben. Falls der Verwaltungsleiter nicht reagiere, sei er gezwungen, nach Wien zu fahren oder einen Rechtsanwalt einzuschalten.
Während des Krankenstands des Klägers wurde mehrmals von Beklagtenseite versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Die Verantwortlichen des Rehabilitationszentrums verständigten die Generaldirektion der Beklagten in Wien. Über ihr Ersuchen wurde das bis befristete Arbeitsverhältnis jenes Kollegen, mit dem der Kläger zusammenarbeiten konnte, verlängert. Davon wurde der Kläger informiert.
Im April 2009 kam es auf Ersuchen des Klägers und seiner Ehegattin zu einem Gespräch der Ehegattin des Klägers mit dem Bereichsleiter der Beklagten für Personal und Recht, dem Verwaltungsleiter und dessen Stellvertreter. Dabei wurden die Vorfälle nochmals besprochen. Die Ehegattin des Klägers deponierte, dass der Kläger eine andere Arbeitsstelle wünsche. Mangels freier Stellen gab es allerdings keine Möglichkeit, den Kläger in das ***** zu versetzen. Es gab auch keine Möglichkeit einer Versetzung innerhalb des Rehabilitationszentrums.
Die angekündigte Mediation fand nicht statt, weil nach Kontaktaufnahme mit dem Mediator ein Termin erst ab Jänner 2009 möglich gewesen wäre. Zum erfolgte nach einjährigem Krankenstand der vorzeitige Austritt des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Seit Jänner 2010 befindet sich der Kläger in Pension.
Der Kläger begehrt nach Klageausdehnung den Betrag von 7.183,64 EUR sA aus dem Titel des Schadenersatzes. Davon entfallen 5.520 EUR auf Verdienstentgang durch den zwölfmonatigen Bezug von Krankengeld, 563,64 EUR auf Fahrtkosten zu Ärzten bzw Therapien im Zusammenhang mit seiner psychischen Erkrankung, 1.000 EUR auf Schmerzengeld für die erlittene, bereits Krankheitswert aufweisende psychische Beeinträchtigung und 100 EUR auf pauschale Unkosten für Medikamente und erhöhten Telefonaufwand mit Ärzten und Therapieeinrichtungen. Weiters begehrt der Kläger die Feststellung, dass ihm die Beklagte für alle zukünftigen Schadenersatzansprüche hafte, die im Zusammenhang mit seiner psychischen Beeinträchtigung stehen und durch Mobbinghandlungen der Arbeitskollegen hervorgerufen worden seien. Der Kläger habe den Verwaltungsleiter des Rehabilitationszentrums in einem Gespräch vom darüber informiert, dass er massiv gemobbt werde, sodass er mittlerweile aufgrund einer depressiven Belastungsreaktion seit im Krankenstand sei. Das Mobbing habe sich in massiven bzw äußerst vulgären Beschimpfungen, der Verbreitung von Gerüchten und der Behinderung der Arbeitsabläufe geäußert. Eine Zusammenarbeit habe nicht mehr stattgefunden. Ein normales Gespräch mit den betroffenen Arbeitskollegen sei nicht mehr möglich gewesen. Bei seiner Portiertätigkeit sei der Kläger beispielsweise nicht für Pausen abgelöst worden. Von seinem Computer seien nicht vom Kläger stammende E Mails versandt worden. Das Ziel der Kollegen sei ganz klar darauf gerichtet gewesen, den Kläger auszugrenzen, zu isolieren und letztlich zu vertreiben. Das sich über einen Zeitraum von zumindest sechs Monaten erstreckende Mobbing gegen den Kläger gehe offenbar darauf zurück, dass er gegenüber der Beklagten bereits im Juli 2008 aufgezeigt habe, dass ein gewisser Kollegenkreis teilweise sehr exzessiv während der Arbeitszeit Alkohol konsumiere, wodurch die Arbeitsabläufe und die Sicherheit von Mitarbeitern und Patienten gefährdet werden. Die Beklagte habe keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um den Kläger vor den Übergriffen der Kollegen, die über harmlose Meinungsverschiedenheiten hinausgegangen seien, zu schützen. Die Kollegen, die gegen den Kläger Handlungen gesetzt haben, seien von der Beklagten weder abgemahnt noch auf sonst geeignete Weise zur Ordnung gerufen worden. Auch hinsichtlich des vom Kläger aufgezeigten Alkoholkonsums durch andere Mitarbeiter seien von der Beklagten keine Schritte unternommen worden. Die Beklagte habe als Arbeitgeber schuldhaft gegen ihre Fürsorgepflicht verstoßen. Dem Vorschlag, durch Versetzung des Klägers für Abhilfe zu sorgen, sei die Beklagte nicht nachgekommen. Durch die von der Beklagten nicht unterbundenen Mobbinghandlungen sei es beim Kläger zu einer massiven psychischen Beeinträchtigung mit Krankheitswert gekommen. Diese sei bisher nicht folgenlos ausgeheilt, sodass eine abschließende Bezifferung des Schmerzengelds nicht möglich sei.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Nachdem zunächst mehrfach in Gesprächen mit dem Kläger von der guten Arbeitsplatzsituation im Rehabilitationszentrum die Rede gewesen sei, habe sich der Kläger beim Verwaltungsleiter erstmals in einem E Mail vom über angebliches Mobbing, Intrigen und hinterhältige Aktionen beschwert. Bei der anschließenden Besprechung vom habe der Kläger ersucht, ihn zu versetzen. Diesem Ersuchen konnte allerdings nicht entsprochen werden. Wenige Monate danach sei der Kläger ab in den Krankenstand gegangen, der bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zum angedauert habe. Der Verwaltungsleiter habe aufgrund des E Mails des Klägers verschiedene Gespräche geführt und auch die Beiziehung eines Mediators erörtert. Bei einem weiteren Gespräch vom April 2009 mit der Ehegattin des Klägers seien für die Zeit nach dem Ende des Krankenstands des Klägers Maßnahmen zur weiteren Verwendung des Klägers sowie zur Zusammenarbeit mit der Kollegenschaft in Aussicht genommen worden. Der Kläger selbst sei während seines Krankenstands nicht persönlich zu sprechen gewesen. Er verwechsle das von ihm behauptete Mobbing mit Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten, die täglich am Arbeitsplatz vorkommen. Mangels Vorliegens von Mobbinghandlungen habe für die Beklagte kein Handlungsbedarf bestanden. Der Tatbestand der Verletzung der Fürsorgepflicht liege nicht vor. Das vom Kläger behauptete Fehlverhalten der Beklagten sei nicht gegeben. Dessen ungeachtet, habe die Beklagte den vorzeitigen Austritt des Klägers zur Kenntnis genommen. Sie sei nämlich im Hinblick auf den langen Krankenstand und die erfolglose Aufforderung an den Kläger, mitzuteilen, wann der Krankenstand beendet werde, davon ausgegangen, dass er den Dienst nicht mehr antreten werde. Die Beklagte habe einen Schaden des Klägers weder adäquat verursacht noch sei ihr ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten anzulasten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung der vorstehend wiedergegebenen Feststellungen ab. Der Kläger sei von seinen Kollegen gemobbt, insbesondere beschimpft, beleidigt und ausgeschlossen worden. Auf die Information darüber per E Mail des Klägers vom September 2008 habe die Beklagte umgehend mit einem Gesprächstermin reagiert. Im Anschluss daran seien von der Beklagten Maßnahmen gesetzt worden, um den Kläger durch eine entsprechende Diensteinteilung von den „Mobbern“ fernzuhalten. Nachdem wahrgenommen worden sei, dass eine Lösung im Rahmen einer Besprechung aussichtslos gewesen sei, habe die Beklagte beschlossen, einen Mediator beizuziehen. Die Mediation sei jedoch daran gescheitert, dass der Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Krankenstand gewesen sei. Dem Wunsch des Klägers nach einer Versetzung habe nicht entsprochen werden können. Weitere Möglichkeiten, wie Kündigungen oder Entlassungen, seien der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt ohne weitere Aufbereitung des Sachverhalts nicht zumutbar gewesen.
Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Der Beklagten habe vor dem E Mail des Klägers vom nicht auffallen müssen, dass er Mobbinghandlungen ausgesetzt gewesen sei. Der Kläger habe vorher von der Beklagten auch nicht Abhilfe verlangt. Das Gespräch vom habe mit einer Patt Situation geendet. Die wechselseitigen Vorwürfe haben vom Verwaltungsleiter nicht gelöst werden können, weshalb die Kontaktaufnahme mit einem Mediator und eine weitere Besprechung angekündigt worden seien. Dass die Beklagte nicht aktiv an den Kläger herangetreten sei, um sich zu informieren, ob das Gespräch Erfolg gehabt habe, vermöge eine Verletzung der Fürsorgepflicht nicht zu begründen. Aus Sicht der Beklagten habe sich der Fall noch nicht in einem so fortgeschrittenen Stadium befunden, dass ein Streitschlichtungsmechanismus im Sinn der Beiziehung eines Mediators nicht mehr sinnvoll erschienen sei. Die Durchführung einer Mediation sei am Krankenstand des Klägers gescheitert. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch die Beklagte liege insgesamt nicht vor. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil im vorliegenden Fall eine Einzelfallbetrachtung gegeben sei.
Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist auch im Sinn der begehrten Aufhebung und Zurückverweisung berechtigt.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem Jahr 2001 beschäftigt. Sein Arbeitsplatz befand sich in einem Rehabilitationszentrum der Beklagten, in dem der Kläger seit 2005 als Hausarbeiter bzw als Portier zum Einsatz kam. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Kläger durch vorzeitigen Austritt zum beendet. Von der Beklagten wird nicht bestritten, dass dieser vorzeitige Austritt gerechtfertigt war.
Gegenstand des Verfahrens sind Schadenersatzansprüche des Klägers. Diese werden darauf gestützt, dass er während des Arbeitsverhältnisses durch verschiedene, über einen längeren Zeitraum gehende „Mobbinghandlungen“, gegen die von der Beklagten trotz Aufzeigens durch den Kläger keine Abhilfe geleistet worden sei, eine psychische Beeinträchtigung erlitten habe, die ärztlicher Behandlung bedurft habe und noch immer bedürfe. Dies habe beim Kläger zu einem Verdienstentgang, Fahrtkosten und pauschalen Unkosten geführt. Dazu seien noch Schmerzen infolge der psychischen Erkrankung gekommen, für die Schmerzengeld begehrt wird. Da die im seinerzeitigen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wurzelnde psychische Erkrankung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus wirke, wird neben der Zahlung des Schadensbetrags von insgesamt 7.183,64 EUR sA auch die Feststellung begehrt, dass die Beklagte für alle Schadenersatzansprüche hafte, die im Zusammenhang mit der psychischen Beeinträchtigung des Klägers stehen und durch Mobbinghandlungen der Arbeitskollegen hervorgerufen worden seien.
Bei „Mobbing“ handelt es sich um eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen und Kolleginnen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet (vgl Smutny/Hopf , Mobbing auf dem Weg zum Rechtsbegriff? Eine Bestandsaufnahme, DRdA 2003, 110 [112 ff mwN]; Hopf , Belästigung in der Arbeitswelt, in FS Bauer/Maier/Petrag 147; 8 ObA 59/08x; 9 ObA 86/08z ua). Für Mobbing ist das systematische, ausgrenzende und prozesshafte Geschehen über einen längeren Zeitraum typisch (vgl Posch , ZAS 2005/44, 266; Kolodej/Majoros , Mobbing und die Fürsorgepflicht des/der Arbeitgebers/in, DRdA 2010, 157; 8 ObA 59/08x; 9 ObA 86/08z; RIS Justiz RS0124076 ua), etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhaltung von Informationen, Rufschädigung etc (vgl 8 ObA 196/02k ua). Die große Bandbreite möglicher Mobbinghandlungen entzieht sich einer vollständigen Aufzählung. Einzelne (Teil )Aspekte, die bei Mobbing eine Rolle spielen, finden sich in anderen gesetzlichen Tatbeständen wieder (siehe zur Beeinträchtigung der Würde und zu einschüchternder, feindseliger oder demütigender Arbeitsumwelt die Belästigungstatbestände nach den §§ 6, 7, 21 GlBG; siehe auch die Erwähnung von „Mobbing“ in RV 307 BlgNR 22. GP 5, 12).
Die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts charakterisieren nach den vorstehenden Ausführungen ein typisches Mobbinggeschehen. Dieser Zwischenbefund löst allerdings den Fall noch nicht. Mit der 2. Dienstrechts Novelle 2009, BGBl I 2009/153, wurde im Bundesdienst (in Kombination mit dem Gebot des „achtungsvollen Umgangs“) ein „Mobbingverbot“ eingeführt (§ 43a BDG 1979; § 5 Abs 1 VBG ua). Mit diesem Verbot soll klargestellt werden, dass Mobbing eine Dienstpflichtverletzung darstellt. In diesem Zusammenhang soll nicht jede spontane Gemütsäußerung „auf die Goldwaage gelegt“, sehr wohl aber sollen Verhaltensweisen, die die menschliche Würde verletzen oder die dienstliche Zusammenarbeit und damit den Betriebsfrieden ernstlich stören, erfasst werden (RV 488 BlgNR 24. GP 9). Dass Mobbing nicht nur in Dienstverhältnissen zum Bund, sondern in jedem Arbeitsverhältnis verboten ist, bedarf keiner besonderen Erörterung. Zur eigenständigen Anspruchsgrundlage wurde Mobbing bisher allerdings anders als die Belästigungstatbestände des Gleichbehandlungsrechts (siehe etwa §§ 6, 7 iVm § 12 Abs 11 GlBG;§ 7d iVm § 7i BEinstG etc) noch nicht erhoben (vgl Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG § 7 Rz 14 ua). Das Kalkül „Mobbing“ gibt einem Fall somit zwar eine bestimmte Prägung; für die Begründung (oder Abwehr) von Schadenersatzansprüchen sind aber noch andere Überlegungen zu beachten.
Auch wenn „Mobbing“ keine eigenständige Anspruchsgrundlage ist, vermittelt der Begriff den Rechtsanwendern ein bestimmtes Bild von einem Geschehen und hilft, die über einen mehr oder weniger langen Zeitraum meist umfangreiche Abfolge von die Menschenwürde beeinträchtigenden Handlungen und Unterlassungen, denen ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz ausgesetzt war, unter einer Bezeichnung zusammenzufassen. Wenn es aber um konkrete Ansprüche geht, führt kein Weg an der Auseinandersetzung mit den konkreten Rechtsgutverletzungen, die im „Mobbingsachverhalt“ stecken, vorbei (vgl 9 ObA 94/05x ua). In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof auch bereits klargestellt, dass die rechtliche Würdigung eines als „Mobbing am Arbeitsplatz“ bezeichneten Sachverhalts vor allem unter dem Blickwinkel zu erfolgen hat, ob von den beteiligten Akteuren arbeitsrechtliche Pflichten verletzt wurden (9 ObA 86/08z ua). Der Kläger stützt sich nun darauf, dass die Beklagte als Arbeitgeber die sie treffende Fürsorgepflicht verletzt habe, weil sie gegen das von anderen Arbeitnehmern ausgehende und gegen ihn gerichtete Verhalten nicht eingeschritten sei (vgl Smutny/Hopf , DRdA 2003, 110 [115]; Posch , ZAS 2005/44, 268; 8 ObA 3/04f; 9 ObA 86/08z ua). Durch die dauernde Belastung aufgrund der nicht unterbundenen Mobbinghandlungen habe der Kläger eine psychische Erkrankung erlitten, für deren Folgen die Beklagte einzustehen habe.
Die erstmals in der außerordentlichen Revision des Klägers angestellte Überlegung, man könne sich allenfalls die Prüfung der Fürsorgepflichtverletzung der Beklagten ersparen, weil ohnehin ein „konstitutives Anerkenntnis“ vorliege, ist nicht zielführend. In erster Instanz hat der Kläger weder ein konstitutives Anerkenntnis seiner Schadenersatzansprüche durch die Beklagte behauptet, noch sich sonst erkennbar auf diese Anspruchsgrundlage gestützt. Was der Kläger in erster Instanz vorbrachte, war die Behauptung, dass die Beklagte den vorzeitigen Austritt des Klägers „akzeptiert“ habe. Die Schlussfolgerung des Klägers, dass „der Austrittsgrund“ berechtigt gewesen sei, ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, weil die Beklagte den Vorwurf der zu einer Gesundheitsschädigung des Klägers führenden Verletzung der Fürsorgepflicht gerade nicht akzeptierte und die daraus abgeleiteten Schadenersatzansprüche bestritt. Die Beklagte macht geltend, sie habe den vorzeitigen Austritt des Klägers „zur Kenntnis genommen“, weil sie die Hoffnung auf eine Rückkehr des Klägers aus dem Krankenstand aufgegeben habe. Über die näheren Motive der Beklagten muss hier nicht weiter spekuliert werden; die darauf aufbauenden Überlegungen des Klägers zum Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses können jedenfalls nach dem Vorbringen der Parteien zu keinem Erfolg führen.
Die geltend gemachten Schadenersatzansprüche drehen sich um die vom Kläger im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten erlittene und über die Beendigung hinaus fortwirkende psychische Erkrankung. Dass es sich dabei um einen Arbeitsunfall oder um eine Berufskrankheit des Klägers handle, macht niemand geltend. Der Kläger behauptet auch nicht, dass die Organe der Beklagten oder von diesen mit der Wahrnehmung der Fürsorgepflicht betraute Personen unmittelbar Mobbinghandlungen gesetzt haben. Die erlittenen Schäden sollen der Beklagten deshalb zurechenbar sein, weil sie ihre Fürsorgepflicht verletzt habe. Die Fürsorgepflicht (§ 1157 ABGB;§ 18 AngG) verpflichtet den Arbeitgeber nicht nur dazu, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer möglichst geschützt und auch andere immaterielle und materielle Interessen der Arbeitnehmer gewahrt werden, sondern auch dazu, die notwendigen Maßnahmen gegen das Betriebsklima gröblich beeinträchtigende Mitarbeiter zu ergreifen, insbesondere wenn deren Verhalten so weit geht, dass die Arbeitsbedingungen für andere Arbeitnehmer nahezu unzumutbar werden (vgl Marhold in Marhold/Burgstaller/Preyer , AngG § 18 Rz 51 f; 9 ObA 106/02g ua). Wenn dem Arbeitgeber Gefährdungen zur Kenntnis gelangen, hat er daher unverzüglich auf angemessene Weise Abhilfe zu schaffen (vgl Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser , Arbeitsrecht I 4 330 f; Krejci in Rummel , ABGB³ § 1157 Rz 31; Schrammel in Klang ³ § 1157 Rz 28; 9 ObA 230/02t; RIS Justiz RS0029841 ua).
Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Beklagte jedenfalls ab dem E Mail des Klägers vom an den Verwaltungsleiter des Rehabilitationszentrums und der nachfolgenden Besprechung vom in Kenntnis von fortgesetzten Beschimpfungen und Schikanen gegen den Kläger durch andere Mitarbeiter. Dass der Verwaltungsleiter die Beklagte als juristische Person bei der Wahrung der Fürsorgepflicht im Rehabilitationszentrum vertrat, ist in diesem Zusammenhang nicht strittig (vgl Marhold in Marhold/Burgstaller/Preyer , AngG § 18 Rz 5; 9 ObA 18/08z ua). Allenfalls könnte bereits ab den Beschwerden des Klägers bei dem für ihn zuständigen Werkmeister im Spätsommer 2008 von einer der Beklagten zurechenbaren Kenntnis von Beschimpfungen und Schikanen gegen den Kläger ausgegangen werden. Eine eindeutige Beurteilung dieses Aspekts ist jedoch mangels Erörterung in erster Instanz nicht möglich. Die mögliche Kenntnis der Beklagten „ab Spätsommer 2008“ fällt hier aber aufgrund der geringen zeitlichen Differenz gegenüber der unstrittigen Kenntnis jedenfalls ab nicht ins Gewicht.
Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, dass der Arbeitgeber in Bezug auf die Wahl der Mittel gegen ein bekannt gewordenes Mobbinggeschehen grundsätzlich frei ist (vgl Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG § 6 Rz 14 ua). Der beleidigte Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Beleidiger beendet. Er hat jedoch ein Recht darauf, dass der Arbeitgeber aktiv wird und die erforderlichen Mittel ergreift, um ihn vor weiteren Angriffen zu schützen. Dabei haben die Maßnahmen des Arbeitgebers unverzüglich zu erfolgen (vgl Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer , AngG § 26 Rz 206 ua). Nun wird nicht verkannt, dass voreilige Reaktionen des Arbeitgebers auf behauptete Verfehlungen eines Arbeitnehmers für den Arbeitgeber riskant sind (vgl RIS Justiz RS0028971, RS0029127 ua). Die Reaktionen des Arbeitgebers wollen daher gut überlegt sein (vgl Mazal , Mobbing Prävention ist Chefsache!, RdM 2007/44 ua). Untätigkeit führt aber bei Mobbing selten zum Erfolg, sondern wird häufig als „Freibrief“ missverstanden (vgl Smutny/Hopf , Ausgemobbt! - Wirksame Reaktionen gegen Mobbing² 213 ua). An einem Tätigwerden des Arbeitgebers führt daher in der Regel kein Weg vorbei. Für die Mobbingbetroffenen ist echter Schutz gefordert (vgl Binder in Löschnigg , AngG 8 § 18 Rz 70 ua).
Nach den Feststellungen wurde der Kläger über einen längeren Zeitraum wiederholt von anderen Arbeitnehmern der Beklagten beschimpft und schikaniert, sodass er sich immer mehr dem Punkt näherte, nicht mehr für die Beklagte am bisherigen Arbeitsplatz arbeiten zu können. Sobald dies der Beklagten bekannt wurde, war im Rahmen der sie treffenden Fürsorgepflicht ein rasches Einschreiten gefordert. Wie bereits erwähnt, ist der Arbeitgeber in der Wahl seiner Mittel, ein Mobbinggeschehen auf angemessene, aber wirksame Weise zu unterbinden, frei. Entschied sich der Verwaltungsleiter für Gespräche mit den Beteiligten, dann war dies jedenfalls zunächst ein grundsätzlich zulässiger Ansatz. Wird den Beteiligten bei solchen Gesprächen eine entschlossene Haltung des Arbeitgebers vermittelt, Mobbinghandlungen unter keinen Umständen zu tolerieren und notfalls alle zur Verfügung stehenden arbeitsrechtlichen Mittel auszuschöpfen, dann kann dies in bestimmten Fällen ausreichen.
Bis zur zweiten Besprechung vom ist der Beklagten zugutezuhalten, dass sie durch entsprechende Diensteinteilungen versuchte, den Kläger aus Konflikten mit den von ihm benannten Kollegen herauszuhalten, und gleichzeitig versuchte, durch Kontrollen das vom Kläger benannte Alkoholproblem im Dienst zu unterbinden. Spätestens aber bei der Besprechung vom erkannte der Verwaltungsleiter der Beklagten aufgrund der wechselseitig erhobenen Vorwürfe, dass er die Situation zwischen den Hausarbeitern nicht mehr selbst lösen könne. Er kündigte daher an, einen Mediator beizuziehen. Auch das kann noch im Rahmen der Wahlfreiheit des Arbeitgebers bezüglich zu ergreifender Mittel, um ein Mobbinggeschehen zu unterbinden, als in Betracht kommende Maßnahme angesehen werden. Gegenteiliges wurde jedenfalls nicht behauptet. Nach der Lage des Falls war aber zwingend rasches Handeln gefordert. Tatsächlich ist aber nichts mehr geschehen, um den Kläger ausreichend zu schützen. Plausible Gründe für das nur mehr halbherzige Agieren vermochte die Beklagte nicht aufzuzeigen. Allfällige Terminschwierigkeiten des von der Beklagten in Aussicht genommenen Mediators, der bis zum Jahresende nicht mehr zur Verfügung gestanden sein soll, reichen nicht aus, zumal er auch danach nicht bestellt wurde. Die Verhinderung des Mediators wäre ein Grund für die Beiziehung eines anderen Mediators oder für andere Initiativen der Beklagten zum Schutz des Klägers gewesen. Andere Maßnahmen wurden aber nicht ergriffen, weshalb die gegen den Kläger gerichteten Beschimpfungen und Schikanen bis zu seinem Dauerkrankenstand ab weiter gingen. Nach der Lage des Falls ist daher ab dem von einer Verletzung der Fürsorgepflicht durch die Beklagte auszugehen, weil sie trotz bekannt gewordener ernster Probleme des Klägers und dem Erkennen, dass bloße Gespräche nicht ausreichen, nur mehr halbherzig reagiert hat und nicht unverzüglich für ausreichende Abhilfe gesorgt hat.
Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Fürsorgepflicht und entsteht dem Arbeitnehmer ein Schaden, so trifft den Arbeitgeber eine Schadenersatzpflicht (vgl Pfeil in Schwimann , ABGB³ V § 1157 Rz 32; Marhold in Marhold/Burgstaller/Preyer , AngG § 18 Rz 120 ua). Der Kläger macht Gesundheitsschäden und damit zusammenhängenden Verdienstentgang und sonstige Kosten geltend, die auf die Verletzung der Abhilfeverpflichtung der Beklagten zurückzuführen sein sollen. Diese Schadenersatzansprüche unterliegen den allgemeinen Voraussetzungen des Schadenersatzrechts (vgl Mosler in ZellKomm² AngG § 18 Rz 132 ua), insbesondere auch in Bezug auf das Vorliegen eines Schadens und dessen Verursachung durch den Schädiger. Für beides trägt der Geschädigte die Beweislast. Der Kläger hat dazu auch entsprechende Behauptungen in erster Instanz aufgestellt, die von der Beklagten bestritten wurden. Dafür, dass beim Kläger eine psychische Erkrankung eingetreten ist, scheinen vom Kläger vorgelegte ärztliche Befunde zu sprechen. Konkrete Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts oder Außerstreitstellungen der Parteien dazu fehlen aber bisher. Da die vom Kläger behauptete psychische Erkrankung bisher nicht festgestellt wurde, wurden auch keine Feststellungen getroffen, wodurch diese Erkrankung nun tatsächlich verursacht wurde. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass seine psychische Erkrankung auf die von der Beklagten nicht unterbundenen Beschimpfungen und Schikanen zurückzuführen sei. Dies wurde von der Beklagten bestritten. Die Frage der Verursachung der vom Kläger verursachten Schäden harrt daher einer Klärung im zweiten Rechtsgang. Dabei ist auf den Zeitraum der Verletzung der Fürsorgepflicht ab abzustellen.
Dass das Unterlassen der im Rahmen der Fürsorgepflicht gebotenen Abhilfe durch den Arbeitgeber rechtswidrig ist, bedarf keiner besonderen Erörterung. Dass die Beklagte ohne ihr Verschulden gehindert war, die Abhilfeverpflichtung zu erfüllen, wäre gemäß § 1298 ABGB von ihr zu beweisen gewesen (vgl Schrank , Renaissance der Fürsorgepflicht, ZAS 2004/43; Pacic , Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im Lichte der Rechtsprechung, ZAS 2010/26, 149; 9 ObA 118/03y ua). Dieser Beweis ist nicht gelungen. Für ein allfälliges Mitverschulden des Klägers an den von ihm behaupteten Gesundheitsschäden gibt es keine Anhaltspunkte.
Zusammenfassend erweist sich die Revision des Klägers somit vorerst insoweit als berechtigt, als entgegen der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen von einer Verletzung der Fürsorgepflicht durch die Beklagte infolge Unterlassung der gebotenen Abhilfe auszugehen ist. Die Rechtssache ist allerdings noch nicht spruchreif, sondern bedarf einer weiteren Klärung im voraufgezeigten Sinn. Es ist daher spruchgemäß die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht anzuordnen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2012:009OBA00131.11X.1126.000