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OGH vom 22.05.2018, 11Os19/18f

OGH vom 22.05.2018, 11Os19/18f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roswitha P***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 37 Hv 135/16m-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte Roswitha P***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2 StGB (I./), des Verbrechens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1, Abs 2 StGB (II./) und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 288 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat sie in I***** und andernorts

I./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen zu verleiten versucht, und zwar

1./ den erkennenden Richter im Verfahren zu AZ ***** des Landesgerichts I***** zur Abweisung der Klage des Otto E*****, der einen Betrag in Höhe von 54.300 Euro geltend machte,

a./ im Jahr 2012 durch die Vorlage einer gefälschten Urkunde, nämlich eine Vereinbarung zwischen ihr und E*****, die sie auf einem Zettel mit einer Blankounterschrift des E***** verfasste, wonach sie berechtigt wäre, den gesamten Auszahlungsbetrag der Privatpension und zwei Drittel der Abfertigungssumme von dessen Konto zu beheben,

b./ am durch Vorlage einer verfälschten Urkunde, indem sie in die von E***** am unterfertigte Bestätigung nachträglich wahrheitswidrig einfügte, sie habe E***** an diesem Tag einen Betrag von 51.000 Euro übergeben sowie

c./ am „durch Vorlage eines falschen Beweismittels, nämlich einer unrichtigen Urkunde, sie habe von Claudia K***** zum Zweck der Rückzahlung eines Betrags von 51.000 Euro an E***** einen Betrag von 10.000 Euro geliehen“;

2./ am , indem sie hinsichtlich des Entstehungsorts und Zeitpunkts des Schadens an ihrem Pkw wahrheitswidrig angab, dass dieser am von Fahrija D***** verursacht wurde, den erkennenden Richter im Verfahren zu AZ ***** des Bezirksgerichts S***** zur Verurteilung der D***** zur Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 887,86 Euro;

II./ am anlässlich der Ablegung des Eides im Verfahren AZ ***** des Bezirksgerichts S***** durch die davon umfasste Angabe, die Beschädigung auf der Motorhaube sei am durch das Öffnen eines Fensterladens durch D***** entstanden, einen in § 376 ZPO vorgesehenen Eid vor Gericht falsch geschworen;

III./ im April 2012 Claudia K***** zur Ablegung einer falschen Beweisaussage vor Gericht zu bestimmen versucht, indem sie diese bat, im Zuge ihrer Vernehmung als Zeugin im Verfahren AZ ***** des Landesgerichts I***** wahrheitswidrig anzugeben, dass sie vor dem Treffen mit E***** im November 2011 Bargeld in Höhe von 57.000 Euro oder 58.000 Euro bei sich gehabt und dieses im Auto gezählt habe.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also über schuld- oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS-Justiz RS0106268). Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1, Abs 2 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS-Justiz RS0118316). Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS-Justiz RS0116732, RS0118317). In Bezug auf alle diese Fehlerkategorien ist die Beschwerde nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS-Justiz RS0119370).

Diese Vorgaben missachtet die Mängelrüge zur Gänze.

Die die Schuldsprüche tragenden Feststellungen (US 5 bis 8) stützten die Tatrichter – unter Berücksichtigung der Verantwortung der Angeklagten – willkürfrei (vgl RIS-Justiz RS0098362) auf eine

vernetzte Betrachtung sämtlicher Verfahrensergebnisse, insbesondere auf die Aussagen der Zeugen E***** und K***** und daraus gezogene Wahrscheinlichkeitsschlüsse (US 8 bis 20).

Indem die Mängelrüge zu I./1./b./ und III./ bloß einzelne Elemente der tatrichterlichen Argumentationskette isoliert herausgreift, sie für zur Begründung des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen unzureichend (Z 5 vierter Fall) hält und sie als „unstatthafte Vermutungen“ zu Lasten der Angeklagten bezeichnet, ohne an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen, bringt sie den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung

.

Das Schöffengericht ist nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO von vornherein nur zu einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe, jedoch nicht dazu verhalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Zeugenaussagen und sonstiger Beweise zu erörtern, weswegen auch der Vorwurf, die Aussage der Zeugin Dr. St***** sei zum Teil übergangen worden, ins Leere geht (vgl US 14, 15; RIS-Justiz RS0106642).

Nicht prozessordnungsgemäß, weil nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe orientiert, ist die zu I./1./a./ (US 11 ff) aufgestellte bloße Behauptung einer „rein willkürlichen Annahme“. Dies trifft auch auf die zu I./2./ und II./ erhobene Kritik, das Erstgericht hätte der Angeklagten „unterstellt“, dass sie das Schadensdatum im Wissen um die drohende Verjährung festgelegt habe, zu (US 9 bis 11).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) bekämpft mit den Verweisen auf eine Aussagepassage der Zeugin K*****, die Angeklagte hätte einen „Pack mit eingeschweißten 500-Euroscheinen in der Hand gehabt“, auf die Verantwortung der Angeklagten und mit der Behauptung, die Zeugin wäre allenfalls nicht außerstande gewesen, der Angeklagten 10.000 Euro zu leihen, lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung, ohne erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsannahmen zu wecken. Lediglich über dieser Schwelle liegende Bedenken sind aber Maßstab des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes, weil die Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden (also schuld- oder subsumtionsrelevanten) Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung – im Übrigen durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen – verhindern will (RIS-Justiz RS0119583, RS0118780).

Die Beschwerde kritisiert überdies nach Art einer Aufklärungsrüge die unterbliebene amtswegige „Nachforschung“, ob „einer Privatperson … eine Einschweißung von Geldscheinen“ überhaupt „theoretisch“ möglich wäre, die gleichfalls unterbliebene „weitergehende Befragung der Zeugin K*****“ sowie der Zeugin D***** und die Nichtdurchführung eines Ortsaugenscheins, legt aber nicht dar, wodurch die Beschwerdeführerin an entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war.

Damit verkennt die Rechtsmittelwerberin die unter dem Aspekt der Sachverhaltsermittlung bestehende Subsidiarität der Aufklärungs- gegenüber der Verfahrensrüge (RIS-Justiz RS0115823; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 477 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00019.18F.0522.000

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