OGH vom 29.11.2017, 8ObA29/17y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ulrike Hammerschmidt und Helmut Frick in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dkfm. J***** B*****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S***** AG *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 21.694,55 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 121/16m-13, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Text
Begründung:
Der Kläger war bis bei der Beklagten beschäftigt, mit trat er in den Ruhestand. Er bezieht eine Leistung aus einer überbetrieblichen Pensionskasse.
Im Jahre 2012 stimmte der Betriebsrat einer Abänderung der bestehenden Pensionskassen-Betriebsvereinbarung durch Entfall der darin enthaltenen Mindestbeteiligungsklausel zu. Dies ermöglichte der Beklagten einen Verkauf ihrer Anteile. Im Gegenzug verpflichtete sich die Beklagte, für jene Arbeitnehmer, die per und zum Zeitpunkt des Closings zu ihr in einem aufrechten Dienstverhältnis standen, einen Sonderbeitrag in die Pensionskasse zu zahlen.
Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, auch für ihn an die Pensionskasse in seine Deckungsrückstellung einen entsprechenden Sonderbeitrag zu zahlen. Die Beklagte bestreitet eine solche Verpflichtung.
Das Klagebegehren blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf:
1. Nach § 18 Abs 1 und 2 BPG hat der Arbeitgeber den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einzuhalten und ist er verpflichtet, „bei Einschränkung oder Widerruf von Rechten nach diesem Bundesgesetz Leistungs- und Anwartschaftsberechtigte nach ausgewogenen, willkürliche oder sachfremde Differenzierungen zwischen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen ausschließenden Grundsätzen zu behandeln.“
Nach § 18 Abs 2 BPG muss er „bei Leistungszusagen gemäß Abschnitt 2 oder 2a BPG den Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen des Betriebes eine ausgewogene, willkürliche und sachfremde Differenzierungen ausschließende Beteiligung am Pensionskassensystem oder System der betrieblichen Kollektivversicherung ermöglichen“.
2. § 18 BPG wird grundsätzlich als Ausformulierung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verstanden (RISJustiz RS0038343 [T1]).
Ob die hier maßgebliche Regelung des § 18 Abs 2 BPG auf Fälle einer einmaligen Sonderdotierung in die Pensionskasse überhaupt anzuwenden ist, muss hier nicht untersucht werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz schließt es nämlich nicht aus, unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Leistungen zu gewähren, wenn sie nur in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen (AB 1318 BlgNR 17. GP 6; Resch in ZellKomm² § 18 BPG Rz 2).
Der in § 18 Abs 1 BPG hervorgehobene Fall der Einschränkung von Leistungen liegt hier nicht vor.
Pensionierte Dienstnehmer gehören, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, überhaupt nicht mehr zur Belegschaft der Arbeitnehmer und werden nicht mehr vom Betriebsrat vertreten (stR; RIS-Justiz RS0021539 [T4]). Betriebsvereinbarungen können deshalb, selbst wenn sie rückwirkend abgeschlossen wurden, für zum Abschlusszeitpunkt bereits aus dem Betrieb ausgeschiedene Arbeitnehmer in der Regel weder Rechte begründen noch abändern (9 ObA 170/99m; 8 ObA 187/05y).
Der Arbeitgeber könnte sich daher mangels einer Regelungskompetenz des ihm gegenüber stehenden Betriebsrats durch Betriebsvereinbarung nicht wirksam zu einer Leistung eines Sonderbeitrags für bereits ausgeschiedene, gegenüber der Pensionskasse leistungsberechtigte Arbeitnehmer verpflichten.
3. Der Kläger kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass sein Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung (gerade) noch aufrecht war. Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert den Arbeitgeber nämlich nicht daran, in zeitlicher Hinsicht bei Leistungen zu differenzieren.
Entscheidend ist, ob der Behandlung der bessergestellten Arbeitnehmer ein erkennbares und generalisierbares Prinzip zugrundeliegt (RISJustiz RS0060204 [T4; T 5]). Damit steht die Ansicht des Berufungsgerichts im Einklang, dass keine Verpflichtung der Beklagten bestand, die zugunsten der Anwartschaftsberechtigten vereinbarte Sonderleistung, in welcher Form auch immer, auch den ausgeschiedenen Dienstnehmern und jenen, die nicht die in der Betriebsvereinbarung normierten Stichtagsvoraussetzungen erfüllen, zu gewähren.
4. Die Überlegungen des Revisionswerbers, dass er als ehemaliger Angestellter „in die Rechtsposition des Betriebsrats als Partner der Betriebsvereinbarung eingetreten“ sei, lassen nicht erkennen, woraus er im Stadium der Leistungsberechtigung noch eine – unmittelbare oder abgeleitete – rückwirkende Kompetenz zu Nachforderungen aus dem Anwartschaftsverhältnis ableitet.
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass eine einmalige Sonderdotierung zur Deckungsrückstellung nur für zu einem bestimmten Stichtag aktive Arbeitnehmer keine unsachliche Ungleichbehandlung darstellt, ist nicht korrekturbedürftig (vgl 9 ObA 64/17b).
Soweit sich der Kläger auf jene Nachteile beruft, die ihm aus dem Wechsel aus einer ursprünglich direkten Leistungszusage in eine beitragsorientierte Pensionskassenzusage mit schlechter Performance entstanden seien, ist dies für die hier zu prüfenden Fragen ohne Relevanz.
5. Wenn der Kläger damit argumentiert, dass der Betriebsrat mit dem Verzicht auf die Mindestbeteiligungsklausel eine Regelung zu Lasten der Leistungsberechtigten getroffen habe, ist er auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts zu verweisen.
Der ausgeschiedene Arbeitnehmer tritt nicht in den zwischen dem Betriebsinhaber und dem Betriebsrat wirkenden schuldrechtlichen Teil der Pensionskassenbetriebsvereinbarung ein; es steht ihm im vorliegenden Fall daher kein schuldrechtlicher Anspruch auf bestimmte Beteiligungsverhältnisse an der Pensionskasse zu.
Eine Verschlechterung der Rechtsposition des Klägers ist daraus auch nicht ersichtlich, insbesondere wird er durch die Sonderdotierung für die aktiven Arbeitnehmer in keiner Weise belastet und werden seine bestehenden Ansprüche nicht eingeschränkt.
6. Erfüllungs- oder Schadenersatzansprüche macht der Kläger im vorliegenden Fall nicht geltend, sodass die darauf bezogenen Revisionsüberlegungen auf sich beruhen können.
7. Wäre die Betriebsvereinbarung mangels gehöriger Kundmachung überhaupt nicht wirksam geworden, wie der Kläger eventualiter ins Treffen führt, würde dies eine Klagsstattgebung jedenfalls ausschließen. Welche Ansprüche dem Kläger aus einer nicht wirksam abgeschlossenen Betriebsvereinbarung erfließen sollten, vermag die Revision nicht nachvollziehbar darzustellen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00029.17Y.1129.000 |
Schlagworte: | ;Arbeitsrecht; |
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